1.1 Geschichtliches
Die Anfänge der tiergestützten Therapie liegen viel weiter zurück als allgemein angenommen.
Bereits in Babylon und Assyrien war die Göttin der Heilung in Hundegestalt dargestellt und wurde hoch verehrt. Auch im Mittelalter wusste man, dass „Ein tier dem herze wol macht!“, wie es Walther von der Vogelweise ausdrückte. Über Jahrtausende haben Menschen festgestellt, dass Tiere sich positiv auf Körper und Seele auswirken.
Der große Pionier der tiergestützten Therapie war Boris Levinson (USA), Kinderpsychologe, der in den 60er Jahren die Wirkung von Hunden auf Kinder bemerkte. Es folgten viele weitere wissenschaftliche Studien. Eine bekannte Studie aus 1982 stammt von Erika Friedmann (USA).
Sie untersuchte die Wirkung von Tieren bei Patienten nach Herzerkrankungen und konnte beweisen, dass Hundebesitzer eine bis zu 5fach höhere Überlebensrate aufwiesen.
Mittlerweile gibt es neuere, fundierte wissenschaftliche Studien, die zeigen, dass es durch den Einsatz von Tieren zu deutlichen Verbesserungen des Gesundheitszustandes von Menschen kommen kann.
Ein weiterer Schwerpunkt ist der Einsatz von Tieren bei Kindern. Sowohl bei Kindern mit körperlichen oder geistigen Behinderungen als auch bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten aber auch in der regulären Entwicklung der Kinder wirken Tiere, besonders Hunde, fördernd. So wird z.B. im ersten Lebensjahr nicht nur das Immunsystem trainiert, sondern die Kinder auch in ihrer Aufmerksamkeit gefördert. Es ist weiters bewiesen, dass Kinder, die mit Tieren
aufwachsen, besser die nonverbalen Signale (Körpersprache) lesen können, und zwar nicht nur bei Tieren, sondern auch bei Menschen. Grundsätzlich konnte beim Umgang von Kindern mit Tieren vermehrt die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen, wie Teamfähigkeit und
Verantwortungsbewusstsein sowie stabilere Stimmungslage und deutlich mehr Selbstsicherheit festgestellt werden.
Nach Untersuchungen an Wiener Schulen zeigte sich, dass es durch die Anwesenheit von Hunden im Unterricht zu einem Rückgang an Aggressionen unter den Schülern kam, zu einer Zunahme an positiven Kontakten und zu einer Zunahme der Konzentration.
1.2 Tiere als therapeutische Begleiter
Tiere tun uns gut. Wer einmal erlebt hat, wie viel Lebensfreude, Trost und heilende Impulse Tiere gesunden oder bedürftigen Menschen schenken können, ist schnell überzeugt von der Idee, mit Tieren als therapeutischen Begleitern zu arbeiten. (Otterstedt, 2001)
1.3 Unterschiedlicher Einsatz von Therapiehunden
Unterschieden wird zwischen drei unterschiedlichen Therapieformen: Aktivität, Therapie und Pädagogik.
Wer mit seinem Hund tiergestützte Aktivitäten ausführen möchte, braucht dafür keine besondere Ausbildung des Vierbeiners, schließlich „besucht“ man die Patienten nur. Geeignet ist hierfür aber nicht jeder Hund. Voraussetzungen sind u.a. ein absolut freundliches, soziales Verhalten des Hundes gegenüber dem Menschen, hohe Toleranz. und guter Grundgehorsam. Um herauszufinden, ob ein Hund geeignet für die tiergestützte Therapie ist, ist ein Wesenstest seitens ÖBdH durchzuführen.
Tiergestützte Therapien haben das Ziel, dass der Hund eine Veränderung des Zustandes des Patienten bewirkt und benötigen eine spezielle Schulung. Letztlich gibt es noch die tiergestützte Pädagogik, bei der Hunde die Arbeit von Pädagogen – etwa mit verhaltensauffälligen Kindern – unterstützen sollen.
ESAAT = European Society of Animal Assisted Therapy
Alle tiergestützten Maßnahmen, wie z.B. tiergestützte Interaktion, tiergestützte Pädagogik, tiergestützte Förderung, tiergestützte Intervention, nach ESAAT unter dem Begriff "Tiergestützte Therapie"
zusammengefasst.
1.4 Ziele beim Einsatz von Therapiehunden
Primäres Ziel ist es, die Lebensqualität von Menschen zu erhöhen. Dabei können alleine schon durch die Präsenz eines Hundes – also ohne Körperkontakt – positive Effekte bei einem Patienten erzielt werden. Durch den meist recht schnellen Aufbau von Vertrauen, lernen verschlossene Personen, sich zu öffnen und werden im weiteren Sinne selbstbewusster und kommunikativer. Außerdem haben Hunde ein gutes Gespür für den emotionalen Zustand von Personen und helfen beim Abbau negativer Einflüsse wie Stress oder Angst. Wer etwa aufgrund von Angststörrungen oder Depressionen nicht mehr aus dem Haus gehen möchte
beziehungsweise kann, dem kann ein Therapiehund Selbstvertrauen, Sicherheit und natürlich Zuneigung geben. Dabei hilft vor allem, dass die Kommunikation mit einem Hund nonverbal stattfindet, sodass beispielsweise Menschen mit Sprachstörungen ohne Schwierigkeiten eine Bindung aufbauen können.
Förderung von Kindern
Bei Kindern können Therapiehunde nicht nur bei körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen Besserungen erzielen, sondern zum Beispiel auch bei Verhaltensauffälligkeiten. Aufgrund der zahlreichen positiven Effekte wird tierliebenden Menschen oft nahegelegt, sich frühzeitig ein Familienmitglied auf vier Pfoten zuzulegen. So hat jemand, der gemeinsam mit einem Hund aufwächst, unter anderem ein besseres Immunsystem und möglichen Allergien wird aufgrund des ständigen Kontakts vorgebeugt. Durch die Interaktion mit dem Haustier lernen Kinder außerdem, die Körpersprache insbesondere die Mimik anderer Personen besser zu lesen.
Oft beginnen Kleinkinder bereits früher zu krabbeln und zu laufen, da sie sich in die Nähe des Hundes bewegen möchten. Mit dem Älterwerden kann sich ein Kind in zunehmendem Ausmaß selbst um den Vierbeiner kümmern und lernt auf diese Weise, frühzeitig eigenverantwortlich zu handeln. Das bedeutet unter anderem, die Fütterung zu übernehmen.
Freude im Alter
Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich der Therapiehunde ist die Geriatrie. Der tierische Besuch ist für ältere Menschen nicht nur eine willkommene Abwechslung. Einerseits verbessert sich durch die Fütterung und das Pflegen des Hundefells die Feinmotorik der Senioren, andererseits fördern gemeinsame Spaziergänge die Grobmotorik. Das ist insbesondere bei Patienten relevant, die einen Schlaganfall erlitten haben. Oft besitzen diese nach dem Gehirnschlag nicht mehr dieselben motorischen Fähigkeiten wie zuvor – so kann etwa einer der Arme nicht mehr in vollem Ausmaß bewegt werden. Hier kommen die Therapiehunde ins Spiel. Sie motivieren die Erkrankten zum Streicheln oder etwa einen Spielball aufzuheben. Das damit einhergehende Beugen bzw. Strecken der Glieder fördert die Bewegungsfähigkeit und wirkt sich positiv auf den körperlichen Zustand aus. Im Übrigen vermitteln Hunde ein Gefühl der Sicherheit und
Geborgenheit, und können so beispielsweise neuen Heimbewohnern das Eingewöhnen
erleichtern. Die Anwesenheit der Vierbeiner hat aber noch weitere Vorteile: Der Blutdruck sowie der Kortisol-Spiegel im Blut senken sich, Schmerzen nehmen ab und das psychische und
physische Wohlbefinden wird verbessert. Selbst bei Wachkomapatienten wird auf die Vierbeiner gesetzt – wobei die Kommunikation nur über Berührungen oder Blicke abläuft. Des Weiteren werden Therapiehunde bei Demenzpatienten erfolgreich eingesetzt. Den Betroffenen fällt es bei den Vierbeinern leichter, sich zu konzentrieren und gegenüber anderen zu öffnen. Frühere
1.5 Vorteile von Therapietieren
• Tiere verbessern die Empathie
• Tiere bilden sich kein Urteil (z.B. bei Misserfolgen)
• Tiere haben keine Vorurteile (z.B. bei körperlichen Mängeln)
• Tiere sind Katalysatoren (leichtere Kontaktaufnahme zu anderen Menschen, lustigere, angenehmere, spielerische Aktivitäten), sie zeigen ihre Emotionen direkt, lösen Emotionen beim Menschen aus, regulieren manchmal überschießende Emotionen beim Menschen, sie helfen über schwierige Phasen in der Therapie hinweg, zeigen problematisches Verhalten auf (wehren sich, gehen weg, schreien)
• Tiere viktimisieren nicht (Tiere leben im Moment, Leid, Krankheit, Tod sind für sie keine kognitiven Signale; Tiere identifizieren sich nicht mit Menschen und ihren Leiden)
• Tiere fördern Selbstmitteilung und Integration
• Tiere lehren Kompetenzen und animieren
Der große Vorteil des Therapiehundes ist, dass er völlig wertfrei ist. Der Hund geht auf jeden Menschen freudig zu, unabhängig davon, ob sein Sprechen eingeschränkt ist, ob er klein und wild ist oder erwachsen und kontrolliert oder körperlicheingeschränkt.
Der Hund unterstützt die therapeutische Arbeit, z.B. als - Brücke zum Kontaktaufbau
- Sprechmotivator - Rollenspielteilnehmer - Therapiemittel / Spielpartner - Entspannungshilfe
- Hilfe zum Aufbau von Selbstwertgefühl
- „Co-Therapeut“ bei therapeutischen Maßnahmen
1.6 Der Therapiehund als Teammitglied
Ein Team besteht aus einem Hundeführer und einem Hund.
Eine wichtige Voraussetzung für die Arbeit mit einem Therapiehund ist eine spezielle Ausbildung, die Hundeführer und Hund als Therapiehundeteam abschließen.
Die Ausbildung des Hundes umfasst praktische Schulungen. Innerhalb dieser Ausbildung werden Grundgehorsam und bestimmte Fähigkeiten, die ein Therapiebegleithund mitbringen muss, gleichermaßen geschult. Der Hund sollte in jeder, auch für ihn ungewohnten Situation, absolut zuverlässig sein.
Dem Hundeführer werden theoretische Kenntnisse über Hunde und fachspezifische Bereiche in Bezug zur tiergestützten Arbeit vermittelt.
Mögliche Einsatzbereiche von Therapiehunden:
Schulen
Sonderpädagogische Einrichtungen Spitäler
Pflegeheime Praxen Strafanstalten
extramuraler Pflegebereich (Pflege und Betreuung von Menschen zu Hause) tiergestütztes Coaching und Teambuilding
Krisenintervention
1.7 Wirkung von Therapiebegleittieren beim Menschen
Erhöhung der Selbstwirksamkeit Der Hund macht was der Patient sagt.
Selbstbewusstseinsaufbau
Mit dem Hund können Situationen besser bewältigt werden.
Förderung des Selbstvertrauens
Die selbständige Bewältigen von Situationen gibt Selbstvertrauen.
Selbstwertgefühl steigern
Der Patient hilft den Hund zu versorgen und fühlt sich gebraucht und nützlich.
Konzentration
Der Patient konzentriert sich auf den Hund, die Übungen werden immer länger/schwieriger (z.B.
Degility-Parcours) Aufmerksamkeit
Der Patient achtet nicht nur auf sich, sondern zusätzlich noch auf den Hund und kann über den Hund Rückschlüsse auf eigenes Verhalten ziehen
Vertrauensaufbau
Der Patient kann mit dem Hund die Welt erkunden und über den Hund Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen.
Basale Stimulation
Der Hund leckt z. B. Ketchup von der Hand, der Patient kuschelt sich an den Hund, der Patient fühlt Körpergrenzen und lässt Körpernähe zu.
Mobilisation
Mit dem Hund spazieren gehen, wenn man es für sich selbst nicht tun würde, sich nach einem Ball bücken, etc
Motivation
Ein wedelnder Hund freut sich (aus der Sicht des Patienten) und ist dankbar, wenn man sich mit ihm beschäftigt - wer kann da nein sagen?
Grobmotorik
Der Patient kann z.B. einen Ball werfen und beim Zurückbringen wieder aufnehmen.
Feinmotorik
Der Patient kann z.B. verstecken, die Futterschlange auf den Hund zurollen, Leckerchen nach Größe und Form sortieren.
Angstabbau
Der Patient kann sich gemeinsam mit dem Hund Situationen stellen und diese bewältigen.
Verbesserung des Sozialverhaltens
Der Patient muss Absprachen treffen, warten, bis er an der Reihe ist und Rücksicht nehmen, nicht nur auf den Hund, auch auf andere Teilnehmer der Einheit.
Soziale Kompetenz stärken
Der Patient kann durch den Umgang mit dem Hund ohne Druck Regeln, Werte und Normen lernen, die später leicht übertragen werden können.
Erhöhung der Teamfähigkeit
Mensch und Tier arbeiten zusammen, bauen eine Beziehung auf, wodurch die Skepsis in einer Gruppe zu arbeiten abnimmt, Patienten bauen Häuser für den Hund, kochen, spielen etc.
Entspannung
Der Patient kann mit dem Hund kuscheln und schmusen. Sich an den Hund lehnen und sich entspannen, den Hund beim Spielen beobachten, mit ihm raus in die Natur gehen.
Visuelle Wahrnehmung
Der Hund wird beobachtet. Was macht der Hund, im Hellen aber auch mit Leuchthalsband im Dunkeln.
Auditive Wahrnehmung
Der Hund läuft mit einer Klingel und muss geortet werden. Oder er läuft ohne Klingel und man muss konzentriert lauschen. Was macht der Hund gerade?
Regelakzeptanz
Auch beim Hund müssen Regeln beachtet werden, diese müssen verstanden werden und lassen sich hinterher leicht auf andere soziale Situationen anwenden. Mit dem Hund lassen sich Regeln bildlich verdeutlichen und spielerisch umsetzen, das Gelernte wird dann auf andere Menschen übertragen.
Sprachanregung
Über den Hund reden, sich Geschichten erzählen lassen, den Hund mit Tricks in die Geschichten einbauen.
Realitätsbewusstsein
Der Hund hält Patienten durch Körperkontakt bei der Sache. Er hat Bedürfnisse, um die man sich kümmern muss.
Stimmung verbessern
Der Hund darf Fehler machen und spielt den Clown, er ist immer empathisch und bereit unvoreingenommen zu spielen und er reagiert auf Stimmungen.
Durchsetzungsvermögen
Mit dem Hund „nein“ sagen üben, lernen, das Worte eine Auswirkung haben.
Körperspannung
Spastiken lockern durch Lagerung am Hund, Hund sucht Leckerchen in Körpernähe, Hund leckt und lockert somit bestimmte Körperstellen, zum Herstellen von Körperspannung wird z. B.
Spielzeug gerollt.
Trauerbewältigung
Nähe, Empathie, Trost durch Körperkontakt und Körpernähe, der Hund als Zuhörer,
Geheimnisbewahrer, Freund. Auch zaubert ein Hund schnell einmal ein Lächeln ins Gesicht. Der Hund wertet und verurteilt nicht. (Therapiehunde, O.J.)