• Keine Ergebnisse gefunden

2. Theorie

2.1. Psychopathie

2.1.8. Die Neurobiologie der Psychopathie

Relevante Gehirnregionen im Rahmen der Psychopathie stellen nach den Erkenntnissen vorangegangener Studien besonders die frontalen Areale sowie das limbische System dar (Blair et al., 2006; Marsh et al, 2011; Anderson & Kiehl, 2012), wobei sich die vorliegende Arbeit auf die frontalen Bereiche, im Besonderen den präfrontalen Cortex, konzentriert. Betrachtet man das limbische System, zeigen bei besonders im Bereich der Amygdala, welche besonders für die emotionale Verarbeitung eine Rolle spielt (LeDoux, 1996), sowohl strukturelle als auch aktivitätsbezogene Differenzen zwischen psychopathischen und nicht psychopathischen Individuen.

So weisen Personen mit psychopathischen Tendenzen im Allgemeinen ein geringeres Volumen in der Amygdala auf, was auch mit vermehrter Aggression in Verbindung steht (Pardini et al., 2013).

Auch in der Insula, welche im Allgemeinen an kognitiven, affektiven und regulatorischen Prozessen beteiligt ist, zeigt sich bei Psychopathen ein geringeres Volumen (Yang et al., 2009), und auch im Hippocampus konnten strukturelle Abnormalitäten bei Psychopathen, Straftätern und Mördern beobachtet werden (Kiehl, 2011; Soderstrom, 2000; Critchley, 2000; Raine, 1998). Funktionell zeigt sich bei Psychopathen beispielsweise eine reduzierte Aktivierung in der Amygdala bei der Präsentation emotionaler Wörter im Vergleich zu gesunden Kontrollen (Blair, 2007). Bei Personen mit antisozialer Persönlichkeitsstörung konnte hingegen eine allgemein erhöhte Amygdala-Aktivierung beobachtet werden (Hyde et al., 2014). Im Hippocampus, welcher besonders eine Rolle in der Emotionsregulation und bei Gedächtnisprozessen spielt, konnte bei Psychopathen eine erhöhte Aktivierung auf emotionale Stimuli beobachtet werden (Davidson et al., 2000).

Bezüglich der frontalen Areale postulierte bereits Damasio (1994), dass Schäden an und neurale Defizite in diesen Bereichen den normalen emotionalen Ausdruck limitieren und Ursache für Abnormalitäten im sozialen Verhalten, wie dies bei Psychopathen der Fall ist, sein können. Weiters konnte in einer aktuellen Studie Nickerson (2014) nachweisen, dass bei Psychopathen in frontalen Bereichen generell eine reduzierte Aktivität besteht. Dies konnte mit mehreren bildgebenden Verfahren, darunter MRI, fMRI, aMRI, SPECT und PET, festgestellt werden.

Der präfrontale Cortex, welcher in der vorliegenden Studie von besonderer Bedeutung ist, wird grob in sechs Bereiche unterteilt: der frontopolare Cortex (FP), der orbitofrontale Cortex (OFC), der dorsolaterale präfrontale Cortex (DLPFC), der dorsomediale präfrontale Cortex (DMPFC), der ventrolaterale präfrontale Cortex (VLPFC) und der ventromediale präfrontale Cortex (VMPFC).

Diese Aufteilung hat sich nach Ray und Zald (2012) trotz Verbindungen zu anderen Regionen als sinnvoll erwiesen. Ein weiterer Fokus wird in dieser Studie zusätzlich auf den anterioren cingulären Cortex (ACC) aufgrund seiner Bedeutung in der Psychopathie gelegt. Im Folgenden werden die für

23 die vorliegende Studie relevanten ROIs genauer erläutert.

2.1.8.1. Der orbitofrontale Cortex (OFC)

Der OFC spielt in vielen Bereichen eine zentrale Rolle. Seine Bedeutung zeigt sich zum einen in der Emotionswahrnehmung und –bearbeitung (Cardinal et al., 2002; Phillips et al., 2003; Rolls, 2004; Rolls & Grabenhorst, 2008), zum anderen spielt er auch bei der Erkennung von emotionalen Gesichtsausdrücken eine Rolle (Gorno-Tempini et al., 2002). Generell scheint er bei emotionalen Prozessen beteiligt zu sein. Schäden im OFC führen demnach zu Störungen im emotionsbezogenen Lernen, emotionalem Verhalten und dem subjektiven affektiven Empfinden. Weitere Funktionen des OFC liegen im Setzen von Handlungszielen und in der Entscheidungsfindung (Rolls & Grabenhorst, 2008).

In Bezug auf die Psychopathie konnte eine reduzierte Aktivität im rechten OFC bei Personen mit psychopathischem, antisozialem und violentem Verhalten beobachtet werden (Yang & Raine, 2009). Es konnte in diesem Zusammenhang nachgewiesen werden, dass unilaterale Schädigungen im OFC mit Störungen des sozialen Benehmens, dem Treffen von Entscheidungen und emotionalen Prozessen einhergehen (Tranel et al., 2002). Auch im Zusammenhang mit dem limbischen System zeigte sich bei Psychopathen eine reduzierte Konnektivität des OFC mit der Amygdala (Marsh et al., 2011).

2.1.8.2. Der dorsolaterale (DLPFC) und der dorsomediale (DMPFC) präfrontale Cortex Im Rahmen allgemeiner Funktionen sind sowohl der DLPFC als auch der DMPFC beteiligt am Prozess der Entscheidungsfindung (Greene et al., 2001; Venkatraman et al., 2009). Des Weiteren spielt der DLPFC auch eine Rolle in exekutiven Funktionen (Elliott, 2003) und im Arbeitsgedächtnis (Monsell, 2003), außerdem zeigt sich eine Beteiligung bei der Regulation von Emotionen anhand von Neubewertung (Beauregard et al., 2001; Steinfurth et al., 2013). Der DLPFC scheint dabei die Aufgabe zu haben, die Aufmerksamkeit auf einen neuen Stimulus zu lenken und das Regulationsziel im Auge zu behalten (Ochsner et al., 2012). Der DMPFC hingegen ist unter anderem auch an der kognitiven Kontrolle beteiligt (Venkatraman et al., 2009) und auch hier zeigt sich ein Zusammenhang mit der Anwendung bestimmter Emotionsregulationsstrategien (Davidson et al., 2000).

Bezug nehmend auf die Psychopathie hat sich in der Studie von Yang und Raine (2009) gezeigt, dass bei Personen mit psychopathischem, antisozialem und violentem Verhalten eine reduzierte Aktivität im DLPFC besteht.

In einer fMRI-Studie von Harenski et al. (2009), welche die Zusammenhänge des DLPFC mit Psychopathie und Neurotizismus untersuchten, wurden den Probandinnen im Scanner drei Sets mit

24 16 unangenehmen Bildern, ein Set mit 16 neutralen Bildern sowie ein Set mit 16 angenehmen Bildern des IAPS (International Affective Picture System; Lang et al., 1997) gezeigt und sie wurden vor Präsentation jedes Bildes gebeten, das folgende Bild entweder passiv auf sich wirken zu lassen („Watch“-Bedingung) oder ihre Emotionen zu regulieren, indem sie das Bild in einem geringeren emotionalen Kontext betrachten sollten („Decrease“-Bedingung). Nach Präsentation jedes Bildes sollten sie auf einer 4-stufigen Skala die Stärke ihrer aktuellen Emotionen von 1 („schwach“) bis 4 („stark“) angeben. Zur Erfassung von Persönlichkeitsvariablen füllten die Untersuchungsteilnehmerinnen vor der Messung im Scanner den NEO-FFI (Costa & McCrae, 1992) sowie das PPI (Lilienfeld & Andrews, 1996) aus. Dabei ergaben sich zwar keine signifikanten Ergebnisse hinsichtlich der Psychopathie, allerdings konnte ein Zusammenhang der Aktivierung des DLPFC mit Neurotizismus nachgewiesen werden.

2.1.8.3. Der ventrolaterale (VLPFC) und der ventromediale (VMPFC) präfrontale Cortex Auch der VLPFC und der VMPFC sind – wie viele andere frontale Regionen auch – maßgeblich beteiligt an der Entscheidungsfindung (Bechara et al., 2000; Sakagami & Pan, 2007;

Levy & Wagner, 2011; Carlson, 2013). Zusätzliche Beteiligung findet der VLPFC noch in der motorischen Inhibition und der Handlungsplanung (Levy & Wagner, 2011), sowie sowohl der VLPFC als auch der VMPFC in der Emotionsregulation (Beauregard et al., 2001; Urry et al., 2006;

Koenigs et al., 2007; Hänsel & von Kähnel, 2008; Steinfurth et al., 2013), wobei der VLPFC angemessene Reaktionen für einen Stimulus auszuwählen und unangemessene Reaktionen zu hemmen (Ochsner et al., 2012) und der VMPFC sowohl positive als auch negative affektive Konsequenzen von Handlungen vorherzusehen scheint (Davidson et al., 2000).

Es hat sich gezeigt, dass unilaterale Schädigungen des rechten VMPFC mit Störungen des sozialen Benehmens, dem Treffen von Entscheidungen und emotionalen Prozessen einhergehen (Tranel et al., 2002). Des Weiteren konnten Motzkin et al. (2011) eine reduzierte Konnektivität des VMPFC mit der Amygdala und dem medialen präfrontalen Cortex nachweisen. Harenski et al. (2009) konnten zudem eine positive Korrelation der Aktivierung des VLPFC mit Psychopathie feststellen.

2.1.8.4. Der anteriore cinguläre Cortex (ACC)

Der ACC stellt eine Region mit Verbindungen sowohl zu kognitiven frontalen Arealen als auch zum emotionalen limbischen System dar und hat dabei eine mediierende Rolle beim Einfluss der Kognition auf die Emotion (Stevens et al., 2011). Der ACC ist dabei auch verantwortlich für die Affektregulation (Stevens et al., 2011) sowie für die veränderte Bearbeitung emotionaler und sozialer Information (Minzenberg et al., 2007).

25 Bei Personen mit psychopathischem, antisozialem und violentem Verhalten konnte eine reduzierte Aktivität gefunden werden (Yang & Raine, 2009).