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sich zu fetzen und Rechts zu pflegen

Im Dokument Juristische Studien. (Seite 191-200)

5. Kam der Mannrichter in den Fall außerhalb des Manntages in dringenden Fällen Gericht zu hegen oder die Gxecution eines Civilurtheils auszuführen, so mußte er außer den Beisitzern und dem Urtheilsmann noch einige Vasallen hinzuziehen,

Dei», I,il, E! Nd, III, 2 „, Z, 97 7

§ 4 4 ,

Die Gerichtsbarkeit über die Landeseingebsrenen.

1. I n Estland war den Vasallen bereits durch das W, E, Recht die niedere (Civil-) sowohl, als die höhere (Criminal-) Gerichtsbarkeit oder das Recht an Hals und Hand über ihre Hintersassen übertragen worden. Behufs der Gerichts-hegung in Criminalsachen mußte der Lehnsmann, auf dessen Gut der Verbrecher ergriffen worden, einige andere Vasallen als Beisitzer und einige alte Bauern als Urtheilsftnder hinzuziehen,

2, I n Livland hatten Vasallen ein solches Privilegiuni nicht, ja es finden sich Lehnsurkunden vor, in denen die höhere Gerichtsbarkeit über die Bauern ausdrücklich dem landesherrlichen Vogt vorbehalten wird. I n den Stiftern scheint jedoch die höhere Gerichtsbarkeit der Lehnsmannen über ihre Hintersassen seit der Verschlechterung der Rechts-stellung der Bauern durch die Sitte Eingang gefunden zu haben, wie der Umstand beweist, daß die Bestimmung des Wllldemar-Grichschen Rechts in sämmtliche lioländische Rechts-bücher übergegangen ist') und daß in der Einigung des Erz-bischofs Michael über die Ausantwortung der Bauern (v, I . 1494) den Lehnsmannen zur Pflicht gemacht wird, bei ihren Hals- und Handgerichten außer den Bauern als Rechts-finden zwei Vasallen als Beisitzer hinzuzuziehen. Dagegen spricht der Umstand, daß sich die Ritterschaft bei der Unter-werfung an Polen im Privil, 8iF. ^uZusti die Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen, wie sie die Adeligen in Estland von den Königen^ erlangt, auZbedang, keineswegs dafür, daß die Ritterschaften der livl, Bisthümer dieses Recht bis dahin nicht ausgeübt hatten, weil es sich im Priuil, 8iF. H.uß.

1) <Ä. auch U, V, 49n, 58

nur um die förmliche Sanktionirung eines bereits bestehenden Gebrauchs handelte.

3. Competent war zur Hegung eines peinlichen Gerichts derjenige Grundherr, in dessen Grenzen ein Verbrechen von Personen aus dem Bauerstande begangen war. Die Hinge-hörigkeit des Verbrechers kam nicht in Betracht'). Ausdrück-lich werden jedoch Gäste und Fremdlinge, die nicht zum Stande der Unfreien gehörten, von den gutsherrlichen Gerichten ausgenommen').

4. Seit der Mitte des 15. Jahrh, wurden bei Ge-legenheit der Einigungen über die Ausantwortung der Bauern in allen Territorien Hakenrichter eingesetzt, denen die Ver-handlung der aus dem Entlaufen der Bauern entspringenden Streitigkeiten, sowie die Vollstreckung der Criminalstrafen an den Bauern übertragen ward'). Behufs der Gerichtshegung mußte der Hakenrichter zwei Lehnsmannen als Beisitzer hinzuziehen').

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Die livländischen Städte, insbesondere Riga.

1, Der Bischof Albert gründete im Jahre 1201 an der Mündung der Rige in die Dilna die Stadt Riga. Die für den Handel vortheilhafte Lage der Stadt hatte ein rasches Aufblühen derselben zur Folge. Sie wurde zum Sitze des Domcapitels erhoben und war der Sammelpunkt der

zahlreichen Pilger. Demnächst ließ sich daselbst eine nicht geringe I a h l fester Ansiedler nieder, die sich Bürger, oivss,

1) Nussow, Chronik V l . 18.

2) Aelt. Ritt. R. Art. 57, Mittl. R. N, Caft, 240.

3) Bunge, Gesch. d. Gerichtsw. S. 33.

4) Daselbst T . 144.

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nannten und einen vom Landesherr« aus ihrer Mitte einge-setzten Vogt, aävoeatuZ, an ihrer Spitze hatten,

2. Noch aber war Riga keine Stadt im rechtlichen Sinne des Wortes, Dazu konnte ein Ort nur durch ein unmittelbares Privilegium des Kaisers oder durch die dem Landesherrn ausdrücklich ertheilte Befugniß zur Gründung von Städten erhoben werden. Eine solche nun erhielt der Bischof von Riga durch die Urkunde vom 1. Dec. 1225, mittelst welcher er zum deutschen Reichsfürsten erhoben wurde (H 37, 2), Unter den ihm in derselben verliehenen Rechten wird namentlich aufgeführt. „,Iu8 tunäanäi oivitatsm in Li^u,

«t in 1oei8 alijz, in czuikuz ea8 lieii ovortusl'it". Seitdem wurde die Verfassung der Stadt, namentlich während der Anwesenheit des Bischofs Wilh, von Modena, in mehrfacher Beziehung geregelt. Zunächst erhielten die civss das Recht der freien Wahl des Vogts zugestanden, der nur noch der Bestätigung des Bischofs bedurfte'). Sodann wurde, nach-dem die Stadt bis dahin in ihren Interessen von einem Syndicus vertreten worden, im März oder April 1226 ein aus 12 Bürgern zusammengesetzter Rath als oberste Ver-waltungsbehörde eingesetzt ^), denn um diese Zeit geschieht der con8uls8, die sich auch ratbmanni nennen, zum ersten Male Erwähnung 2). I n allen wichtigen Angelegenheiten mußte die Zustimmung der Bürger eingeholt werden, wie die gebräuchliche Formel: oonzules et, eivy8 LiFsn863 beweist,

3, Aus diesen Anfängen gestaltete sich die Verfassung Rigas im Laufe der Zeit in folgender Weise, Die Oberhoheit über Riga stand dem Bischof, später dem Erzbischof zu, der sie jedoch seit 1330 zeitweilig mit dem Ordensmeister theilen

1) u, B, 7',,

2» Vungc, Riga 2 , 77, Nöthführ, Rig, Raths!, S. 43,

?.) U. B. 2717, ol, 105', 109, ,10, 10Ü

mußte <8 8). Die Rechte des Bischofs in Beziehung auf die Stadt waren jedoch auf das Recht der Bestätigung des von den Bürgern gewählten Richters (Vogts) und auf die Be-fiigniß Münzen zu prägen beschränkt,

4, Der Rath war die oberste Verwaltungsbehörde und später auch die zweite Gerichtsinstanz in allen vom Stadt-vogt entschiedenen Sachen. Wählbar in den Rath, dessen Glieder das Ehren-Prädicat äomiim8, Herr, führten, waren jeder mit einem Grundstücke in der Stadt angesessene Bürger, der Incht ein Handwerk betrieb, später die Mitglieder der großen Gilde. Das Amt der Rathsherren war zwar ein lebenslängliches '), aber die Rathsherrn blieben nicht beständig in Funktion, Nach dem Beispiel der Städte Hamburg und Lübeck war der Rath auch in Riga ein wechselnder, der alle Jahr erneuert wurde, indem an die Stelle des alten ab-tretenden Rathes ein von diesem gewählter neuer, junger oder sitzender trat, welcher letztere aus 16 Rathsherren und 2 Bürgermeistern (pl'ooonsuißz) bestand. Diese Einrichtung kann aber nur bis zum Ende des 14, Jahrh, bestanden haben, da sich aus dieser Zeit eine andere Wahlordnung findet, nach welcher eine Rathswahl nur zur Besetzung einer erledigten Stelle und zwar, wie noch gegenwärtig^) geschieht, zu Michaelis zugleich mit einer neuen Vertheilung der Aemter vorgenommen wird.

5. Das Gericht in erster Instanz sowohl in bürgerlichen als in peinlichen Sachen gebührte dem Stadtvogt ^uäsx civitatis, aävooatuz), der vom Rathe ernannt und vom Erz-bischofe in seinem Amte bestätigt wurde. Er war die vor-nehmste Person in der Stadt und hatte den Vorrang vor

1) Bunge, Riga S. 77.

2) d. h, bis zum Tage der Aufhebung des Raths durch die Ein-führung der russ. Iustizreform in Livland, d, 28. Nov. 1889. N,

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den Bürgermeistern und Rathsherren. Der Stadtvogt erwählte sich nach Erforderniß einen Gehülfen (Unteruogt) ohne weitere Bestätigung. M i t dem Vogt saßen zwei Rathsherren als Beisitzer zu Gericht. Als Riga die Oberhoheit des Ordens-meisters anerkannte, wurde der Vogt sowohl vom Bischof als vom Ordensmeister bestätigt, auch nahm ein Ordensglied, meist der Hauscomthur, an der Verhandlung von Sachen, welche an Hals und Hand gingen, Theil. Erst gegen Ende dieser Periode, wo das Amt des Stadtoogts auf einen Bürgermeister überging, trat eine Befreiung von dieser Be-schränkung ein. Als Urtheiler fungirten in der ersten Zeit wahrscheinlich Bürger, die aber in der späteren Zeit, als der Vogt mit seinen Beisitzern das Urtheil sprach, wegsielen.

Der Vogt hielt wahrscheinlich wöchentlich ein oder mehrere M a l auf dem Rathhause Gericht, vielleicht schon damals vor-zugsweise am Dienstag, welcher daher seinen Namen führt, denn Dingstllg ist soviel wie Gerichtstag, Die Amtsgewalt des Vogtes erstreckte sich nicht blos über alle Stadtbürger, sondern auch auf die unmittelbar unter der Jurisdiktion des Erzbischofs oder des Ordensmeisters stehenden Personen, jedoch nur in soweit es von ihnen in der Stadt oder deren Gebiete geschlossene Verträge oder begangene Verbrechen betraf.

Eine vom Vogt entschiedene Sache konnte an den Rath ge-bracht werden, von dessen Urtheil nur noch eine Berufung an das Buch zulässig war, d. h. es konnte mit Berufung aus eine bestimmte Stelle der rigaschen Statuten eine nochmalige Revision der Sache beim Rathe herbeigeführt werden. Durch den Kirchholmschen Vertrag von 1452 wurde jede Appellation außer Landes streng verboten, dagegen aber gestattet, daß derjenige, der durch ein Urtheil des Rathes seiner Ehre oder seines Vermögens beraubt wurde, sich mit einer Be-schwerde an den Erzbifchof und den OrdenZmeister wenden durfte.

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bedeutendsten die bischöfliche Stadt Dorpat und die Ordens-städte Bernau und Wenden, Sie hatten seit ihrer Bewidmung mit rigischem Rechte ihren Oberhof in Riga. I n Pernau war jedoch die peinliche Gerichtsbarkeit dem Ordenscomthur vorbehalten, so daß die Stadt nur CivilgerichtZbarkeit besaß.

I n Dorpat nahm ein landesherrlicher Droste an den Sitzungen Theil'),

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3ie estländischen Städte, insbesondere Reval.

1, I n die Anfangszeit des kurzen Interregnums des Schwertordens (1227—38) fällt nach allgemeiner Annahme die Gründung der Stadt Reval und die Aufnahme des ältesten rig, Etadtrcchts, laut deffen Criminalvergehen von einem Richter, d, h, einem Vogt, und Polizeivergehen von einem Stadtrath abzuurtheilen waren, Der Vogt wurde an-fangs vom Meister des Schwertordens und nach Beendigung der OrdenZherrschaft vom Schloßhauptmann eingesetzt. Er stand an der Spitze des Rathes und übte die volle Civil-und Criminaljustiz in der Stadt aus. Als Urtheilsfinder fungirten die anwesenden Personen aus der Zahl der Gemeinde-oder Standesgenossen der Parteien, welche auf die ihnen vom GerichtZvogt vorgelegten Fragen zu antworten hatten. Endlich war der Vogt Vorsitzer des echten Dings, in welchem 3 mal jährlich unter Betheiligung sämmtlicher angesessenen Stadt-bürger über Erbschafts- und Grundbesitzstreitigkeiten und Immobilienauflllssungen öffentlich beschlossen wurde,

2. Das Streben des Rathes nach Erweiterung seiner Competenz richtete sich bald aus Befreiuung von der

Bevor-1, u, V. 665, 1105, 2094, 3112», 103

ein Privilegium der Königin Margaretha zu erwirken, laut dessen der Vogt nur mit Zustimmung des Rathes ernannt werden durfte. Damit trat der Vogt in ein Abhängigkeits-verhältniß zum Rathe, Eine weitere Schwächung der Macht-befugnisse des Vogts entstand dadurch, daß die in seinen Gerichtssitzungen gefällten Entscheidungen avvellabel wurden und vor dem Rath gescholten werden konnten und daß die Befugnisse des echten Dings auf den Rath übergingen, Ueber-dies wurden mehrere Sachen in erster Instanz dem Rache zuge-wiesen. Endlich hörte der Vogt auf königlicher Beamter zu sein und wurde vom Rathe aus seinen Gliedern gewählt. I h m stand ein Untervogt als Gehülfe zur Seite. Das Urtheil wurde vom Vogt gefällt. Zwar wird um die Mitte des 15, Jahrh, noch kein Urtheilsfinder erwähnt, dieser ist aber ein niederer städtischer Veamter, der auf Befragen gewisse althergebrachte Floskeln herzusagen hatte. Das Urtheil fällte bereits der Vogt. Um 1550 wurde das Gericht des Vogts als ein einfaches Untergericht des Rathes unter der Benennung Niedergericht mit Beigabe eines besonderen Secretärs und zweier besitzlicher Bürger als Zeugen der Gerichtsver-handlung umgeformt'),

3, Der Rath bestand aus 24 auf Lebenszeit gewählten Gliedern, darunter 4 Bürgermeister,, Gr ergänzte sich durch eigene Wahl, welche im October im Falle des Erfordernisses vorgenommen wurde. Gleichzeitig wurden in jedem Jahr 2 Bürgermeister und 10—12 Rathsherren ernannt, welche im Laufe des bevorstehenden Jahres an den Sitzungen des Rathes Theil zu nehmen verpflichtet waren und dm sitzenden Rath bildeten, im Gegensatze zum alten Rath, welcher für dieses

I) N , das Nähere bei Äiottbcck, „Der Nevalsche Gerichtsvugt" in den Beiträgen I I I , S. 3l—77, N,

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Jahr von der Theilnahme an den Sitzungen befreit war.

Wahlfähig waren wie in Lübeck ursprünglich die Bürger, später die Mitglieder der großen Gilde. Seit der Mitte des 15. Jahrh, wurde die alte Verfassung mit den wechselnden Gliedern aufgehoben und bestand der Rath seitdem aus 4 Bürgermeistern und 14 RathZherren. Als Gericht bildete der Rath, nachdem ihm der Vogt untergeordnet worden, die zweite Instanz für die von dem Stadtvogt entschiedenen Sachen, I m Falle der Unzufriedenheit der Parteien mit dem Urtheile des Rathes wurde die Appellation an den Rath von Lübeck gestattet,

4, Wesenberg und Narua, die lübisches Recht erhielten, hatten ihren Oberhof in Reval, Hapsal war in dieser Periode Sitz des Bischofs von Oesel. An den Sitzungen des Raths dieser Städte nahm ein landesherrlicher Droste Theil').

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Die Itädtetage.

Die livl. Städte gehörten bald nach Gründung der Hansa im 13. Jahrh, derselben an und bildeten einen zu dem preußisch-livl. Quartier gehörigen Bund der livl. Städte unter dem Vorort Riga, Derselbe trat bereits seit dem Anfange des 14. Jahrh, auf fog, Stadtetagen zusammen, um über diejenigen Fragen und Vorkommnisse Beschlüsse zu fassen, welche sich auf den höchst bedeutenden Handel zwischen dem damaligen Rußland und dem übrigeu Europa bezogen. Seit der zweiten Hälfte des 1b. Jahrh, blieben die Sendeboten der kleinen Städte weg, so daß nur die Städte Riga, Reval und Norpllt vertreten waren. Wie für die allgemeinen Landtage

1) U. B. 830, 10U7, 1230, 1234, 1298, 1517, P- 3, 1584, 2312.

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(H 49) wählte man auch für die Städtetage am liebsten die mitten im Lande belegenen Ortschaften, besonders Wolmar.

Auch suchte man sie auf eine Zeit anzuberaumen, für welche ein Landtag ausgeschrieben war. Der letzte Receß eines Städtetages datirt von 1557,

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Die Ausbildung der landständischen Verfassung.

1, Schon in der frühesten Zeit pflegten die Landesherren bei wichtigeren Angelegenheiten die verschiedenen Classen der Landeseingesessenen um deren Rath oder um ihre Zustimmung zu befragen und es wird des vorher eingezogenen Rathes und Consenses besonders der Domcapitel und der Ritterschaften, seltener der Städte in Urkunden der Erzbischöfe, Bischöfe :c, vom 13, Jahrh, an überaus häusig gedacht'). Dieses Ver-sahren der Landesherren beruhte jedoch keineswegs auf einer Verpflichtung derselben, sondern sie thaten es, um bei der Ausführung ihrer Maßregeln in Landesangelegenheiten des thätigen Beistandes ihrer Unterthanen desto gewisser zu sein, 2, Nachdem die geistlichen, ritterschaftlichen und städtischen Korporationen sich fester gestaltet und mehr ausgebildet hatten (H 34 und 35), singen sie an, das, was ihnen von den Landes-herren aus freiem Willen zugestanden war, als ein Recht in Anspruch zu nehmen. Der Erfolg war, daß ihnen, insbesondere den Ritterschaften zugesichert wurde, es solle nichts Wichtiges ohne ihre Zuziehung in Sachen des Landes und der Kirche unternommen werden, namentlich aber ohne dieselben kein Krieg beschlossen und kein Nündniß eingegangen werden.

I) (X u, N, 8W, 14,,',, 2182, 2l!8N,

Im Dokument Juristische Studien. (Seite 191-200)