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Gerichtete Evolution – Entwicklung von Proteinen mit neuen Eigenschaften

Die materielle Basis natürlicher Evolution ist die Ebene der DNA. Zufällig auftretende Fehler während des Vorgangs der DNA-Replikation führen zu einer Veränderung der Genomsequenz. Durch diese Mutationen entstehen unterschiedliche Varianten des Genoms, die veränderte oder neue Merkmale bewirken. Diese können sowohl positiven als auch negativen Einfluss auf die evolutionäre „Fitness“ des entsprechenden Organismus haben80,81. In der Natur setzen sich allerdings nur die Varianten durch, die zu einem Vorteil gegenüber der Konkurrenz führen und sich somit positiv auf die evolutionäre Fitness auswirken.

Im Labor dagegen besteht die Möglichkeit einer zielgerichteten Evolution, die nicht mehr auf das Überleben eines Organismus angelegt ist, sondern darauf, die Eignung von Enzymen für spezielle Anwendungen zu optimieren. Dabei werden besonders zentrale Eigenschaften, wie Substratspezifität (auch von unnatürlichen Substraten), Katalysemechanismen oder Temperaturstabilitäten gezielt modifiziert. Die Wertung, ob eine vor- oder nachteilige Mutation stattgefunden hat, basiert hier nicht mehr auf den besseren „Überlebenschancen“

eines Organismus in seiner natürlichen Umgebung82, sondern wird durch den Experimentator festgelegt.

Durch die stetig wachsende Anwendung von Enzymen in molekularbiologischen Methoden, in der Gen-Diagnostik und Biomedizin83 und in der chemischen Industrie als Biokatalysatoren82,84, haben sich die Anforderungen an die Enzyme in den künstlichen Umgebungen stark verändert und machen die Suche nach Zweck-optimierten Enzym-Varianten notwendig. Die Funktionsweise von Proteinen ist allerdings sehr komplex, so dass das Entwickeln neuer oder verbesserter Eigenschaften durch rationales Design von Protein-Mutanten sehr schwer ist. Alternativ wurde die gerichtete Evolution von Proteinen durch Randomisierung der gesamten Gensequenz als erfolgreiches Werkzeug zur Verbesserung von Eigenschaften wie Stabilität, Aktivität und Selektivität in Enzymen entwickelt82.

Bei der gerichteten Evolution handelt es sich um eine Kombination aus Mutagenese, Expression tausender Enzym-Mutanten und Hochdurchsatz-Testsystem. Im ersten Schritt muss eine Mutanten-Bibliothek erzeugt werden. Durch die Fortschritte in der Molekularbiologie ist es einfacher geworden, Proteinvarianten auf DNA-Ebene zu erzeugen und damit die notwendige Diversität für Enzymbibliotheken sicherzustellen. Die

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Sequenz des gewünschten Proteins wird randomisiert. Als nächstes folgt die Expression der Mutanten. Dabei ist es wichtig, dass jede einzelne Proteinmutante ihrer DNA-Sequenz zugeordnet werden kann. Auf Protein-Ebene werden die Mutanten dann auf die gewünschten Eigenschaften hin untersucht. Positiv getestete Proteine werden selektiert und die dazugehörige DNA-Sequenz entweder charakterisiert oder in einer weiteren Evolutionsrunde eingesetzt (Abbildung 8).

Abbildung 8. Schematische Darstellung der allgemeinen Strategie zur Analyse geänderter Proteinfunktionen in großem Maßstab.

Diese Methode hat sich als sehr viel versprechendes Verfahren für die Evolution von Enzymen etabliert, ohne dass strukturelle oder mechanistische Informationen über das Enzym notwendig sind. Auf diese Weise konnten bereits eine Reihe von Enzym-Varianten mit verbesserter Substratselektivität, katalytischer Eigenschaft, Stabilität, pH-Optimum, Aktivität und erweitertem Substratspektrum unter verschiedenen physikalischen und chemischen Bedingungen identifiziert werden.

Für den Aufbau eines erfolgreichen Evolutions-Systems sind mehrere Punkte von essentieller Bedeutung: a) Gen–Diversifizierung85, b) die Verknüpfung des Genotyps mit dem Phänotyp, c) ein gutes Expressions-System und d) ein sensitives Hochdurchsatz-Testsystem (oder Selektionssystem).

Der erste Schritt in der gerichteten Evolution besteht in der Diversifizierung. Diversität kann erzeugt werden durch Einführung von Mutationen und/oder durch Rekombination. Die Einführung von Mutationen erfolgt durch die Anwendung geeigneter Mutagenese-Methoden.

Für Zufallsmutationen, wie beispielsweise Punktmutationen Deletionen, Insertion in einem ausgewählten Bereich oder innerhalb des gesamten Gens, hat sich in den letzten Jahren die error-prone PCR Methode etabliert. Des weiteren findet die von Stemmer beschriebene Rekombination von DNA-Sequenzen durch das sogenannte „DNA-shuffling“ Anwendung86,87. Die sorgfältige Anpassung der Mutationsraten in Kombination mit der Bibliotheksgröße ist

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entscheidend für die Qualität der Bibliothek. In der Literatur beschrieben sind die Mutabilitäten für verschiedene DNA-Polymerasen88-90, wobei in den meisten Fällen die Aufmerksamkeit auf ein spezielles Motiv gerichtet ist.

Im zweiten Schritt muss eine Verknüpfung des Proteins mit seiner spezifischen DNA-Sequenz erreicht werden91. In den letzten beiden Jahrzehnten wurden einige Methoden entwickelt, um jede Protein-Variante mit seiner DNA-Sequenz zu verknüpfen. Diese basieren auf direkter Verknüpfung von DNA und Protein, auf räumlicher Zuordnung oder auf Kompartimentierung (das Protein und die dazugehörige DNA werden in einer Zelle, die gleichzeitig auch als Reaktionsraum dient, eingeschlossen).

Im Anschluss daran muss ein Testsystem entwickelt werden, das mit der Verknüpfung von Protein und DNA kompatibel ist und die gewünschte Eigenschaft auch detektieren kann.

Tabelle 1 zeigt im Überblick mehrere Methoden der Verknüpfung von Genotyp und Phänotyp und dem damit verwendeten Testsystem.

Tabelle 1. Verknüpfungsmethoden von Genotyp und Phänotyp in verschiedenen Testsystemen.

Methode Verknüpfung zwischen

Genotyp und Phänotyp

Testsystem

(Selektion oder Screening) Phage-Display-Technik Phagenpartikel Bindung an Affinitätsmatrix Ribosom-Display-Technik Ribosomenkomplex Bindung an Affinitätsmatrix mRNA-Peptid-Fusion Peptid-mRNA-Fusion Bindung an Affinitätsmatrix Peptid am Plasmid Peptid-Plasmid-Komplex Bindung an Affinitätsmatrix

Zelloberflächen-Display-Technik Zelle Fluoreszenz-aktivierte

Zellsortierung (FACS) In vitro

Kompartimentierung Wasser-in-Öl Tröpfchen Bindung an Affinitätsmatrix, PCR Genetisches Testsystem Zelle Komplementation,

kolorimetrische Tests Mikrotiterplatten und

Proteinchips Räumliche Adressierung Radiometrisch, UV/Vis-Absorption oder Fluoreszenz

Dieser evolutionäre Prozess kann wiederholt werden, bis das Ziel erreicht wurde oder keine weiteren Verbesserungen mehr möglich sind.

Weitere Fortschritte auf den Gebieten der Biotechnologie und bioorganischen Chemie ermöglichen neben dem umfassenderen Verständnis über DNA-Polymerasen auch die Entwicklung neuer, auf DNA-Polymerasen basierender Methoden. Gerade in Bereichen der

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Polymerasen zur enzymatischen Synthese artifizieller Biopolymere92-94 von großem Nutzen und Interesse sein.

Aufgabenstellung

2 Aufgabenstellung

Um die enzymatische Synthese artifizieller L-DNA zu untersuchen, sollte ein Selektionssystem aufgebaut werden, das die Evolution von DNA-Polymerasen bezüglich dieser Eigenschaften ermöglicht. Mit Hilfe eines Hochdurchsatz-Testsystems, das den Einbau von L-Nukleotiden sensitiv und spezifisch anzeigen kann, soll eine aufgebaute Polymerasenbibliothek durchmustert werden. Auf diesem Wege sollen neue Einblicke in die Stereospezifität von DNA-Polymerasen erhalten und eine Erweiterung des Substratspektrums erreicht werden. Die Verwendung von L-Nukleotiden sollte am Beispiel von L-Thymidinen untersucht werden, da diese synthetisch am einfachsten zugänglich waren.

Zusätzlich sollten Untersuchungen zu Protein-DNA-Interaktionen durchgeführt werden. Um die Eignung 4’-C modifizierter Nukleotide als Werkzeug in funktionalen Studien von DNA-Polymerasen zu untersuchen, sollte der Einfluss von Modifikationen im DNA-Strang auf essentielle Eigenschaften wie Stabilität und Konformation des Duplex, und damit auf die Wechselwirkung mit der Polymerase untersucht werden.

Darüber hinaus sollte auch der Einfluss von Sequenzmodifikationen in Polymerasen auf die Affinität des Enzyms zum Substrat untersucht werden, um Rückschlüsse auf erhöhte Genauigkeit der Fehlpaarungsverlängerung von Polymerase-Mutanten ziehen zu können.

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