• Keine Ergebnisse gefunden

4 Diskussion

4.2 Hintergründe zu mesenchymalen Stammzellen

Knochenmark ist eine Quelle zur Gewinnung mesenchymaler Stammzellen (WEXLER et al.

2003). Die Implantation von aus Knochenmark gewonnenen mesenchymalen Stammzellen (MSC) unterstützt die Funktion des geschädigten Herzens und verringert die Entstehung von nekrotischem Gewebe (MANGI et al. 2003; AMADO et al. 2005). Die Funktionalität des Herzens zeigte sich in Studien, gemessen an Parametern, wie zum Beispiel der Auswurffraktion und der Wanddicke, im Vergleich zu einem nicht mit Stammzellen behandelten Herz (SHAKE et al. 2002) nach einer Heilungsphase von mehreren Wochen im Vergleich zu unbehandelten Herzen signifikant angehoben. Der Grad kontraktiler Dysfunktionen ist schon innerhalb der ersten vier Wochen nach Herzinfarkt und Stammzelltransplantation deutlich herabgesetzt (SHAKE et al. 2002). Ob diese Prozesse einer Entstehung neuen, an die elektrischen Ladungsabläufe des Herzmuskels gekoppelten Myokards zuzuschreiben sind (REINECKE et al. 2000; VALIUNAS et al. 2004) oder durch die Beschaffenheit der sich entwickelnden Narbe und somit einer Vorbeugung des sich zusammenziehenden beziehungsweise sich ausdehnenden Narbengewebes bedingt sind (ATKINS et al. 1999; HUTCHESON et al. 2000), ist noch nicht hinreichend geklärt. Einige

92

Forschungsgruppen befürworten die These, dass implantierte Zellen nicht kontraktil sind, aber, dass das neue, sich anstelle von fibrinösem Narbengewebe bildende, überlebensfähige Gewebe hilft, die Belastung auf die Myokardwand der vom Infarkt betroffenen Herzregion zu verringern, indem es die Infarktnarbe stärkt und so einer Dilatation des Ventrikels vorbeugt.

Durch die Verbesserung der diastolischen Funktion wird die Herzfunktion als Ganzes gesteigert (HUTCHESON et al. 2000). Andere vermuten, dass es zu einer tatsächlichen Regeneration von funktionalem Myokard kommt, das das Narbengebiet erneuert (ORLIC et al. 2001c; PITTENGER et al. 2004). Es wird angeführt, dass mesenchymale Stammzellen die Fähigkeit besäßen, sich in das Gewebe des Empfängers einzugliedern und dort sogar muskelspezifische Proteine zu sezernieren (SHAKE et al. 2002). Ob sich eine (Trans-) Differenzierung der implantierten Zellen in neue Kardiomyozyten vollzieht, eine Verschmelzung der Donorzellen mit den überlebenden Herzmuskelzellen stattfindet, die einen zellulären Umsatz bedingt, oder die injizierten Zellen endogen Myozyten oder Myozytenvorstufen parakrin oder durch Zell-Zell Signale zur Teilung anregen, ist bisher nicht gänzlich erforscht (AMADO et al. 2006). Nach einem Infarkt kommt es zu einer Mobilisation von endothelialen Progenitorzellen (SHINTANI et al. 2001), diese begünstigen die Gefäßeinsprossung in das ischämisch geschädigte Areal. Es existieren Studien, in denen gezeigt werden konnte, dass sich die Pumpleistung des Herzens nach Stammzellanwendung nachhaltig verbessert (CHEN et al. 2004a,b), aber auch solche, die eine Entstehung schwerer Herzrhythmusstörungen nach Stammzellapplikation beschreiben (Myerburg RJ 2003).

Die Transdifferenzierung von mesenchymalen Stammzellen in Cardiomyozyten gelingt in vitro mit aus Knochenmark gewonnenen Stammzellen unter geeigneten Kulturbedingungen bei ~0,07% der Zellen (MARTIN-RENDON et al. 2008). Genauer scheint es sich in der genannten Studie um kardiomyozytenähnliche Zellen zu handeln. Eine Transdifferenzierungsrate von 0,07% trägt nur in sehr begrenztem Maße zur Ausheilung eines myokardialen Infarktes bei.

Bezüglich der Fähigkeit zur Transdifferenzierung von mesenchymalen Stammzellen in Cardiomyozyten wird postuliert, dass es nicht möglich ist. Gleichzeitig sind andere Arbeitsgruppen der Meinung, dass eine Transdifferenzierung nur von aus Knochenmark gewonnenen MSCs gezeigt werde, wieder Andere sagen, dass es für MSCs generell möglich

93

sei, zu Kardiomyozyten oder zumindest kardiomyozytenähnlichen Zellen zu werden (TOMA et al. 2002).

Es ist gesichert, dass die mesenchymalen Stammzellen einen positiven Einfluss auf die Heilung von ischämisch geschädigtem Herzmuskelgewebe ausüben, indem sie für eine erhöhte Gefäßeinsprossung und dadurch eine funktional bessere Narbenstruktur sorgen (SCHULERI et al. 2009; HALKOS et al. 2008). Die therapie ischämisch geschädigten Myokards mit MSC ist demnach eine für den Helungsprozess zuträgliche Methode.

Eine weitere Hürde der Stammzelltherapie stellt zudem die körpereigene Immunabwehr des Patienten dar. Erhält der Herzpatient eine Stammzelltherapie, also eine Transplantation von Stammzellen, so erkennt sein Körper diese als fremd. Im Falle einer solchen Fremdspende muss der Patient gegebenenfalls mit Immunsupressiva behandelt werden, um einer Transplantatabstoßung, ähnlich der Abstoßungsreaktionen, welche in soliden Organtransplantationen vorkommen, vorzubeugen. Eine gewisse Unterdrückung der Immunreaktion findet durch die Stammzellen selbst statt, was in mehreren Studien zur Graft-versus-host disease gezeigt werden konnte (RINGDEN et al. 2006; GERDONI et al. 2007).

Der immunmodulatorische Einfluss von Stammzellen bei der Therapie einer durch solide Organtransplantationen entstandenen Graft-Versus-Host disease ist so groß, dass es Ansätze gibt, einer Transplantatabstoßung mittels Applikation mesenchymaler Stammzellen entgegenzuwirken (LE BLANC et al. 2004). Die Abstoßungsreaktion korreliert mit der Ausprägung von Oberflächenantigenen auf den mesenchymalen Stammzellen. Es konnte gezeigt werden, dass mesenchymale Stammzellen immunmodulatorisch aktiv sind (PONCELET et al. 2007; RASMUSSON et al. 2005) und die Lymphozytenproliferation unterdrücken, indem sie einen lymphozytären programmierten Zelltod aktivieren (AUGELLO et al. 2005). Die Ausprägung der Abstoßungsreaktion ist, je nach Herkunft der mesenchymalen Stammzellen, mehr oder weniger stark. Die Cotransplantation anderer immunologisch wirksamer Gewebe, wie des Thymus, übt eine immunmodulatorische Wirkung auf den Empfänger aus (NOBORI et al. 2006). Auf adulte MSCs, zu denen die aus Knochenmark gewonnenen Zellen zählen, reagiert der Empfängerorganismus stärker als auf fötale MSCs, zu denen zum Beispiel die aus Nabelschnurblut gewonnenen gehören (CHO et al. 2008). Erhielte der Patient körpereigene aus Knochenmark isolierte mesenchymale

94

Stammzellen, wäre nicht mit einer Abstoßungsreaktion zu rechnen. Eine autologe Knochenmarkspende (CHEN et al 2004b) ist jedoch hinsichtlich des Zeitfensters, in dem nach dem Herzinfarkt die Stammzellapplikation stattfinden muss, nicht möglich. Die mesenchymalen Stammzellen müssen zunächst aus dem Knochenmark herauspurifiziert werden, hier könnte mittels FACS eine bestimmte Population von Zellen gewonnen werden, jedoch wäre die so erhaltene Zellzahl nicht ausreichend für eine erfolgversprechende Eigenspende. Die Züchtung ausreichender Zellmengen in Zellkultur ist eine zeitaufwändige Prozedur, die sich über mehrere Wochen hinzieht. Es muss zudem vor der Behandlung des Patienten sichergestellt werden, dass sämtliche Zellen, die immunologisch aktiv sind, aus dem Transplantat entfernt werden. Würde man dem Patienten ungeachtet dieser Tatsachen beispielsweise eigenes Knochenmark in den Herzinfarkt injizieren, so käme es zu unkontrollierbaren Entzündungsreaktionen am Herzen.