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5. Diskussion

5.5. Diskussion der neuronalen Ergebnisse

5.5.1. Diskussion der Ergebnisse zum Kontrast Annäherung > Statisch

Für den Kontrast Annäherung > Statisch ergaben sich sowohl für die Between- als auch für die Within-Subject-Analysen signifikante Ergebnisse. Im Rahmen der ROI-Analysen zeigte sich bei der Präsentation sich annähernder im Vergleich zu statischen Gesichtsausdrücken eine erhöhte Akti-vität im linken ACC, im DLPFC und im VLPFC sowie im PMC. Zudem ergab sich bei der Whole-Brain-Analyse eine erhöhte Aktivierung des gesamten Gehirns bei sich annähernden Gesichtern.

Straftäter wiesen dabei eine signifikant höhere Aktivierung im linken ACC und im linken DLPFC sowie im gesamten Gehirn auf, innerhalb der Kontrollen zeigte sich eine stärke Aktivität im rechten DLPFC sowie ebenfalls im gesamten Gehirn bei der Präsentation sich annähernder relativ zu statisch dargebotenen Gesichtern. Diese Ergebnisse bestätigen zum Teil die Hypothese 4a, wonach Straftäter im Vergleich zu Kontrollen eine erhöhte Aktivierung im linken ACC und im linken DLPFC bei der Betrachtung sich annähernder Stimuli aufweisen. Bestätigung für die Aktivierung des ACC und des DLPFC bei Annäherung findet sich laut Gendolla et al. (2015) zum einen in der Rolle des ACC beim Treffen von Entscheidungen. Er überwacht dabei Handlungstendenzen, welche mit einem möglichen Konfliktpotenzial assoziiert sind und beispielweise durch ein Annäherungsverhalten moduliert wer-den können. Dieser Vorgang führt zur Verstärkung zielgerichteten Verhaltens durch andere Prozesse, welche möglicherweise durch den DLPFC bedingt sind. Da der Autorin hinsichtlich der Rolle von Kriminalität in diesem Zusammenhang bislang noch keine Literatur bekannt ist, kann nur subjektiv

80 geschlossen werden, dass bei Straftätern möglicherweise Überwachungsprozesse hinsichtlich Situa-tionen mit Konfliktpotenzial aufgrund vorangegangener Erfahrungen stärker ausgeprägt und daher mit einer stärkeren Aktivierung der relevanten Areale verbunden sind. Auch bei der generell erhöhten Aktivierung des VLPFC bei Annäherung lässt sich aufgrund seiner Beteiligung beim Treffen von Entscheidungen (Sakagami & Pan, 2007; Levy & Wagner, 2011) sowie der Handlungsplanung und der motorischen Inhibition (Levy & Wagner, 2011) davon ausgehen, dass er bei Annäherungsverhal-ten eine ähnliche Rolle spielt wie der DLPFC.

Weiters bestätigen anhand der Ergebnisse lässt sich Hypothese 4c, welche von einer gestei-gerten Aktivierung des PMC bei Annäherung im Gegensatz zu statischer Präsentation von Gesichts-ausdrücken ausging. Unterstützung für diesen Befund liefert auch die Studie von Holt et al. (2014), welche eine höhere Aktivität des PMC bei der Präsentation sich annähernder Gesichter, nicht aber sich entfernender Gesichter oder bei der Darstellung von Objekten nachweisen konnte.

5.5.2. Diskussion der Ergebnisse zum Kontrast Weiblich > Männlich

Auch im Rahmen dieses Kontrastes ergaben sich signifikante Ergebnisse sowohl bei den Between- als auch bei den Within-Subjects-Analysen. Dabei ergab sich eine generell erhöhte Aktivie-rung des OFC und des VLPFC bei der Betrachtung weiblicher im Vergleich zu männlichen Gesich-tern. Sowohl bei den Straftätern als auch bei den Kontrollen zeigte sich eine signifikant erhöhte Ak-tivierung im OFC bei der Präsentation weiblicher Gesichtsausdrücke, Personen der Kontrollgruppe wiesen zusätzlich eine höhere Aktivierung im DMPFC sowie im gesamten Gehirn auf. Die Aktivie-rung des OFC bei der Präsentation entspricht seiner Rolle in der Bewertung von Gesichtern und deren emotionaler Komponenten (Rolls, 2004; Rolls & Grabenhorst, 2008). Befunde legen nahe, dass im Allgemeinen bestimmte frontale, limbische und visuelle Areale stärker aktiviert sind bei der Betrach-tung von Gesichtern des sexuell präferierten Geschlechts (Kranz & Ishai, 2006). Es kann davon aus-gegangen werden, dass dies auch in der vorliegenden Studie der Fall war und die gänzlich männliche Stichprobe entsprechend ihrer sexuellen Präferenzen eine eher erhöhte Aktivierung bei der Betrach-tung weiblicher Gesichter gezeigt hat. Diese Annahme wird dadurch gestützt, dass sich keine signi-fikanten Ergebnisse für den Kontrast Männlich > Weiblich im Rahmen der ANOVA ergaben (Hypo-these 4b).

Da bisher noch keine Ergebnisse hinsichtlich der in der vorliegenden Studie untersuchten ROIs im Rahmen sich annähernder beziehungsweise statisch präsentierter männlicher und weiblicher Gesichtsausdrücke vorliegen, kann davon ausgegangen werden, dass in der vorliegenden Studie neue Erkenntnisse bezüglich der Funktion genannter Areale in der Betrachtung männlicher und weiblicher Gesichter erlangt wurden.

81 Wie oben erwähnt gab es zwar keine Hinweise für eine signifikant erhöhte Aktivierung bei der Betrachtung von männlichen im Gegensatz zu weiblichen Gesichtern, jedoch zeigte sich ein dies-bezüglicher Effekt in einer signifikanten Dreifachinteraktion, weshalb es zu keinem Verwurf der Hy-pothese 4b kommt. Auf diese Interaktion soll im folgenden Kapitel näher eingegangen werden.

5.5.3. Diskussion der Ergebnisse zum Kontrast Straftäter > Kontrollen Annäherung >

Statisch Männlich > Weiblich

Im Rahmen der ANOVA ergab sich eine signifikante Dreifachinteraktion der Faktoren Gruppe x Bedingung x Geschlecht des Posers. Hierbei konnte eine signifikant erhöhte Aktivierung des OFC (bilateral) bei Straftätern im Gegensatz zu Kontrollen bei sich annähernden männlichen im Gegensatz zu statisch präsentierten weiblichen Gesichtern beobachtet werden. Dies führt dazu, dass im Rahmen dieser Interaktion die Hypothese 4b zum Teil bestätigt werden kann. Limitiert wird dies dadurch, dass ein derartiger Effekt lediglich bei der Gruppe der Straftäter und bei sich annähernden männlichen Gesichtern gefunden werden konnte, nicht aber bei statisch präsentierten. Dieser Befund wird durch die bisher existierende Literatur dadurch unterstützt, dass zu Männern im Allgemeinen ein größerer Abstand bevorzugt wird (Miller et al., 2013) und dass bei sich annähernden Gesichtern generell ein erhöhtes Arousal besteht (Mühlberger et al., 2008). Weiters spricht auch das oben ange-führte Ergebnis zu den affektiven Ratings, dass Insassen sich annähernde männliche Gesichter als erregender beurteilen als sich annähernde weibliche Gesichter, für eine Plausibilität der Befunde.

Bezüglich der erhöhten Aktivität des OFC hat sich auch in der Studie von Tranel et al. (2002) gezeigt, dass der OFC eine Rolle für das soziale Benehmen sowie für emotionale Prozesse spielt, was für die erhöhte Aktivität bei Straftätern spricht.

5.5.4. Diskussion der exploratorischen Regressionsanalysen hinsichtlich der Fragebogendaten in Zusammenhang mit den neuronalen Parametern

In Hinblick auf eventuelle Zusammenhänge zwischen den untersuchten Fragebogendaten und neuronalen Parametern bei Straftätern und Kontrollen wurden exploratorische Regressionsanalysen der Ergebnisse in den Fragebögen PCL-R, STAXI und ERQ und der neuronalen Aktivierungen in den ROIs durchgeführt. Dabei haben sich signifikante Zusammenhänge für die Kontraste Annäherung > Statisch, Weiblich > Männlich sowie Straftäter > Kontrollen Annäherung > Statisch und Männlich > Weiblich gezeigt, welche im Folgenden diskutiert werden.

82 5.5.4.1. Diskussion der Ergebnisse der Regressionsanalysen für den Kontrast

Annäherung > Statisch

Regressionsanalytisch konnte bei Annäherung im Gegensatz zu Statisch bei Straftätern fest-gestellt werden, dass höhere Werte in der Facette Interpersoneller Stil mit stärkeren Aktivierung im linken DLPFC einhergehen. Dieser Befund spricht zwar gegen die bisherige Beobachtung einer ge-ringeren Aktivierung in dieser Region bei Personen mit psychopathischem, antisozialem und violen-tem Verhalten (Yang & Raine, 2009), wird jedoch im Rahmen der Studie von Gordon et al. (2004) unterstützt, wonach Personen mit höheren Werten auf der emotional-interpersonalen Dimension des Psychopathic Personality Inventory (PPI) bei emotionalen Aufgaben eine höhere DLPFC-Aktivität zeigten. Höhere Werte in der Facette Lebensstil gingen mit einer geringeren Aktivierung im linken OFC einher. Höhere Werte in dieser Facette beschreiben im Besonderen parasitäres Verhalten, Im-pulsivität, Stimulationsbedürfnis, ein Fehlen von realistischen und langfristigen Zielen sowie ein ver-antwortungsloses Verhalten (Hare, 2003). Die beobachtete reduzierte Aktivität im OFC geht dabei einher mit bisherigen Befunden, wonach besonders Personen mit psychopathischem, antisozialem und violentem Verhalten ein solches Aktivierungsmuster in dieser Region zeigen (Yang & Raine, 2009). Zudem zeigte sich, dass je größer die Fähigkeit zur Ärgerkontrolle, desto geringer war die Aktivierung im ACC, DLPFC, DMPFC und VLPFC (alle bilateral). Bestätigung für eine geringere Aktivierung des DLPFC und des VLPFC bei niedrig aggressiven Personen findet sich auch in der Studie von Pawliczek et al. (2013), wo sich auch im dorsalen ACC eine niedrigere Aktivierung zeigte.

Eine bessere Fähigkeit zur Ärgerkontrolle bei den Kontrollpersonen ging mit einer höheren Aktivierung im rechten OFC einher, dies kann möglicherweise auf die Rolle dieses Areals beim Tref-fen von Entscheidungen zurückgeführt werden. Zudem zeigte sich, dass ein häufigerer Gebrauch der Emotionsregulationsstrategie Unterdrückung mit einer geringeren Aktivierung des linken DMPFC und des DLPFC einherging. Auch diese Effekte könnten auf die Rolle des DMPFC und des DLPFC in der Entscheidungsfindung und der kognitiven Kontrolle zurückzuführen sein, da es im Rahmen der Emotionsregulation solcher Fähigkeiten bedarf.

In Bezug auf die Distanz ergab sich bei den Straftätern, dass bei Annäherung eine erhöhte Aktivierung im OFC, im rechten ACC, im rechten DMPFC, im VLPFC und im PMC mit einer grö-ßeren bevorzugten Distanz einhergeht. Auch die bisher existierende Literatur konnte bereits die Re-levanz des PMC für die interpersonale Distanz aufzeigen (Holt et al., 2014), dies wird durch die Ergebnisse der vorliegenden Studie untermauert. Auch die Studie von Leiberg et al. (2012) zeigte einen Zusammenhang einer erhöhten Aktivierung des DMPFC mit einer größeren interpersonalen Distanz, dies allerdings in Form eines Paradigmas, wo sich die Untersuchungspersonen bei der Be-obachtung von sogenannten Täter-Opfer-Szenen mental vom Opfer distanzieren sollten. Auch wenn dies ein gänzlich anderes Paradigma als jenes in der vorliegenden Untersuchung verwendete darstellt,

83 konnte anhand der in dieser Studie erhaltenen Ergebnisse dennoch die Relevanz des DMPFC im Rah-men der interpersonalen Distanz nachgewiesen werden. Für die erhöhte Aktivierung im ACC, OFC und VLPFC bestehen nach Wissen der Autorin noch keine Ergebnisse in Zusammenhang mit inter-personaler Distanz, jedoch lässt sich darauf schließen, dass der OFC und der VLPFC aufgrund ihrer Funktion beim Treffen von Entscheidungen und der motorischen Inhibition (Sakagami & Pan, 2007;

Levy & Wagner, 2011) eine höhere Aktivierung bei sich annähernden Bildern aufweisen. Es lässt sich auch vermuten, dass der ACC aufgrund seiner Rolle im Rahmen der Affektregulation bei der Annäherung von Gesichtern verstärkt aktiv ist (Stevens et al., 2011), da sich annähernde Gesichter im Allgemeinen als einen negativeren Affekt hervorrufen als beispielsweise statisch präsentierte (Mühlberger et al., 2008). Diese Ergebnisse lassen auf eine stärkere Aktivierung der genannten Areale mit höherer bevorzugter Distanz bei annähernden im Gegensatz zu statisch präsentierten Gesichtern bei Straftätern schließen.

Bei den Kontrollen zeigte sich eine stärkere Aktivierung des gesamten Gehirns mit einer grö-ßeren bevorzugten interpersonalen Distanz.

5.5.4.2. Diskussion der Ergebnisse der Regressionsanalysen für den Kontrast Weiblich >

Männlich

Auch für den Kontrast Weiblich > Männlich wurden einfache Regressionsanalysen berechnet.

Dabei zeigte sich, dass bei der Betrachtung von weiblichen im Gegensatz zu männlichen Gesichtern bei Straftätern mit ausgeprägteren Fähigkeiten zur Ärgerkontrolle eine stärkere Aktivierung des ACC, des rechten DLPFC, des DMPFC und des VLPFC besteht. Diese Befunde leuchten ein, da sowohl der DLPFC und der DMPFC als auch der VLPFC eine Rolle beim Treffen von Entscheidungen spie-len und somit eine verstärkte Aktivierung bei der Kontrolle von Ärger plausibel ist (Greene et al., 2001; Sakagami & Pan, 2007; Venkatraman et al., 2009; Levy & Wagner, 2011). Auch der ACC ist dabei relevant, da er an der Affektregulation beteiligt ist und den Einfluss von Kognition auf Emotion mediiert (Stevens et al., 2011). Höhere Werte in der Facette Interpersoneller Stil gingen mit einer reduzierten Aktivierung im linken DLPFC einher. Dieses Ergebnis untermauert die Befunde einer reduzierten Aktivierung im linken DLPFC bei Personen mit psychopathischem, antisozialem und vi-olentem Verhalten (Yang & Raine, 2009).

Bei der Gruppe der Kontrollen ergab sich eine höhere Aktivierung des linken DLPFC und des DMPFC bei stärkerem Gebrauch von Unterdrückung zur Emotionsregulation. Dieses Ergebnis könnte auf die Beteiligung der beiden Regionen beim Treffen von Entscheidungen und der kognitiven Kontrolle zurückzuführen sein (Greene et al., 2001; Venkatraman et al., 2009).

Im Zusammenhang mit der interpersonalen Distanz ergaben sich lediglich für die Gruppe der Straftäter signifikante Ergebnisse in den Regressionsanalysen. Dabei konnte nachgewiesen werden,

84 dass eine größere bevorzugte Distanz im Allgemeinen mit einer erhöhten Aktivierung des PMC (bilateral) einhergeht. Die Wichtigkeit des PMC bei zwischenmenschlichen Distanzen konnte schon durch Holt et al. (2014) nachgewiesen werden. Eine verhältnismäßig geringere Aktivierung mit einem größeren bevorzugten Abstand zeigte sich im OFC, rechten ACC, linken DLPFC und rechten DMPFC sowie im VLPFC. Bestätigung für eine Rolle des DMPFC für die interpersonale Distanz lieferte im Rahmen eines anderen Paradigmas auch schon die Studie von Leiberg et al. (2012), jedoch zeigte sich in der vorliegenden Studie ein gegenteiliges Aktivierungsmuster. Die Ursache für die erhöhte Aktivierung des DMPFC könnte in der Koordination angemessener autonomer Antworten während der Generierung und Regulation von Emotionen liegen (Ochsner & Kosslyn, 2014), diese Prozesse könnten möglicherweise als Reaktion auf sich annähernde Personen ausgelöst werden. Wie oben bereits erwähnt bestehen nach Wissen der Autorin bis dato keine signifikanten Ergebnisse hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen dem bevorzugten Ausmaß an interpersonaler Distanz und der Aktivierung in den ROIs OFC, ACC, DLPFC sowie VLPFC, was auf neue Erkenntnisse in diesem Bereich schließen lässt.

5.5.4.3. Diskussion der Ergebnisse der Regressionsanalysen für den Kontrast Straftäter >

Kontrollen Annäherung > Statisch Männlich > Weiblich

Für die Dreifachwechselwirkung ergaben sich keine signifikanten Regressionsergebnisse für die untersuchten ROIs.