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4. E INLEITUNG 1. Kunststoffe

4.3. Metallocen/Methylaluminoxan-Katalyse

4.3.1. Historie

Um die Vorgänge bei der heterogenen Ziegler-Natta-Katalyse besser verstehen zu können, wurden lösliche Metallocen-Katalysatoren bereits sehr früh, in den 50er Jahren des 20.

Jahrhunderts, eingesetzt, zunächst durch NATTA[43] und BRESLOW.[44] Es wurden zudem Versuche mit Titanalkoholaten, Vanadiumchloriden und Chromacetylacetonaten durchgeführt, wobei sich das Hauptinteresse bald auf die Metallocene richtete.

Dichloro-bis(cyclopentadienyl)titan [Cp2TiCl2] mit Diethylaluminiumchlorid als Cokatalysator erwies sich als mäßig geeignet für die Polymerisation von Ethen. Propen ließ sich nicht polymerisieren.

Mit der Entdeckung der aktivitätssteigernden Wirkung von Methylaluminoxan in Hamburg wurden die Metallocene auch für die Industrie interessant. Mit [Cp2ZrMe2]/MAO wurden bei der Ethen-Polymerisation Aktivitäten von über 500 kgPE/(mmolZr h) erzielt; die Aktivitäten bei der Polymerisation von Propen allerdings waren mäßig. [45] 1984 gelang es EWEN bei Exxon, in der Kälte mit dem System [Cp2TiPh2]/MAO Polypropen mit isotaktischen Blöcken zu synthetisieren.[46]

Einen signifikanten Entwicklungsschub erlebten die Metallocene Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts durch BRINTZINGER, der die ansa-Metallocene vorstellte. Das Wort „ansa“

stammt aus dem Lateinischen; es bedeutet „Henkel“ und nimmt treffend Bezug auf die Brücke, welche die zwei -Liganden eines Metallocens verbindet. Wie die Henkel einer Tasche beim Zusammenhalten die Taschenseiten verbinden oder sogar aneinander ziehen, so sorgt die Brücke in den Metallocenen für einen gewissen Neigungswinkel der beiden Liganden zueinander und für eine Verknüpfung selbiger, was eine Stabilisierung der Struktur bewirkt, wodurch permanente rac-meso-Umlagerungen verhindert werden.

So konnte 1984 hoch isotaktisches Polypropen mit dem ansa-Metallocen [Ethylen-bis(4,5,6,7-tetrahydro-1-indenyl)]zirkoniumdichlorid in Kombination mit MAO erhalten werden, dieses mit Aktivitäten, die mindestens so hoch waren wie bei der Polymerisation von Propen mit heterogenen Katalysatoren.[47] Syndiotaktisches Polypropen wurde erstmals in hohen Ausbeuten mit dem 1988 von EWEN und RAZAVI vorgestellten ansa-Metallocen [Me2C(Cp)(Flu)]ZrCl2 mit MAO als Cokatalysator hergestellt.[48]

Mittlerweile sind unzählige, mit den unterschiedlichsten Substituenten in den verschiedensten Positionen substituierte Metallocene bekannt, mit denen sich Polymere der unterschiedlichsten Monomere, Monomersequenzen, Taktizitäten und Molmassen herstellen lassen. Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Metallocen-katalysierten Olefinpolymerisation zielen daher immer weniger in Richtung der Metallocensynthese,

obschon es auch hier noch Fortschritte oder neuartige Systeme, wie z.B. die Donor/Akzeptor-Metallocene, gibt. Donor/Akzeptor-Donor/Akzeptor-Metallocene, eine Entwicklung von Ostoja-Starzewski (Bayer), sind an dem einen -Liganden mit einer Lewis-Säure, an dem anderen mit einer Lewis-Base substituiert.[49] Je nach Art der Substituenten herrscht zwischen diesen eine unterschiedlich starke elektrostatische Anziehung und je nach Stärke der Anziehung ist der Öffnungswinkel zwischen den beiden -Liganden im Metallocen unterschiedlich groß.

So lässt sich je nach Wahl der Substituenten je nach Wunsch beispielsweise ein sehr hartes, langkettiges Polypropen mit langen Seitenketten oder ein weiches Elastomer erhalten. Im Bereich der Donor/Akzeptor-Metallocene dürfte es das Ziel sein, ein Metallocen als Katalysator für die Polymerisation zu erhalten, welches je nach Reaktionsbedingungen, im einfachsten Fall je nach der Temperatur, einen anderen Öffnungswinkel aufweist, so dass mit einem einzigen Metallocen die unterschiedlichsten Arten eines Polypropens beispielsweise synthetisierbar wären.

Eine andere gegenwärtige Entwicklung ist die „Chain Shuttling“-Polymerisation.[50] Hierbei werden zwei verschiedene Katalysatoren mit unterschiedlichen Monomer-Selektivitäten in Gegenwart eines „Chain Shuttling“-Reagenzes, z.B. Diethylzink, in einem einzigen Reaktor eingesetzt. Man erhält so Blockcopolymere mit alternierenden teilkristallinen und amorphen Bereichen, die folglich gleichzeitig hohe Schmelztemperaturen und niedrige Glasübergangstemperaturen aufweisen, weshalb sie auch bei hohen Temperaturen exzellente Elastomer-Eigenschaften behalten.

Neben der die Katalysatoren direkt betreffenden Forschung sind die Bemühungen dahin gehend, dass neuartige Polymere geschaffen werden sollen. Der Copolymerisation von Ethen oder Propen mit polaren Monomeren, bis jetzt noch in den Kinderschuhen, gilt ein weites Interesse, verspricht man sich doch durch die polaren Gruppen in der Polymerkette einen großen Einfluss auf Materialeigenschaften wie Härte, Adhäsion, Verhalten gegenüber Lösungsmitteln, Mischbarkeit mit anderen Polymeren, auf Barriereeigenschaften und rheologisches Verhalten sowie auch auf die Bemal- und Bedruckbarkeit.[51,52] Eine interessante Anwendung derartiger Polymere wäre im pharmazeutischen Bereich für den Medikamententransport und deren Verteilung im menschlichen Körper zu sehen.

Sehr intensiv ist die Forschung auch im Bereich der Nanocomposite. Verschiedenste Nano-Füllstoffe, wie Nanotubes, Siliciumdioxid etc., werden zur Modifizierung der Polymereigenschaften, häufig der Zähigkeit und Festigkeit, verwendet. Die Neuerscheinungen in der Literatur sind äußerst zahlreich.[53-55]

Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass noch zwei andere, bereits breiter erforschte Gruppen von homogenen Katalysatoren für die Olefinpolymerisation entwickelt wurden.

Hierbei handelt es sich zum einen um die Constrained-Geometry-Katalysatoren, zum anderen um Nickel(II)- und Palladium(II)-Komplexe.

Und immer wieder gibt es weitere Katalysatoren, welche diesen beiden Gruppen und den Metallocenen ähneln oder sogar daraus hervorgehen, z.B. die Halbsandwich-Chrom-Komplexe (s. Abschnitt 6).

Bei den Constrained-Geometry-Katalysatoren handelt es sich um Cyclopentadienyl-Amido-Katalysatoren, welche Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts von Dow Chemicals und Exxon patentiert wurden.[56-60]

Erste Syntheseschritte derartiger Katalysatoren gingen von BERCAW aus, der erfolgreich entsprechende Scandium-Komplexe synthetisierte. Einer der ersten dieser Komplexe, wenn nicht sogar der erste, war [Me2Si(Me4Cp)(NtertBu)]Sc(PMe3)H, mit dem BERCAW erfolgreich Oligomerisationsversuche von Propen, 1-Buten und 1-Penten unternahm.[61]

Aufgrund des Austausches eines der -Liganden im Vergleich zu den Metallocenen gegen eine substituierte Amidofunktion weist diese Katalysatorgruppe eine gespannte Geometrie auf. Die Amidofunktion ist ein schwächerer -Donator, was die Lewis-Acidität des Metallatoms erhöht und die sterische Hinderung am Metallzentrum reduziert. Aufgrund der vergleichsweise offenen Struktur liegt in der Regel nahezu keine sterische Kontrolle vor.

Auch in der Copolymerisation mit sterisch stark gehinderten Comonomeren lassen sich hohe Einbauraten erzielen.[62-64]

Da die Neigung dieser Katalysatoren zu Kettenübertragungsschritten allgemein gering ist, werden mit dieser Katalysatorgruppe verhältnismäßig hohe Molmassen erzielt. Zudem ist eine bemerkenswerte Temperaturstabilität bis zu 160°C gegeben.[65]

Mit den Cyclopentadienylamido-Katalysatoren gelang es aufgrund der Kombination von weniger -Hydrideliminierungen bei hohen Temperaturen und höheren möglichen Comonomereinbauraten im Vergleich zu den Metallocenen, ein in seinen Eigenschaften anderes Polyethen zu erhalten, mit der Zugfestigkeit und Härte von LLDPE bei einer gleichzeitigen Schmelzverarbeitbarkeit von LDPE. Zurückgeführt wird dieses auf einen geringen Anteil von Langkettenverzweigungen (3 LCB/1000 Kohlenstoffatome).[66-68]

Die andere Klasse an Katalysatoren, welche neben den Metallocenen weite Beachtung findet, ist die der späten Übergangsmetalle. Während Metallocene sich empfindlich gegenüber polaren Reagenzien zeigen, ist die Toleranz von Komplexen später Übergangsmetalle

aufgrund deren geringerer Oxophilie weitaus größer.[69] Aufgrund der starken Neigung von Alkylkomplexen zur -Hydrideliminierung wurde lange Zeit angenommen, dass mit den späten Übergangsmetallkomplexen nur eine Oligomerisation von Olefinen möglich ist.

Erster großtechnischer Prozess zur Anwendung von Katalysatoren später Übergangsmetalle ist der „Shell-Higher-Olefin-Process“ (SHOP).[70,71] Dieser wurde in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts von Keim et al. entwickelt.

Mittels Nickel-Katalysatoren, die zweizähnige, formal monoanionische Liganden mit Phosphor und Sauerstoff aufweisen, wird in diesem Prozess Ethen zu linearen -Olefinen oligomerisiert.

1995 beschrieb BROOKHART eine neue Klasse von Katalysatoren auf Basis später Übergangsmetalle zur Polymerisation von Ethen und -Olefinen.[72] Es handelt sich hierbei um Nickel(II)- oder Palladium(II)-Katalysatoren mit sperrig substituierten Diiminliganden.

Mit diesen Katalysatoren erhält man hochmolekulares, hochverzweigtes Polyethen, wobei die Aktivitäten der Nickel-Katalysatoren an die von Metallocenen heranreichen. Die hohen Molmassen werden dadurch erzielt, dass die sperrigen Substituenten an den Diimin-Liganden Kettenübertragungsreaktionen unterdrücken.

Besonders bemerkenswert an diesen Komplexen ist, dass sich polare Monomere, z.B.

Acrylate, mit ihnen mit Ethen copolymerisieren lassen.[73-75]