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Herausforderungen sinnrekonstruierender qualitativer Forschung und Gütekriterien

rekonstruktiver Forschung und methodisches Vorgehen der ethnographischen Studie

I. Qualitativ-rekonstruktive Forschung – Zielrichtungen, Methoden und Vorgehen der

3. Herausforderungen sinnrekonstruierender qualitativer Forschung und Gütekriterien

Im Folgenden stehen Gütekriterien qualitativer Studien im Fokus, die es innerhalb des vorliegenden Dissertationsprojekts zu berücksichtigen galt, um wissenschaftliche Standards einzuhalten. Wenngleich bereits erörtert wurde, dass es sich bei der Studie um ein qualitativ-rekonstruktives Forschungspro-jekt handelt, wird im Folgenden übergeordnet von qualitativen Gütekriterien gesprochen, da diese im Diskurs für alle qualitativen Forschungsvorgehen diskutiert werden und somit sowohl für nicht-rekonstruktive Ansätze als auch rekonstruktive Ansätze qualitativer Forschung Gültigkeit haben. Im Kontext qualitativer Forschung gehen Gütekriterien allerdings mit diversen Diskussi-onen und Kontroversen einher (vgl. Lüders 2011). So scheint es bis heute

keinen Konsens darüber zu geben, welche Gütekriterien für die qualitative Forschung leitend sein sollten:

„Die Auseinandersetzung mit der Qualität qualitativer Forschung voll-zieht sich vor dem Hintergrund eines weitgehenden Konsenses in der quantitativen Forschung über die zu erfüllenden ,klassischen‘ Gütekrite-rien Reliabilität, Validität und Objektivität, die dort für alle Ansätze als akzeptiert anzusehen sind. Inwieweit dieser Konsens auf die sozialwis-senschaftliche Forschung insgesamt – also einschließlich qualitativer An-sätze – übertragen werden kann, ist eine Kernfrage der Diskussion“

(Flick 2010a, S. 395).

Diese grundsätzliche Frage bestimmt auch die Debatte des Online-Forums FQS Forum: Qualitative Research um „Qualitätsstandards in der qualitativen Sozialforschung“, die 2001 von Franz Breuer und Jo Reichertz angeregt wurde. Folgt man den Ausführungen zu den methodologischen Grundlagen meiner qualitativ-rekonstruktiven Forschungsperspektive, so wird deutlich, dass es hierbei anderer Gütekriterien bedarf, als sie für quantitativ-standardi-sierte Verfahren gängig sind (vgl. auch Steinke 1999, Lüders 2011).106 Nimmt man beispielsweise das für standardisierte Verfahren geforderte Gü-tekriterium der Objektivität, dann wird offensichtlich, dass die Forderung nach Objektivität mit einem Wahrheitsanspruch einhergeht, der den Grund-annahmen einer (sozial)konstruktivistischen Perspektive widerspricht. Da soziale Wirklichkeit auch in sozialkonstruktivistischer Perspektive sinnhaften Regeln und Relevanzsetzungen unterliegt, darf soziale Wirklichkeit zwar nicht missverstanden werden als etwas Willkürliches, rein Subjektives. Den-noch ist das Gütekriterium Objektivität auf eine solche Forschungsperspek-tive nicht anwendbar, da es in sozialkonstruktivistischer PerspekForschungsperspek-tive schlichtweg keine Objektivität im engeren Sinne gibt. Auch Bohnsack (2007) verweist auf die Relativität „objektivistische[r] Wahrheitsansprüche“ (ebd., S. 200, Herv. i. O.), die sich ergeben, wenn man danach fragt, „was die sozi-ale, die gesellschaftliche oder erzieherische Wirklichkeit denn nun ist“ (ebd.).

In sozialkonstruktivistischer Perspektive ergibt eine solche Frage insofern keinen Sinn, da Wirklichkeit nicht eindimensional ist, sondern sich durch Kontingenz auszeichnet. Bohnsack sieht in einem veränderten Zugang zu Wirklichkeit daher die Möglichkeit zur „Überwindung des Objektivismus“

(ebd.), indem die Frage lautet: „Wie wird diese Wirklichkeit hergestellt“

(ebd., Herv. i. O.). Statt also nach Objektivität zu fragen, ist im Hinblick auf das erste Axiom qualitativ-rekonstruktiver Forschung ein wesentliches Güte- und Qualitätskriterium, eine sogenannte Intersubjektive Nachvollziehbarkeit

106 Für einen Gesamtüberblick gängiger Gütekriterien für die qualitative Forschung siehe Steinke (1999). Für eine kritische Betrachtung qualitativer Gütekriterien siehe Lüders (2011).

zu gewährleisten (vgl. Steinke 1999, S. 207 ff.). Intersubjektive Nachvoll-ziehbarkeit meint im weitesten Sinne einen übereinstimmenden Nachvollzug der Forschungserkenntnisse innerhalb der ForscherInnengemeinschaft (vgl.

Kruse 2014, S. 55). Steinke (1999) nennt diesbezüglich u. a. die „Dokumen-tation des Forschungsprozesses“ (ebd., S. 208). Darüber hinaus kann In-tersubjektivität auf mehreren Ebenen von Forschungsprozessen ansetzen. Das Arbeiten mit Datenmaterialien in einer Analysegruppe und das Diskutieren von verschiedenen Lesarten unter ForscherInnen stellt beispielsweise eine Sonderform der Intersubjektivität dar, die Kruse mit „Interpretations-In-tersubjektivität“ (Kruse 2014, S. 56, Herv. i. O.) bezeichnet. Auch innerhalb des vorliegenden Dissertationsprojekts wurden solche teameigenen Analyse-gruppen genutzt, um diverse Lesarten und vorläufige Interpretationen des Materials zu diskutieren und gemeinsam weiterzuentwickeln. Durch das Interpretieren auch fremder Materialien unter verschiedenen Forschungsfoki hatten diese in Hochzeiten der Analyse regelmäßig stattfindenden For-schungstreffen zudem den Effekt eines erweiterten Perspektivwechsels, so-wohl im Hinblick auf Forschungsfragen als auch hinsichtlich der Verschrift-lichung von Datenmaterialien. So diente dieser fachliche Austausch nicht nur dem Gütekriterium der Intersubjektiven Nachvollziehbarkeit, sondern führte auch zu einer wachsenden Expertise in der Anwendung von Analysestrate-gien. Durch den Austausch mit anderen ForscherInnen ergab sich zudem ein Rückschluss auf blinde Flecke im eigenen Forschungsvorgehen im Sinne des von mir benannten Prinzips In der Differenz zum Eigenen erkenne ich das Fremde.107 Neben kollegial organisierten Forschungstreffen nahm ich darüber hinaus zum einen institutsintern an der Universität Osnabrück an einem For-schungs- und Doktorandenkolloquium teil, das über den gesamten Dissertati-onsprozess hinweg von mir besucht wurde und dem Austausch und der In-tersubjektiven Nachvollziehbarkeit meines Forschungsvorgehens diente. Zum anderen fand ein teaminternes Doktorandenkolloquium in regelmäßigen Abständen statt, in dessen Rahmen u. a. mein Forschungsvorgehen und vor-läufige Interpretationen diskutiert wurden.

Eng anknüpfend an die Intersubjektive Nachvollziehbarkeit kann das weitere Gütekriterium der Reflektierten Subjektivität im Hinblick auf qualitative Forschungsmethoden genannt werden (vgl. u. a. Steinke 1999, Kruse 2014).

Dieses qualitative Gütekriterium trägt der

„erkenntnistheoretischen Prämisse Rechnung […], dass Subjektivität zwar immer kontextabhängig, situational, narrativ oder interaktionell ist.

107 Es gibt einen Artikel von Friebertshäuser (2003) mit einem ähnlichen Titel „Das Andere im Spiegel des Eigenen – Probleme des Verstehens fremder Lebenswelten“, in dem sie das Thema Verstehen im Rahmen ethnographischer Feldforschung diskutiert. Das von mir be-nannte Prinzip greife ich an konkreten Beispielen in Abschnitt B.II.2.4. auf.

Dies heißt aber nicht, dass Subjektivität beliebig und willkürlich ist, son-dern dass sich die kontextuelle Subjektivität nach spezifischen (sozialen) Regeln und Relevanzen generiert, die rekonstruiert werden können“

(Kruse 2014, S. 56).

Reflektierte Subjektivität steht dann unter anderem dafür, die eigenen im Forschungsprozess wirksamen Relevanzsysteme und das eigene Forschungs-vorgehen methodisch kontrolliert zu hinterfragen. Dies kann beispielsweise ebenfalls im Rahmen von ForscherInnengruppen erfolgen, indem eigene Lesarten im Unterschied zu weiteren Lesarten anderer ForscherInnen in der Gruppe im Kontext der eigenen Standortgebundenheit und der dahinterlie-genden Relevanzen hinterfragt werden.Daher diskutierte ich im Sinne der genannten Gütekriterien eigene Lesarten und rekonstruierte Muster zu den Geschlechterkonstruktionen intensiv im Team mit KollegInnen, in den fach-gebietsübergreifenden Doktorandenkolloquien sowie im Kontext von diver-sen Vorträgen in der wisdiver-senschaftlichen Community.

Im Unterschied zu quantitativ-standardisierten Verfahren, die in der Re-gel von einem strengen Methodenverständnis ausgehen, gehen qualitativ-rekonstruktive Verfahren hier einen „entgegengesetzten Weg“: „Durch weni-ger Eingriff des Forschers soll mehr methodische Kontrolle erreicht werden“

(Bohnsack 2010, S. 20). Auch wenn dies zunächst widersprüchlich klingt, ist damit ein wesentlicher Kernpunkt rekonstruktiver-qualitativer Forschung angesprochen. Denn nimmt man soziale Konstruktionen des Feldes in den Blick, so interessieren die ganz eigenen Relevanzsetzungen der AkteurInnen:

„Methodische Kontrolle bedeutet hier also Kontrolle über die Unter-schiede der Sprache von Forschenden und Erforschten, über die Diffe-renzen ihrer Interpretationsrahmen, ihrer Relevanzsysteme. Und diese Kontrolle gelingt nur, wenn ich den Erforschten Gelegenheit gebe, ihr Relevanzsystem zu entfalten, und dann darauf aufbauend – rekonstruie-rend – mir die Unterschiede der Interpretationsrahmen vergegenwärtige“

(ebd.).

Rücken sozialer Sinn und Bedeutung in den Fokus empirischer Forschung, dann sind standardisierte Verfahren aufgrund der Komplexität sozialer Wirk-lichkeit (vgl. Kelle 2009) diesem Forschungsgegenstand nicht angemessen.

Vielmehr kennzeichnet sich qualitative Forschung durch die Prinzipien Of-fenheit und Kontextualität (vgl. Flick 1995, Steinke 1999):

„Allen offenen Verfahren ist gemeinsam, dass sie denjenigen, die Gegen-stand der Forschung sind, die Strukturierung der Kommunikation im Rahmen des für die Untersuchung relevanten Themas so weit wie mög-lich überlassen, damit diese ihr Relevanzsystem und ihr kommunikatives Regelsystem entfalten können und auf diesem Wege die Unterschiede

zum Relevanzsystem der Forschenden überhaupt erst erkennbar werden“

(Bohnsack 2010, S. 21).

Dieser Perspektive folgend, empfahl sich bei der Umsetzung der vorliegen-den Studie eine rekonstruktiv-qualitative Herangehensweise mit vorliegen-den Konsti-tutionsmerkmalen Offenheit und Zirkularität (vgl. Steinke 1999), da es sich bei der leitenden Frage nach dem Wie der Differenzierungspraktiken von Geschlecht im Alltag der Kindertageseinrichtung um eine deskriptiv ausge-richtete Perspektive auf Geschlecht handelt, die sich von den Feldlogiken leiten lassen und daher flexibel ausgerichtet sein sollte. Interessieren die Logiken des Feldes und die Konstruktionen der FeldakteurInnen, ist zwangsläufig die Frage des Fremdverstehens tangiert. Dies stellt im Rahmen der Fragestellung eine Herausforderung dar, da entsprechend der Definition von doing gender als soziale (Differenzierungs-)Praktiken (vgl. Abschnitt A.I.2.3.) diese implizit verlaufen und den untersuchten AkteurInnen im Feld in der Regel nicht bewusst ist, wie sie tun, was sie tun. Demzufolge darf im Hinblick auf das Fremdverstehen im Kontext von Sinn-Rekonstruktion in einer qualitativ-rekonstruktiven Studie Sinn nicht mit Bewusstsein bzw. in-tentionalen Absichten gleichgesetzt werden.

„Denn dass dem Interpreten allenfalls eine Annäherung an den subjekti-ven Sinn eines anderen gelingt, ist evident: Zugänglich ist grundsätzlich nicht dessen Bewusstsein. Erfassbar, aufzeichenbar und damit interpre-tierbar sind lediglich die intersubjektiv wahrnehmbaren – beabsichtigten wie unbeabsichtigten – Realisationen, nicht aber die Intentionen des Sich-Äußernden“ (Hitzler 2002, Absatz 32, Herv. i. O.).

Auf diese wesentliche Grundannahme rekonstruktiver Sozialforschung ver-weist auch Meuser (2011a):

„Wirklichkeitskonstruktionen sind im Regelfall des Alltagshandelns keine bewusst vorgenommen und intentional gesteuerten Akte, sie ge-schehen gewissermaßen en passant im Routinehandeln. Das Wissen, das die Akteure über ihre habitualisierte Handlungspraxis haben, ist ein ,implizites Wissen‘ (Polanyi 1985) […] Rekonstruktive Sozialforschung betreibt die Rekonstruktion der impliziten Wissensbestände und der im-pliziten Regeln sozialen Handelns“ (ebd., S. 140).

Hier ist mit der Frage des Fremdverstehens und der Zugänglichkeit des Im-pliziten folglich eine zentrale Herausforderung qualitativ-rekonstruktiver Forschung angesprochen. Reckwitz spricht hier gar von einem „Zugänglich-keitsproblem“, das nicht aufzulösen sei:

Das „Zugänglichkeitsproblem des Impliziten läßt sich in der Praxisana-lyse nur behandeln, nicht aber lösen: Der Forscher ist immer auf einen

,Rückschluß‘ vom Expliziten aufs Implizite, von den Bewegungen auf den ,sozialen Sinn‘ angewiesen“ (Reckwitz 2008, S. 196, Herv. i. O.).

Um diese Problematik allerdings zumindest zu minimieren und methodisch etwas zu kontrollieren, kann laut Reckwitz „die geäußerte Rede […] ein Mittel liefern, um indirekt jene Wissensschemata zu erschließen, welche die Praktiken konstituieren (vor allem im Falle von Praktiken, die selber wenig natürliche Rede enthalten)“ (ebd., S. 196 f.).

„Der Lackmustest für die auf diese Weise vermuteten impliziten Wis-sensschemata besteht darin, daß sie zu dem materialen, beobachteten Anteil der Praktiken ,passen‘ müssen“ (Reckwitz 2008, S. 197).

Nichtsdestotrotz bleibt die Frage nach dem Fremdverstehen eine, die wesent-lich ist für ein Verständnis qualitativer Forschung. Schon Schütz hat sich intensiv mit dieser erkenntnistheoretischen Herausforderung auseinanderge-setzt, auf dessen Arbeiten unter anderem auch die Überlegungen von Jan Kruse (2014) basieren. So konstatiert Schütz (1974):

„Das Postulat der Erforschung des gemeinten Sinnes fremden Handelns setzt bereits implizit eine bestimmte Theorie der Erfaßbarkeit des Fremd-seelischen und damit eine bestimmte Grundansicht über die besondere Vorgegebenheitsweise des alter ego voraus. Nur wenn angenommen wird, daß auch der Andere mit seinem Verhalten einen Sinn verbinde und diesen Sinn so in den Blick bringen könne, wie ich auf den Sinn meines Handelns hinzusehen vermag, kann überhaupt mit Fug nach dem fremden gemeinten Sinn gefragt werden“ (Schütz 1974, S. 101).

An die genannte Herausforderung des Fremdverstehens knüpft demnach die von Bohnsack (2010) vorgenommene Forderung und gleichzeitig auch Kenn-zeichnung rekonstruktiver Forschung, nämlich das Postulat eines methodisch kontrollierten Fremdverstehens, an (vgl. ebd., S. 21 f.). Soeffner und Hitzler (1994) umschreiben diese an das dritte Axiom anknüpfende Herausforderung im Kontext der von ihnen genannten „Grundlagen der Interpretation“ herme-neutisch-qualitativer Forschung wie folgt: „Der Interpret muß systematisch von den eigenen kulturellen Fraglosigkeiten und der eigenen historischen Perspektive abstrahieren (Reflexion der eigenen Vor-Urteile)“ (ebd., S. 35).

So lassen sich zahlreiche Prinzipien und Strategien nachzeichnen, die eine solche methodische Kontrolle im Rahmen des Forschungsprozesses garantie-ren sollen, und auch im Sinne von Gütekriterien verstanden werden können.

Ein zentrales Prinzip ist dabei beispielsweise entsprechend dem dritten Axi-om das der „Entselbstverständlichung“ (Kruse 2014, S. 148). Demnach gilt es entgegen einer alltäglichen Haltung gegenüber sozialer Wirklichkeit inner-halb des Forschungsvorgehens eine Position einzunehmen, die in erster Linie nichts für selbstverständlich und Wirklichkeit stets vor der Folie der Kontin-genz in den Blick nimmt. Eine leitende Frage könnte hierbei lauten: wieso ist

es so und nicht anders? Statt von Entselbstverständlichung spricht Hitzler (2002) im Kontext der interpretativen Soziologie von den forschungsrele-vanten Prinzipien „Dummheit“ und „Langsamkeit“ (ebd., Absatz 25, Herv i. O.):

„Durch ,künstliche Dummheit und Langsamkeit‘ verfremdet sozialwis-senschaftliche Hermeneutik also absichtsvoll das zum größeren Teil kulturell hochgradig routinisierte, auf die pragmatischen Belange des gelebten Lebens abgestellte und ständig vielfältige Vorab-Gewißheiten applizierende Alltags-Verstehen – zum Zwecke nämlich der Aufklärung sozialer Praktiken über sich selber“ (Hitzler 2002, Abschnitt 27, Herv.

i. O.).

Hier zeigen sich deutliche Anknüpfungspunkte an Logiken der Ethnometho-dologie. So liegt der Ethnomethodologie ein erweiterter Methodenbegriff zugrunde, der neben wissenschaftlichem auch das alltägliche Handeln als ein methodisch organisiertes ansieht (vgl. Koeck 1976, Bohnsack 2010). Die Ethnomethodologie kennzeichnet sich besonders durch einen sprachtheoreti-schen Ausgangspunkt und setzt vorwiegend an sprachlichen Interaktionen an.

Ausgangspunkt ist die Grundannahme, dass „die interaktive Konstruktion des Sozialen […] vor allem über Sprache [läuft], d.h. im Rahmen der Interaktion anhand von sprachlichen und nicht-sprachlichen Symbolen“ (Kruse 2014, S. 28). Daran anknüpfend, interessiert sich die Ethnomethodologie for-schungsperspektivisch für soziale Praktiken, durch die Wirklichkeit erst her-gestellt wird. Forschungsmethodisch geht es dabei um eine spezifische Hal-tung, die das Selbstverständliche alltäglicher Praktiken in Frage stellt und sich „über bestimmte methodische Praktiken von der konstruierten sozialen Welt ,entfernen‘ muss, um sich ihr rekonstruktiv zu nähern“ (Kruse 2014, S. 27). Hirschauer (1993) plädiert daher dafür, das Alltagswissen der zu un-tersuchenden AkteurInnen als einen Gegenstand zu betrachten, der metho-disch auf Distanz gebracht werden muss (vgl. auch Kelle 2000). Gleichzeitig muss den AkteurInnen im Feld die Möglichkeit gegeben werden, dass sie ihre eigenen Relevanzsysteme entfalten können. So konstatiert auch Meuser (2011a) im Kontext rekonstruktiver Ansätze, dass Forschungssituationen so gewählt werden müssen, „dass die Untersuchungspersonen Gelegenheit ha-ben, in eigener Sprache und gemäß den eigenen Relevanzstrukturen“ zu agie-ren (ebd., S. 141). Im Anschluss an diesen Anspruch, wurde forschungsstra-tegisch ein ethnographischer Zugang zum Feld der Kindertageseinrichtung gewählt.

4. Die Ethnographie als Forschungshaltung