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2.2 Ethogramm der sozialen Kommunikation des Pferdes

2.2.1 Generelle visuelle Kommunikation

Entspannter Gesichtsausdruck (relaxed contentment) H, S

Die Ohren sind entspannt und etwas nach hinten, seitlich gedreht. Die Nüstern und die Unterlippe sind entspannt, die Augen sind halb geschlossen. Beim Übergang zum Dösen und Schlafen kommt es zu einem fortschreitenden Hängen der Unterlippe und einem schmaler werdenden Lidspalt bis hin zum Schließen des Lidspaltes (Dark 1975, Waring 2003 und McDonell 2003).

Flehmen (flehmen) H, S, W

Der Kopf wird angehoben und der Nacken gestreckt. Die Augen rollen nach hinten und die Lippe wird soweit nach oben gezogen, dass Incisivi und Gingiva frei liegen.

Jetzt wird Luft eingezogen. Das Flehmen dient der Aufnahme von Pheromonen in das Vomeronasalorgan (McDonell 2003). Es wird bei Hengsten häufig als Reaktion auf den Urin von Stuten gezeigt. Laut einer Untersuchung von Kiley-Worthington (1993) wird es jedoch auch bei Wallachen und Stuten bei der Exposition verschiedener Gerüche (Urin von Hengsten, Stuten und Wallachen, Salz-und Zuckerlösung) und Geschmäcker (Knoblauch in Lösung, Ammoniak, Alkohol, destilliertes Wasser) gezeigt.

Folgen (follow) H

Ein Pferd folgt dem anderen, wobei es die gleiche Gangart wie der Verfolgte zeigt und keine Versuche macht den Verfolgten zu attackieren oder zu überholen (Waring 2003, McDonell 2003). Das Verhalten wird bei McDonell (2003) bei Hengsten und bei Jungtieren beschrieben.

Intervention (interference, intervene, interposing) H

Ein Pferd interveniert in Form von Annähern, Drängeln oder Angehen in einer bestehenden Auseinandersetzung zwischen zwei anderen. Bei Bannikov (1971) wurde dieses Verhalten bei Eseln beschrieben, wenn ein stärkerer Hengst einen schwächeren angreift (Keiper 1988, McDonell 2003).

Kontakt (Nase-zu-Nase-Kontakt, greeting, nose-to-nose-contact, nose-to-body-contact) H, S

Zwei Pferde beschnüffeln sich Nase an Nase. Meist berühren sich die Tiere hierbei nicht. Die Ohren sind nach vorne gerichtet, der Körper ist leicht angespannt.

Anschließend kommt es zum Beschnüffeln der Flanken und eventuell der Perinealregion. Manchmal kommt es zu Lautäußerungen (Nankervis u. Mills 1999).

Koprophagie (coprophagy)

Kot wird mit Lippen und Zunge in den Mund aufgenommen, gekaut und abgeschluckt (Hafez et al. 1962, Feist u. McCullough 1976, Waring 2003).

Kot beschnüffeln (sniff feces, elimination marking) H, S

Verlassene Kothaufen oder einzelner Kot wird beschnüffelt und eventuell wird im Kot gescharrt. Hengste äpfeln auf den Kot, Stuten hingegen urinieren meist auf die Kotstellen. Das Beschnüffeln dient der Gewinnung von Informationen über das Pferd, welches hier geäpfelt hat (Ewer 1968, Welsh 1975, McDonell 2003). Laut Nankervis und Mills (1999) dient es jedoch auch der Orientierung darüber, wie nahe sich eventuell eine fremde Herde aufhält bzw. wie lange es her ist, seit sie da war.

Kotstellen-Sequenz (fecal pile display, eliminaton marking sequence) H

Diese interaktiven Sequenzen finden typischerweise zwischen zwei Hengsten statt, können aber auch mehr Tiere involvieren. Die Sequenz mündet entweder in einem

5. Über die Stelle steigen oder sich um sie herum bewegen 6. Auf den Haufen äpfeln (Überkoten)

7. Erneutes beschnüffeln der Stelle 8. Eventuell Wiederholung der Sequenz

Die Bedeutung des Verhaltens ist noch nicht vollständig geklärt. Es werden kommunikative und markierende Aspekte diskutiert. McCort (1984) vermutet, dass das Pferd, welches als letztes an der Stelle äpfelt, die dominante Stellung innehat. In der Studie von Miller (1981) fanden 25% aller agonistischen Interaktionen an den Kotstellen statt. Nankervis und Mills (1999) gehen davon aus, dass das Äpfeln auf die Kotstelle eines anderen Hengstes eine Herausforderung bzw. Kampfaufforderung darstellt. Falls ein Hengst den anderen kampflos als letzten auf den Haufen koten lässt, erkennt er somit dessen Vormachtstellung an. Dies könnte als aktive Demut gedeutet werden. Ewer (1968) und Kiley-Worthington (1993) vermuten Informationen bezüglich des Dominanzstatus in den Pheromonen, die mit dem Kot abgegeben werden.

Leerkauen (chewing) S, W

Das Pferd führt kauende und mahlende Kieferbewegungen aus, ohne Futter oder Wasser aufgenommen zu haben. Oft tritt es in Verbindung mit Lecken auf, bei dem die Zunge immer wieder vorgeschoben wird. Beschrieben bei Krüger (2007).

Neugieriger Gesichtsausdruck (curious alert) H, S, W

Der Kopf ist angehoben und in Richtung des Reizes gedreht. Die Ohren sind gespitzt und Kinn und Oberlippe sind angespannt. Je nach dem Grad der Erregung wird die Oberlippe stark kontrahiert und die Augen werden weit aufgerissen (Kiley-Worthington 1993, McDonell 2003).

Nicken (head bowing, nodding) H, S

Zwei Pferde stehen sich meist Kopf an Kopf gegenüber und strecken und beugen ihren Nacken wiederholt heftig Richtung Brust. Bei Hengsten wird dieses Verhalten auch als Imponierverhalten interpretiert. Es wird jedoch auch bei Stuten und Jungtieren bei der Annäherung an ein anderes Pferd gezeigt. (McDonell u. Haviland 1995, Waring 2003).

Olfaktorische Untersuchung (olfactory investigation, social investigation, genital inspaction) H

Bei der olfaktorischen Untersuchung kommt es zum Beschnüffeln verschiedener Körperteile, meist am Kopf beginnend, dann über Hals, Widderist, Flanke, Genitalien bis zur Perinealregion. Während der Aktion kann es zu Lautäußerungen und/oder Drohungen von einem oder beiden Tieren kommen (Feh 1988, Welsh 1975, McCort 1984, McDonell 2003).

Scharren (pawing) H

Das Scharren wird mit einem Vorderhuf ausgeführt, der mit ausgestrecktem Bein mit der Spitze aufgesetzt wird und dann mit einer grabenden Bewegung nach hinten geführt wird. Das Scharren wird sowohl in agonistischen Situationen als auch bei der Untersuchung von Kothaufen oder Wälzplätzen beobachtet. Es kann also einerseits mechanisch die Aufnahme von Gerüchen oder Pheromonen erleichtern, andererseits aber auch als Anzeichen für Aufregung (Houpt u. Wolski 1998) oder Aggression (McDonell 2003) gedeutet werden. Ödberg (1973) interpretiert das Scharren als eine Übersprunghandlung, die in Konfliktsituationen auftritt.

Schweifschlagen (tail switching, tail lashing) H, S

Der Schweif wird wie beim Insekten Vertreiben mit hoher Frequenz hin und her bewegt. Kiley-Worthington (1993) spricht dies als Übersprungshandlung an. Das Schweifschlagen wird bei Frustration, Angst, Aggression und im Zusammenhang mit sexuellem Verhalten gezeigt und kann allgemein gefasst als Indikator für Aufregung bezeichnet werden (Waring 2003).

Überkoten (defecate over, elimination marking) H

Das Überkoten beinhaltet, dass das Pferd an einem Kothaufen schnüffelt, dann über den Stapel steigt, auf den Haufen kotet und dann erneut schnüffelt. Es tritt als Teil der Kotstellen-Sequenz auf, kann aber auch solitär gezeigt werden (Miller 1981, und McDonell 2003). Die Reihenfolge, in der auf eine Kotstelle Kot abgesetzt wird, kann als Hinweis auf die Dominanzhierarchie in der Gruppe interpretiert werden (Feist 1971).

Waring (2003) unterscheidet drei Arten von Grummeln. Das Erwartungsgrummeln, das mit entspannten Nüstern und geschlossenem Maul und leichter Kopfhebung einhergeht und bis zu 30 m weit hörbar ist, wird von Stuten und Hengsten vorgebracht. Das zweite Grummeln ist das Erwartungsgrummeln des Hengstes, das er besonders in der Nähe von rossigen Stuten zeigt und das bei jedem Hengst etwas anders klingt. Der dritte Typ des Grummelns ist relativ leise und wird von Stuten ihren Fohlen gegenüber geäußert, wenn die Stute Gefahr wittert. Das Fohlen kommt daraufhin näher an die Mutter heran.