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2 BEGRÜNDUNGEN FÜR DEN SCHUTZ GEISTIGER EIGENTUMSRECHTE

2.1 Eigenschaften der Immaterialgüter - immaterielle Güter als öffentliche Güteröffentliche Güter

Die Notwendigkeit des Schutzes von geistigen Eigentumsrechten hängt mit deren Eigenschaften zusammen. Immaterialgüter zeichnen sich - wie der Name schon sagt - zunächst durch ihre geistige, un-körperliche Natur aus. Sie repräsentieren jedoch nicht einfach nur körperliche Dinge, wie es etwa der Rechtsbegriff der Forderung tut, sondern sie haben selbst einen geistigen, immateriellen Wert. Sie sind von Zeit und Ort unabhängig, d.h. sie können zur selben Zeit an ver-schiedenen Orten dargestellt und genutzt werden, wobei dies belie-big oft wiederholt werden kann. Die Nutzung führt nicht zum “Auf-brauchen” oder zur Abnutzung des immateriellen Gutes. Geistige Güter können auf verschiedene Arten mitgeteilt werden, sind also von den verschiedenen Mitteilungsformen unabhängig. Eine Erfin-dung kann in einer Patentschrift, einer Maschine oder einem End-produkt dargestellt sein. Ein literarisches Werk kann auf dem Papier - z.B. in Form eines Buches - erscheinen oder auch auf der Bühne, im Radio, Fernsehen oder Kino dargestellt werden. Soll ein Immaterial-gut umfassend vor Nachahmung geschützt werden, so muss es un-abhängig von einer bestimmten Mitteilungsform geschützt werden.

Wird an einer körperlichen Sache, in welcher das geistige Gut reprä-sentiert ist, Eigentum erworben, bedeutet das in der Regel nicht den Eigentumserwerb des Immaterialgutes141. Immaterialgüter sind nur während einer bestimmten Zeit rechtlich geschützt, danach sind sie Gemeingut. Die Ausnahme bildet die Marke, deren Hinterlegung zwar nur während einer bestimmten Schutzperiode gültig ist, jedoch beliebig oft erneuert werden kann.

Ein besonderes Merkmal der immateriellen Güter ist ihr Frei-sein von Zeit und Ort, ihre potentielle Ubiquität142. Immaterielle Gü-ter können genutzt werden, ohne irgendwo anders entbehrt werden zu müssen. Diejenigen, welche ein solches Gut gleichzeitig nutzen, behindern sich dabei nicht. Darüber hinaus können geistige Güter nicht wie viele körperliche Gegenstände abgenutzt und verbraucht werden, sondern sie gewinnen durch die häufige Nutzung eher noch ___________

141 Vgl. dazu Chrocziel, S. 4.

142 Troller, IGR I, S. 55.

an Wert143. Anders als bei materiellen Gütern kann die Schöpferin eines immateriellen Gutes Dritte von der Nutzung nur solange aus-schliessen und damit eine unbegrenzte Herrschaft darüber ausüben, wie sie es verborgen hält und keinem Dritten preisgibt144. Kann je-doch die Schöpferin sich die unbeschränkte Herrschaft nur durch Geheimhaltung sichern, so bleibt ihr die wirtschaftliche Verwertung des Gutes, die in aller Regel eine zentrale Stellung einnimmt, versagt.

Durch die Offenbarung des geistigen Gutes wird all jenen, die davon Kenntnis genommen haben, im Prinzip auch die Nutzung ermög-licht. Technische Erfindungen können nachgeahmt werden, ohne dass dem Erfinder dafür ein Entgelt zukommt und er seine For-schungs- und Entwicklungskosten amortisieren kann, welche die Nachahmer nicht in ihre Absatzpreise miteinbeziehen müssen. Ähn-liche oder gleiche Produkte können unter demselben Warenzeichen vermarktet werden und dem Unternehmen, welches die Marke zu-erst benutzt hat, unter Umständen grossen materiellen und immate-riellen Schaden zufügen. Ausserdem können die Konsumenten da-durch über die Herkunft, bestimmte Eigenschaften und Qualitäten der Markenprodukte getäuscht werden.

Das Immaterialgut besitzt Eigenschaften eines öffentlichen Gutes145. Ein solches ist dadurch gekennzeichnet, dass eine gleichzei-tige Nutzung des Gutes ohne Behinderung anderer Nutzer möglich ist und Dritte von der Nutzung nur schwer oder gar nicht ausge-schlossen werden können146. Im Gegensatz zu privaten Gütern kann sich für öffentliche Güter auf dem Markt kein spontaner Preismecha-nismus, keine Wechselwirkung von Angebot und Nachfrage heraus-bilden, da Nichtzahlende (freerider) nicht von der Nutzung ausge-schlossen werden können. Der Aufwand der Schöpfung des geistigen Gutes sei es geistigkreative Tätigkeit oder finanzielle Investition -wird nicht oder nur mangelhaft entschädigt, da die Konsumenten freien Zugang zu dem Gut haben und daher nicht bereit sein werden, eine Nutzungsentschädigung zu bezahlen. Aus der Sicht der Schöp-fer geistiger Güter wird der Anreiz zur Schaffung und Vermarktung ___________

143 Z.B. die Kennzeichenrechte, vgl. Schönherr, S. 73.

144 Beim körperlichen Gut ermöglicht allein das Innehaben des Gutes den Ausschluss Dritter; ein Immaterialgut kann grundsätzlich von einer unbegrenzten Zahl an Menschen innegehabt bzw.

genutzt werden. Über das immaterielle Gut kann nur allein verfügt werden, wenn es geheimge-halten wird (Schönherr, S. 82).

145 Diesem Ansatz folgt auch Besen bei seiner Untersuchung von 1987 über die Auswirkungen neuer Technologien auf den Immaterialgütermarkt.

146 Siehe etwa die Definition von Samuelson, The Pure Theory of Public Expenditure, 1954, S.

387 (zitiert nach Besen, S. 1).

solcher Güter geringer. Ohne rechtliche Regulierung läge bezüglich geistiger Güter Marktversagen vor147. Es muss dabei aber bedacht werden, dass geistige Güter in aller Regel nicht “im luftleeren Raum”

entstehen, sondern sich die schöpferisch Tätigen auf Wissen und Werke anderer stützen und darauf aufbauen. Die geistigen Leistun-gen sind auch jenen zu verdanken, die zuvor zum technischen Wis-sen und Kulturgut, das zum Gemeingut geworden ist, beigetragen haben. Eine Möglichkeit zur Behebung dieses Marktversagens ist die Einführung von privaten Rechten, von Immaterialgüterrechten. Im-materialgüterrechte stellen nicht die einzige Möglichkeit zur Behe-bung des Marktversagens dar148. Denkbar wäre auch die staatliche Herstellung von Immaterialgütern, wobei man wohl mit Recht deren wirtschaftliche Effizienz anzweifeln darf, oder aber die Ausrichtung von staatlichen Subventionen für die Forschung und für kulturelle Institutionen. Letzteres wird in den meisten Ländern praktiziert, wenn auch nicht explizit als Bestandteil des Schutzes von Immateri-algütern. Subventionen sind daher nicht als Ersatz, sondern eher als Ergänzung des Immaterialgüterrechts zu sehen.

Über die ökonomischen Wirkungen eines Schutzsystems für Immaterialgüterrechte bzw. dessen Fehlen bestehen wenig gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, dafür aber umso mehr kontroverse Ansichten. Bisherige Untersuchungen, ob nationaler und internatio-naler Immaterialgüterschutz die Forschungs- und Entwicklungstä-tigkeit signifikant verstärkt oder ob uneingeschränkter Wettbewerb stärkere Anreize für Erfindungstätigkeit und Innovation auslöst, ha-ben zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt149. Viele Untersu-chungen über die Auswirkungen von Verletzungen von Immaterial-güterrechten konzentrieren sich einseitig auf die Anbieterseite150. ___________

147 Anmerkungen zur wohlfahrtsökonomischen Sicht und zum Wissen als Gut mit öffentlichem Charakter bei Hauser/Schanz, S. 224ff.

148 So auch Besen, S. 15ff.

149 Hauser/Schanz, S. 225 sowie z.B. Kamien/Schwartz, Market Structure and Innovation, New York 1982; Paul A. David, Intellectual Property Institutions and the Panda’s Thumb: Patents, Copyrights, and Trade Secrets in Economic Theory and History, In: Global Dimensions of In-tellectual Property Rights in Science and Technology, Washington D.C. 1993, S. 19ff. Zu den ökonomischen Wirkungen des Immaterialgüterrechts, dargestellt am Beispiel des Patentrechts m.w.Nachw. Christians, S. 80ff. Taylor/Silberston (The economic impact of the patent system -a study of the British experience, C-ambridge 1973) -an-alysierten 1973 die wirtsch-aftlichen Aus-wirkungen des britischen Patentsystems und kamen dabei zum Schluss, dass das damals be-stehende System einem System der Zwangslizenzen und damit einer Schwächung des Pa-tentsystems vorzuziehen sei. Insbesondere die einseitige Schwächung des britischen Patent-systems könnte wirtschaftliche Nachteile verursachen.

150 So beispielsweise die vielzitierte Untersuchung der U.S. International Trade Commission von 1988 (dazu unten Teil II, 4.1.).

Wie auch immer künftige Forschungsergebnisse ausfallen werden, es kann wohl kaum damit gerechnet werden, dass der Schutz von Im-materialgüterrechten wieder aufgegeben wird. Ein Grund dafür ist, dass die Existenz der Schutzrechte nicht primär aus wirtschaftlichen Optimalitätsüberlegungen hergeleitet ist, sondern aus natur- und grundrechtlichen Überlegungen.

2.2 Individualrechtlicher oder gemeinwohlorientierter Ansatz - Interessen am Schutz immaterieller Güter

Die traditionellen Theorien zur Begründung des Schutzes geistigen Eigentums gehen entweder von einer ethisch-moralisch naturrecht-lichen Begründung oder einer Rechtfertigung, die auf dem öffentnaturrecht-lichen Interesse oder der wirtschaftlichen Notwendigkeit beruht, aus151.

Gemäss einem rein naturrechtlichen Ansatz steht jedem Men-schen, jedem geistig Schaffenden ein ureigenes Recht am Ergebnis und am Wert seiner Leistung zu152. Dies soll einer moralischen Ver-pflichtung und der Gerechtigkeit entsprechen. Gemäss dieser Natur-rechts- oder Eigentumstheorie hat die Rechtsordnung ein Eigen-tumsrecht und damit ein ausschliessliches Recht an den eigenen Ideen zu garantieren. Dem Urheberrecht wurde dabei zusätzlich noch ein persönlichkeitsrechtlicher Aspekt zugesprochen. Die Natur-rechtstheorie vermochte nicht zu überzeugen und war mit erhebli-chen Unstimmigkeiten behaftet. Eine konsequente Anwendung der Eigentumstheorie im Sinne, dass jeder ein natürliches Recht am Wert seiner Arbeit hat, wird schnell problematisch. Jede unfreiwillige Ab-gabe nur eines Teils der individuell geleisteten Arbeit müsste als Enteignung gelten (z.B. Steuern). Schliesslich ist es fraglich, wann oder ob überhaupt von einer eigenständigen individuellen Leistung gesprochen werden kann, da Erfindungen oder andere Schöpfungen immaterieller Güter immer auf irgendeine Weise auf bereits Beste-hendem aufbauen, sei es auf konkreten früheren Erfindungen oder generell auf der technischen und kulturellen Entwicklung sowie auf den Ausbildungsgrundlagen einer Gesellschaft. Nicht einsichtig ist auch, weshalb ein Naturrecht nach 10, 20, 70 oder sonst einer be-stimmten Anzahl Jahren erlöschen soll. Die heftigste Kritik kam von Seiten der Ökonomen, da die naturrechtliche Begründung jegliche ___________

151 Zur Unterscheidung von naturrechtlicher und gemeinwohlorientierter Begründung des Immate-rialgüterschutzes siehe auch Christians, S. 78ff.

152 Hubmann, Recht des schöpferischen Geistes, S. 7.

Argumentation hinsichtlich der wirtschaftlichen und gesellschaftli-chen Nützlichkeit geistiger Eigentumsrechte ausschloss153. Die na-turrechtliche Theorie wird heute kaum mehr als Rechtfertigung für den Schutz geistiger Eigentumsrechte angeführt, zumindest nicht als einzige Rechtfertigung. Übriggeblieben ist aber der Begriff des geisti-gen Eigeisti-gentumsrechts, wobei sich der Inhalt desselben nicht mehr mit der ursprünglichen Idee deckt154.

Die Theorien der zweiten Kategorie versuchen, wirtschaftliche Überlegungen in den Vordergrund zu rücken. Die zuvor dargestell-ten individualrechtlich-naturrechtlichen Überlegungen spielen aber nach wie vor eine Rolle.

Gemäss derBelohnungstheorie155ist es ein Gebot der Gerech-tigkeit, jede Person, die für die Allgemeinheit Dienste leistet, nach der Nützlichkeit dieser Leistungen zu belohnen. Damit klingt in die-sem Ansatz die naturrechtliche Begründung nach. Es ist aber er-kennbar, dass im Recht selbst bereits eine Abwägung der Rechte mit jenen anderer Beteiligter vorgenommen wurde. Um Erfindern, wel-che der Gesellschaft nützliwel-che Leistungen erbringen, eine angemes-sene Belohnung zu sichern, sollen ihnen zeitlich befristete Monopol-rechte in Form von PatentMonopol-rechten gewährt werden. Diese Theorie wurde erstaunlicherweise vor allem von den englischen klassischen Nationalökonomen vertreten, welche ansonsten Monopole als schäd-lich ablehnten, Patente jedoch als für die Gesellschaftsordnung not-wendig betrachteten156. Die Gewährung von Monopolrechten sei auch die wirksamste und kostengünstigste Massnahme zur Beloh-nung der Erfinder157. Problematisch ist allerdings die Sichtweise, dass die Belohnung, die beispielsweise ein Erfinder im Form eines Monopolrechtes an seinem patentierten Produkt erhält, in einem an-gemessenen Verhältnis zur gesellschaftlichen Nützlichkeit dieses Produkts stehen soll. Dies würde erfordern, die Angemessenheit der Belohnung generell und im Einzelfall zu definieren, was kaum prak-tikabel ist. Die Höhe der Schutzdauer ist generell festgelegt und das Schutzrecht wird entweder in vollem Umfang gewährt oder gar ___________

153 Zur Kritik an der Naturrechtstheorie Machlup, S. 377f. und 479.

154 Die naturrechtlichen Hintergründe des geistigen Eigentums hat kürzlich Alberto Donati (Natural Law and Intellectual Property, UFITA Bd. 137/1998, S.65ff.) in Erinnerung gerufen.

155 Vgl. Machlup, S. 377.

156 So meinte Adam Smith, dass, obwohl Monopole “notwendigerweise gemeinschädlich” seien, die Gewährung von befristeten Monopolen an Erfinder eine gutes Mittel sei, diese für ihr Risiko und ihre Ausgaben zu belohnen (zitiert bei Machlup, S. 376).

157 So Jeremy Bentham, zitiert bei Machlup.

nicht158. Auf diese Theorie wird heute praktisch nicht mehr zurück-gegriffen.

Die Anspornungstheorie159 basiert auf der Annahme, dass industrieller und wirtschaftlicher Fortschritt Erfindungen und insbe-sondere die industrielle Verwertung von Erfindungen erfordert. Oh-ne Erfindungsschutz würden weniger Erfindungen und Innovatio-nen vollbracht bzw. würden diese nur unzureichend verwertet, da Erfinder und insbesondere ihre Geldgeber (in der Regel Unterneh-men) mit keinen oder nur geringen Gewinnen aus ihrer Tätigkeit rechnen dürften, wenn die Ausnutzung der Innovationen und des technischen Know-how der Unternehmen allen Wettbewerber sofort offen stehen würde. Die Einführung zeitlich begrenzter Monopol-rechte an Erfindungen sei die einfachste, billigste und wirkungsvoll-ste Weise, Anreize zu erfinderischer Tätigkeit zu generieren und die Gewinnerwartungen zu erhöhen. Der Gerechtigkeitsaspekt, der in der Belohnungstheorie und insbesondere der Naturrechtstheorie noch vorhanden war, ist hier nicht ausschlaggebend. Auch gegen diese Theorie wurde eine Reihe von Gegenargumenten dahingehend vorgebracht, dass Innovation und kreative Tätigkeit eines solchen Ansporns nicht bedürften160. Verwandte Ansätze sehen die Funktion des Patentschutzes nicht bloss in der Anregung der Erfindungstätig-keit, sondern in der Förderung von Neuerungen und Investitio-nen161. Es gibt bis heute keine wissenschaftliche Analyse oder empi-rische Untersuchung, welche die Meinung, das Patentsystem habe den Fortschritt der Technik und die Produktivität der Wirtschaft ent-scheidend gefördert, schlüssig bestätigt oder widerlegt162. In der modernen nationalökonomischen Literatur scheint die Anspornungs-theorie am meisten Anerkennung zu finden163, obwohl bis heute die Kritik an der Gewährung von Monopolrechten zur Verwertung im-materieller Güter nicht versiegt ist. Mangels einer besseren Lösung wird das heutige Schutzsystem mit mehr oder weniger kritischer Haltung aber akzeptiert und als gegeben betrachtet.

Die Vertragstheorie unterstellt den Abschluss eines Aus-tauschvertrags zwischen Erfinderin und Allgemeinheit, in welchem ___________

158 Vgl. dazu Machlup, S. 382f., weitere kritische Bemerkungen S. 479f.

159 Vgl. a.a.O.

160 A.a.O., S. 378f. und 480f.

161 A.a.O., S. 480f. Insbesondere im Hinblick auf die Förderung von Investitionen muss man sich fragen, ob das Immaterialgüterrecht ein Recht zum Schutz bestimmter Investitionen sein soll bzw. darf.

162 Diese Aussage von Machlup (S. 537) hat heute noch Gültigkeit.

163 Vgl. Machlup, S. 384ff.

die Erfinderin den Besitz an geheimem Wissen aufgibt, um dafür ein befristetes Monopolrecht zur Verwertung dieses Wissens zu erhalten.

Es wird davon ausgegangen, dass ohne Erfindungsschutz neues technisches Wissen geheimgehalten wird und es dadurch erst zu ei-nem viel späteren Zeitpunkt für die Allgemeinheit nutzbar wird.

Neues technisches Wissen könnte sogar, etwa mit dem Tod der Er-finderin, nie an die Öffentlichkeit gelangen. Durch diese Art Aus-tauschvertrag würde die Erfinderin zur Offenbarung ihrer techni-schen Errungenschaften angeregt. Gegner dieser Theorie führen un-ter anderem an, dass ein Patentschutzsystem die Geheimhaltung eher fördert als verhindert164.

Die oben genannten Theorien sind vornehmlich auf Patent-und Urheberrechte ausgerichtet. Markenrechte unterliegen einer an-deren Rationalität. In den modernen marktwirtschaftlichen Ordnun-gen ist der funktionierende Wettbewerb von grundleOrdnun-gender Bedeu-tung. Ziel der rechtlichen und politischen Massnahmen ist es, die wirtschaftliche Wohlfahrt zu maximieren und das dabei erwirtschaf-tete Einkommen gerecht zu verteilen, wobei die Freiheit des Wett-bewerbs so weit als möglich gewahrt werden soll. Für die Gewährlei-stung der wettbewerblichen Ordnung sind die Vorschriften des Mar-kenrechts und des Lauterkeitsrechts von Bedeutung.

Über die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Marken-schutzes bestehen keine klaren wissenschaftlichen Erkenntnisse165. DasMarkenrecht wird mit dem Schutz der unternehmerischen Lei-stung, deren Symbol die Marke darstellt, begründet. Marken sollen in erster Linie zur Unterscheidung von Produkten dienen (Unter-scheidungs- bzw. Individualisierungsfunktion) und über deren Her-kunft Aufschluss geben (HerHer-kunftsfunktion)166. Diese grundlegende Funktionenlehre erschien im Laufe der Zeit ungenügend, und es wurden weitere Markenfunktionen entwickelt, die rechtlich ge-schützt werden sollten, beispielsweise die Verbraucherschutzfunkti-on oder insbesVerbraucherschutzfunkti-ondere die Qualitätssicherungs- oder Garantiefunkti-on, welche aber kaum überzeugen konnten167. Neuere Ansätze ver-suchen, unabhängig von den traditionellen Funktionstheorien, neue ___________

164 A.a.O., S. 379, 383 und 478f.

165 Vgl. Henning-Bodewig/Kur, S. 45ff. So können Marken die Markttransparenz erhöhen oder senken, den Wettbewerb fördern oder zur Konzentration beitragen, das Preisniveau steigern oder senken und sich positiv oder negativ auf das Qualitätsniveau auswirken (a.a.O., S. 56).

166 Zu den klassischen Funktionenlehren Schluep, Das Markenrecht als subjektives Recht, S.

67ff.; Sack, Die rechtliche Funktion des Warenzeichens, GRUR 1972, S. 402ff. 445ff. sowie Henning-Bodewig/Kur, S. 227ff.

167 Siehe m.w.Nachw. Baudenbacher/Caspers, S. 222f.

Markenschutzkonzeptionen zu entwickeln. Ein Beispiel dafür ist die Property-Rights-Theorie, gemäss welcher Markenrechte als frei han-delbare Property Rights anzusehen sind168. Eine verwandte Theorie ist die Lehre von der Kommunikationsfunktion169. Beide Lehren ten-dieren dazu, die Rechte der Markeninhaber zu stärken und dabei die Interessen anderer Marktteilnehmer und insbesondere der Verbrau-cher auszublenden170. Einen überzeugenderen Ansatz, der die ver-stärkte Verankerung des Verbraucherschutzes im Markenrecht for-dert, vertreten Henning-Bodewig und Kur171, indem sie für eine tie-fere lauterkeitsrechtliche Durchdringung des Markenrechts eintreten.

Dass Erfindungen oder sonstige geistige Schöpfungen zu ih-rem vollen Wert entschädigt werden müssen, ist auch heute noch der wirtschaftliche Begründungsansatz des Immaterialgüterrechtsschut-zes. Dabei spielt die Eigenschaft immaterieller Güter als öffentliche Güter eine Rolle172. Es wird aber berücksichtigt, dass die Schaffung von Immaterialgüterrechten nicht nur Nutzen bringt, sondern auch Kosten. Durch die Schaffung von Monopolrechten und den Aus-schluss von Wettbewerbern, welche geschützte Güter imitieren könnten, wird ein höheres Preisniveau zulasten der Konsumenten erzeugt. Der Immaterialgüterrechtsschutz eines jeden Landes ist das Ergebnis eines politischen Entscheids im Zuge der Abwägung der In-teressen innovativer und imitierender Wirtschaftszweige sowie der Konsumenten. Je nachdem, welche Interessen in der wirtschaftlichen und politischen Analyse stärker gewichtet werden, wird der Rechts-schutz mehr oder weniger extensiv ausgestaltet sein. Entwicklungs-länder ohne starke innovative Industrie haben aus diesem Grund meist keinen oder nur geringen Immaterialgüterrechtsschutz einge-führt und versuchen regelmässig von der anderswo entwickelten Technologie als Imitatoren zu profitieren173. Sie hatten demzufolge auch kein grosses Interesse am Abschluss des WTO/TRIPS-Abkommens174, da sie befürchteten, dass ein höheres Schutzniveau ihre wirtschaftliche Wettbewerbs- und Entwicklungsfähigkeit schwä-chen werde.

___________

168 Siehe dazu Landes/Posner, S. 267ff. und Lehmann, Eigentum, S. 356ff.

169 Rupert Schreiner, Die Dienstleistungsmarke, Köln 1982.

170 So Henning-Bodewig/Kur, S. 256.

171 Marke und Verbraucher (2 Bände), 1989.

172 Siehe oben 2.1.

173 Diese Imitations-Strategie wurde beispielsweise auch in Japan während der 60er und 70er Jahre praktiziert.

174 Dazu unten Teil II, 4.

Folgt man einem naturrechtlich-individualrechtlichen Ansatz, kann der Immaterialgüterschutz mit der Befriedigung der Interessen und Bedürfnisse Privater begründet werden. Gemeinwohlorientierte Ansätze orientieren sich an kulturellen und wirtschaftlichen Zielen, welche der Allgemeinheit von Nutzen sind. Beide Begründungsan-sätze stehen nebeneinander. Das heutige Immaterialgüterrecht re-flektiert sowohl private Interessen der Schutzrechtsinhaber als auch allgemeine Belange. Da die Interessen nicht immer gleichgerichtet sind, sondern sich oft widersprechen, wird im politischen Entschei-dungsfindungsprozess eine Bewertung und Abwägung der Interes-sen vorgenommen. In der Ausgestaltung des Immaterialgüterrechts zeigt sich, welche Interessen im Rechtsschutz berücksichtigt werden und wie die oft gegensätzlichen Interessen der Privaten gegeneinander abgewogen werden, um damit auch dem Allgemeininteresse -dem Verbraucherschutz oder -dem Streben nach wirtschaftlichem Wachstum und technischem Fortschritt - zu dienen.

Die Unterscheidung zwischen individualrechtlichem und ge-meinwohlorientiertem Begründungsansatz kann letztlich nicht über-zeugen. Auch in einem individualrechtlichen Ansatz werden ver-schiedene Interessen einander gegenübergestellt, wobei auch Überle-gungen zum Allgemeininteresse einfliessen werden. Eine individual-rechtliche Betrachtungsweise kann es nicht bei der Berücksichtigung der Rechte aktueller und potentieller Inhaber geistiger Eigentums-rechte bewenden lassen, sondern muss auch die (Individual-)Rechte anderer berücksichtigen. Wie kommt man zum Inhalt des Begriffs

“Gemeinwohl”? Wird dieses nicht aus der Summe der Interessen einzelner Individuen generiert? Eine solche Unterscheidung von Be-gründungsansätzen erscheint vor allem dann fragwürdig, wenn das Allgemeininteresse, dessen Befolgung als Steigerung des Gemein-wohls gesehen wird, keinerlei Definition erfährt und nicht hinterfragt wird.

Der Begriff des Gemeinwohls oder seiner Synonyme Allge-meinwohl, Gemeininteresse, öffentliches Interesse, Allgemeininteres-se gehört zu jenen Begriffen, die häufig verwendet, deren Bedeutung aber fast ebenso häufig nicht erklärt wird175. Die modernen demo-___________

175 Über die Gemeinwohlthematik orientieren übersichtartig Herzog in J. Ritter (Hrsg.), Histori-sches Wörterbuch der Philosophie, Band 3, Basel 1974, S. 247ff. sowie

175 Über die Gemeinwohlthematik orientieren übersichtartig Herzog in J. Ritter (Hrsg.), Histori-sches Wörterbuch der Philosophie, Band 3, Basel 1974, S. 247ff. sowie