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Kapitel 7: Fazit

1.2 Grundlagen

1.2.1 Anlage der Arbeit

Durch drei unterschiedliche empirische Studien nähert sich diese Arbeit dem Phänomen des metasprachlichen Wissens und untersucht es hinsichtlich seiner Bedingungen und Im­

plikationen. Dabei liegt der Fokus auf einem regionalen und generationellen Vergleich sub­

jektiver Dialektraumwahrnehmungen, Einstellungen und Identitäten. Kernstück der vorlie­

genden Dissertation bildet Kapitel 3, das unter dem Titel „Metasprachliches Wissen, räum­

liche Identitäten und Dialektgebrauch“ die Ergebnisse von drei unterschiedlichen Feldfor­

schungen beinhaltet: Angefangen mit den erhebungsbegleitenden Befragungen der Ge­

währspersonen während der sprachwissenschaftlichen Erhebung für den Sprachatlas Nord-Baden-Württemberg (2010–2012), über Sprachethnografien in drei ausgewählten Ortschaf­

ten des Erhebungsgebietes (2010–2011) bis hin zu einer Schülerumfrage zu Sprachverhal­

ten, Spracheinstellungen, sozialer Eingebundenheit und zu subjektiven Wahrnehmungen von Dialekt und Dialektgrenzen (2011).

Die hier gewonnenen Ergebnisse werden durch verschiedene Theorieansätze – vor allem aus dem zwischen Wahrnehmungsdialektologie und Sprachanthropologie oszillierenden Feld aktueller Forschungen – ergänzt und interpretiert.

Direkt im Anschluss werden konkrete Interdependenzen von subjektiven Sprecherwahr­

nehmungen, Images von Regionen und ortsbezogenen Einstellungen thematisiert, wobei auch Bedingungen und subjektive Faktoren der Dialekt(raum)entwicklung herausgearbeitet werden (Kapitel 4).

Um in Kapitel 6 der Frage nachgehen zu können, inwiefern eine dialektale Identität mit ei­

ner kulturellen Identität gleichzusetzen ist, wird in Kapitel 5 zunächst anhand der histori­

schen Entwicklung der Standardsprache und ihrer Rezeptionsgeschichte deutlich gemacht, wie schwierig bereits hier eine Trennung von Sprach- und Kulturgeschichte erscheint, die sich in der offensichtlichen Parallelität von Kultur- und Sprachtheorien wiederfindet.

Schließlich werden alle Ergebnisse mit den anfangs in Kapitel 2 formulierten Hypothesen abgeglichen und in Bezug zu den einzelnen Abschnitten der Arbeit gesetzt (Kapitel 7).

In den Vorüberlegungen (Kapitel 1) soll zunächst der Rahmen, in dem diese Dissertation entstanden ist, gewürdigt werden. Dieser Rahmen setzt sich zu großen Teilen aus dem Pro­

jekt Sprachalltag zusammen, in dem die Verfasserin von November 2009 bis Mai 2014 als wissenschaftliche Mitarbeiterin beschäftigt war.12 Zum anderen besteht er auch aus der an­

regenden Infrastruktur des Ludwig-Uhland-Instituts, das mit seiner dialektologischen For­

schungstradition, seinem vielfältigen Veranstaltungsangebot und der lebendigen Doktoran­

dengruppe immer wieder neue Impulse für diese Arbeit setzte. Daher wird im Folgenden insbesondere auf die dialektologische Forschung am Institut eingegangen, die sich auch in den Publikationen der dem Institut angegliederten Tübinger Arbeitsstelle „Sprache in Süd­

westdeutschland“ manifestiert. Da dadurch bereits erste theoretische Grundlagen ange­

schnitten werden, schließen sich weitere Abschnitte zu wegweisenden Theorieschulen an, die für diese Arbeit relevant sind. Zum Schluss des einleitenden Kapitels wird auf For­

schungsstand und Relevanz des Themas verwiesen. Dabei soll vor allem der eigene Zu­

gang zum Thema und der kulturwissenschaftliche Forschungsansatz herausgestellt werden.

1.2.2 Das Projekt Sprachalltag

Der interdisziplinäre Ansatz aus sprach- und kulturwissenschaftlichen Forschungsperspek­

tiven war einer der wichtigsten Grundpfeiler des Projekts „Sprachalltag in Nord-Baden-Württemberg“. Ziel war zum einen die Erfassung der Basismundarten von zunächst 90 Ge­

meinden (insgesamt 142 Gemeinden und 16 Städten), um mit den hier gewonnenen Sprachdaten einen Dialektatlas vom nördlichen Teil Baden-Württembergs13 zu erstellen.

Zum anderen sollten parallel Sprachwissen und Einstellungen der Befragten erfasst wer­

den, um über soziodemografische Daten hinaus ein genaueres Bild der Dialektlandschaft in Nord-Baden-Württemberg zu erhalten.

Für die Erhebung wurde ein Fragebuch mit 1500 einzelnen, zu übersetzenden Dialektwör­

tern oder Sätzen benutzt, das bereits für die Erstellung des Sprachatlas der Deutschen Schweiz (SDS) in den 1940er-Jahren entwickelt und ebenfalls für zahlreiche andere Dia­

12 Das Projekt wurde durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, die Universität Tübingen und den Förderverein Schwäbischer Dialekt e.V. finanziell unterstützt.

13 Den Sprachatlas Nord-Baden-Württemberg (SNBW).

lektatlanten verwendet wurde (wie zum Beispiel den Südwestdeutschen Sprachatlas, den Sprachatlas Bayerisch-Schwaben oder den Vorarlberger Sprachatlas). Dies führte dazu, dass ein relativ altes Vokabular aus der bäuerlichen Lebenswelt der Nachkriegszeit abge­

fragt wurde, was aber nötig war, um die wissenschaftliche Vergleichbarkeit der Sprachda­

ten zu gewährleisten. Um Bezeichnungen wie die einer bestimmten Hühnerkrankheit zu kennen oder Teile eines Holzfasses adäquat im Dialekt benennen zu können, muss der Be­

fragte zumindest zeitweise in der Landwirtschaft gearbeitet haben oder auf andere Weise mit dem Landleben vertraut sein. Daher wurden alle angeschriebenen Gemeinden darum gebeten, ältere Gewährspersonen für unsere Befragungen zu finden, die noch in dieser ländlich geprägten Welt aufgewachsen waren. Die Erhebungen gestalteten sich unproble­

matischer als erwartet. Die Aufnahmen für einen Ort erfolgten meist an zwei aufeinander­

folgenden Werktagen und wurden vollständig mit digitalen Aufnahmegeräten aufgezeich­

net. Nach den Erhebungen wurden die in der Lautschrift Teuthonista handschriftlich ausge­

füllten Fragebuchseiten kopiert, eingescannt und archiviert. Zusätzlich zu der sprachwis­

senschaftlichen Erfassung von Lexik, Morphologie, Syntax und Phonetik der Ortsmundar­

ten wurden auch offene Fragen zum Dialektgebrauch, zu Einstellungen gegenüber dem Dialekt, zu Dialektwissen und zur räumlichen Orientierung gestellt.14

Leiter des Projekts waren von der kulturwissenschaftlichen Seite Prof. Dr. Bernhard Tscho­

fen, der zu diesem Zeitpunkt einen der beiden Lehrstühle des Ludwig-Uhland-Instituts in­

nehatte, und von der sprachwissenschaftlichen Seite Prof. Dr. Hubert Klausmann, der be­

reits an mehreren Sprachatlanten beteiligt war. Zusätzlich zu der Arbeit am Atlas entstan­

den neben der vorliegenden Qualifikationsarbeit eine weitere kulturwissenschaftliche (von Rebekka Bürkle) und eine sprachwissenschaftliche Dissertation (von Rudolf Bühler) sowie mehrere Untersuchungen zu situativem Dialektgebrauch und Akzeptanz von Dialektformen bei Deutschlehrern in Baden-Württemberg (von Prof. Dr. Hubert Klausmann).15 Über Teil­

veröffentlichungen von Karten und Ergebnissen auf der Projekthomepage, einem regelmä­

ßig erscheinenden Newsletter, zahlreichen Artikeln und Berichten in lokalen Medien sowie

14 Siehe hierzu weiterführend auch Abschnitt 3.1 zum Forschungsdesign.

15 Vgl. zum Beispiel: Hubert Klausmann: Regionalismen in der schriftlichen Standardsprache. In: Rudolf Bühler/Rebekka Bürkle/Nina Kim Leonhardt: Sprachkultur – Regionalkultur. Neue Felder

kulturwissenschaftlicher Dialektforschung (= Studien und Materialien des Ludwig-Uhland-Instituts der Universität Tübingen, 49). Tübingen 2014, S. 96–120. Weitere Forschungen und Ergebnisse auch unter www.sprachalltag.de.

einer Reihe von wissenschaftlichen Vorträgen, erlangte das Projekt eine gewisse Populari­

tät und erfuhr eine hohe Akzeptanz seitens der Bevölkerung.16