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M ONOMEREN

7.4. Copolymerisation von Propen mit Norbornen

7.4.1. Einbaubestimmung und Einbauraten

Die Menge an eingebautem Comonomer ist sehr entscheidend für die Eigenschaften des resultierenden Polymers. Die vielversprechendste Methode zur Bestimmung des Comonomer-Einbaus ist die 13C-NMR-Spektroskopie. Die Spektren der Propen/Norbornen-Copolymere zeigen besonders in der vorliegenden Arbeit eine hohe Komplexität aufgrund verschiedener Monomer-Sequenzen in der Polymerkette, welche Norbornen-Blockstrukturen unterschiedlicher Länge enthält und dabei eine variable stereochemische Orientierung des Norbornens in Mikroblöcken und alternierenden Strukturen aufweist. Die Spektren von Ethen/Norbornen-Copolymeren sind bereits recht komplex, doch die 13C-NMR-Spektren der Propen/Norbornen-Copolymere gewinnen noch an Kompliziertheit wegen der Methylgruppe des Propens, durch welche weitere Stereoinformation in die Polymerkette eingebracht wird.

In Ethen/Norbornen-Copolymeren, welche über Metallocen-Katalyse erhalten werden, erfolgt die Insertion von Norbornen vinylisch unter Doppelbindungsöffnung. Der Bizyklus bleibt hierbei erhalten. Die Norbornen-Einheit liegt in der Kette in 2,3-cis-exo-Orientierung vor. An den Kohlenstoffatomen 2 und 3 liegen, wie der Abbildung 7.14 entnommen werden kann, zwei stereogene Zentren vor. Die unterschiedlichen Konformationsmöglichkeiten alternierender Sequenzen und von Norbornen-Blockstrukturen sowie die Monomersequenz an sich erklären die Komplexität der Spektren.[207,214] Die 2,3-cis-exo-Norbornen-Insertion wird auch in der Polymerisation mit Propen als wahrscheinlich angenommen.

Abbildung 7.14: Ein Segment einer Ethen/Norbornen-Copolymerkette mit einer isolierten Norbornen-Einheit. Das Norbornen in dieser Zeichnung ist 2,3-cis-exo-insertiert. Die Bezifferung der Kohlenstoffatome ist der Zeichnung zu entnehmen.

Während bei Ethen/Norbornen-Copolymeren die Signalzuordnung in den 13C-NMR-Spektren in Hinblick auf die Mikrostruktur mittlerweile detailliert aufgeschlüsselt ist, ist die Gewinnung von Informationen über die Stereochemie in Propen/Norbornen-Copolymeren bisher allerdings nur in Anfängen möglich. Sichere Schlussfolgerungen über die Taktizität sowie über die Regio-Regularität der Propen-Insertion in Nachbarschaft zu einer Norbornen-Einheit können aufgrund der Komplexität der Spektren gegenwärtig nicht gezogen werden.

Selbst bezüglich der Bestimmung des Norborneneinbaus gehen die Meinungen in der Literatur noch auseinander.

Im Falle der Copolymere, welche mit dem C2-symmetrischen Metallocen (8) erhalten wurden, ist eine Signalzuordnung entsprechend der bereits erwähnten Literatur, speziell nach einem Artikel von TRITTO[7338], in Abbildung 7.15 vorgeschlagen. 13C-DEPT-NMR-Experimente (vgl. Abbildung 7.16) wurden zur Bestätigung durchgeführt. Hierbei sei angemerkt, dass die in der Literatur abgebildeten Spektren um etwa 2 ppm zu höherem Feld verschoben sind, was besonders bei Betrachtung der Methyl-Region zunächst sehr irritiert. Nicht vollständig geklärt werden konnte, ob es sich bei dem Signal bei = 23.5 ppm tatsächlich auch um P , also um eine Methylgruppe einer Propeneinheit in direkter Nachbarschaft zu einer Norborneneinheit, handelt.

1 2 3

4 5 7 6

* *

Abbildung 7.15: 13C-NMR-Spektrum mit Signalzuordnung eines Propen/Norbornen-Copolymers, welches mit rac-[Me2C(Ind)2]ZrCl2 (8)/MAO bei XN = 0.20 und TPoly = 30°C erhalten wurde.

Abbildung 7.15 ist zum einen die Bezifferung der Kohlenstoffatome der Norbornen-Bizykli zu entnehmen, zum anderen die Nomenklatur der insertierten Propen-Einheiten.

P steht für primäre Kohlenstoffatome, d.h. CH3-Gruppen, S für sekundäre C-Atome, also CH2-Segmente, und T für tertiäre C-Atome, hier: Verzweigungskohlenstoffatome, die das Kohlenstoffatom der Hauptkette darstellen, von welchem eine Methylgruppe abzweigt.

Methylgruppen, die aus einer in Nachbarschaft zu einer Norborneneinheit insertierten Propeneinheit resultieren, sind mit dem Index versehen. Der Index PP bezeichnet eine Propeneinheit, der eine Insertion von Propen vorausgeht und eine weitere folgt.

Die Spektren zeigen eine Vielzahl von Signalen im Bereich zwischen = 14 und 58 ppm.

60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10

0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06 0.07 0.08

ppm P

P PPP

SP TPP 7 7'

1 2 3

4 6 5

C2 C3

SP

C4

C1 S T , C7

C6C5 TPP

PPP

P P

Abbildung 7.16: 13C-DEPT-NMR-Spektrum eines Propen/Norbornen-Copolymers, welches mit rac-[Me2C(Ind)2]ZrCl2 (8)/MAO bei XN = 0.20 und TPoly = 30°C erhalten wurde.

Der molare Anteil von Norbornen im Polymer wurde aus der Peakfläche der Signale nach folgender Gleichung berechnet:

)/7 I 3 (I

I F

F

3 3

CH tot

CH N

P .

Hierbei ist FP der Molanteil von Propen, FN der Molanteil von Norbornen im Polymer,

CH3

I die Peakfläche der Methylgruppen-Kohlenstoffatome und Itot die Summe der Flächen aller Peaks.

Folglich wurde zur Einbaubestimmung eine Korrelation des Signalbereiches des Methylgruppen-Kohlenstoffatomes des Propenanteiles im 13C-NMR-Spektrum mit der Gesamtpeakfläche zur indirekten Bestimmung der Norbornen-Einbaurate durchgeführt.

Zu beachten ist, dass die Spektren mit höheren Einbauraten zunehmend komplizierter werden und Signale stärker ineinander übergehen. Es war jedoch auch bei hohen Einbauraten die Bestimmung selbiger anhand genannter Gleichung möglich, da die Peaks der Methylgruppen-Kohlenstoffatome gut von den anderen zu differenzieren waren.

Ein gewisser Fehler ergibt sich dadurch, dass Endgruppensignale aufgrund der geringen Molmassen von etwa 5000 g/mol sichtbar sein sollten. Diese werden in der Formel zur Berechnung der Norbornen-Einbaurate nicht berücksichtigt, tragen jedoch vermutlich stark zur Komplexität der Spektren bei. Ein von TRITTO in einer Veröffentlichung abgebildetes 13 C-NMR-Spektrum eines Propen-Norbornen-Copolymers mit etwa der dreifachen Molmasse des

ppm

60 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10

-0.4 -0.3 -0.2 -0.1 0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1.0

C2 C3

SP

C4 C1

S T

C6 C5 TPP

PPP

P

P

C7

Produktes, welches mit rac-[Et(Ind)2]ZrCl2 hergestellt wurde, zeigt die gleichen Signale und damit die gleiche Komplexität.[201]

Als noch deutlich problematischer wegen der noch niedrigeren Molmassen (< 1000 g/mol) stellte sich die Bestimmung der Einbauraten der Cooligomere heraus, die mit [Me2C(Cp)(Flu)]ZrCl2 (7)/MAO synthetisiert wurden.

Kettenendgruppen sind hier in den 13C-NMR-Spektren mit einer den anderen Signalen ähnelnden Intensität in den Bereichen zwischen = 10 bis 28 und 32 bis 40 ppm sichtbar, können jedoch aufgrund der zu diesem Zeitpunkt nicht möglichen Signalzuordnung nicht bei der Berechnung der Einbaurate berücksichtigt werden. D.h. es ist gegenwärtig mit den zur Verfügung stehenden spektroskopischen Mitteln nicht möglich, die exakte Einbaurate des Norbornens zu bestimmen, dieses aufgrund der enormen Komplexität der Spektren, was in Abbildung 7.17 gezeigt wird.

Daher sollten die angegebenen Einbauraten der Oligomere, welche mit Metallocen (7) erhalten wurden, als Tendenzen, niemals jedoch als Absolutwerte gesehen werden. Aufgrund der Fehlerbehaftung der Einbauraten sind in diesem Teil der Arbeit keine Reaktivitätsverhältnisse der Comonomere zueinander angegeben. Ebenso wenig kann eine Schlussfolgerung über den Anteil von 2,1- oder 3,1-Fehlerinsertionen des Propens gezogen werden.

Abbildung 7.17: 13C-NMR-Spektrum eines Propen/Norbornen-Copolymers, welches mit [Me2C(Cp)(Flu)]ZrCl2 (7)/MAO bei XN = 0.20 und TPoly = 30°C erhalten wurde. Das Spektrum weist bereits darauf hin, dass neben einer komplexen Stereochemie oligomere Strukturen erhalten wurden.

60 55 50 45 40 35 30 25 20 15

-0.01 0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06 0.07

ppm

In anderen Publikationen wird eine Bestimmung des Norbornengehaltes in den Polymeren über die Signale der Norborneneinheiten präsentiert, was offensichtlich in den vorliegenden Fällen nicht möglich ist aufgrund der Komplexität der Spektren mit einer Vielzahl überlappender Signale, wobei jene keine Aufschlüsselung der Signale gestattet.[207]

So groß der Fehler bei der Einbaubestimmung auch sein mag, so bleibt es doch sicher festzustellen, dass die Insertion von Norbornen gegenüber der von Propen mit beiden Metallocenen eindeutig bevorzugt ist; lediglich bei hohen Anteilen des Norbornens im Ansatz und damit hohen Einbauraten werden Propen und Norbornen im Falle des CS-symmetrischen Metallocens (7) annähernd gleich gut entsprechend der Ansatzzusammensetzung insertiert.

Die Einbauraten des Norbornens sind bemerkenswert hoch. Mit beiden Katalysatorsystemen wird bei einem Molanteil des Norbornens im Ansatz von 80 mol% ein Norborneneinbau von ungefähr der gleichen Höhe erreicht. Bereits bei 20 mol% Norbornen im Ansatz wird mit Metallocen (8) ein Einbau von 28 mol% erzielt, mit Metallocen (7) beträgt der (unvermeidbar stark fehlerbehaftete) Einbau sogar 36 mol% bei einer Polymerisationsdauer von 4h (vgl.

Abbildungen 7.18, 7.19).

Abbildung 7.18: Copolymerisationsdiagramm für die Propen/Norbornen-Cooligomere, welche mit [Me2C(Cp)(Flu)]ZrCl2 (7)/MAO bei einer Polymerisationstemperatur von 30°C hergestellt wurden. Die Regressionskurve ist nach dem Markov-Modell 1. Ordnung angepasst worden.

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

tpoly = 4h tpoly = 0.5 - 1h

xN

XN

Abbildung 7.19: Copolymerisationsdiagramm für die Propen/Norbornen-Cooligomere, welche mit rac-[Me2C(Ind)2]ZrCl2 (8)/MAO bei einer Polymerisationstemperatur von 30°C hergestellt wurden. Die Regressionskurve ist nach dem Markov-Modell 1. Ordnung angepasst worden.

Kürzere Polymerisationszeiten als 4h (z.B. 1h) liefern Polymere mit sogar noch höheren Einbauraten, was darauf zurückzuführen ist, dass bei einer Polymerisationszeit von 4h sehr hohe Norbornen-Umsätze erzielt werden (bis zu 54% bei XN = 0.20 und tpoly = 4h für Katalysator (8)), womit folglich eine sinkender Anteil an Comonomer im Ansatz, der einpolymerisiert werden kann, zur Verfügung steht.

Die Polymerisationstemperatur hat im untersuchten Bereich unter Verwendung von [Me2C(Cp)(Flu)]ZrCl2 (7)/MAO keinen Einfluss auf die Produktzusammensetzung, soweit es die Genauigkeit unter vorherigen Einschränkungen bezüglich der Auswertung zulässt. Bei XN

= 0.80 beträgt die Einbaurate des Norbornens für alle Polymerisationstemperaturen um 84 mol%. Im Falle des C2-symmetrischen Metallocens (8) jedoch sinkt die Einbaurate des Comonomers Norbornen von 85 mol% bei TPoly = 15°C auf 69 mol% bei TPoly = 60°C.

Mit steigender Polymerisationstemperatur sinkende Einbauraten des Comonomers sind nicht ungewöhnlich in der Metallocen-katalysierten Olefin-Polymerisation.

Ein Ergebnis in bezug auf die erzielten Einbauraten jedoch ist bemerkenswert:

Ohne Kenntnis verfügbarer Literatur, in welcher Norbornen als Comonomer gegenüber Propen erstaunliche Einbauraten erreicht, würde man vermutlich erwarten, dass der Einbau

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0

tpoly = 4h tpoly = 0.5 -1h

xN

XN

des sperrigen Norbornens gegenüber dem des Propens benachteiligt ist und dass eine höhere Polymerisationstemperatur dem sterisch gehinderten Monomer helfen würde, die Insertionsbarriere zu überwinden. Tatsächlich aber hat sich gezeigt, dass Norbornen das reaktivere Monomer ist.

Jetzt besteht die Frage, was eigentlich ein Grund für den favorisierten Einbau des sperrigen Norbornens gegenüber dem Propen sein könnte. Eine naheliegende Erklärung über energetische Zusammenhänge ist, dass die freigesetzte Energie, freigesetzt aufgrund einer reduzierten Ringspannung durch Ringöffnung der Doppelbindung hin zu einer Einzelbindung, den Einfluss der Insertionsbarriere durch die Sperrigkeit des Norbornens überwiegt.