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I. Theoretischer Teil

4.2 Die Grounded-Theory-Methodologie

4.2.1 Grundbegriffe in der GTM

Mit dem Begriff theoretisches Sampling ist eine zirkuläre Bewegung von Datenerhebung und Datenauswertung gemeint. Mey und Mruck (2011: 23) sprechen dabei von einem „iterativen Forschungsprozess“. Auch die Wissenschaftlerinnen Inga Truschkat, Manuela Kaiser und Vera Reinartz (2005:

o.S.83) verweisen darauf, dass „[…] der Prozess der Datenerhebung und die Datenauswertung bei der GTM in besonderer Weise miteinander verwoben sind […]“. Ihnen zufolge hätten die ersten Daten, welche im Rahmen einer Untersuchung nach der GTM erhoben werden, „Erkundungscharakter“. Die ersten Daten werden bereits nach ihrer Erhebung ausgewertet, um aus den Ergebnissen der Analyse heraus zu entscheiden, welche Faktoren für das weitere Sampling ausschlaggebend sind (ebd.).

Bei der Analyse der ersten Daten richten die Forschenden ihren Blick auf für die Forschungsfrage relevante Ereignisse, Vorfälle, Aussagen etc.. Ebendiese relevanten Indikatoren, welche im Rahmen der ersten Analyse Konzepte bilden, werden im Rahmen der Erhebung des zweiten Interviews mitgedacht. So versuchen die Forschenden Ähnlichkeiten und Differenzen in den Schilderungen der unterschiedlichen Interviewpartner_innen festzustellen (Corbin 2011: 71).

83 Die Autorinnen beziehen sich hier auch auf die im Jahre 1967 gemeinsam herausgegebene Monographie „The Discovery of Grounded Theory. Strategies for Qualitative Research“ von Glaser und Strauss.

50 Truschkat, Kaiser und Reinartz (2005: o.S., in Anlehung an Glaser und Strauss 1998: 6884) zufolge zielt das weiterführende Sampling darauf ab,

„[…] die aus den ersten Daten gewonnen Erkenntnisse zu differenzieren, zu festigen und zu verifizieren. Dies geschieht mittels einer Maximierung oder Minimierung der Differenzen zwischen den Vergleichsfällen.

Während die Erhebung von Kontrastfällen dazu dient, etwaige neue relevante Kategorien zu entdecken und ihre Ausprägungen auszudifferenzieren, führt die Erhebung von Minimalvergleichen zu einer Konsolidierung des Kategoriensystems […]“

Wie auch Truschkat, Kaiser und Reinartz (ebd.) hervorheben, ist es im Rahmen von Forschungsarbeiten oft schwierig, die soeben geschilderte zirkuläre Bewegung von Datenerhebung und Auswertung gewährleisten zu können. Im Falle einer Anpassung der Methode an die eigenen Möglichkeiten sollte die Abweichung von den Forschenden stets ausreichend reflektiert werden.

Auch für die vorliegende Untersuchung wurden die Interviews zeitlich betrachtet in geringen Abständen geführt. Der Grund hierfür lag im Zeitdruck und dem begrenzten Arbeitsrahmen, welcher mit dem Verfassen einer Abschlussarbeit einhergehen. Nichtsdestotrotz wurde aber das erste Interview grob analysiert, bevor die weiteren Interviews geführt wurden. Zudem wurde während der Erhebungsphase immer wieder zu den bereits transkribierten Interviews zurückgekehrt. Dabei wurden die bereits erhobenen Daten analysiert und die Vorgangsweise im Allgemeinen sowie die weitere Auswahl von Interviewpartner_innen reflektiert.

Die Erhebung der ersten Daten ist im Rahmen der GTM durch die jeweilige Fragestellung der Untersuchung bestimmt. Während ebendiese Fragestellung zu Beginn der Forschung noch sehr „offen“ gestaltet ist, wird sie im Laufe der Untersuchung – durch die Analyse mehrerer Daten sowie durch die Methode des stetigen Vergleichens – immer deutlicher (Truschkat; Kaiser; Reinartz 2005: o.S., bezugnehmend auf Strauss und Corbin 199685).

Dies war, wie bereits aus der Einleitung ersichtlich wurde, auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung der Fall. Stand anfangs vor allem die allgemeine Frage nach dem Erleben des großelterlichen Einflusses aus Elternperspektive im

84 Truschkat, Kaiser und Reinartz beziehen sich hier auf die folgende Publikation: Glaser, Barney;

Strauss, Anselm 1998: Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Bern: Huber.

85 An dieser Stelle stützen sich Truschkat, Kaiser und Reinartz auf die folgende Publikation von Strauss und Corbin: Strauss, Anselm; Corbin, Juliet 1996: Grounded Theory: Grundlagen Qualitativer Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

51 Vordergrund, wurde diese im Laufe der Forschung doch immer mehr zugespitzt.

Dabei kristallisierte sich heraus, dass für die Forschungsfragen vor allem auch die Frage nach jenen Faktoren als wesentlich erschien, welche ausschlaggebend dafür sind, dass Eltern den Einfluss der Großeltern entweder als eher förderlich oder als eher nicht relevant für die mehrsprachige Erziehung und Entwicklung der Kinder wahrnehmen. Ebendiese Präzisierung spiegelt sich insbesondere auch in den letzten Auswertungs- und Analyseprozessen wider, welche im sechsten Kapitel näher beschrieben werden.

Im Falle der GTM gilt es, die Datenerhebung erst dann als abgeschlossen zu betrachten, wenn die sogenannte „theoretische Sättigung“ gegeben ist (Mey;

Mruck 2011: 28f.86). Mey und Mruck (2011: 2987) zufolge tritt diese dann ein,

„[…] wenn im Zuge weiterer Vergleichsprozesse keine neuen Einsichten erfolgen und Modifikationen nur noch zur Verbesserung der internen Konsistenz nötig sind“. Folglich ist für die Qualität einer Untersuchung nach der GTM nicht die Menge der erhobenen Daten ausschlaggebend, sondern die Tatsache, inwiefern auf Grundlage der bereits erhobenen Daten eine fundierte Theorie gebildet werden kann. Da es sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit um eine Abschlussarbeit für einen Masterstudiengang handelt, was mit begrenzten zeitlichen Ressourcen einhergeht, kann der Forderung nach theoretischer Sättigung natürlich nur bedingt gerecht werden.

Der Begriff der theoretischen Sensibilität meint Strauss und Corbin (1996: 30, bezugnehmend auf Glaser 197888) zufolge „[…] die Fähigkeit zu erkennen, was in den Daten wichtig ist, [sic!] und dem einen Sinn zu geben. Sie hilft, eine Theorie zu formulieren, die der Wirklichkeit des untersuchten Phänomens gerecht wird […]." Als unterstützend für die Herausbildung und Gewährleistung einer theoretischen Sensibilität erachten Strauss und Corbin (1996: 30) die Lektüre und Kenntnis von unter anderem fachspezifischer Literatur, eigene berufliche und persönliche Erfahrungen sowie jene Erkenntnisse, welche die Forschenden erst während des Forschungsprozesses erlangen. Hierbei spielt wiederum die

86 Mey und Mruck beziehen sich auch hier auf Strauss und Glaser. Es wird von ihnen aber keine genaue Publikation der Wissenschaftler angeführt.

87 Auch die theoretische Sättigung betreffend beziehen sich Mey und Mruck auf Strauss und Glaser. Hierbei zitieren sie aus einer Publikation aus dem Jahr 1967, ohne dabei im

Literaturverzeichnis nähere bibliographische Angaben zu dieser zu geben.

88 Strauss und Corbin beziehen sich an dieser Stelle auf die folgende Publikation: Glaser, Barney 1978: Theoretical sensitivity. Mill Valley, C.A.: Sociology Press.

52 Zirkularität von Datenerhebung und -auswertung eine wesentliche Rolle. Zudem sollten die Forschenden den im Rahmen der Untersuchung von ihnen gebildeten Konzepten und Kategorien stets „skeptisch“ (ebd.) und reflektierend begegnen, um gewährleisten zu können, dass das mitgebrachte Wissen sowie eigene Gedanken von den erhobenen Daten adäquat differenziert werden.

Während der Analyse der Daten, welche im folgenden Kapitel in Form der Schilderung der einzelnen Kodiertypen näher beschrieben wird, werden sogenannte Memos verfasst, welche Strauss und Corbin (1996: 169) wie folgt definieren: „Memos: [kursiv im Original] / Schriftliche Analyseprotokolle, die sich auf das Ausarbeiten der Theorie beziehen.“ Ebendiese beinhalten beispielsweise Gedanken zu den gebildeten Konzepten und Kategorien und deren Beziehungen und Verknüpfungen untereinander, zu theoretischen Ideen rund um das Datenmaterial sowie allgemeine Notizen zur Planung und Durchführung der weiteren Erhebungs- und Auswertungsphasen (Strauss; Corbin 1996: 170; 192).

Da Memos folglich den Forschungsprozess und somit auch vorläufige Ergebnisse festhalten, dienen sie auch dazu, Fehler oder „[…] Lücken in […]

Gedankengängen [Hervorhebung im Original] […]“ (Strauss; Corbin 1996: 172) zu entlarven. Dabei können die Memos von den Forschenden unterschiedlich gestaltet werden (ebd.).89