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Die nachfolgenden Grundsätze, die den Forschungsprozess verbindlich strukturieren, stellen die Schlussfolgerungen aus den Ausfüh-rungen zu den methodischen Grundlagen (Kap. 2) und der Explikation des Vorwissens (Kap. 3) dar. Ich begreife sie als allgemeine Vorgaben für qualitative Forschungsvorhaben zum sozialen Handeln, die freilich insbesondere in der vorliegenden Untersuchung zur Anwendung kommen.

4 . 2 . 1 Vor wi ssen und Begr i ffe

Ich habe schon darauf hingewiesen (vgl. 2.1.3.1), dass in der Methodendiskussion die Auffassung vertreten wird, in der qualitativen Forschung müsse der Forschungsprozess auch dadurch offen gehalten werden, dass das Vorwissen nicht in Form von Hypothesen expliziert wird, sondern dieses Vorwissens zugunsten einer größtmöglichen Offenheit gegenüber den spezifischen Deutungen und Relevanzsetzungen der Akteure suspendiert wird. Andererseits wird die Ansicht vertreten, wonach es naiv sei, Interpretationen könn-ten ohne theoretisches Vorwissen erfolgen; vielmehr befinde sich der Forscher immer auf „beackertem Boden“, vor allem heuristi-schen Annahmen, Objekttheorien und Vorstellungsrahmen, ohne theoretisches Modell ließen sich weder Phänomene untersuchen noch Verhaltens- oder Messkorrelate definieren.

Ich bestreite nicht, dass das Vorwissen Einfluss in diesem Sinne nimmt, bezweifle aber, dass es hinderlich sein muss, um den Relevanz-systemen und Deutungsmustern der Akteure gerecht werden zu können; wäre es wirklich so, dann wäre schon bei der ersten Para-phrase eines Akteursstatements die Grenze der Erkenntnis erreicht, da bereits diese nur das Resultat des Vorwissens des Forschers (also des durch dieses eingeengten Interpretationsrahmens) sein könnte. Das Vorwissen auszublenden ist nicht möglich; es muss viel-mehr offen gelegt werden, um einen bewussten Umgang damit sicherzustellen (den sowohl der Außenstehende als auch die wissen-schaftliche Gemeinschaft durch die Offenlegung und den Kontrast zur Argumentation, die z. B. in der Wahl der Fragestellung und der Analyse der Daten erkennbar wird, nachvollziehen und beurteilen kann, ob es sich „kritisch“, d. h. Erkenntnis einengend bzw. – verhindernd auswirkt). Dies äußert sich auch im sensiblen Umgang mit den Erträgen vorliegender Forschung: die Reflexion des For-schungstandes wird daher auch auf Kernpunkte reduziert (analog der Forderung von Schmidt, zwei bis drei Positionen zu referie-ren), um nicht eine Erweiterung des „kritischen“ Vorwissens zu bewirken, das eine Präformierung des Erkenntnisprozesses bewirken könnte. Hierdurch wird ein bewusster Umgang mit dem Vorwissen sichergestellt, aber auch die Chance eröffnet, sich von ihm frei-zumachen, um offen zu sein, Neues zu entdecken.

Es gilt also, das Vorwissen zu explizieren, was vor allen durch die Bestimmung der gewählten Begriffe erfolgt, die die Erhebung und insbesondere die Interpretation der Daten leiten. Bestimmend sind dabei die dargelegten Überlegungen im Kontext des systemischen Paradigmas und der diagnostizierten Offenheit Sozialer Arbeit. B,õ X). Sie dienen der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse

z. B. bilden Jugendliche eine Clique, um ihre Frei-zeit gemeinsam zu gestalten Jugendli-chen einen Raum zur Verfügung zu stellen, den Selbstorganisationsprozess der Clique beeinflusst individuelles Handeln:

A B (A handelt mit B/A handelt in Bezug auf B)

z. B. verständigt sich Individuum A mit Individuum B über die Nutzung der Garage des B als Treff-punkt der Clique, der A angehört

Handeln,

Handlung kollektives Handeln:

A B und C õ (A handelt mit B und C õ etc.

/A handelt in Bezug auf B und C õ etc.)

z. B. die Individuen A, B, C, die zusammen eine Clique bilden, klären, wo sie sich am Wochenende treffen und was sie dann gemeinsam unterneh-men werden, A macht einen Vorschlag, mit dem sich B und C auseinandersetzen

Prozesse

Prozesse stellen Bündel bzw. Abfolgen von Hand-lungen bzw. Reaktionen auf HandHand-lungen (Folge-handlungen) dar: B A (B reagiert auf die Handlung von A)

z. B. die Art und Weise, wie ein betroffener An-lieger auf Störungen (Lärm, Müll etc.) reagiert, die von dem benachbarten Jugendtreff ausgehen

Limitierung

z. B. in Bezug auf konkrete Individuen: in Form von responsiver Kommunikation, in der Regel als konkrete Antwort auf eine Frage eines Jugendli-chen an einen Jugendarbeiter

Fachkraft

Fachkräfte sind (vor allem, aber nicht ausschließ-lich berufausschließ-lich tätige) Akteure, die in Bezug auf konkrete Individuen oder auf ein gegebenes Sys-tem handeln

z. B. in Bezug auf ein gegebenes System: der Ju-gendpfleger, der als Mitarbeiter der

Soziales Handeln ist das Handeln (in der Regel beruflich tätiger) Fachkräfte. Anlass ist Limitierung.

Soziales Handeln interpretiert den Kontext (Rah-menbedingungen) und bezieht das Resultat dieser Interpretation in das Handeln ein

z. B. die Kontaktaufnahme eines Jugendpflegers zu den Mitgliedern des Rat seiner Gemeinde, um die Probleme einer Clique lösen zu helfen,

z. B. handeln Jugendliche einer Clique auf der Grundlage der Gespräche, die sie mit einem

Offenheit als Charakteristikum sozialen Handelns führt in der Jugendarbeit dazu, davon ausgehen zu können, dass keinen spezifi-schen Modus der Selbstorganisationsförderung als Form sozialen Handelns gibt. Auch Selbstorganisationsförderung wird also in die-sem Sinne offensein. Das hat zur Folge, dass in der Erhebungssituation (dem Interview) nach individuellen Formen der Selbstorgani-sationsförderung zu fragen ist. Dies geschieht durch die (Erzähl-) Aufforderung, typische Situationen zu schildern, bei denen es um die praktische Förderung von Selbstorganisationsprozessen Jugendlicher geht.

Von den Begriffen des Handelns sind die Begriffe zu unterscheiden, die abstrakt hierzu für den Forschungsprozess relevant sind:

Übersicht 4.2:

Begriffe des Forschungsprozesses

Begriff Definition

Experte

Experten sind Fachkräfte, die in einem besonderen Verhältnis zu dem sozialen Problem stehen, z. B. mit seiner Bearbeitung befasst oder in das Problem selbst involviert sind oder es aus einer Außenperspektive betrachten (können), und im Rahmen des Forschungsprozesses befragt wer-den können. Experten sind von anderen Individuen (z. B. Akteuren) abgegrenzt, die mit dem so-zialen Problem z. B. überhaupt nicht oder nicht in einer (beschreibbaren) bestimmten Art und Weise (z. B. beruflich) befasst sind.

Experten sind kommunikationskompetent; sie können das soziale Problem z. B. vor dem Hinter-grund einer bestimmten Kompetenz zur Analyse des Problems (z. B. berufliche Fachlichkeit) re-flektieren und z. B. ihre Beobachtungen bzw. Urteile mitteilen (kommunizieren). Sie sind hierbei anschlussfähig,d. h. sie können einen sozialen Sachverhalt aufgrund von externen Impulsen (z.

B. Fragestellungen bzw. Erzählanregungen) reflektieren und ihre aufgrund dieses Impulses er-folgten Reflexionen kommunizieren.

Fall Jeder Experte repräsentiert quantitativ und qualitativ einen Fall.

Statement Jede Aussage eines Experten stellt ein Statement(st) dar.

Sample Die Summe aller Fälle bildet das Sample(N1õ Nx).

Merkmale, Merkmalsträger

Kriterien zur Differenzierung der Fälle sind Merkmale. Durch Merkmalsträgerkönnen Experten als Produzenten von Statements aufgrund bestimmter Merkmale systematisch erschlossen wer-den (z. B. Geschlecht, Alter, Berufsausbildung).

Kodierung, Kategorie

Statements werden nach den Sichtungskriterien aus dem Material isoliert und unter Bezugnah-me auf das das StateBezugnah-ment besonders Kennzeichnende durch Zuweisung einer vorläufigen Be-zeichnung (Kodierung) versehen.

Kodierungen werden anschließend auf etwaige Gemeinsamkeiten (thematischer Vergleich) mit anderen kodierten Statements verglichen und in Bezug auf diese Gemeinsamkeiten anschlie-ßend unter eine gemeinsame Kennzeichnung zusammengefasst (Kategorie). Unterschiedliche Statements eines Experten (Fall), die sich als unter dieselbe Kategorie subsummierbar erweisen, werden quantitativ zu einem Statement zusammengefasst.

Achsen,

Achsenkategorien, Achsenaggregate, Dimensionen

Als Achsenwerden Kategorien gebündelt und mit einer Achsenkategorie bezeichnet, die in ei-nem gemeinsamen Zusammenhang zueinander stehen, z. B. in Statements beschriebene artähn-liche Handlungen. Als (Achsen-) Aggregatewerden solche Kategorien zusammengefasst, die innerhalbeiner Achse zueinander in einem besonderen sachlichen Bezug bestehen und insofern die Kategorien innerhalb einer Achse nochmals besonders strukturieren.Dimensionenstellen Bündel von zusammengehörigen Kategorien innerhalb eines (Achsen-) Aggregates dar.

Aus dieser Systematisierung ergibt sich: Kategorien können zu Dimensionen innerhalb eines Ag-gregates in einer Achse zusammengeführt werden. Ebenso ist es aber möglich, dass Kategorien für sich – ohne jede Dimensionalisierung bzw. Aggregierung – in einer Achse zusammengefasst werden.

Schlüsselkategorie

Mit der Schlüsselkategorie(im Ausnahmefallkönnen es auch zwei oder mehr sein) werden die Achsen in einen gemeinsamen Zusammenhang gebracht und mit ihr die Beziehung der Achsen zueinander ausgedrückt. Die Schlüsselkategorie bildet den Ausgangspunkt für die Charakterisie-rung eines sozialen Problems und der Theorie über dieses soziale Problem.

Ausbeute Die Ausbeute stellt den Umfang der isolierten Statements der Experten in Bezug auf ein Diffe-renzierungsmerkmal (z. B. Alter, Geschlecht) dar.

4 . 2 . 2 Qual i tät der Unter suc hung

Wie bereits gezeigt wurde (vgl. 2.1.4) kann die Qualität qualitativer Forschung vor allem auf drei Ebenen gewährleistet werden:

1. Transparenz: In Bezug auf die Transparenz der Untersuchung sind zunächst drei Aspekte zu beachten:

Nachvollziehbarkeit: Durch die Explikation des Vorwissens und die Darlegung des Forschungsprozesses wird gewährleistet, dass auch interessierte Laien, die Experten in der Sache sein können, den Verlauf der Untersuchung nachvollziehen können.

Der Maßstab für die Präsentation ist also auch der Fokus des interessierten Laien; die Präsentation der Studie folgt damit in erster Linie diesem Blickwinkel. Die Offenlegung des Forschungsprozesses erfolgt in erster Linie durch Verfahrensdokumentati-on, zum Beispiel der Erläuterung der Code- bzw. Kategorienentwicklung (vgl. 2.1.4.2).

Transparenz der Erhebungssituation: Es sollte geprüft werden, inwieweit die Untersuchung und deren Ziele es zulassen, die Un-tersuchungsabsichten gegenüber den Experten zu kommunizieren und so eine prozessbezogene Transparenz herzustellen (vgl. 2.1.4.2), was auch durch die Überlassung von Transkripten oder Aufzeichnungskopien (Tonbandmitschnitte, Videoauf-zeichnungen) erfolgen kann.

Präsentation der Resultate: Dem entspricht auch die Entscheidung, für die Präsentation den Stil der selbst-bekennenden Be-schreibung zu wählen, die die subjektiven Anteile des Forschers, seinen persönlichen Stil berücksichtigt und die eigenen An-nahmen und Vorurteile offen legt. Zugleich erfolgt die Präsentation textnah, das heißt durch die beispielhafte und ausführliche Zitation von Interviewpasssagen. Die Darstellung und Interpretation der zentralen Ergebnisse der Untersuchung erfolgt auch durch die Einbeziehung von Reaktionen von außen (externe Validierung, insb. Kommunikative Validierung; vgl. 2.1.4.2). Da sich die Notwendigkeit ergeben kann, qualitative Sachverhalte numerisch auszudrücken bzw. qualitative und quantitative Me-thoden zu verknüpfen; ist auch die Anwendung einervorsichtige NumerikBestandteil der Präsentation (vgl. 2.1.3.4).

2. Kodifizierte Verfahren: Dem Grundsatz der Regelgeleitetheit entsprechend werden folgende Kodifizierungen in Bezug auf das Forschungsdesign zu beachten sein:

Sampling: Die Auswahl der Experten erfolgt nach der Technik des Gatekeeping und der Schnellballmethode, wobei Akteure direkt angesprochen werden, die sich einerseits selbst als Experten zur Verfügung stellen (könnten) und deren Stellung es ihnen andererseits potenziell erlaubt, Zugänge zum Feld und zu weiteren Experten zu eröffnen. Die Kriterien für die Bestimmung ei-nes Akteurs als potenziellem Experten /Eingangsvoraussetzungen) müssen einheitlich ausgestaltet werden (vgl. 2.4.4).

Regeln der Integration und der Transkription: Aufgrund der Unwägbarkeiten der Datenerhebungssituation kann nicht ausge-schlossen werden, dass Material generiert wird, welches aufgrund bestimmter Merkmale nicht in die Analyse einbezogen wer-den kann. Ob Material berücksichtigt (integriert) wird, ist daher jeweils im Einzelfall zu überprüfen und zu entscheiwer-den. Die In-tegration in das Sample hat nach vorab definierten Regeln zu erfolgen. Dessen Transkription muss nach zuvor definierten ein-heitlichen Regeln erfolgen, wobei forschungsökonomische Erwägungen das Transkriptionssystem leiten können (vgl. 2.4.6).

Methode: Offenheit und Flexibilität in der Analyse von Daten ist ein zentrales Kennzeichnen qualitativer Forschung. Die Da-tenanalyse bzw. Theoriegenerierung erfolgt daher nach dem Modus der Grounded Theory (vgl. 2.2).

Computergestützte Datenanalyse: Die Qualität von Programmen zur Aufbereitung und Verwaltung qualitativer Daten hängt davon ab, inwieweit die Datenverwaltung und -präsentation zum eigenen Denkstil des Forschers passt. Mit der Mächtigkeit der vorgängigen Programme (z. B. Atlas-ti) mit ihrer Vielzahl von Funktionen und Leistungsmerkmalen verbirgt sich die Ge-fahr, dass sich zu viele Bearbeitungsgänge ergeben, die eine schrittweise Distanz vom Material fördern. Diese Nähe aber ist für eine fundierte Analyse unverzichtbar. Daher habe ich mich entschieden, im Rahmen der Untersuchung auch den Versuch zu unternehmen, diese Nähe durch ein mit der Untersuchung sich „lebend“ entwickelndes Programm herzustellen, das nur die unverzichtbare Leistungen der Datenverwaltung, Kodierung, numerischen Auswertung, Selektion und Synthese vorhält (vgl.

2.4.6.3).

3. Gütekriterien: Bei der Prüfung der Güte der Untersuchung (Qualität) sind – neben der Transparenz der Untersuchung und der Verwendung kodifizierter Verfahren – zwei Aspekte maßgeblich zu beachten:

Triangulation: Die Untersuchung ist nach Aspekten der Triangulation, insbesondere der Erhebung triangutierten Datenarten, auszugestalten, um die Aussagekraft der Daten zu erhöhen (vgl. 2.1.4.2).

Validität und Reliabilität: Bei der Interpretation des Materials ist der situative Kontext der Materialproduktion mit zu berücksich-tigen haben, durch den Forscher und Experten in der Erhebungssituation „ihre“ gemeinsame soziale Realität geschaffen ben. Die Frage, ob die Re-Konstruktion durch den Forscher das widerspiegelt, was die Experten im Interview konstruiert ha-ben, entscheidet daher über die Gültigkeit der Schlussfolgerungen im Zuge der Materialanalyse. Zur Überprüfung der Validi-tät (Gültigkeit der Untersuchungsergebnisse) sind daher geeignete Instrumente erforderlich, zur Überprüfung der ReliabiliValidi-tät (Zuverlässigkeit in Bezug auf die Materialanalyse) sind geeignete Testverfahren (vgl. 2.1.4.1).

4 . 2 . 3 S c hutz der Ex per ten

Auf die schon aus forschungsethischen Überlegungen gebotene Anonymisierung wurde bereits hingewiesen (vgl. 2.4.3). Die Zusage einer absolut vertraulichen Verwendung der in den Interviews gewonnenen Daten ist den Experten daher zuzusichern und durch geeignete Verfahren (z. B. Unter-Verschlußnahme der Transkripte) zu gewährleisten; Namen, Orte und Umstände, die einen Rück-schluss auf die Person des Experten erlauben könnten, werden anonymisiert, soweit Statements der Experten wörtlich wiedergege-ben werden.

4.3 Design

In Bezug auf das Design der Untersuchung sind Entscheidungen auf der Ebene des Erhebungs- und des Auswertungsdesigns sowie in Bezug auf die Qualität der Untersuchung zu treffen. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall zu begründende Modifikationen des Designs im Forschungsprozess erfolgen müssen.

4 . 3 . 1 Er hebungsd esi gn

Für das Erhebungsdesign sind Entscheidungen in Bezug auf 1. das Sampling und 2. das Erhebungsinstrument (leitfadengestütztes Experteninterview) erforderlich:

4.3.1.1 Sa mp ling

Als Experten bieten sich Personen an, die in besonderem Maße bereit sind, vertieft über ihre Einstellungen und Haltungen ins Ge-spräch zu kommen und ihre Aussagen zur Verwertung zur Verfügung zu stellen. Als Experte gilt, wer als Fachkraft der kommunalen Jugendarbeit (vgl. 3.3.1) mindestens drei Jahre im Handlungsfeld beruflich (einschließlich den Beruf vorbereitender Zeiten, z. B. Prak-tika, Anerkennungsjahr) tätig ist (Eingangsvoraussetzung). Es wird davon ausgegangen, dass dieser Erfahrungshintergrund erwarten lässt, dass der Experte in dieser Zeit in das Handlungsfeld eingewiesen werden konnte, sich dort zurechtfindet und über Erfahrungen verfügt, die im Rahmen des Interviews erhoben werden können.

Für die Auswahl der Experten soll nach der Methode des Theoretical Samplings verfahren werden, eine statistische Repräsentativität wird aus den für qualitative Forschung typischen Überlegungen nicht angestrebt. Rein quantitativ orientierte Verfahren beim Ziehen der Strichprobe lassen zudem eine hohe Zahl von Verweigerungen (unter den so repräsentativ erhobenen) Gesprächspartner

er-warten. Experten für die Interviews sollen daher nach der Technik des „Gatekeepers“ und des „Schneeballverfahrens” akquiriert werden: Mir (z. B. durch berufliche Kontakte oder den Besuch gemeinsamer Veranstaltungen) bekannte Akteure sollen sich selbst als Experten zur Verfügung stellen und/oder anschließend weitere Experten entsprechend ansprechen (bzw. mir den Kontakt zu ihnen vermitteln), um ihre Bereitschaft, sich für ein Interview zur Verfügung zu stellen, ermitteln zu können.

An das Sampling selbst, das heißt die Entscheidung, wer über die Erfüllung der formalen Eingangsvoraussetzung hinaus als Experte einbezogen werden könnte, werden drei Kriterien herangetragen; sie sollen zu bestimmen helfen, welche Merkmale ein breitest-mögliches Spektrum von Experten haben sollte, um vielfältige Erfahrungen aus differenten Kontexten referieren lassen zu können:

1. Samplingkriterium Kontextadäquanz:

zunächst Experten aus Salzgitter und Niedersachsen, da von vergleichbaren Kontextbedingungen ausgegangen werden kann 2. Samplingkriterium Kontextdifferenz:

Differenzmerkmale ergeben sich aufgrund der Einschätzung von Selbstorganisationsprozessen

durch Akteure, die in und außerhalb von Jugendhäusern tätig sind (außerhalb z. B. in Jugendpflegen oder der mobilen bzw.

aufsuchenden Jugendarbeit),

durch Akteure, die in einem ländlichen oder in einem städtischen Kontext tätig sind.

3. Samplingkriterium maximaler Kontrast:

Als Experten sollten Akteure ausgewählt werden, die sich als möglichst kontrastreich zu den Fachkräften aus der Ausgangsgrup-pe Salzgitter erweisen würden, also voraussichtlich über Erfahrungen verfügen würden, die aufgrund bestimmbarer Kontrast-merkmale sich möglicht von den Erfahrungen der in Salzgitter tätigen Akteure unterschieden würden:

Fachkräfte aus Baden-Württemberg, die aufgrund der räumlichen Distanz über andere Ausbildungserfahrungen an voraus-sichtlich anderen Ausbildungsorten (und in womöglich anderen Kontexten) berichten können,

ältere Fachkräfte110am Ende ihrer Berufstätigkeit, da diese über ausgedehntere, im Abschluss befindliche und bilanzierbare berufliche Erfahrungen und Ausbildungserfahrungen vor der Sozialpädagogisierung der Jugendarbeit erwarten lassen (Abgrenzungskrtierium: 50 Jahre und älter),

Fachkräfte in konkreten Projekten, die aufgrund des Projektcharakters und der diesen oft eigenen Modellsituation (bzw. Fragi-lität des Projekts) andere Erfahrungen einbringen können,

Fachkräfte aus anderen organisatorischen Kontexten (sog. „Jugendpfleger“, z. B. Kreisjugendpfleger), die aufgrund ihrer In-tegration in diese Funktionszusammenhänge (z. B. Kreisjugendamt, Verwaltung) andere berufliche Erfahrungen beisteuern können, und schließlich

Fachkräfte aus Thüringen, die aufgrund ihrer in der Regel noch in der DDR erfolgten beruflichen Sozialisation über andere in-stitutionelle, Tätigkeits- und insbesondere Ausbildungserfahrungen verfügen dürften.

Die Kriterien 2 und 3 dienen also der Herstellung von Differenz, während das Kriterium 1 auf Nähe zu den Fällen in Salzgitter ab-stellt, wobei davon ausgegangen wird, dass sich die Fälle in Salzgitter (die ja die Ausgangsproblematik repräsentieren) und Nieder-sachsen aufgrund voraussichtlich ähnlicher Kontextbedingungen und einer landesweit eher vergleichbar ausgestalteten Ausbildung der Fachkräfte ähneln werden, während zugleich angenommen wird, dass sich diese Fälle von denen in Baden-Württemberg und Thüringen aufgrund differenter Kontext- und Ausbildungsbedingungen unterscheiden werden.

4.3.1.2 Da tenerheb ung 4.3.1.2.1 Erhebungsinstrumente

Als Instrument zur Erhebung bieten sich insbesondere leitfadengestützte qualitative (Experten-) Interviews (vgl. 2.5.1) oder Gruppen-diskussionen (vgl. 2.5.2) an. Auf der Grundlage der oben angestellten Überlegungen zu den Verfahren des Interviews und der Gruppendiskussion ergibt sich die Präferenz für das Experteninterview (als Form der Datenerhebung im Einzelinterview) und einer Kombination von Elementen des Experteninterviews und der Gruppendiskussion (als Form der Erhebung in Gruppen) in Gestalt des Gemeinschaftsinterviews, weil diese Formen offen sind und damit spezifischer für die Beantwortung der Fragestellung geeignet er-scheinen: Bei Experteninterviews (Einzelinterviews) handelt es sich um ein Interview mit jeweils einem einzelnem Experten, während bei

110 Das Thema des Älterwerdens von Fachkräften in der Jugendarbeit spielt in der fachlichen (und in der wissenschaftlichen) Diskussion im Übri-gen eine außerordentlich randständigeRolle; in nur wenigen Veröffentlichungen wenden sich Autoren dem Thema überhaupt zu, dass die Fachkräfte immer länger in dem Handlungsfeld verweilen und eine rein altersbedingt wachsende Distanz zu den jungen Menschen die Folge ist; vgl. z. B. Hafeneger 1987, 1989a und 1989b, Brenner 1987b, Loersch 1989 und Filthuth 2001.

Gemeinschaftsinterviewsein Interview in einer homogenen Gruppe (das heißt die Experten arbeiten in einem gemeinsamen organi-satorischen Kontext, z. B. in einem Jugendhaus, in einem Team) durchgeführt wird. Experten- und Gemeinschaftsinterviews dienen der Präsentation von Beispielen und dem Referieren von Einstellungen vor allem zu den im Rahmen des Leitfadens vorgebrachten Erzählstimuli; Gemeinschaftsinterviews sollen dabei den Blickwinkel (Teamsicht, da Jugendarbeit oft Teamarbeit ist) erweitern, gege-benenfalls auch Diskussionen unter Kollegen über Erfahrungen im gleichen organisatorischen Kontext evozieren.

In Bezug auf die Vorbereitung des Interviews wird der Empfehlung vonMeuser und Nagelgefolgt, wonach die erste Anfrage, ein Interview zu vereinbaren, am besten schriftlich geschieht, wobei dem Experten mittels einer knappen und präzisen Information über das Forschungsprojekt Gelegenheit gegeben wird, sein Interesse an einem Interview zu sondieren. Den Experten wird also bekannt sein, dass es im Rahmen des Interviews um die Themenkreise „Selbstorganisation junger Menschen” und die eigenen Erfahrungen mit und Einstellungen zur Selbstorganisation gehen wird.

In einem diesem Vorabkontakt in einem Abstand von etwa drei bis vier Wochen nachfolgenden fernmündlichen Kontakt werden weitere Einzelheiten vor der Vereinbarung des Gesprächstermins geschildert (z. B. die Beschränkung der Mitarbeit auf das Interview selbst und eine mögliche, aber nicht zwingend vorgesehene, Korrektur des verschrifteten Interviews).

Ein Interesse an der Durchführung des Interviews vorausgesetzt sollen im Rahmen des Telefonats bereits alle erforderlichen Verein-barungen zu Zeitpunkt, Ort und den weiteren Rahmenbedingungen des Interviews (Interviewkontrakt) getroffen werden, wobei vor allem das Setting der Erhebung solide geklärt werden muss; vage Absprachen sind zu vermeiden, da so eher ungünstige Rahmen-bedingungen entstehen (z. B. eine zu enge Terminplanung des Experten, dem nicht bekannt ist, dass der Gesprächstermin insgesamt voraussichtlich rund 120 Minuten dauern wird). Geklärt werden ferner die Bandaufzeichnung, das Verfahren der anschließenden Verschriftung (vor allem Zeitablauf und Zuleitung eines verschrifteten Exemplars des Interviews zur orthographischen Überprüfung) und vor allem die anonyme Verwertung des Materials im Rahmen der zu veröffentlichenden Untersuchung. Die Experten wählen

Ein Interesse an der Durchführung des Interviews vorausgesetzt sollen im Rahmen des Telefonats bereits alle erforderlichen Verein-barungen zu Zeitpunkt, Ort und den weiteren Rahmenbedingungen des Interviews (Interviewkontrakt) getroffen werden, wobei vor allem das Setting der Erhebung solide geklärt werden muss; vage Absprachen sind zu vermeiden, da so eher ungünstige Rahmen-bedingungen entstehen (z. B. eine zu enge Terminplanung des Experten, dem nicht bekannt ist, dass der Gesprächstermin insgesamt voraussichtlich rund 120 Minuten dauern wird). Geklärt werden ferner die Bandaufzeichnung, das Verfahren der anschließenden Verschriftung (vor allem Zeitablauf und Zuleitung eines verschrifteten Exemplars des Interviews zur orthographischen Überprüfung) und vor allem die anonyme Verwertung des Materials im Rahmen der zu veröffentlichenden Untersuchung. Die Experten wählen