• Keine Ergebnisse gefunden

Der Anspruch an die vorliegende Untersuchung ist es, vor dem Hintergrund eines Praxisproblems Lösungsoptionen zu diskutieren, die sich in den Untersuchungsergebnissen begründen lassen. Insoweit handelt es sich um Praxisforschung.

Praxisforschungfungiert als Sammelbegriff, unter dem auch andere Bezeichnungen, wie zum Beispiel Handlungs-, Tat- und Aktions-forschung105, subsumiert werden können (vgl. Moser 1978). Müllerversteht darunter „empirische Untersuchungen der Voraussetzun-gen, der Praxis und der Folgen beruflichen Handelns in der sozialen Arbeit“ (Müller/C. W. 1988, S. 17),Heinerdie Untersuchung der Praxis beruflichen Handelns in der sozialen Arbeit, die in enger Kooperation mit den Fachkräften erfolgt (vgl. Heiner 1988, S. 7, Filsinger 1988, S. 44), wobei der Grad deren Beteiligung von Akteuren je nach Untersuchungskonzept variiert. Charakteristisches Merkmal ist also die Anwendungsorientierung; Praxisforschung„will zur Veränderung der Praxis sozialer Arbeit beitragen. Sie ist um-setzungsorientiert und kooperiert im Interesse einer Unterstützung und Absicherung dieser Umsetzung mehr oder minder extensiv mit der Praxis“ (Heiner 1988, S. 7; vgl. ferner Munsch 2002, S. 911f, Moser 1995, S. 94), Hansbauer/Schone 1998, Heiner 1988106. Über die Anwendungsorientierung gehen Altrichter und anderehinaus, für die es sich dann um Aktions- bzw. Handlungsforschung handelt, „wenn Menschen ihre eigene Praxisuntersuchen und weiterentwickeln, indem sie ihr Handeln und Reflektieren immer wieder aufeinander beziehen“ (Altrichter u. a. 1997, S. 640; Hervorh. PUW). Charakteristisch sind unter anderem die Integration in eine professionelle Gemeinschaft und die Publikation des Praktikerwissens, zum Beispiel, indem Praktiker in die Lage versetzt werden, die

105 Um partizipative Aktionsforschung („participative action research“) handelt es sich, „wenn Wissenschaft und Praxis gemeinsam versuchen, ein Projekt zu entwickeln und durchzuführen” (vgl. Moser 1998, S. 20 und 22).

106 Die begriffliche Unschärfe wird in einer Bemerkung Heinersüberdeutlich, die ein „eigenständige(s) Profil der Praxisforschung“ reklamiert in Ab-grenzung einerseits zur Grundlagenforschung, soweit kann ich ihr folgen, und andererseits zur Handlungs- und Aktionsforschung, sofern sich diese auf qualitative Verfahren festgelegt habe, denn „ohne hoch standardisierte, quantitative Verfahren wird es beispielsweise bei bestimm-ten Problemen und Fragestellungen nicht möglich sein, der Praxis die notwendigen Informationen zu liefern, derer sie bedarf, um fundierte Entscheidungen zu treffen“ (Heiner 1988, S. 9f). Insofern konstituiert sie eine Art „geschlossener“ (rein qualitativ geprägter) und eine Art „offe-ner“ (weil für quantitative und qualitative Ansätze offene) Praxisforschung. Tatsächlich aber muss Praxisforschung m. E. methodenoffensein: sie kann sowohl rein qualitativ arbeiten als auch eine Kombination von quantitativen wie qualitativen Ansätzen enthalten, wenn es der For-schungsgegenstand erfordert.

bei der Erforschung der eigenen schulischen Praxis gewonnenen Erfahrungen als Fallstudien zu formulieren. Praxisforschung in die-sem Sinne hat den Anspruch, Praktikern Methoden und Kontexte anzubieten, damit diese bei wichtigen Fragen des Berufes systema-tischer, reflexiver und auf einer besseren Informationsbasis agieren können (vgl. ebenda, S. 646ff).

Praxisforschung ist aus der Kritik der herkömmlichen Sozialforschung hervorgegangen. Zu den Kritikpunkten zählte, wie es Soukop ausdrückt, dass die Erforschten „lediglich Objekt, Träger von Meinungen, Einstellungen und Verhaltensweisen“ seien, die „Ursachen und Veränderungsprozesse des sozialen Systems“ vage blieben, sie ihre Objekte vereinzele, „statt sie zu solidarisieren“ und Lernpro-zesse der Erforschten „Störvariablen und keineswegs Forschungsziel“ seien (vgl. Soukop 1996, S. 269). Da dagegen gestellte Ver-ständnis begründet sich im Wesentlichen auf Kurt Lewin107, für den Aktionsforschung vergleichende Erforschung sozialen Handelns und zu sozialem Handeln führende Forschung war (vgl. Lewin 1947/1988). Lewinzielte darauf ab, Sozialwissenschaft direkt für die soziale Praxis nutzbar zu machen. Sozialwissenschaftler sollten befähigt werden, mit Praktikern produktive Arbeitszusammenhänge zu bilden, die eine zirkuläre Form der Forschung - als Kreis von Planung, Handlung und Tatsachenfindung(vgl. Lewin 1946/1953;

vgl. ferner: Lück 1996, S. 129f) – organisieren und realisieren sollten, ein Ansatz, der in der Sozialarbeit und in therapeutischen Be-rufen eine gewissen Tradition herausgebildet hat. Ziele waren dabei vor allem das direkte Ansetzen an konkreten sozialen Proble-men, die Praxis verändernde Umsetzung der Ergebnisse im Forschungsprozess und der gleichberechtigte Diskurs zwischen Forscher und Akteur (vgl. Soukop 1996, S. 269, Altrichter u. a. 1997, S. 656, Mayring 1999, S. 36, Kleiber 1999, S. 1304ff). Jedenfalls wollte als Praxisforschung verstandene Sozialforschung der Veränderung von Praxis (im Einzelfall) dienen oder dazu beitragen, die Ver-hältnisse, unter denen sich Praxis vollzieht (und unter denen sie begrenzt oder funktionalisiert wird), zu verändern (gesellschaftlicher Aspekt).

Die Praxis ihrerseits erwartet von sozialwissenschaftlicher Forschung Unterstützung im Alltag, zum Beispiel durch die Bereitstellung von Wissen, Reflexions- und Planungshilfen, die auf Daten gestützte Legitimation der Arbeit, von Innovationsvorhaben oder fachli-chen Optionen. Forschungsergebnisse sollen für den Handlungskontext der Praxis umsetzbar sein. Praxisforschung erhält damit gleichsam die Funktion eines „Katalysators, der verfestigte Strukturen, eingefrorene Kompromisse der Beteiligten erneut aufbricht und aus reflektierender Distanz und problembezogenem Engagement gleichermaßen Auseinandersetzungen provoziert“ (von Kar-dorff 1988, S. 98), und kann in überschaubaren sozialen Institutionen Reformtendenzen auslösen und vorantreiben (vgl. Soukop 1996, S. 270, Filsinger/Hinte 1988, S. 41, Mayring 1999, S. 38, Moser 1995, S. 212).

Dabei nutzt Praxisforschung die vorhandene breite Methodenvielfalt, wobei die aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätzen entlehnten Methoden nur begründet und bezogen auf den jeweiligen Kontext zur Anwendung gelangen können. Dazu zählen sozi-alstatistische und andere quantifizierende Verfahren der Datenerhebung. Da sich soziale Arbeit vor allem durch und in Interaktio-nen vollzieht, bieten sich Methoden und Verfahren der qualitativen Forschung an (z. B. [teilnehmende] Beobachtung, Interviews oder Gruppendiskussionsverfahren), um solche Prozesse und die sie prägenden Kontext-Bedingungen erforschen zu können, wobei die Kombination verschiedener Verfahren nahe liegt (vgl. Filsinger/Hinte 1988, S. 55f).

Moserweist darauf hin, dass qualitative Methoden in der Praxisforschung dominieren (vgl. Moser 1995, S. 126ff, S. 94 und S. 97ff).

Er vertritt die Auffassung, dass „qualitative Methoden eher geeignet (scheinen), den Ansprüchen einer praxisnahen Forschung zu genügen, welche daran interessiert ist, mit ihrer Arbeit an das Praxissystem anzuschließen“, und führt hierzu zum Beispiel an, dass das von qualitativer Forschung bevorzugte rekonstruktive Konzept der Verallgemeinerung sich stärker auf den spezifischen Situati-onskontext beziehe und es qualitative Untersuchungen ermöglichen, „die Innenperspektive(emic view) der Untersuchten deutlich zu machen“. Qualitative Forschung stehe damit der Praxis wesentlich näher, ihre Methoden seien flexibler und kontextbezogener an-zuwenden und es könne mithin von einem „Rückbezug wissenschaftlicher Methoden auf das Alltagshandeln“ gesprochen werden (vgl. Moser 1995, S. 97f und S. 126; ähnlich argumentiert Heiner 1988, S. 7ff). Am häufigsten, so Munsch, kommen dabei Interviews, schriftliche Befragungen und Gruppendiskussionen zum Einsatz (vgl. Munsch 2002, S. 913), nach Altrichter und anderensind es nar-rative Interviews, Beobachtungen sowie Tonbandaufnahmen und Inhalts- oder Prozessanalysen von Unterrichtssequenzen bzw. Ta-gebücher108(vgl. Altrichter u. a. 1997, S. 653f). Zweifellos dürfte von KardorffRecht haben, dass sich Praxisforschung methodisch e-her eklektisch verhält und sich, je nach Fragestellung, qualitativer und quantitativer Verfahren bedient. Hierbei ist sie zu Gunsten ei-ner möglichst großen Gegenstandsnähe „in den meisten Fällen darauf angewiesen, die vorhandenen Instrumente auch auf Kosten der Strenge für die eigenen Zwecke zu modifizieren“ (von Kardorff 1988, S. 83); eine methodische Nähe zur Grounded Theory liegt nahe (vgl. Altrichter u. a. 1997, S. 648, ähnlich Moser 1998, S. 20f).

107 Vgl. insb. Lewin 1946/1953; Petzold(1980) und Gunz(Gunz, J.: Handlungsforschung. Vom Wandel der distanzierten zur engagierten Sozial-forschung, Wien 1986) haben dagegen darauf hingewiesen, dass nicht Lewin, sondern Morenoals Begründer der Aktionsforschung anzuse-hen sei (vgl. Altrichter u. a. 1997, S. 654).

108 Vgl. Altrichter, H., und Posch, P.: Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung, Bad Heilbrunn 1994, S. 18ff.

Hierbei muss Praxisforschung vergegenwärtigen, dass die Umsetzung wissenschaftlich gewonnener Erkenntnis durch die Praxis nicht direkt, sondern durch „Verwandlung“ in die ihr eigenen Sprachregelungen und Routinen erfolgt, und dabei

„der Eigenart der sozialarbeiterischen Praxis Rechnung tragen: In der Alltagspraxis kommt es nicht einfach zu einer Anwendung oder Verwendung eines aus Theorien und einem disziplinspezifischen Wissenskorpus ‚abgeleiteten‘ wissenschaftlichen Wissens;

vielmehr wird dieses Wissen ‚verwandelt‘, in die Strukturen alltäglicher Versorgungsroutinen eingebaut und mit anderen Wissens-beständen (systematisierter Alltagserfahrung, Daumenregeln usw.) im Sinne einer meist nicht explizierten und wissenschaftlich noch kaum rekonstruierten ‚Kunstlehre‘ sozialarbeiterischer Hilfe- und Interventionsformen verknüpft. Praxisforschung muß diesen Cha-rakter der Sozialarbeit als fortlaufenden ‚Herstellungsprozess‘ berücksichtigen“ (von Kardorff 1988, S. 76f).

Ähnlich argumentiert auch Moser, für den professionelles Wissen „nicht einfach ein ‚zweitklassiges Wissen‘ (ist), sondern ein Wissen, das den spezifischen Bedürfnissen des Praxissystems entspricht. Dementsprechend muß es auch von Seiten der Praxisforschung inte-ressieren, wie sie daran anschließen kann“ (Moser 1995, S. 198), zumal Praxisforschung ein Handlungs- und Kompetenzmodell reali-sieren soll, das sich in Rahmen der Aushandlungsprozesse zwischen den Beteiligten zu einem durch wissenschaftliche Methoden be-gleiteten kommunikativen Prozess entwickelt. Schließlich liegt die Verknüpfung von Forschung und Beratung liegt auch angesichts der Erwartung der Praktiker nahe, nicht nur Realität zu beleuchten und Fragen aufzuwerfen, sondern einen Beitrag zur Lösung von Problemen zu leisten“, zum Beispiel im Rahmen der Entwicklung und Erprobung von Konzepten oder bei Beratungsprojekten (vgl. Fil-singer 1988, S. 45 und S. 53ff). Jedenfalls formuliert Praxis Fragestellungen aus ihrer eigenen Praxis (vgl. Altrichter u. a. 1997, S. 640 und 646f). Praxisforschung setzt in diesem Sinne dialogische Lernprozesse zwischen Forschern und Praktikern voraus, eine Forde-rung, die Müllerfindet zwar berechtigt findet, deren Umsetzung in Deutschland freilich noch „unterentwickelt“ sei (vgl. Müller/C. W.

1988, S. 29).Heinernennt hierzu drei Modelle von Praxisforschung, die sich im Blick auf die Beteiligung der Akteure ausdifferenzie-ren:

1. Kooperation von Forschung und Hierarchiespitze der Praxis, wobei die Fragestellungen der Forschungsprojekte insbesondere auf Wirkungskontrolle zielen. Hierbei bleibt die Anwendungsorientierung rein theoretisch, denn die Rückbindung der For-schungserträge in die Praxis ist nicht Gegenstand der Übereinkunft.

2. Kooperation von Forschung und ausgewählten Praxisvertretern (zum Beispiel im Rahmen der Begleitung von Modellprojekten), wobei diese eher „dienende” Funktion haben (zum Beispiel in Form von Mitarbeit bei der Entwicklung von Auswertungsbögen).

3. Kooperation von Forschung Praxis, wobei die Praktiker „mindestens ebenso aktiv an der Forschung beteiligt (sind) wie der oder die Wissenschaftler. Eine der Aufgaben des Wissenschaftlers ist die Beratung des forschenden Praktikers. Geforscht wird pri-mär für den Eigenbedarf und nicht im Auftrag der Institution bzw. der Leitungskräfte einer Institution“. Gegenstände sind neben innovativen Ansätzen auch Routineabläufe des beruflichen Alltags und deren Konsequenzen (Heiner 1988, S. 7ff, zit ebenda).

Heinerhält diese Modelle jeweils für unverzichtbar und im Idealfall miteinander zu kombinieren, um eine „möglichst facettenreiche, tiefgreifende Analyse“ sicherzustellen (vgl. Heiner 1988, S. 14; ähnlich argumentiert Soukopin Bezug auf Handlungsforschung: vgl.

Soukop 1996, S. 270).

Seit Anfang der 80er Jahre ist der Ansatz der Praxisforschung weitgehend aus der Diskussion verschwunden; Munschbilanziert:

„Nicht nur die Beziehungen zu den Betroffenen, auch die gesellschaftspolitischen Veränderungsmöglichkeiten von Aktionsfor-schung wurden aus heutiger Sicht zu idealistisch gesehen. Methodologisch wird kritisiert, dass die Aufhebung der Rollenteilung zwi-schen Wissenschaftlerlnnen und Praktikerlnnen, das Engagement der Wissenschaftlerlnnen in der Praxis und ihr Anspruch, diese zu verbessern, die Objektivität und Gültigkeit der wissenschaftlichen Ergebnisse infrage stellt“ (Munsch 2002, S. 918; vgl. auch Schone 1995, S. 39).

Noch deutlicher wird Jakob, die dies darauf zurückführt, dass sich diese Ansätze aus einer forschungsmethodischen Perspektive als problematisch erwiesen hätten. Die Vermischung von Forschung und pädagogischem Handeln war mit folgenreichen Eingriffen in das Untersuchungsfeld verbunden, ohne daß diese Eingriffe in ihren Auswirkungen auf den Prozess der Erkenntnisgewinnung reflek-tiert wurden“ (Jakob 1997b, S. 150). Stattdessen kennzeichnet jetzt den „mainstream der Methodologiediskussion“ eine „‚ordentliche‘

Sozialforschung“, die beobachtende Distanz wahrt (vgl. Lüders 1997a, S. 803f), und „ist auf den wissenschaftlichen Diskurs und des-sen Wahrheitsansprüche bezogen. Theorieentwicklung und -überprüfung gehören zu ihren wedes-sentlichen Aufgaben“. Dabei bemüht sie sich „im Sinne einer Beobachtung zweiter Ordnung um erfahrungsverankerte Theorie“ (Moser 1995, S. 94).

In der Diskussion ist also eine Verschiebung der Schwerpunkte unübersehbar. Die Rede ist von einer Sozialpädagogischen Forschung (bzw. Sozialpädagogischer Sozialforschung, vgl. Böhnisch 1990a), in der sich unterschiedliche Forschungsstrategien ergänzen und praxisorientierte, rekonstruktive und quantitative Forschungsperspektiven je spezifische Zugänge zu sozialpädagogischen Hand-lungsfeldern eröffnen sollen (vgl. Munsch 2002, S. 920). Schefold bestimmt Sozialpädagogische Forschung - ein insgesamt „eher schwach entwickeltes Forschungsfeld“ (Schefold 2002, S. 880) – als wissenschaftliche, „d. h. methodisch kontrollierte, auf allgemein gültige Einsichten angelegte Erzeugung desjenigen Wissens über die soziale Wirklichkeit“. Dieses Verständnis von sozialpädagogi-scher Forschung

„orientiert sich an den konstitutiven Merkmalen sozialpädagogischer ‚Praxis‘, ist jedoch keineswegs mit dem gängigen Etikett ‚Pra-xisforschung‘ gleichzusetzen. Forschung in diesem Sinne sollte das Wissen der ‚Praxis‘ gerade immer wieder irritieren und trans-zendieren, ohne jedoch die Orientierung an den Möglichkeiten - und Unmöglichkeiten - ‚guter‘ Praxis aufzugeben“ (ebenda, S.

875f).

Ihre Eckpunkte sind zweipolig und nehmen neben den Akteuren auch die Betroffenen („Adressaten“) in den Fokus: Sie hat damit Prozesse und Strukturen zum Thema, die als Interaktionen der Akteure der Praxis mit den Adressaten zu verstehen sind, zum Beispiel in Form der wissenschaftlichen Begleitung von Modellvorhaben, sei doch Praxis im Suchen und Finden von Erfolg versprechenden Wegen zur Bearbeitung von komplexen Problemen auf Forschung angewiesen. Es gehe darum, „das faktische ‚Wissensmanage-ment‘ dieser Akteure“ zu thematisieren“ (vgl. Schefold 2002, 877f)109.

Schefoldspricht zwar davon, es gehe der sozialpädagogischen Forschung um Formen der methodisch angelegten Selbstbeobach-tung von Akteuren, zum Beispiel im Rahmen von Evaluation und Qualitätsmanagement, PraxisberaSelbstbeobach-tung (Supervision oder Organisa-tionsberatung) und sekundäranalytische Selbstbeobachtung (vgl. Schefold 2002, S. 884f). Damit wird deutlich, dass die der Praxis selbst vorbehaltenen Formen lediglich auf Felder außerhalb von Forschung und in den vor- und außerwissenschaftlichen Bereich verwiesen werden und der wissenschaftlich qualifizierte Praktiker als Forscher in eigener Sache im Rahmen dieses neueren Konzep-tes keinen Platz finden kann. Mehr noch: Der Ansatz einer rekonstruktiven sozialpädagogischen Forschung (vgl. Jakob/Wensierski 1997, Jakob 1997b) setzt sich selbst mit Vorgehensweisen in Bezug, wie sie im Alltag der sozialen Arbeit üblich sind, „transformiert diese in einer methodisch kontrollierten Art und Weise und erzeugt damit über die Gestaltung von Kommunikationssituationen, die Dokumentation und Analyse von Daten der Praxis gegenüber anderes, z. B. weit komplexeres Wissen, ohne die Praxis aus den Au-gen zu verlieren“ (vgl. Schefold 2002, S. 889). Damit allerdings wird de facto das Verständnis von einem der Praxis überleAu-genen, wissenschaftlichen Wissen reaktiviert. Insgesamt wird damit deutlich, dass auch der Ansatz der Sozialpädagogischen Forschung wei-ter Forschung über Akteurebleibt, auch wenn sie sensibler geworden ist für die Praxis und deren Probleme, die sie reflektiert.

Ein hierüber hinausgehender eigenständiger Ansatz des forschenden Akteursfindet sich in den, in der Literatur auffindbaren Positio-nen mehrheitlich nicht. Allgemein ist kennzeichPositio-nend, dass das vor allem referierte Verständnis von (unter unterschiedlichen Bezeich-nungen firmierender) Praxisforschung stets Forschung des Wissenschaftssystems meint, nicht aber einen emanzipierten Selbstfor-schungansatz des wissenschaftlich ausgebildeten Praktikers. Zwar wird Praxisforschung theoretisch beschrieben als

„problembezogen, kontextspezifisch, ortsbezogen, vorrangig auf lokale Interessenlagen und sozial akzeptierte sowie politisch durch-setzbare Pragmatiken gerichtet“ (von Kardorff 1988, S. 79), als kommunikativer Prozess zwischen Forschung und Praxis (vgl. Filsinger 1988, S. 45), und Praktiker sollen direkt beteiligt werden, zum Beispiel, indem sie Fallstudien liefern (vgl. Altrichter u. a. 1997, S.

646ff), aber es bleibt bei der Dominanz des Wissenschafts- gegenüber dem (beforschten) Praxissystem. Sonst droht gar ein Abgleiten in die Außerwissenschaftlichkeit, wie es Moserin seiner Kritik an Ansätzen der sog. „neuen Aktionsforschung“ zum Ausdruck bringt, die in den 80er Jahren vor allem in England entwickelt, anschließend insbesondere in Österreich (vgl. Altrichter 1990, Altrichter/Posch 1994, Altrichter/Gstettner 1993; beispielhaft Morocutti 1989) rezepiert wurde und eine starke Tendenz kennzeichnet, Praktiker als Forscher in eigener Sache anzusehen. Moser wirft diesem Ansatz schlicht Vor- und Parawissenschaftlichkeit vor: „Oft geht es vielmehr um eine Art von Praxisreflexion, welche dazu dienen soll, Handeln zu reflektieren und daraus Schlüsse für das Verhalten oder über die Struktur des eigenen Systemkontexts zu ziehen“. Er plädiert dafür, „die Grenzen zwischen Wissenschaft und Praxisreflexion nicht zu verwischen. Meines Erachtens stellt es keine Aufwertung von reflektierenden Bemühungen der Praxis dar, wenn sie sich den Mantel der Wissenschaft umlegt“ (vgl. Moser 1995, S. 210ff, insb. S.

213, und S. 225, zit. ebenda).

Die kritischen Einwände, die insbesondere auf die Involvierung der Praktiker und ihrer spezifischen Interessen aus ihrer eigenen Pra-xis heraus hinein in die Forschung zielen (weshalb es ihnen an der in der für Forschung eigenen Distanz fehle und die Validität ihrer Forschungserträge problematisch sei), entkräften Altrichter und andere mit dem Hinweis, dass diese Gefahr auch für andere For-schungsrichtungen gelte (z. B. das going native in der Ethnologie): Das Problem sei nicht „durch physische Distanzierung“ lösbar, son-dern es gehe darum, eine „Balance und Ausgleichsaufgabe zwischen Distanz und Involvierung und wiederum distanzierter Reflexion

109 Dabei sind „sozialpädagogische Bereichs- und Verbundforschung“, „sozialpädagogische AdressatInnenforschung“ „lokale und regionale For-schung“, „QualifikationsforFor-schung“, „Surveys“ und „Forschung als Selbstbeobachtung“ als Forschungstypen zu unterscheiden (Schefold 2002, S.

880f).

Schefoldspricht von vielen, in der Regel kleinen Projekten; die hierauf bezogenen Forschungsvorhaben haben „meist pragmatische Zielset-zungen” und sind mit aktuellen Problemgruppen, Modell- oder Evaluationsprojekten oder administrativem Handlungsbedarf (z. B. Jugendhil-feplanung) verbunden. Es dominiere eine lokale Einbindung und aufgrund der damit verbundenen Differenzen eine große Unübersichtlichkeit.

Dabei erlangen solche Arbeiten eine auch zahlenmäßig wachsende Bedeutung „mit denen die AutorInnen akademische Qualifikationen, vor allem Promotionen verbinden“; häufig seien sie mit Vorhaben der Drittmittelforschung verbunden oder Folge von Begleitforschungen: „Die AutorInnen arbeiten hier einerseits persönliche Erfahrungen in Praxisfeldern auf. Sie sind andererseits in wissenschaftliche Sinnzusammenhänge eingebunden, die Distanz zu den Fachdebatten der politischen Institutionen, der Träger und Fachöffentlichkeiten garantieren. Dies wirkt sich freilich nicht immer erkenntnisfördernd aus“ (vgl. ebenda, S. 883f, zit. ebenda).

dieser Involvierungzu konzeptualisieren“ (vgl. Altrichter u. a. 1997, S. 651). Das Konzept der Praxisforschung bietet Praktikern einen Orientierungs- und Rechtfertigungsrahmen, wenn sie „ihre Praxis in sozial verantwortlicher Weise weiterentwickeln wollen“ (Altrichter u. a. 1997, S. 656). Der wissenschaftlich qualifizierte Praktiker als Forscherstellt eine Option dar, „die traditionelle Arbeitsteilung zwi-schen Wissenschaftlern und Praktikern zumindest ansatzweise aufzubrechen“. Praxis verfügt bereits über mannigfaltiges Erfahrungs-und Handlungswissen, „- in jedem Fall über mehr als die Forscher -‚ das ihnen jedoch nur teilweise bewußt ist Erfahrungs-und das nur sehr selek-tiv und oft wenig transparent in ihr praktisches Handeln eingeht und zudem für die jeweils anderen nur begrenzt zugänglich ist“ (Fil-singer/Hinte 1988, S. 58; ähnlich argumentiert auch Heiner: vgl. Heiner 1988, S. 11); wenn zum Beispiel Friebertshäuserin anderem Zusammenhang darauf verweist, dass die Entwicklung eines Interviewleitfadens durch eine gewisse Feldkompetenz erleichtert werde (vgl. Friebertshäuser 1997, S. 376; ferner Flick 1995b, S. 152; auch Strauss/Corbin 1998, S. 21), dann kann dies auch als Hinweis in einem solche Sinne verstanden werden. Staub-Bernasconi begreift Soziale Arbeit ohnehin stets auch als Prozess im Sinne eines Hypothesen überprüfenden Praktikers und Forschers in eigener Sache (vgl. Staub-Bernasconi 1998, S. 57f). Auch weist Jakobdarauf hin, dass qualitativer Forschung und pädagogischem Handeln eine erkenntnislogische Haltung des Fremdverstehens gemeinsam ist,

„die auf die Interpretation von fremden Sinnperspektiven gerichtet ist und entsprechende hermeneutische Kompetenzen erfordert“

(Jakob 1997b, S. 126, ferner dort S. 152), und verweist darauf, dass die Relevanz gründlicher Fallanalysen und Diagnosen als Vor-aussetzung professionellen Handelns in verschiedenen Studien herausgearbeitet wurde (vgl. Allert u. a. 1994 und Nölke 1994).

Schließlich hat sich auch die von Bonß und Hartmannvertretene Auffassung durchgesetzt, dass sich die Annahme nicht mehr halten lasse, Wissenschaft sei ein überlegenes, objektives Wissen repräsentierendes System und der wissenschaftliche Experte nicht mehr die „unangreifbare Instanz, die einen ‚ausdifferenzierten Erkenntnisgewinn‘ sachlich zur Verfügung stellt und nach objektiv eindeuti-gen Kriterien urteilt“ (vgl. Bonß/Hartmann 1985, S. 9ff).

Dies spricht insgesamt dafür, von der Berechtigung eines eigenständigen Ansatzes auszugehen, dass der Praktiker Forscher in eige-ner Sache sein kann. Filsinger und Hintehalten es zum Beispiel für erforderlich, vermehrt Praktiker zu befähigen, in ihrem Berufsfeld forschend tätig zu sein. Ein solches „neues Praktikerprofil“ beruhe auf forscherischen Kompetenzen, mit deren Hilfe auch evaluatives und forscherisch-analytisches Handeln möglich werde. Solche forschenden Praktiker würden eine intermediäre Position zwischen For-schung und Praxisein einnehmen (vgl. Filsinger/Hinte 1988, S. 66f). Diese intermediäre Position qualifiziert einen neuen Ansatz: es ist der wissenschaftlich qualifizierte Praktiker, der Praxisforschung betreibt. Krefthat sie als „in der Praxis, in der Entscheidungsebene sit-zend, fachlich kompetent, Provokationen gesellschaftlicher Zuständigkeit bereits annehmend, umsetzungsorientiert und –fähig, sozi-alwissenschaftlich ausgebildet“ beschrieben und als „Seismographen für neue Anforderungen als der Wissenschafts- und For-schungsbereich“ bezeichnet (vgl. Kreft 1987, S. 29). Auch wenn dies als ausgesprochen optimistisch anzusehen sein dürfte, dann wird doch deutlich, warum Altrichter und andereim Kontext der Diskussionzur neuen Aktionsforschung diese als „eine umfassende Stra-tegie“ beschreiben, um „forschendes Lernen und Entwickeln für die eigene Praxis anzuregen“ (Altrichter u. a. 1997, S. 642).

Unabhängig davon, ob diese Position werden kann, bleibt das Verhältnis zwischen (Praxis-) Forschung und Praxis auch sonst nicht unproblematisch. Der Anspruch auf Praxisorientierung erfordert eine Anschlussleistung der wissenschaftlichen Forschung an die Pra-xis, die freilich nicht immer gelingt, da sich Forschung selbst nicht immer als anschlussfähig erweist. Zwar erhebt Praxisforschung den

Unabhängig davon, ob diese Position werden kann, bleibt das Verhältnis zwischen (Praxis-) Forschung und Praxis auch sonst nicht unproblematisch. Der Anspruch auf Praxisorientierung erfordert eine Anschlussleistung der wissenschaftlichen Forschung an die Pra-xis, die freilich nicht immer gelingt, da sich Forschung selbst nicht immer als anschlussfähig erweist. Zwar erhebt Praxisforschung den