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Im Kapitel 3.2.2 wurde gezeigt, dass die Al2O3-Schichten nach dem Tempern negative feste Ladungen aufweisen. Diese können sich sowohl nahe an der Grenzfläche zum Si-Substrat befinden, als auch im Al2O3-Volumen positioniert sein. Der Ort der Ladung muss bekannt sein, um aus einzelnen CV-Messungen verlässliche Werte für die Ladungs-dichte zu ermitteln. In der Literatur wird der Großteil der Dichte negativer Ladungen an der Al2O3/SiO2-Grenzfläche nahe des Silizium-Substrats vermutet [31, 117], während andere Forschergruppen zusätzliche negative oder sogar positive Ladungen im Volumen der Schicht detektieren [118, 119]. Aufgrund dieser z.T. widersprüchlichen Aussagen wurde im Rahmen dieser Arbeit eine weitere Untersuchung zur Position der Ladungen in den Schichten durchgeführt. Informationen über den Ort der Ladung können CV-Messungen an MIS-Strukturen mit unterschiedlicher Isolatordicke liefern. In Abb. 3.17 ist das Prozessflussdiagramm der Probenpräparation für dieses Experiment dargestellt.

Die Dicke der Al2O3-Schichten beträgt: 3, 5, 10, 15, 29, 58 und 118 nm. Um den Seri-enwiderstand der Rückseite zu minimieren, wurden die Schichten nur einseitig auf die Vorderseite des Substrats abgeschieden.

3.2. AKTIVIERUNG DER AL2O3-PASSIVIERUNG 61 Al O (verschiedene Dicken)2 3

Tempern (420°C, 30 min)

Abbildung 3.17– Prozessflussdiagramm der Probenpräparation für die Bestim-mung des Ortes fester Ladung.

Zusätzlich zu der Dickenvariation der Al2O3 -Schichten wird der Einfluss einer chemisch erzeugten SiOy-Schicht auf die Dichte fes-ter Ladungen unfes-tersucht. Diese Schicht wird bei einem Teil der Proben durch erneu-tes Oxidieren in SC2-Lösung vor Beschich-tung erzeugt. Nach dem Temperschritt zur Aktivierung der Passivierung werden MIS-Strukturen durch thermisches Verdampfen von Aluminium und anschließender LFC-Präparation zur Rückseitenkontaktierung prozessiert. CV-Messungen bei verschiede-nen Frequenzen zeigen keine frequenzabhän-gige Verschiebung der CV-Kurve auf der Spannungsachse und lassen auf eine erfolg-reiche Reduktion der Grenzflächenzustände nach Tempern schließen. Um den Einfluss des Serienwiderstandes zu minimieren, werden die Messungen bei einer Frequenz von 1 kHz ausgewertet. In Abb. 3.18 sind die CV-Kurven der MIS-Strukturen mit nicht oxi-dierter Si-Oberfläche für die verschiedenen Al2O3-Schichtdicken dargestellt. Der Span-nungsbereich wurde nur so weit wie nötig ausgedehnt, um die unerwünschte Injektion

- 2 0 2 4 6 8 1 0

Abbildung 3.18 – CV-Kurven in Abhängigkeit der Al2O3-Schichtdicke zeigen eine Abnah-me der Oxidkapazitätsdichte und eine ZunahAbnah-me der Flachbandspannung für größer werdende Schichtdicken.

62 KAPITEL 3. AL2O3-EINZELSCHICHTEN von Ladungen während der Messung zu minimieren. Hysteresen waren bei allen Mes-sungen vernachlässigbar gering. Es ist eine mit zunehmender Schichtdicke absinkende Oxidkapazitätsdichte zu erkennen. Dies ist nach der Gleichung (2.35) als Formel für die Kapazitätsdichte eines Plattenkondensators plausibel. Weiterhin zeigt Abb. 3.18 eine systematische Verschiebung der Kurven in positiver Spannungsrichtung, hervorgerufen durch die negativen Ladungen in der Schicht. Für die Extraktion von Oxidkapazitäts-dichte und Flachbandspannung wurde das Programm CVC verwendet, da insbesondere bei den dünnen Al2O3-Schichten der quantenmechanische Beschränkungseffekt berück-sichtigt werden muss (siehe Kapitel 2.3.5).

Neben den Untersuchungen zum Ort der festen Ladungen in den Al2O3-Schichten, kön-nen aus CV-Messungen an MIS-Strukturen mit variabler Al2O3-Schichtdicke ebenfalls Informationen über die relative Permittivität der Schicht extrahiert werden. Zunächst wird die relative Permittivität genauer betrachtet.

Relative Permittivität

Bei der Berechnung der relativen Permittivität des Isolators aus Oxidkapazitätsdichte und Schichtdicke nach der Gleichung

r,eff = CoxdAl

2O3

0 (3.8)

wird deutlich, dass die errechnete Permittivität mit abnehmender Schichtdicke geringer wird, was bei einem ALD-Prozess fragwürdig ist. Dieses Phänomen wurde bereits in [120]

beobachtet und mit einer SiOy-Zwischenschicht erklärt, welche in einer CV-Messung als zusätzlich in Reihe geschalteter Kondensator die Gesamtkapazität verringert. In der Mikroelektronik werden Mehrschichtsysteme oft mit dem Konzept der äquivalenten Oxiddicke EOT beschrieben. Die GrößeEOT entspricht der Dicke einer thermisch ge-wachsenen SiO2-Schicht mit gleicher Kapazitätsdichte. Daher ist für die Al2O3-Schicht EOT definiert als: be-zeichnet und r,SiO2 die Permittivität von SiO2 von 3,9 darstellt [67]. Für das Zwei-schichtsystem mit einer SiOy-Zwischenschicht gilt:

EOTtot =EOTAl Dabei kann EOTtot des Gesamtsystems aus der gemessenen Oxidkapazitätsdichte Cox ermittelt werden mit:

EOTtot = 3,90

Cox (3.11)

3.2. AKTIVIERUNG DER AL2O3-PASSIVIERUNG 63

Abbildung 3.19 – Auswertung der schichtdickenabhängigen Oxidkapazität für die verschie-den präparierten Oberflächen (HF-Dip, SC2-Oxidation, thermisches SiO2): (a) Äquivalente Oxiddicke der gesamten Struktur (EOTtot) über der Al2O3-Schichtdicke; (b) Modellierung der r,eff-Werte mit einem Zweischichtsystem.

In Abb. 3.19(a) sind die nach Gl. (3.11) berechneten EOTtot-Werte über der Al2O3 -Schichtdicke aufgetragen. Die Werte sind jeweils Mittelwerte aus mindestens sechs identi-schen Kontakten auf einer Probe. Es ist deutlich erkennbar, dass dieEOTtot- unddAl

2O3 -Werte in einem linearen Zusammenhang stehen. Durch Anpassung von Ausgleichsgera-den an die Messwerte lassen sich nach Gl. (3.10) die relative Permittivität der Al2O3 -Schicht sowie die Dicke der Zwischenschicht, unter Annahme einer gleichen Permittivität wie thermisches SiO2, bestimmen. Zur Überprüfung wurden zusätzlich Messungen an SiO2/Al2O3-Stapeln mit einer dünnen, thermisch gewachsenen SiO2-Zwischenschicht, deren Dicke vor der Al2O3-Beschichtung mit Ellipsometrie auf 7,3 nm bestimmt wur-de, durchgeführt. Die aus den Regressionsgeraden extrahierten Werte sind in Tab. 3.2 dargestellt. Die Abweichungen dieser Werte von denen einer weiteren Serie identisch prozessierter Proben ist größer als alle statistischen Fehler durch Mittelung sowie Re-gression und wird als Fehler hier angegeben. Die extrahierte Dicke von 7,2 nm für die thermisch gewachsene SiO2-Zwischenschicht stimmt mit der aus Ellipsometrie bestimm-ten Dicke von 7,3 nm überein. Die Werte von etwa 8,2 für die relativen Permittivitäbestimm-ten von Al2O3 liegen ebenfalls in dem erwarteten Bereich. Mit Hilfe der extrahierten Werte

Tabelle 3.2 – Aus linearer Regression ermittelte Werte für relative Permittivität von Al2O3 sowie Dicke der Zwischenschicht unter Annahme einer Permittivität von 3,9.

Oberflächenpräparation r,Al

2O3 dSiOy [nm]

Thermisches SiO2 8,2±0,7 7,2±1,4 HF-Dip 8,2±0,7 1,6±0,3 SC2-Lösung 8,1±0,7 1,4±0,3

64 KAPITEL 3. AL2O3-EINZELSCHICHTEN fürr,Al

2O3 und dSiOy lassen sich die ermitteltenr,eff-Werte modellieren:

r,eff =dAl

2O3

dAl

2O3

r,Al

2O3

+ dSiOy r,SiOy

!−1

(3.12) In Abb. 3.19(b) sind die nach Gl. (3.8) ermittelten und mit einem Zweischichtsystem nach Gl. (3.12) modellierten r,eff-Werte dargestellt. Die Abhängigkeit von der Al2O3 -Schichtdicke kann mit einem Zweischichtsystem mit konstanter Permittivität der Al2O3 -Schicht vollständig modelliert werden. Die ermittelten relativen Permittivitäten der Al2O3-Schichten sind unabhängig von der Oberflächenpräparation und rechtfertigen so-mit das Modell.

Zwischen den chemisch nicht oxidierten und den in SC2-Lösung oxidierten Oberflächen kann kein signifikanter Unterschied sowohl in dSiOy als auch in r,eff festgestellt wer-den. Die aus den Fits in Abb. 3.19 extrahierte Dicke der SiOy-Zwischenschicht von etwa 1,5 nm entspricht exakt der im Ellipsometrie-Modell angenommenen Dicke der Zwischen-schicht. In diesem Modell ist der Wert der Al2O3-Schichtdicke stark korreliert mit der Dicke dieser Zwischenschicht. Bei der Annahme einer geringeren Dicke der Zwischen-schicht im Ellipsometrie-Modell wäre die daraus extrahierte Al2O3-Schichtdicke größer.

Die zusätzlich in Reihe geschaltete Kapazität kann ebenfalls durch eine etwas dickere Al2O3-Schicht erklärt werden. Daher kann keine eindeutige Aussage getroffen werden, ob die zusätzliche Kapazität durch eine SiOy-Zwischenschicht oder durch eine minimal di-ckere Al2O3-Schicht verursacht wird. Unabhängig von der Existenz der Zwischenschicht zeigten die Untersuchungen jedoch, dass die relative Permittivität der mit Plasma-ALD gewachsenen Al2O3-Schicht auf Si-Substraten im Bereich der Schichtdicken zwischen et-wa 3 und 120 nm konstant ist. Sie beträgt 8,2±0,7.

Für weitere Untersuchungen zur Dicke einer potentiellen Zwischenschicht ist es notwen-dig, eine Messmethodik zu wählen, welche die Al2O3-Schichtdicke nicht als bekannten Parameter benötigt. Hierbei bietet ein hochauflösendes Transmissionselektronenmikro-skop (TEM) eine Alternative. Um die hierfür benötigte Glätte der Oberfläche zu ge-währleisten, müssen mechanisch polierte Substrate ohne CP-Ätzschritt verwendet wer-den. Abb. 3.20 zeigt einen Querschnitt durch eine 29 nm dicke Al2O3-Schicht auf einem Si-Substrat. Bis auf die ersten beiden Prozesschritte ist diese Probe nach Abb. 3.17 ohne chemische Oxidation der Oberfläche prozessiert worden. Um das Abrunden der Al2O3-Oberfläche während des FIB-Schneidens zu vermeiden, wurde auf das Al2O3 eine Lackschicht mit dem Spin-Coating Verfahren aufgebracht. Im Bild scheint die Schicht et-was dicker als 29 nm zu sein. Es ist jedoch kein abrupter Übergang von Silizium zu Al2O3 erkennbar, was eine exakte Aussage über die Schichtdicke erschwert. In Abb. 3.20(b) ist die Si/Al2O3-Grenzfläche vergrößert dargestellt. Die Grenze vom Si-Substrat zur Al2O3 -Schicht kann durch die Unterbrechung der periodischen, nahezu vertikalen Linien, wel-che in der Kristallstruktur des Siliziums begründet sind, identifiziert werden. Hier ist keine SiOy-Zwischenschicht durch einen Helligkeitskontrast wie in [18] sichtbar. Daher

3.2. AKTIVIERUNG DER AL2O3-PASSIVIERUNG 65

(a) (b)

Abbildung 3.20– TEM-Aufnahmen von Querschnitten durch eine 29 nm dicke Al2O3-Schicht auf einer nicht oxidierten Si-Oberfläche nach Tempern.

kann die Existenz dieser Schicht durch die TEM-Aufnahmen nicht bestätigt werden. In Abb. 3.20(b) sind in der Al2O3-Schicht ebenfalls periodische Strukturen zu erkennen, die auf kristalline Bereiche in der Schicht schließen lassen. TEM-Aufnahmen von meh-reren Bereichen auf der Lamelle zeigen, dass in der Schicht sowohl amorphe als auch kristalline Bereiche existieren.

Bestimmung des Ladungsortes

Um Aussagen über die örtliche Verteilung von Ladungen in Isolatoren aus CV-Messungen mit variabler Isolatordicke zu erhalten, muss die Abhängigkeit der Flachbandspannung von der Isolatordicke betrachtet werden. Abb. 3.21(a) zeigt die Flachbandspannung als Mittelwerte über alle identisch prozessierten Kontakte einer Probe in Abhängigkeit von EOTtot für die beiden verschiedenen Oberflächenpräparationen. Die Messwerte lassen sich weder mit einer Gerade (entspricht einer Ladungsebene) noch einer Parabel (ent-spricht einer homogenen Ladungsverteilung in der Schicht) sinnvoll modellieren (siehe Gl. (2.39)). Für EOTtot-Werte größer als 6 nm ist jedoch eine lineare Abhängigkeit er-kennbar (Bereich 2). Um diesen Sachverhalt zu interpretieren, ist auch hier ein Zwei-schichtmodell sinnvoll. Für den Fall beliebiger Ladungsdichten und unterschiedlichen, aber konstanten relativen Permittivitäten muss die allgemeine eindimensionale Poisson-Gleichung in beiden Gebieten gelöst werden (vgl. Abb. 3.21(b)):

0 d dx

"

r(x) d dxV(x)

#

=−ρ(x). (3.13)

66 KAPITEL 3. AL2O3-EINZELSCHICHTEN

Abbildung 3.21 – (a) Flachbandspannung über äquivalenter Oxiddicke für beide Oberflä-chenpräparationen, bestimmt aus CV-Messungen; (b) Schematische Darstellung eines aus zwei Schichten zusammengesetzten Isolators mit unterschiedlichen, konstanten relativen Permitti-vitäten und beliebiger Ladungsdichteverteilung.

Dabei gelten als Randbedingungen für die Potentiale V und elektrischen Felder ξ im Flachbandfall:

V1(x0) = 0 bzw. V1(xG) = V2(xG) und ξ1(x0) = 0 bzw. r,1ξ1(xG) =r,2ξ2(xG) Durch Lösen dieses Problems kann die Abhängigkeit der Flachbandspannung von der Dicke der Einzelschichten ausgedrückt werden. Der folgende Zusammenhang ist in An-hang B hergeleitet: Dabei ist x0 definiert als x0 := xxG. Der Term Q1 entspricht der flächennormierten Gesamtladung in Gebiet 1. Mit Hilfe der Definition aus Gl. (3.9) kann die Flachband-spannung in Abhängigkeit der äquivalenten Oxiddicken wie folgt ausgedrückt werden:

VFB =− 1

3.2. AKTIVIERUNG DER AL2O3-PASSIVIERUNG 67 Tabelle 3.3– Aus linearer Regression ermittelte Werte für die GesamtladungQ1 in Schicht 1 sowie die unter Annahme einer sich ausschließlich an der Si/Al2O3-Grenzfläche befindenden negativen Flächenladung ermittelten Werte für DifferenzϕAl,Sider Fermienergien und effektive AustrittsarbeitWAl,eff von Aluminium auf Al2O3.

Oberflächenpräparation Q1 [cm-2] ϕAl,Si [eV] WAl,eff [eV]

HF-Dip -(2,80±0,10)×1012 -0,10±0,15 4,85±0,15 SC2-Lösung -(3,15±0,29)×1012 0,06±0,20 5,02±0,20

Eine Variation vonEOTtot in Gebiet 2, d.h. im linearen Bereich, entspricht einer Varia-tion vonEOT2 mit konstantem EOT1. Term C ist unabhängig von EOT2. Bei Betrach-tung der Terme A und B wird ersichtlich, dass der lineare Anstieg in Abb. 3.21(a) im Gebiet 2 nur dann erklärt werden kann, wenn Term A verschwindet, d.h. ρ22) = 01. Daher wird deutlich, dass sich die negativen Ladungen in einer maximal 10 nm dünnen Al2O3-Schicht (entspricht dem EOTtot-Wert von 6 nm) nahe der Si/Al2O3-Grenzfläche befinden. Die Schicht oberhalb ist ladungsfrei. Aus dem Anstieg der Geraden kann mit EOT2 =EOTtotEOT1 nach Gl. (3.15) die Ladung Q1 der unteren Schicht bestimmt werden. Die Werte sind in Tab. 3.3 dargestellt. Für den Fall, dass sich diese Ladungen an der Si/Al2O3-Grenzfläche befinden, müssten sich die Messwerte der dünnen Schich-ten in Abb. 3.21(a) ebenfalls auf der Geraden befinden. Ob die Abweichung von der Geraden für sehr dünne Al2O3-Schichten auf systematische Fehler der Messung oder auf Ladungen im Volumen dieses Gebietes zurückzuführen sind, kann nicht mit absolu-ter Sicherheit festgestellt werden. Für die Annahme, dass die Abweichungen auf einen systematischen Messfehler zurückzuführen sind, muss die Extrapolation der Geraden auf EOTtot = 0 die Differenz ϕM,HL der Fermienergien von Aluminium und dem Sili-ziumsubstrat ergeben. Um dies zu testen, wird aus dem ermittelten Schnittpunkt die Austrittsarbeit des Aluminiums nach folgender Gleichung bestimmt (vgl. Abb. 2.16(a))

ϕM,HL =WM,effHLEg

2 −kBT ln

p ni

(3.16) und das Ergebnis mit Literaturwerten von Aluminium auf Al2O3 verglichen. Der Wert der Austrittsarbeit von Aluminium im Vakuum ist hier nicht aussagekräftig, da die Al/Al2O3- und Al/Vakuum-Grenzflächen nicht identisch sind. Daher wird der hier be-stimmte Wert als effektive AustrittsarbeitWAl,eff bezeichnet. In Tab. 3.3 sind die aus der linearen Regression in Abb. 3.21(a) ermittelten Fermienergiedifferenzen sowie die nach Gl. (3.16) bestimmten effektiven Austrittsarbeiten dargestellt. Für die Berechnung wer-den folgende Werte verwendet: χSi = 4,05 eV, Eg,Si= 1,12 eV sowie ni,Si= 9,7×109cm-3

1Term A kann auch linear in EOT2 sein, wenn sich Ladungen auf Flächen in Gebiet 2 befinden.

Diese wirken sich jedoch erst dann auf die Flachbandspannung aus, wenn die Schichtdicke größer als die Höhe der Ladungsebene ist, d.h. das Integrationsvolumen diese Flächen enthält. Das würde sich in einer punktuellen Anstiegsänderung, d.h. einem Knick in der Gerade in Abb. 3.21(a) äußern, welcher in Gebiet 2 nicht beobachtet wird.

68 KAPITEL 3. AL2O3-EINZELSCHICHTEN

Abbildung 3.22 – Schematisches Banddia-gramm zur Berechnung von WAl,eff aus Pho-toemissionsmessungen.

Die ermittelten WAl,eff-Werte von 4,85 bis 5,02 eV sind höher als die Aus-trittsarbeit von Aluminium im Vakuum (4,25 eV [124]) oder auf SiO2 (4,14 eV [68]). Vergleichswerte für das Al/Al2O3 -System können aus Photoemissionsmes-sungen bestimmt werden. Dabei werden die energetischen Höhen der Barrieren Φ sowohl zwischen Metall und Isolator als auch zwischen Isolator und Halbleiter er-mittelt. Für Al/SiO2/Si-Systeme brach-ten diese Experimente sehr gute Überein-stimmungen zu CV-Messungen [49, 125].

Auch für das Al/Al2O3/Si-System konn-ten Afanas’ev et al. eine sehr gute Über-einstimmung dieser Messmethoden zeigen [126, 127]. Aus den von ihnen ermittelten Barrierenhöhen von ΦAl/Al zu WAl,eff = (4,82±0,20) eV bestimmt werden. Dieser Wert liegt innerhalb der Fehler-grenzen der Werte aus Tab. 3.3, die unter der Annahme einer sich an der Si/Al2O3 -Grenzfläche befindenden negativen Flächenladung bestimmt wurden. Folglich wird die-se Annahme unterstützt, und die Abweichungen der Flachbandspannungen für die 3 und 5 nm dünnen Al2O3-Schichten von der Geraden aus Abb. 3.21(a) sind vermutlich fehlerhaft. Eine im Vergleich zu dem Wert im Vakuum erhöhte Austrittsarbeit auf Al2O3 -Schichten wurde auch für andere Metalle, z.B. Kupfer, festgestellt [128]. Es wird ver-mutet, dass sich zusätzliche negative Ladungen in der Al2O3-Schicht in der Nähe der Al/Al2O3-Schicht befinden, die dort eine Polariationsschicht bilden und die Fermienergie des Metalls verändern. Die Grundidee einer Polarisationsschicht stammt von Wang et al., die bei Untersuchungen des Schottky-Effekts an Metall/SiO2/Si-Strukturen das Po-tential einer Gouy-Chapman-Doppelschicht als Polarisationsschicht isoliert haben [129].

In Tab. 3.3 ist auch erkennbar, dass die Dichte negativer Ladungen für die in SC2-Lösung oxidierte Oberfläche leicht größer ist als für die nicht oxidierte Oberfläche. Obwohl der Unterschied relativ gering ist und die Fehlerbereiche der einzelnen Werte überlappen, ist dieser Trend in vielen der in dieser Arbeit untersuchten Strukturen zu beobach-ten. Dies korreliert mit effektiven Ladungsträgerlebensdauern an beidseitig passivier-ten Strukturen. Abb. 3.23 zeigt sowohl die effektiven Ladungsträgerlebensdauern als auch die maximalen effektiven Oberflächenrekombinationsgeschwindigkeiten bei einem

3.2. AKTIVIERUNG DER AL2O3-PASSIVIERUNG 69

1 2 3 4 5 6 7 8 9

23456789

2,5 1,5

3 45

S eff,max [cm/s]

SC2-Lösung HF-Dip τ eff [ms]

Beschichtung #

2

@ 1015 cm-3

Abbildung 3.23– Effektive Ladungsträgerlebensdauern und maximale effektive Oberflächen-rekombinationsgeschwindigkeiten von Si-Substraten mit unterschiedlicher Oberflächenpräpa-ration, passiviert mit 29 nm dünnem Al2O3 nach Tempern bei ∆n= 1×1015cm-3. Die gestri-chelten Linien markieren die Mittelwerte der Ergebnisse aller Abscheidungen.

Injektionslevel von 1×1015cm-3 nach Aktivierung der Passivierung von 29 nm dünnen Al2O3-Schichten. Die gestrichelten Linien markieren die Mittelwerte der Ergebnisse aller Abscheidungen. Die Substratdicke beträgt hier etwa 230 µm. Es ist erkennbar, dass die Passivierung der Schichten auf den mit SC2-Lösung oxidierten Oberflächen besser ist als auf den HF-gedippten Oberflächen. Die höheren Werte der Oberflächenrekombina-tionsgeschwindigkeit für die Schichten auf nicht oxidierten Oberflächen korrelieren mit der geringeren Dichte negativer fester Ladungen in der Nähe der Si/Al2O3-Grenzfläche.

Dies lässt sich mit den unterschiedlichen funktionellen Gruppen an diesen Oberflächen erklären: An SiO2-Oberflächen sind viele an Siliziumatomen gebundene OH-Gruppen vorhanden [130], mit denen Trimethylaluminium (TMA) nach Gl. (3.1) reagieren und O−Al Bindungen bilden kann. HF-gedippte, nicht oxidierte Siliziumoberflächen sind hauptsächlich wasserstoffterminiert [131, 132]. An diese Si−H Bindungen koppeln die TMA-Moleküle nur gehemmt [133, 134]. Wasserstoffterminierte, (100) orientierte Sili-ziumoberflächen sind jedoch im Vergleich zu (111)-Oberflächen relativ rau und weisen Defekte in Form von oxidierten Siliziumatomen auf. Es wird vermutet, dass die TMA-Moleküle an diesen Defekten mit der Oberfläche reagieren und dort O−Al Bindungen bilden [133]. Die im Vergleich zu diesen Defekten wenig reaktive Umgebung des De-fekts kann zu Inselwachstum der Al2O3-Schicht an diesen Defekten führen [135, 136].

Daher kann vermutet werden, dass die Flächendichte reaktiver OH-Gruppen einer HF-gedippten, wasserstoffterminierten Oberfläche geringer ist als bei oxidierten Oberflä-chen. Die daraus resultierende geringere Dichte tetraedrischer AlO4-Komplexe, welche als Ursache für die negativen Ladungen vermutet werden, könnte die in dieser Arbeit gemessene, geringere Dichte negativer Ladungen der Al2O3-Schichten auf HF-gedippten, nicht oxidierten Oberflächen erklären.

70 KAPITEL 3. AL2O3-EINZELSCHICHTEN

1 0 1 3 1 0 1 4 1 0 1 5 1 0 1 6 1 0 1 7

0 , 1

1

1 0

p - T y p , 2 c m n - T y p , 1 c m

I n t r i n s . L i m i t : R i c h t e r 2 0 1 2 I n t r i n s . L i m i t : K e r r 2 0 0 2 τ eff [ms]

∆n [ c m - 3 ]

Abbildung 3.24– Gemessene effektive Ladungsträgerlebensdauern von Al2O3-passivierten p-und n-Typ Si-Substraten in Abhängigkeit des Injektionsniveaus sowie die für diese Substrate berechneten intrinsischen Grenzen nach Kerr und Richter [36, 41].