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5. Analyse und Auswertung der empirischen Ergebnisse

5.2 Besonderheiten von TdT

5.2.6 Zielgruppe/TeilnehmerInnen

5.2.6.2 Gleichbehandlung

Durch den Anspruch der Niederschwelligkeit des Zuganges und dem damit verbundenen Ziel, Tanz für alle zu ermöglichen, kommt es in den Workshops von TdT zu einer großen Diversität unter den TN. Diese wirft in Zusammenhang mit den gemeinsamen Regeln und dem Anspruch, alle gleich zu behandeln (vgl. Peppiat 1996: 2), die Frage nach den Mög-lichkeiten und Grenzen sowie der Sinnhaftigkeit der Gleichbehandlung in Workshops von TdT auf. In den Interviews und Gruppendiskussionen wurden einige Textstellen identifi-ziert, die diese Thematik betreffen. Die Aussagen konnten unterteilt werden in die Unter-kategorien Gleichbehandlung hinsichtlich ‚kultureller Unterschiede‘, ‚Alter der Teilnehme-rInnen‘ und ‚Behinderungen‘. Diese Kategorien werden im Folgenden aufgezeigt.

1. Gleichbehandlung hinsichtlich kultureller Unterschiede

Obgleich die Mentalität und die Grundeinstellungen von Menschen verschiedener Kultu-ren sich unterscheiden können, ist dies bei TdT nur am Rande ein Thema. Eine Choreo-grafin meinte diesbezüglich:

„du unterrichtest Menschen von verschiedenen Arten und Sorten die prinzipiell eh alle gleich sind, also insofern ja, du kannst eine andere Sprache sprechen, aber ja viel-leicht ist die Mentalität anders, aber beim Tanz ist mehr oder weniger egal, weil wir müssen nicht über die Mentalität reden“ (I03: 167–171).

Und an anderer Stelle wird dies bekräftigt, denn „der Tanz an sich ist sehr international, tanzen ist international“ (I04: 178–179). Grundlegend ist also ein Menschenbild, das alle als gleich betrachtet. Dennoch kann es zu Situationen kommen, in welchen Unterschiede gemacht werden, denn: „Es gibt einfach kulturelle Unterschiede, es gibt einfach Kulturen wo wir Rücksicht nehmen müssen und wo es einfach nicht geht“ (I02: 347–348). Als Bei-spiel hierfür wurde angeführt:

„also z.B. wenn jemand mir sagt: ‚Ja mir ist schwindelig weil ich Ramadan mache, kann ich mich setzen?‘, sage ich schon ja natürlich. Wenn jemand sagt: ‚Ja ich muss jetzt beten, mitten in der Probe.‘ sage ich schon ja, also natürlich so etwas“ (I04: 189–

192).

Auch von Seiten der (meist weiblichen) ChoreografInnen ist in Bezug auf spezifische kul-turelle Einstellungen manchmal vielleicht ein wenig mehr Überzeugungsarbeit nötig, um einzelne TN davon zu überzeugen, mit einer Frau zusammenzuarbeiten (vgl. I01: 462–

466). Insgesamt kann Tanz dennoch gesehen werden als „ein hervorragendes Medium zur Vermittlung von interkultureller Kompetenz jenseits von Sprachbarrieren“ (Behrens, Tiedt: 2012: 155).

2. Gleichbehandlung hinsichtlich des Alters der TN

Auch hinsichtlich des Alters der TN müssen gewisse Unterschiede gemacht werden, denn zum einen ergibt sich durch unterschiedliches Alter eine „ganz andere Energie“ (I02: 292).

Zum anderen unterscheiden sich auch die körperlichen und kognitiven Möglichkeiten in Abhängigkeit vom Alter der TN. So macht man bspw. mit Erwachsenen „keine akrobati-schen Sachen, es sei denn ich sehe, ok, das passt“ (I01: 469–470), was insbesondere auch in der Verantwortung der ChoreografInnen bezüglich der Verletzungsprophylaxe begründet liegt (vgl. Kapitel 5.2.6.1). Mit Kindern hingegen „rennt man auch viel“ (I01:

473), es wird spielerischer (vgl. I01: 427) und eventuell mit mehr Bildern (vgl. I02: 319–

320) gearbeitet. Darüber hinaus ist „das Material auch nicht so schwer“ (I01: 430) und „die Proben dürfen nicht so lang sein“ (I01: 428).

Mit älteren Menschen hingegen „sind halt die Bewegungen langsamer“ (I01: 472). Insge-samt wird also – dem Anspruch folgend niemanden zu über- oder unterfordern – auf die jeweiligen Bedürfnisse der Gruppe Rücksicht genommen und Tempo, Übungsauswahl, Sprache und Vermittlungsmethoden angepasst. Die folgende Aussage einer Choreografin fasst die Gleichbehandlung hinsichtlich des Alters der TN sehr gut zusammen:

„Es ist ja immer das Ding, wir schaffen ja Kunst gemeinsam, egal ob ich jetzt zu den Senioren geh, egal ob ich jetzt mit 7-jährigen arbeite oder in einer inklusiven Gruppe.

Es geht immer darum, Wege zu finden ein schönes Stück zu kreieren, gemeinsam mit den Teilnehmern. Es ist im Prinzip kein Unterschied“ (I02: 307–311).

3. Gleichbehandlung hinsichtlich Menschen mit Behinderung

Ähnliches wie für das Alter gilt auch für den Umgang mit Behinderungen der TN. Auch hier ist Gleichbehandlung davon abhängig, „welche Behinderungen sie haben“ (I01: 499).

Unterschiede werden vor allem hinsichtlich der Möglichkeiten für Bewegungen gemacht, denn „ich kann jetzt mit ihnen natürlich nicht springen und manche haben motorische Schwierigkeiten“ (I01: 503–504). Auch das Tempo wird an die Bedürfnisse der TN ange-passt: „Wenn sie aber eine geistige Behinderung haben, dann ist wieder alles sehr lang-sam“ (I01: 501–502). Wiederum werden die Anforderungen also an die Möglichkeiten der jeweiligen Gruppe angepasst. Allerdings gibt es diesbezüglich auch Grenzen:

„Ja sie sind, sehr clever. Manchmal machen sie nicht mit und so. Und viele denken, na, aber der Arme, der hat Down-Syndrom. […] Und für sie, weil sie eine Behinde-rung haben, heißt nicht, dass sie nicht denken können. Sie wissen sehr wohl, und sie manipulieren auch. Wie auch jeder andere. Nur, die Leute behandeln sie anders und das machen wir nicht. Dass ist etwas, das man lernen muss, dass es ok ist“ (I01:

789–800).

4. Zusammenfassung

Prinzipiell werden bei TdT alle Menschen als gleich betrachtet, und daraus resultiert die Forderung, dass auch alle gleich behandelt werden sollen. Lediglich hinsichtlich der un-terschiedlichen Möglichkeiten und Bedürfnisse von TN werden Unterschiede gemacht, und das insbesondere bezüglich der Aufgaben, der Sprache und des Tempos. Die

Re-geln, die bereits in Kapitel 5.2.6.1 angeführt wurden, gelten jedoch prinzipiell für alle gleichermaßen.

„Weil, ja es ist halt wie bei Kindern, sie sind befreundet, sie wollen jetzt zusammen tanzen. Aber das Duett war nicht so, sondern das Duett war so und so und so wird das jetzt gemacht. Das ist z.B. eine Art von Regeln, die wir haben. Und nicht nur wir, sondern dieses ganze Netzwerk. Es sollen alle gleichbehandelt werden. Wie halt, je nach Alter. Die Kinder sind alle Kinder, egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht“ (I01: 805–810).

Unterschiede werden demzufolge hauptsächlich in der künstlerischen Gestaltung der Workshops gemacht, um den Anspruch zu erfüllen, tanzen für jede(n) möglich zu machen und um zu einer gelungenen Choreografie zu gelangen. Mit unterschiedlichen Möglichkei-ten der TN innerhalb einer Gruppe wird umgegangen, indem versucht wird, Stärken in allen Personen zu finden (vgl. GD02: 252; 265), oder sie alternativ in Kleingruppen einzu-teilen: „Es müssen ja nicht immer alle das gleiche machen. Ich muss halt Sachen auf eine Art und Weise machen, dass sie das Gefühl haben, dass sie… wie sagt man das… Gleich behandelt“ (GD02: 266–268; vgl. auch GD02: 252–254) werden.

Hinsichtlich der Thematik der Gleichbehandlung bei TdT kann auch ein Blick in die Theo-rie zu mehr Klarheit beitragen. Dafür wird die Definition von Gleichbehandlung betrachtet:

„Wenn für alle formal gleiche Regeln eingehalten werden, können wir von einer Gleichbehandlung sprechen. Aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen haben Menschen unter solchen Bedingungen aber unterschiedliche Chancen“ (Biewer 2009:

136).

Diesem Zitat ist zu entnehmen, dass Gleichbehandlung mitunter bedeuten kann, dass auf gegebene Unterschiedlichkeiten von Menschen zu wenig Rücksicht genommen wird und somit durch die Gleichbehandlung Chancenungleichheit gefördert wird. Demgegenüber bietet der Ansatz der Gleichstellung einen anderen Zugang zu dieser Thematik:

„Es werden die unterschiedlichen Voraussetzungen realisiert. [Es] könnten Aufgaben, Hilfestellungen und Schwierigkeitsgrade variiert werden. Im realen Leben der Men-schen sind individuell angepasste Dienstleistungen denkbar. […] Dies wäre nicht Gleichbehandlung, sondern Gleichstellung“ (ebd.).

Die Auswertungen der Kategorie ‚Gleichbehandlung‘ haben gezeigt, dass in der Praxis von TdT Unterschiede im Umgang mit TN gemacht werden, diese sich allerdings Groß-teils auf die künstlerische Gestaltung beziehen, um die Möglichkeiten und Bedürfnisse der TN in einem gewissen Rahmen zu berücksichtigen. Dies ist mit Blick auf obige Unter-scheidung von Gleichbehandlung und Gleichstellung als sehr positiv zu bewerten, denn so wird jeder Mensch dort abgeholt, wo er gerade steht, und der Anspruch, tanzen für alle möglich zu machen, wird dadurch erfüllt. Es sollte in einer Konzeption von TdT also da-rauf hingewiesen werden, dass der Ansatz der Gleichstellung verfolgt wird, um hier Un-klarheiten zu vermeiden und gleichzeitig auf die Fortschrittlichkeit der Arbeit der Choreo-grafInnen von TdT zu verweisen. Denn trotz aller Unterschiede, „wir können mit jedem von diesen Menschen tanzen“ (I01: 505–506).

Abschließend kann zum Thema (Diversität der) TeilnehmerInnen folgendes Zitat zusam-menfassend angeführt werden:

“For me, it is in the sharing of our differences in our dancing, that we see and recog-nize what we have in common, for if, when we engage in community dance, we can enter dialogue about our differences, we can promote greater understanding for the individual within the group and for the group as part of its wider community” (Bartlett 2008: 41).

Im Tanz werden demnach Unterschiedlichkeiten thematisiert und das gegenseitige Ver-ständnis kann dadurch erhöht werden. Eine große Diversität unter den TN ist demnach als wünschenswert anzusehen.

5.3 Wirkungsziele

5.3.1 Einleitung

In Anlehnung an die Ausführungen in den vorherigen Abschnitten ist davon auszugehen, dass Tanzen auf verschiedene Lebens- und Erfahrungsbereiche der TänzerInnen einen Einfluss haben kann. Der Sichtweise vom Menschen als Einheit aus Körper, Geist und Seele folgend (vgl. Kapitel 5.2.4), werden die nachfolgenden Analysen die Kategorien kognitive, körperliche und emotionale Wirkungen fokussieren. Die Wirkungspotenziale der Aufführung werden dabei gesondert angeführt. An dieser Stelle sei aber auch darauf vwiesen, dass Wirkungen, die sich bei den TeilnehmerInnen von Workshops von TdT er-geben können, nicht dezidiert zu einem dieser Bereiche zugeordnet werden können, son-dern sich im Sinne der ganzheitlichen Sichtweise des Menschen gegenseitig bedingen:

„Tanz spricht verschiedene Aspekte der Persönlichkeit an, er verbindet die intellektu-elle, die emotionale sowie die physische Ebene und bringt sie miteinander in Ein-klang. So bieten Tanz und Bewegung ideale Voraussetzungen für eine ganzheitliche Selbsterfahrung, persönliche Entwicklung und die Ausbildung eines gesunden Selbstbewusstseins“ (Foik 2008: 21f.).

Darüber hinaus muss auch angemerkt werden, dass nicht alle Wirkungen in gleichem Ausmaß für alle TeilnehmerInnen konstatiert werden können. Vielmehr ist – wie in allen Bereichen der Erbringung von sozialen Dienstleistungen – das Individuum selbst auch mitverantwortlich für die Wirkungen, die erzielt werden können (vgl. dazu auch den in Ka-pitel 3.2 erläuterten Aspekt der Integration des externen Faktors). Diese Faktoren gewinnt hinsichtlich der großen Diversität der Zielgruppe(n) von TdT noch mehr an Bedeutung (vgl. Kapitel 5.2.6). „Wichtig ist, dass die Menschen es machen wollen“ (I01: 490–491).

Das folgende Kapitel soll dementsprechend einen ersten Schritt dafür darstellen, mögliche Wirkungen aufzuzeigen und zu beschreiben, wie die Arbeit der ChoreografInnen diese ermöglicht und fördert. Gleichzeitig können diese Ergebnisse als Grundlage für die Erstel-lung von Projektanträgen bei verschiedenen FördergeberInnen dienen. Nachdem der

so-ziale Aspekt bereits zuvor erörtert wurde (vgl. Kapitel 5.2.4), soll an dieser Stelle beson-ders darauf hingewiesen werden, dass dieser nur schwer in einer eigenen Kategorie er-fasst werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich soziale Aspekte in sämtli-chen Kontexten widerspiegeln und eine abgegrenzte Darstellung aus diesem Grund nicht zielführend erscheint.

Die folgenden Auswertungen der Wirkungsdimensionen bei TdT sind auf der Grundlage der Ausführungen in Kapitel 2.5.3 zu verstehen. Sie gelten in erster Linie auch als Zu-sammenschau der Erfahrungen, die ChoreografInnen aus ihrer konkreten Praxis berich-ten können. Diese Übersicht soll dann in weiterer Folge nutzbar sein für die zukünftige Konzeptionsentwicklung, indem sie als Grundlage für die Konkretisierung der Zielformulie-rungen genutzt werden kann. Gleichzeitig soll in den folgenden AusfühZielformulie-rungen auch her-vorgehoben werden, wie der konkrete Ansatz von TdT und die Vorgehensweise der Cho-reografInnen diese Wirkungen überhaupt erst ermöglichen und fördern können, um damit auch Bezug zu nehmen auf die Handlungsweisen und -ziele. Darüber hinaus sollen die Ausführungen mittels weiteren Belegen aus der Literatur abgerundet werden.