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3. Methode

3.6. Hypothesen

3.6. Hypothesen

3.6.1. Hypothese und Fragestellung zur Psychopathie

Wie oben bereits erwähnt hat sich eine Studie bereits mit dem Zusammenhang von Psychopathie und interpersonaler Distanz beschäftigt (Vieira & Marsh, 2014). Dabei wurde die bevorzugte interpersonale Distanz anhand einer interaktiven Stop-Methode erfasst, wonach sich

49 entweder der Untersuchungsleiter den ProbandInnen näherte oder die UntersuchungsteilnehmerInnen dem Untersuchungsleiter. Psychopathische Eigenschaften wurden mittels PPI-R (Lilienfeld &

Widows, 2005) erhoben. Die Autoren konnten dabei nachweisen, dass sich die bevorzugte interpersonale Distanz von einem psychopathischen Persönlichkeitsmerkmal vorhersagen lässt, nämlich der Kaltherzigkeit. Da der Zusammenhang zwischen der bevorzugten interpersonalen Distanz und der Psychopathie im zentralen Interesse der vorliegenden Studie stand, stellt sich im Folgenden die Frage, ob sich der von Vieira und Marsh (2014) entdeckte Zusammenhang in der vorliegenden Studie in ähnlicher Form findet, nämlich ob sich die von den Untersuchungsteilnehmern anhand des Silhouetten – Tests selbstberichtete bevorzugte interpersonale Distanz durch die mittels PCL-R beziehungsweise PPI-R erhobene Psychopathieausprägung beziehungsweise deren Facetten oder Faktoren vorhersagen lässt.

Hypothese 1a: Die bevorzugte Distanz zu anderen Personen lässt sich durch die Ausprägung in bestimmten psychopathischen Merkmalen vorhersagen.

Des Weiteren sollten exploratorisch eventuelle Zusammenhänge von Psychopathie mit anderen Variablen (Bildungsjahre, Strafmaß in Monaten, bereits verbüßtes Strafmaß in Monaten, IQ) und Ergebnissen weiterer Fragebögen (STAXI, ERQ, BDI) überprüft werden.

Fragestellung 1b: Besteht ein Zusammenhang zwischen der Ausprägung im Persönlichkeitsmerkmal Psychopathie mit den Bildungsjahren, dem Strafmaß in Monaten, dem bereits verbüßtes Strafmaß in Monaten und dem IQ beziehungsweise der Ekelempfindlichkeit, der Ekelsensitivität, dem Selbstekel, dem Eigenschafts- und Situationsärger, der Emotionsregulation und der Depressivität?

3.6.2. Hypothesen und Fragestellungen zum affektiven Rating

Die durchgeführte Studie befasste sich mit der bevorzugten interpersonalen Distanz von Straftätern und Kontrollpersonen. Da man im Alltag weniger mit statischen Gesichtsausdrücken konfrontiert ist, sondern sich die Gesichter unserer InteraktionspartnerInnen im Allgemeinen bewegen beziehungsweise sich uns annähern oder von uns entfernen, liegt das Interesse darin, herauszufinden, inwiefern sich dies auf die Bewertung der Ausdrücke unseres Gegenübers und unser Empfinden auswirkt. Dabei liegt auf der Hand, dass beispielsweise sich annähernde ärgerliche Gesichtsausdrücke negativer bewertet werden als etwa statische ärgerliche Ausdrücke. In diesem Zusammenhang konnte die Studie von Mühlberger et al. (2008) nachweisen, dass hinsichtlich der Valenz sich annähernde unangenehme Bilder des IAPS (Lang et al., 1997) negativer bewertet werden als statische oder sich entfernende unangenehme Bilder, es gab dabei keinen vergleichbaren Effekt

50 für neutrale Bilder. In Bezug auf das Arousal hingegen konnten die Autoren zeigen, dass dieses sowohl bei sich annähernden unangenehmen als auch neutralen Bildern gesteigert war. Dies lässt auf eine allgemein erhöhte Erregung bei sich annähernden Stimuli schließen.

Da sich in vergangenen Studien bereits gezeigt hat, dass bei Straftätern und/oder Personen mit und ohne psychopathischen Persönlichkeitseigenschaften Schwierigkeiten in der Verarbeitung emotionaler Gesichtsausdrücke bestehen (Kosson et al., 2002; Blair et al., 2004; Deeley et al., 2006;

Sato et al., 2009; Robinson et al., 2012), stellt sich die Frage, ob auch Unterschiede hinsichtlich der Verarbeitung neutraler Gesichtsausdrücke in Abhängigkeit von der Bedingung, in welcher sie präsentiert werden (annähernd versus statisch), zwischen Straftätern und nicht straffälligen Kontrollpersonen bestehen. Bezug nehmend auf den Effekt neutraler Gesichtsausdrücke konnten Willis et al. (2011) nachweisen, dass Bilder neutraler Gesichter sowohl negativer wahrgenommen werden als positive Gesichtsausdrücke als auch als Bilder von Körpern mit neutraler Haltung, wobei angemerkt wird, dass 94 % der präsentierten neutralen Gesichter als ärgerlich missinterpretiert wurden. Auch Ergebnisse weiterer Studien zeigen zudem, dass neutrale Gesichter häufig als negativ wahrgenommen werden (Winston et al., 2002; Richell et al., 2005; Lee et al., 2008).

Da im affektiven Rating sowohl männliche als auch weibliche Gesichter dargeboten wurden, haben sich die Autoren auch die Frage eines eventuellen Geschlechtereffekts der Poser gestellt.

Diesbezüglich konnten Miller et al. (2013) anhand einer gesunden Stichprobe nachweisen, dass weibliche Gesichter näher herangelassen wurden als männliche, was mit einer positiveren Bewertung und einem niedrigerem Arousal bei der Betrachtung von weiblichen Gesichtern einhergehen könnte.

In diesen Zusammenhang sollte erhoben werden, welchen Effekt sich annähernde beziehungsweise statisch präsentierte Bilder von männlichen und weiblichen Gesichtern auf die empfundene Valenz und das Arousal der Untersuchungsteilnehmer haben. Dabei stellt sich die Frage:

Gibt es einen Unterschied in der Valenz und im Arousal bei der Präsentation von sich annähernden beziehungsweise statischen Bildern von Gesichtern zwischen Straftätern und Kontrollen und besteht dabei ein Unterschied bei der Betrachtung von männlichen im Gegensatz zu weiblichen Gesichtern?

Hypothese 2a: Sich annähernde Bilder werden als unangenehmer wahrgenommen als statische Bilder.

Fragestellung 2b (exploratorisch): Unterscheiden sich Straftäter und Kontrollen in der Bewertung der Valenz der präsentierten Bilder?

Hypothese 2c: Bilder von sich annähernden Gesichtern rufen ein höheres Arousal hervor als Bilder von statischen Gesichtern.

51 Fragestellung 2d (exploratorisch): Unterscheiden Straftäter und Kontrollen sich in der Bewertung der Erregung der präsentierten Bilder?

Hypothese 2e: Bilder von männlichen Gesichtsausdrücken werden im Gegensatz zu Bildern von weiblichen Gesichtsausdrücken mit einer negativeren Valenz und einem höheren Arousal bewertet.

3.6.3. Hypothesen zur interpersonalen Distanz

Die erwünschte interpersonale Distanz wird von vielen Variablen beeinflusst, darunter befinden sich besonders kulturelle und psychologische Faktoren. Bereits Hall (1966) hat sich mit der Einteilung des Raumes um eine Person in sogenannten „Distanzzonen“ beschäftigt, woraus sich die intime (0-45 cm), die persönliche (45-120 cm), die soziale beziehungsweise gesellschaftliche (120-350 cm) und die öffentliche Distanz (über (120-350 cm) ergaben. Die bevorzugte Distanz wird auch von der Ausrichtung des Blickes beeinflusst, wobei nach vorne meist ein größerer Abstand bevorzugt wird als zur Seite (Sommer, 1959; Sommer, 1962). Dabei konnte auch eine Erleichterung von sozialen Interaktionen nachgewiesen werden, wenn sich Personen an einem Tisch nicht direkt gegenüber saßen, sondern eher nebeneinander oder diagonal. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde die interpersonale Distanz mittels Silhouetten-Test in mehrere Richtungen erhoben: nach vorne, zur Seite und nach hinten. Hinsichtlich der Variation der bevorzugten interpersonalen Distanz in Bezug auf das Geschlecht konnten Miller et al. (2013) bereits zeigen, dass weibliche Gesichter sich generell näher annähern dürfen als männliche (siehe Hypothesen zum affektiven Rating).

Mehrere Studien konnten einen Unterschied der bevorzugten interpersonalen Distanz von Straftätern im Gegensatz zu gesunden Kontrollen nachweisen. Dabei konnte Wormith (1984) zeigen, dass kurzzeitig inhaftierte Straftäter im Allgemeinen eine größere interpersonale Distanz bevorzugen.

Booraem et al. (1977) konnten sogar einen Zusammenhang mit dem Typ des begangenen Deliktes finden: Dabei bevorzugen Straftäter, welche Verbrechen ohne Opfer verübt haben (zum Beispiel Diebstahl) eine geringere interpersonale Distanz als jene, welche Eigentumsdelikte, wie zum Beispiel Raub, begangen haben. Diese bevorzugen wiederum eine geringere Distanz als Personen, welche ein Delikt gegen einen anderen Menschen, verübt haben (zum Beispiel Mord oder Körperverletzung).

Die Tatsache, dass Personen, welche sogenannte „Hands-on“-Delikte begangen haben, die höchste interpersonale Distanz bevorzugen, ist in Hinblick auf die vorliegende Studie besonders deshalb von Bedeutung, da es sich bei der Stichprobe der Straftäter ausschließlich um Personen handelt, welche aufgrund oben genannter „Hands-on“-Delikte verurteilt worden waren.

Zusammenfassend stellt sich also die Frage: Gibt es einen Unterschied hinsichtlich der bevorzugten interpersonalen Distanz zu männlichen oder weiblichen Personen in verschiedene

52 Ausrichtungen (nach vorne, zur Seite, nach hinten) und unterscheiden sich Straftäter und Kontrollen in diesem Punkt?

Hypothese 3a: Zu Frauen wird im Allgemeinen ein geringeres Ausmaß an interpersonaler Distanz bevorzugt als zu Männern.

Hypothese 3b: Straftäter bevorzugen eine größere Distanz zu anderen Personen als Kontrollen.

3.6.4. Hypothesen zu neuronalen Parametern

Bereits Damasio (1994) betonte die Wichtigkeit präfrontaler Areale für den emotionalen Ausdruck und sah Schäden an und neurale Defizite in diesen Regionen als Ursache für Abnormalitäten im sozialen Verhalten von Psychopathen. In der Metaanalyse von Yang und Raine (2009) konnte anhand von 43 Studien die bedeutsame Rolle frontaler Areale in Zusammenhang mit antisozialem, violentem und psychopathischem Verhalten festgestellt werden. Dabei zeigte sich eine reduzierte Aktivität im rechten orbitofrontalen Cortex (OFC), rechten anterioren cingulären Cortex (ACC) und im linken dorsolateralen präfrontalen Cortex (DLPFC). Die Ergebnisse einer weiteren Metaanalyse (Nickerson, 2014) bestätigen eine generell reduzierte Aktivität in frontalen Arealen psychopathischer Individuen. Es konnte auch gezeigt werden, dass Schädigungen und neurale Defizite im präfrontalen Cortex normale emotionale Demonstrationen limitieren und Abnormalitäten in sozialen Verhaltensweisen herbeiführen könnten, welche von Psychopathen gezeigt werden. Diese Ergebnisse unterstützen auch die Befunde von Tranel et al. (2002), dass unilaterale Schädigungen des rechten OFC und des rechten VMPFC mit Störungen in sozialem Benehmen, dem Treffen von Entscheidungen und emotionalen Prozessen beobachtbar in psychopathischen Individuen einhergehen. Zusätzlich zu Befunden, welche eine Dysfunktion einzelner frontaler Areale zeigen, konnten Marsh et al. (2011) auch eine reduzierte Konnektivität des OFC und der Amygdala nachweisen, welche assoziiert ist mit psychopathischen Persönlichkeitseigenschaften bei Jugendlichen. Motzkin et al. (2011) konnten auch eine reduzierte Konnektivität des VMPFC mit dem medialen präfrontalen Cortex und der Amygdala zeigen. Im Zusammenhang mit Psychopathie und Neurotizismus während einer Emotionsregulationsaufgabe ergab sich eine positive Korrelation zwischen der Aktivierung des VLPFC und Psychopathie sowie des DLPFC und Neurotizismus (Harenski et al, 2009).

Holt et al. (2014) konnten im Zusammenhang mit interpersonaler Distanz im Besonderen die Bedeutung des prämotorischen Cortex (PMC) und des dorsalen intraparietalen Sulcus (DIPS) aufzeigen. Dabei zeigte sich eine stärkere Aktivierung beider Regionen bei der Annäherung von Gesichtern, nicht aber bei sich entfernenden Gesichtern oder anderen Objekten (zum Beispiel Autos).

53 Es konnte auch eine Konnektivität der beiden Regionen nachgewiesen werden, welche mit der bevorzugten Distanz zu fremden Personen assoziiert war.

Wiederum wird Bezug nehmend auf die Ergebnisse von Miller et al. (2013) ein Geschlechtereffekt erwartet, da zu weiblichen Gesichtern eine geringere Distanz zugelassen wird als zu männlichen.

Für die vorliegende Studie soll dabei die Frage überprüft werden: Unterscheiden sich Straftäter bei der Betrachtung sich annähernder und statischer neutraler Gesichtsausdrücke von Männern und Frauen hinsichtlich ihrer Aktivierung in präfrontalen Arealen (OFC, DLPFC, DMPFC, VLPFC, VMPFC), im ACC und im PMC von den Kontrollen?

Hypothese 4a: Straftäter unterscheiden sich hinsichtlich der Aktivierung in präfrontalen Arealen (OFC, DLPFC, DMPFC, VLPFC, VMPFC), im ACC und im PMC bei der Betrachtung von neutralen Gesichtsausdrücken abhängig vom Geschlecht der abgebildeten Person von Kontrollpersonen.

Hypothese 4b: Straftäter und Kontrollen weisen eine stärkere Aktivierung bei männlichen als bei weiblichen Gesichtern auf.

Hypothese 4c: Straftäter und Kontrollen zeigen eine erhöhte Aktivierung des PMC bei der Betrachtung sich annähernder im Gegensatz zu statischen Gesichtern.

Für die Feststellung eventueller Zusammenhänge der untersuchten Fragebogendaten mit neuronalen Parametern bei Straftätern und Kontrollen sollen im Folgenden anhand einer exploratorischen Fragestellung erhoben werden, ob die in den Fragebögen PCL-R, STAXI und ERQ von den Untersuchungsteilnehmern erzielten Werte in den erstellen Kontrasten mit Aktivierungen in den ROIs der vorliegenden Untersuchung korrelieren.

Fragestellung 4d (exploratorisch): Gibt es einen Zusammenhang zwischen den in den Fragebögen erzielten Werten und den Aktivierungen im OFC, DLPFC, VLPFC, DMPFC, VMPFC, ACC und PMC in den generierten Kontrasten?

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