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Historische Uebersicht

Im Dokument Juristische Studien. (Seite 113-121)

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Zustände der Gingeborenen vor der Eroberung Livlands durch die Deutschen.

(Bunge, Einleitung in die liv-, est- u, curl, Ncchtsgeschichte S . 59 fg.)

Zur Zeit der Ankunft der Deutschen hatten die Esten das jetzige Estland, den nördlichen Theil Liulands und die benachbarten Inseln inne. Die Letten saßen im südöstlichen Livland, während die Liven an der Meeresküste in Kurland und Lioland von der Windau an bis zur Pernau wohnten.

Die Kuren nahmen das südwestliche Kurland zwischen der Seeküste und der Windau ein und die Semgallen das ganze linke Dünllufer. Ein gemeinschaftliches Oberhaupt hatten sie nicht. Einzelne Stämme, desgleichen einzelne größere oder kleinere Landstriche hatten Vorgesetzte, welche Aelteste, Lsnioro«, 8sniorß8 tsi'1'3,6 genannt wurden und im Kriege den Oberbe-fehl führten, in Friedenszeiten aber das Richteramt ausübten.

Bei den Esten, Oeselern und Euren zerfielen die größeren Landschaften in kleinere, Kilegunden genannte Districte. Wichtige Angelegenheiten wurden auf Volksversammlungen — UHa — berathschlagt, bei welchen in schwierigen Fällen das Loos entschied. Einen Standesunterschied gab es, wie es scheint,

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unter den Eingeborenen nicht, desgleichen keine Unfreiheit.

Gefangenschaft im Kriege führte indeß allerdings zur Sclaverei, in welche eben daher nur Fremde geriethen. Ueber den Zu-stand dieser Sclaverei fehlen genauere Nachrichten. Nur so viel ist gewiß, daß mit solchen Sclaven förmlicher Handel getrieben wurde. — Das Volk, in Dörfern und Einzelhöfen seßhaft, beschäftigte sich mit Ackerbau, Viehzucht, Fischerei und nicht selten mit Seeraub, Me Aeltesten lebten in be-festigten Burgen, die im Kriege als allgemeine Zufluchtsorte dienten. Die Religion war eine heidnische.

§ 6 ,

Begründung der deutschen Herrschaft in Livland.

Nachdem Deutsche seit dem 12. Jahrh, mit den an der Düna wohnenden Liven Handelsverbindungen angeknüpft hatten, erbaute der von ihnen mitgebrachte Mönch Meinhard 1184 in Ikeskolll (Uexküll) eine Kirche, predigte den Liven das Kreuz und wurde vom Papst zum Bischof ernannt. So war die erste Ansiedelung der Deutschen in Livland begründet.

Aber erst durch den dritten Bischof Albert von Appeldern (1199—1229) wurde die Herrschaft der Deutschen erweitert und befestigt. Dieser, von den Päpsten Innocenz I I I . und dessen Nachfolgern Honorius I I I . und Gregor IX. kräftig unterstützt, warb auf wiederholten Reisen Kreuzfahrer in Deutschland und Gothland zur Bezwingung und Bekehrung der Liven. Die erste Organisation der deutschen Colonie an der Dünn ging dergestalt nicht nur von der Kirche aus, sondern ruhte auch ganz auf kirchlicher Grundlage. An der Spitze der Verfassung stand sowohl als kirchlicher, wie als weltlicher Regent der Bischof, dem gemäß den canonischen Regeln das Capitel beigegeben war. Als Kriegsmacht diente dem Bischof der im Jahre 1202 gestiftete geistliche Orden der

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Schwertbrüder oder der Brüder der Ritterschaft Christi, dessen Bestimmung es war die Eroberung Livlands auszuführen.

Zu seinem Unterhalte sollte der Orden den dritten Theil an allem eroberten Lande unter der Lehnshoheit des Bischofs erhalten. I n seinem Bisthum gründete Albert (1201) die von ihm mit einem eigenen Ländergebiete versehene Stadt Riga, deren Festigkeit seinem Unternehmen einen sicheren Stützpunkt bieten und Kaufleute und Bürger zu dauernder Niederlassung bewegen sollte. I n Riga befand sich die Kathedralkirche und der Sitz des Kapitels, während der Bischof seinen Sitz auf seinen Schlössern im Lande (Ronneburg, Kokenhusen :c,) nahm. Das eroberte Land wurde, soweit es nicht für die Zwecke der Kirche diente, in Uebereinstimmung m i t ' den Anfchlluungen der damaligen Zeit kriegspflichtigen Vafallen nach Lehnrecht vergeben. So wie die Eroberung des Landes fortschritt, wurden neue BiZthümer nach dem Muster des rigischen errichtet, namentlich das dörvtsche (1224), das wiek-öselsche (1224), das curländische (1234) und das sem-gallische (1218), welches letztere jedoch bald wieder mit dem rigischen Stifte vereinigt wurde, Durch diefe Maaßregel war gleich im Beginn die Einheit des Staatsverbandes aufgegeben worden und der Keim zu Streitigkeiten zwischen den ver-schiedenen Machthabern gelegt, um deren Beilegung sich der vom Papst wiederholt (in den Jahren 1225—1234) als Legat nach Livlllnd gesandte Bischof Wilhelm von Modena wefent-liche Verdienste erwarb. Die Einheit wurde dadurch zwar einigermaaßen hergestellt, zumal im Jahre 1255 die Erhebung des Bisthums Riga zum Grzbisthum (unter Albert Suerbeer) erfolgte, die Metropolitanhoheit des Erzbifchofs bezog sich aber nur auf geistliche Dinge, während in weltlicher Hinsicht die Bischöse einander gleichgestellt waren. Nur der Orden, der in allen Bisthümern befitzlich war, stellte noch eine ein-heitliche Macht dar, die den Bischöfen um fo gefährlicher

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werden mußte, als sich der Orden der Schwertbrüder, um sich nach einigen unglücklichen Schlachten gegen die Litthauer vom Untergange zu retten, im Jahre 123? durch den Vertrag zu Viterbo mit dem mächtigen deutschen Orden in Preußen vereinigte und von dann ab einen Zweig des letzteren bildete.

s 7.

Die dänische Herrschaft in Estland.

Um den Esten, welche wiederholt russische Hülfe herbei-holten, Widerstand leisten zu können, sah sich der Bischof Albert genöthigt den damals mächtigen König Waldemar I I . von Dänemark zu Hülfe zu rufen, der auch im Jahre 1219 mit einer bedeutenden Flotte an der Nordküste Estlands landete, die Esten in einer blutigen Schlacht bei dem heutigen Reval besiegte, das umliegende Land in Besitz nahm, an der Stelle, wo die Estenburg Lindanisse gestanden hatte, das Schloß Revlll erbaute und daselbst feinen Caplan Wescelin zum Bischof einsetzte. Nach wesentlich anderen Gesichtspunkten als in Livland erfolgte die Organisation der dänischen Colonie.

Es war im Gegensatze zu der kirchlichen Herrschaft in Livland eine weltliche Macht, die dafelbst begründet wurde. An der Spitze der Regierung stand der königliche Hauptmann (eapitanLuz), auch Vogt oder Statthalter genannt, dem die königlichen Dienstmannen, kommen rsssis, zur Seite standen.

Der Bischof von Reval war lediglich Oberhirte seiner Diöcese ohne alle weltliche Macht. Zwar erhielt er zu feinem Unter-halte einige Ländereien geschenkt, sie waren aber nicht groß genug zur Begründung einer weltlichen Herrschaft, Die Be-ziehungen der beiden Colonien in Liv- und Estland zu ein-ander waren äußerst gespannte. — Sehr folgenreiche Ver-änderungen traten in den Zuständen Estlands ein, als der Orden, während König Waldemar mit seinen deutschen Vasallen

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im Kampfe begriffen war, im Jahre 122? ganz Harrien und Wierlllnd und selbst die Dänenburg bei Reval in seine Ge-walt gebracht hatte. Um seine Herrschaft zu befestigen, wirkte der Orden einen Schenkungsbrief über Estland vom römischen Könige aus (1228) und vertheilte das Land, aus welchem die Dänen meist vertrieben wurden, an deutsche Vasallen, Zwar mußte der livl. Orden nach seiner Vereinigung mit dem deutschen auf Anordnung des Papstes Harrien und Wierland dem Dänenkönige wieder ausliefern, dem letzteren blieb aber nichts übrig, als die in einer 10 jährigen deutschen Herrschaft aus-gebildeten bestehenden Zustände durch den Vergleich zu Stenby vom Jahre 1238 anzuerkennen. Auf diese Weise vollzog sich die Germanisirung Estlands bereits unter dänischer Herrschaft.

Die Beziehungen der beiden Colonien gestalteten sich seitdem fortwährend freundlich. Nachdem jedoch die Vasallen in Estland den Orden zur Dämpfung eines Aufstandes der Esten (1343) zu Hilfe gerufen hatten, war die Stellung desselben eine so gebieterische im Lande geworden, daß König Walde-mar IIÜ. sich genöthigt sah letzteres im Jahre 1346 dem Hoch-meister des deutschen Ordens zu verkaufen. Damit hörte auch die äußere Scheidung Liv- und Estlands auf. I m I . 1459 überließ der Hochmeister die Landeshoheit über Harrien und Wierland dem livländ. Ordensmeister ^).

Kampf des Ordens mit den Bischöfen.

Während die Feindseligkeiten zwischen der deutschen und der dänischen Colonie früh beseitigt wurden, M t ein anderer Kampf die Annalen der Geschichte Livlands im Laufe zweier

1> Bunge, Einleitung in die Rechtsgesch. S. 44.

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Jahrhunderte aus. Es war dies der Kampf zwischen dem Orden und den Bischöfen um ihre gegenseitige Machtstellung.

Wenngleich bei der Vereinigung des Schwertordens mit dem deutschen Orden festgesetzt worden war, daß der livländische Zweig des deutschen Ordens ganz in das Verhältniß des Schwertordens, namentlich in den Besitz des dem letzteren zugetheilten Ländergebietes, zugleich aber auch in die Lehns-abhängigkeit von den Bischöfen treten sollte, so suchte sich doch der Orden, gestützt auf seine Macht, dieser Abhängigkeit zu entziehen und ein Verhältniß zu den Bischöfen herzustellen, wie es in Preußen bestand, wo die Bischöfe sich in Abhängigkeit vom deutschen Orden befanden, nur ein Drittheil des Landes besaßen, die Ordensregel befolgen und die Kleidung des Ordens tragen mußten. Bis gegen Ende des X I I I . Jahrh, war der Orden in Livland noch ausschließlich mit der allendlichen Unterwerfung der Landeseingeborenen, der Unterdrückung auf-rührerischer Stämme und mit Kriegen gegen die Nachbaren beschäftigt. Insbesondere mußte er einen hartnäckigen und langwierigen Kampf mit den Kuren und Semgallen bestehen, die vom Christenthume abgefallen waren und sich mit den Litthlluern verbunden hatten. Die nach Beendigung dieser Kämpfe wachsende Macht des Ordens gewährte demselben die Mittel zur Erreichung seiner ehrgeizigen Pläne. Er setzte es durch, daß Curland und Semgallen nicht nach livländischem, sondern nach preußischem Maaßstabe getheilt wurde, so daß der Orden davon VZ erhielt, der Bischof von Curland aber nur '/z. Die Machtstellung des Ordens erregte den Neid der Bischöfe. Gegen Ende des X I I I . Jahrh, brach der gegen-seitige Haß zwischen dem Orden und den Erzbischöfen, durch unzählige, an sich zum Theil unbedeutende Veranlassungen genährt, in eine verderbliche Fehde aus, in welcher die Erz-bischöfe die alten Feinde Livlands, die Litthauer, gegen den Orden zu Hülfe riefen und die mächtige Stadt Riga, welche

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nebst anderen Städten Livlands (Reval, Dorpat, Pernau) seit 1282') Mitglied des deutschen Hansabundes geworden war, thätigen Antheil zu Gunsten des Erzbischoss nahm. Der Ordensmeister Eberhard v. Monheim brachte im Jahre 1330 nach einer durch ein halbes Jahr sich hinziehenden Belagerung Riga in seine Gewalt und durch den Unterwerfungsuertrag, den sog, Sühnebrief, erkannte Riga die Mitherrschaft des Ordens über die Stadt an. I m Jahre 1366 verzichtete der Orden jedoch auf seine Mitherrschaft über Riga, wogegen der Erz-bischof seiner Oberhoheit über den Meister und den Orden entsagte. Nachdem es dem Orden gelungen war, den früheren Ordenscaplan Sylvester Stodewescher auf den erzbischöflichen Stuhl zu erheben, schien sich anfänglich ein friedliches Ver-hältniß herstellen zu wollen. Durch den sog, wolmarschen Brief v, I , 1451, der im folgenden Jahre durch eine päpst-liche Bulle (duiik Iiadiwz) bestätigt wurde, verpflichtete sich der Grzbischof die Ordenstracht anzulegen und sich überhaupt dem Orden zu unterwerfen. Durch den Vergleich zu Kirch-holm v. I . 1452 erkannte er sogar die Mitherrschaft des Ordens über Riga von neuem an. Allein weder diefe noch andere Verträge waren dem Erzbischof heilig. Er brach sie ohne weitere Veranlassung und der Kampf, in welchem Riga die Partei des Erzbischofs ergriff, entbrannte von neuem mit größerer Heftigkeit. Nachdem aber Riga sich im I . 1491 zu einem demüthigenden Frieden, der sog. Wolmarschen Affspröke bequemen mußte, erlangte der Orden das Suppremat über ganz Liv-, Est- und Curland und leitete alle Angelegenheiten des Landes. Auf den Höhepunkt seiner Machtstellung gelangte er unter dem tapferen und staatsklugen Ordensmeister Wolter von Plettenberg (1494—1535), der den Frieden nach innen

1) Bunge, Die Stadl Riga S. 17.

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und außen herstellte und sich fast ganz unabhängig von dem durch die Kämpfe mit Polen geschwächten deutschen Orden machte. Zugleich wurde dem livl, Orden vom Hochmeister die unmittelbare Oberherrlichkeit über Estland bestätigt') (ß 39, 2). Die seit dem Jahre 1522 sich ausbreitende Lehre der Reformation untergrub jedoch die Staatsverfassung, welche auf dem Katholicismus begründet war, und die Entwöhnung der Livländer vom Kriegshandwerk während eines langen Friedens führte die OrdenZherrfchaft unter den schwachen Nachfolgern Plettenbergs ihrem Untergänge entgegen. Der Zar Ioann Wassiljewitsch IV., der Ansprüche auf einen von ihm bei früheren Friedensschlüssen vorbehaltenen Glaubens-zins erhob, eroberte,im Jahre 1558 Dorpat, führte den dortigen Bischof Hermann Wesfall gefangen nach Moskau und machte so diesem Bisthum ein Ende. Während die Russen in ihren Eroberungen fortfuhren, verkaufte Johann von Mönnichhausen, der zugleich Bischof von Oesel und Curland war, beide Bisthümer im I , 1560 an den Herzog Magnus von Holstein. Das von den Russen am meisten bedrängte Estland unterwarf sich nebst Reval im Juni 1561 freiwillig dem König Erich XIV. von Schweden. Der Ordens-meister Gotthard Kettler warf sich dem Könige Sigismund August von Polen, mit welchem er schon früher Verthei-digungsvertrage eingegangen war und dem er mehrere feste Schlösser abgetreten hatte, in die Arme und schloß mit ihm am 28, November 1561 die Unterwerfungsverträge zu Wilna ab.

I) Nachdem der Hochmeister Ludwig von Erlichhausen am 24, April 1459 die Landeshoheit über Harrien und Wierland dem livl, Ordensmeister abgetreten hatte, erhielt Plettenberg durch Url, u. 2!), September 1520 vom Hochmeister Albrecht von Brandenburg eine Bestätigung dieser Landeshoheit, ?f.

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Zweite Abtheilung.

Im Dokument Juristische Studien. (Seite 113-121)