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2.1 G RUNDLAGEN DER L EISTUNGSPHYSIOLOGIE DES P FERDES

2.1.2 Herz-Kreislauf-System

Im Vergleich zu anderen Säugetieren haben Pferde in Relation zum Körpergewicht einen hohen Sauerstoffverbrauch (EVANS 1990). Für dessen Transport im Organismus ist das Herz-Kreislauf-System verantwortlich, das ihn der arbeitenden Muskulatur zuführt. Wieviel Sauerstoff der einzelne Muskel dabei erhält, hängt von der durch das Herz ausgeworfenen Blutmenge, dem Blutreservoir der Milz und dessen Entspeicherung und verbunden damit von der Sauerstofftransportkapazität des Blutes über das Hämoglobin und der Sauerstofffreisetzung in der Peripherie ab ( ENGELHARDT 1992 ). Weiterhin dient das Blut dem Abtransport diverser Stoffwechselprodukte und der unter Belastung in der Muskulatur entstandenen Wärme ( EVANS 1990; LEUKEUX u. ART 1995 ). So führt es beispielsweise CO2 der Lunge zu, über die es abgeatmet wird und gibt die entstandene Wärme an die Haut und somit an die Umgebung ab.

Die arbeitende Muskulatur tritt als „Verbraucher“ auf und programmiert im Sinne einer Sollwertverstellung Frequenz und Schlagvolumen des Herzens. Ein Anstieg des Herzminutenvolumens erfolgt in Ruhe und bei steigender Belastung überwiegend aufgrund der gesteigerten Herzfrequenz, wohingegen sich die Volumina der einzelnen Herzschläge nur geringfügig ändern. Währenddessen steigt bei maximaler Belastung und maximaler Herzfrequenz das Herzschlagvolumen zumindest beim Menschen stark an (McARDLE et al.

2001). Die rasante Erhöhung der Schlagzahl findet auf Kosten der Diastole und somit der Erholungsphase des Herzens statt, die sich wesentlich stärker verkürzt als die Systole. So ist die Erholungszeit des Herzmuskels bei 30 Schlägen in der Minute etwa 25mal länger als bei 230 Schlägen ( ENGELHARDT 1995 ).

In der Literatur angegebene Kennzahlen zur Herzleistung sind der Tabelle 1 zu entnehmen.

Tab.1: Kennzahlen der Herzleistung

Kurz nach Beginn körperlicher Anstrengung steigt die Herzfrequenz aufgrund des gesteigerten Sympathikotonus und der damit verbundenen Katecholaminausschüttung an (EVANS 1990; LEUKEUX u. ART 1995). Bei starken Belastungen können anfänglich häufig überschießende Reaktionen beobachtet werden. Bleibt die Intensität der Arbeit gleich, sinkt die Frequenz nach 30-45 Sekunden geringfügig ab und pendelt sich auf einem Plateauwert ein (EVANS 1990; KRZYWANEK 1999).

Innerhalb der ersten 30-120 Sekunden nach Belastungsende sinkt die Schlagfrequenz zunächst sehr schnell und später langsamer ab, weshalb der Herzfrequenzmessung in der Erholungsphase keine Aussage über die Belastungsintensität zugestanden wird (LEUKEUX u. ART 1995). Dabei wird der Ruhewert umso später erreicht, je größer die unter Belastung akkumulierte Sauerstoffschuld ausfällt (EVANS 1990).

Die Herzschlagfrequenz stellt unter standardisierten Bedingungen einen geeigneten Parameter zur Beurteilung der aktuell erbrachten Leistung sowie der Stoffwechselsituation dar (ENGELHARDT 1992), wobei neben dem Trainingszustand des Tieres externe Einflussfaktoren wie die Beschaffenheit des Geläufs, Lufttemperatur und –feuchtigkeit, Windgeschwindigkeit und Erregungszustand des Pferdes kritisch in Betracht gezogen werden müssen. Dabei soll der Einfluss psychogener Faktoren ab einer Frequenz von 150 Schlägen pro Minute keine Rolle mehr spielen.

Ruhezustand

unter (maximaler)

Belastung Quellen

Herzfrequenz = HF 30 - 40 bis 240 von ENGELHARDT (1992)

[Schläge/Minute] Mensch: 60 Mensch: 200

35 >200 KRZYWANEK et al. (1970); PERSSON (1983)

25 - 40 223 (204-241) EVANS (1990); LEUKEUX u. ART (1995)

bis 250 (Rennpf.) Mensch: 180-200 Greyhound: 300

Schlagvolumen = SV ca. 800 von ENGELHARDT (1992)

[ml] 900 = 1,9 ml/kg 1270 = 2,67 ml/kg KRZYWANEK (1999); PERSSON (1983)

1000 EVANS (1990);

1650 (tr. Vollblüter) EVANS u. ROSE (1988)

1,3-2,3 ml/kg 2,5-2,7 ml/kg LEUKEUX u. ART (1995)

Mensch: 1,1-1,4 1,5

Herzminutenvol. = HMV 30 > 250 von ENGELHARDT (1992)

( = HF x SV ) [Liter] 31,5 KRZYWANEK et al. (1970); PERSSON (1983)

35 EVANS (1990)

241 THOMAS u. FREGIN (1981)

315 (tr. Vollblüter) CARLSON (1995)

Steigerung der 7-fach von ENGELHARDT (1992)

Herzleistung Mensch: 3,5-fach

8-fach KRZYWANEK et al. (1970)

7,6-fach THOMAS u. FREGIN (1981)

Mit einem absoluten Gewicht von ungefähr 4-6 (Vollblüter) oder 7 (Warmblüter) Kilogramm ist das Herz eines Pferdes bis zu 14mal schwerer als das menschliche Herz (EVANS 1990;

von ENGELHARDT 1992; KRZYWANEK 1999).

Auch das relative Herzgewicht des Pferdes übersteigt das des Menschen. Für untrainierte Vollblüter gelten Werte von 0,8 %, für trainierte Vollblüter von 0,9-1,1 % und für untrainierte Warmblüter 0,6-0,7 % des Körpergewichts, die beim Menschen festgestellten 0,4-0,5 % gegenüberstehen.

Neben der gesteigerten Blutzirkulation bewirkt eine Belastung eine Verschiebung des Durchblutungsmusters mit Arbeitsbeginn. Während im Ruhezustand innere Organe wie Darm, Leber und Niere stark durchblutet werden, verlagert sich unter Belastung die Blutver-sorgung mehr auf die Muskulatur, die dann eine erhöhte Arbeitsleistung zu erbringen hat . Ein verstärktes Angebot wird gewährleistet, indem Blutreserven aus Leber und Milz mobilisiert werden. Gerade die sogenannte „Milzentspeicherung“ befähigt das Pferd, die Hämoglobinkonzentration des Blutes um bis zu 60 % zu steigern, was wiederum zu einer deutlichen Erhöhung der Sauerstofftransportkapazität und des -angebotes führt. Der mit diesem Mechanismus notwendigerweise einhergehende Anstieg des Hämatokritwertes wirkt ab einer gewissen Höhe jedoch aufgrund der ebenfalls steigenden Blutviskosität begrenzend (LEUKEUX u. ART 1995).

Als weiteren Mechanismus, die Sauerstoffversorgung der Muskulatur zu steigern, beschreiben diverse Lehrbücher den „Bohreffekt“: das in der arbeitenden Muskulatur anfallende CO2

verringert den ph-Wert. Die resultierende Azidose erniedrigt ihrerseits den peripheren Widerstand, was wiederum zu einer Steigerung der Durchblutung führt. In Interaktion mit der arbeitsbedingten Wärmezunahme innerhalb des Muskels begünstigt die Azidose zudem die Sauerstofffreisetzung des Hämoglobins.

Werden alle durch eine Arbeitsbelastung hervorgerufenen Adaptionsmechanismen des Herz-Kreislauf-Systems zusammen betrachtet, resultiert aus ihrer Summe eine Steigerung der Muskeldurchblutung um das 70-75fache (ENGELHARDT 1992).

Durch Training lassen sich die Erythrozytenausschüttung der Milz und somit zugleich die Sauerstofftransportkapazität des Blutes und die Muskeldurchblutung verbessern. Jedoch wird

schon bei mittlerem Training ein Plateauwert erreicht, was aufgrund der zunehmenden Blutviskosität Sinn macht (ENGELHARDT 1992).

Auch eine Vergrößerung des Herzens um bis zu 0,3 % in Form einer Herzmuskelhypertrophie kann beobachtet werden. Durch diese Größenzunahme ergibt sich ebenfalls eine lineare Erhöhung des Schlagvolumens um 20-25 %.

Bislang konnten als Trainingseffekte weder eine Ruhebradykardie, noch eine Erniedrigung der maximalen Herzfrequenz festgestellt werden, wohingegen das größere Herz des trainierten Pferdes während einer definierten Belastung langsamer schlägt und zudem eine größere Blutmenge befördert als das eines untrainierten Tieres bei gleicher Belastung. Mit verbesserter Ausdauerleistung steigt die Herzschlagfrequenz mit zunehmender Laufgeschwindigkeit weniger an. Zwischen beiden Parametern existiert eine lineare Abhängigkeit (EVANS 1990; von ENGELHARDT 1992; LEUKEUX u. ART 1995;

KRZYWANEK 1999 ).

Für ein Trainingsmonitoring eignen sich weder die Ruhewerte der Blut- und Kreislaufparameter, noch die maximale Herzfrequenz (unterliegen keinem Trainingseinfluss) oder die Abnahme der Herzfrequenz nach einer Ausdauerleistung, da diese durch zu viele externe Faktoren beeinflusst wird (EVANS 1990; LEUKEUX u. ART 1995, KRYZWANEK 1999). Hingegen stellt für viele Autoren die Herzfrequenz, wenn sie während submaximaler Belastung gemessen wird, den gebräuchlichsten Parameter zur Beurteilung des Trainingszustandes und der erbrachten Belastung dar, während beispielsweise EVANS (1990) in ihr keinen zuverlässigen Parameter zur Fitnessbeurteilung sieht. Er begründet dies mit den Ergebnissen einiger Studien, nach denen es infolge längerer Trainingsperioden zu keinerlei Adaptionen des cardiovaskulären Systems kam.

Als allgemein anerkannte Kennwerte dienen aufgrund des linearen Zusammenhangs die Laufgeschwindigkeiten bei Herzfrequenzen von 150 oder 200 Schlägen pro Minute – als V150

bzw. V200 bezeichnet ( ENGELHARDT 1977, PERSSON 1983; HENNINGS 2001 ). Diese sind beim trainierten Pferd höher. Jedoch sind diese Kennwerte nur uneingeschränkt für den Vergleich einzelner Pferde oder Versuchsgruppen mit sich selbst im Verlauf der Zeit geeignet, da bei einem Vergleich zwischen verschiedenen Pferden die individuelle maximale Herzfrequenz eine entscheidende Rolle spielt (LEUKEUX u. ART 1995). Sie führe dazu, dass beispielsweise bei einer Herzfrequenz von 200 Schlägen in der Minute die einzelnen Pferde bei einem ganz unterschiedlichen Prozentsatz ihrer maximalen Herzleistung liefen.