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5.1.1 Datensammlung

Die Erhebung der Daten erfolgte zum einen zunächst schriftlich um die Hauptaktivitätszeiten der Herde festzustellen. Im zweiten Schritt wurden Videoaufzeichnungen der einzelnen Pferde nach der Fokus-Tier-Methode angefertigt.

Die Sammlung der Daten, die Hauptaktivitätszeiten betreffend, erfolgte durch Scan-sampling. Der Vorteil des Scan-sampling liegt darin, dass man viele Tiere pro Zeiteinheit erfassen kann, der Nachteil ist das Fehlen von Detailinformationen bezüglich des Auslösers des Verhaltens und der Folgen. Zur Erfassung von Hauptaktivitätszeiten ist das Scan-sampling jedoch Mittel der Wahl. Diese Art der Datenerfassung gewährleistet eine gleichmäßige Streuung der Daten über alle Individuen und somit eine repräsentative Datenaufnahme (Martin u. Bateson 1993).

Durch eine ausreichend große Zeitspanne zwischen den Beobachtungszeitpunkten (sampling points) wird eine statistische Unabhängigkeit der Daten erreicht. Die Art und Weise der Datenerfassung ist als diskontinuierliche Methode (intermittent recording) anzusprechen. Intermittent recording kann als instantaneous oder one-zero recording durchgeführt werden. Bei der Momentaufnahme (instantaneous recording) werden die Daten zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt, einem zeitlichem Schema folgend aufgenommen, bei der one-zero Aufnahme werden Aktionen seit dem festgelegten Zeitpunkt aufgenommen. In der Arbeit wurde die Momentaufnahme (instantaneous recording) zur Feststellung der Hauptaktivitätszeit eingesetzt.

Im Hauptteil der Beobachtungen wurde grundsätzlich die Fokus-Tier-Methode (focal sampling) als eine Beobachtungsform der einzelnen Individuen innerhalb der Herde zur Datenerfassung verwendet, um eine bessere Einbettung der Daten in den situativen Zusammenhang zu erreichen. Dies ist laut Gattermann (2006) die geeignete Form zum Studium von Tiergruppen. Jedes Pferd wurde pro Video-Aufnahme mindestens drei Minuten beobachtet. War nach Ablauf der Zeit ein Verhaltenselement, wie z. B. Sozialspiel, noch nicht abgeschlossen, wurde bis zum Ende der Aktion weiter aufgenommen.

5.1.2 Auswertung der Daten

Die gefilmten Sequenzen wurden mittels des erstellten Ethogramms (vgl. Kap. 2.2) ausgewertet, wobei für jedes Pferd und jeden Zeitraum (T1 bis T4) das Auftreten der verschiedenen Verhaltenselemente protokolliert wurde (vgl. Kap. 4.2).

Die Auswertung der auf diese Weise in der Feldstudie gewonnen Rohdaten erfolgte anhand mehrerer Indices. Herangezogen wurden dazu der Aggressionsindex (AI), der spezifische Aggressionsindex (SAI) und der Social Tension Index (STI). Diese drei Indices sind gängige Kennziffern für die Auswertung des Sozialverhaltens bei Tieren, deren genaue Definitionen im Kapitel 2.1.3. erklärt werden.

Der AI wurde sowohl für die Gesamtgruppe, als auch für die einzelnen Pferde innerhalb der jeweiligen Zeiträume bestimmt und in unterschiedliche Relationen gesetzt. Daraus ließen sich Veränderungen im offensiv aggressiven Verhalten der einzelnen Pferde, sowie der Gesamtgruppe für die Zeiträume T1 bis T4 konstatieren.

Auch der SAI wurde für die Herde und für das Individuum je nach Zeitraum T1 bis T4 berechnet und korreliert. Analog zum AI ließen sich durch den SAI die Qualität und Häufigkeit von offensiv aggressivem Verhalten nachweisen. Während der AI eher ein geeignetes Instrument zum Nachweis offensiv aggressiven Verhaltens innerhalb der Herde, ohne Aufschlüsselung nach der Anzahl der Opponenten darstellt, zeigt der SAI das aggressive Verhalten von Individuen unter Berücksichtigung der Anzahl der Opponenten. Das heißt, der AI dient als eine Kennziffer zur Analyse der vorherrschenden Aggression in der Gesamtherde. Der SAI hingegen kann eher zur Analyse der Aggression von Individuen genutzt werden.

Um das Sozialverhalten der Herde nicht nur anhand offensiv aggressiver Verhaltensweisen zu analysieren, wurden noch drei weitere eigene Indices formuliert und eingeführt. Es handelt sich dabei um den Soziopositiven Index (SPI), den Index der Soziopositiven Aktionen (SPA) und den Defensionsindex (DI). Diese werden in Kapitel 3.3 vorgestellt und beschrieben.

Die Indices kommen jeweils für bestimmte Aspekte der Sozialstruktur der untersuchten Herde Islandpferde zum Einsatz, wie im Folgenden erläutert wird:

Die Soziopositiven Aktionen (SPA) und der Soziopositive Index (SPI) fungieren als Maß für die Häufigkeit und Qualität von soziopositiven Interaktionen eines Pferdes.

Die Anzahl der gewichteten Soziopositiven Aktionen (SPA) erwies sich als probates Mittel für die Beschreibung der Beziehungen eines einzelnen Pferdes zu seinen Herdenmitgliedern (s. Tab. 27.1-27.17).

Es ließ sich ein Grenzwert ermitteln (s. Kap. 4.3.2), ab dem man von einem mehr als zufälligen Auftreten der soziopositiven Aktionen zwischen zwei Pferden sprechen kann. Dieser Grenzwert ist allerdings nur für die untersuchte Herde zutreffend und kann nicht auf andere Konstellationen übertragen werden.

Um die Werte besser miteinander vergleichen zu können, wurden sie für die

Bestimmung des SPI in Relation zur Beobachtungszeit und zur Anzahl der Pferde, mit denen das Pferd soziopositive Beziehungen hatte, gesetzt.

Die Ergebnisse der Indices stimmten mit den beobachteten interindividuellen Präferenzen überein.

Der Defensionsindex wurde herangezogen, um die Rangfolge der Individuen innerhalb der Herde festzustellen. Einen Rangindex ausschließlich auf einem defensiven Verhaltenselement zu basieren, hat sich als gut realisierbar erwiesen.

Das Verhalten ist gut zu beobachten und unzweideutig. Meiden war zudem das mit Abstand am häufigsten beobachtete agonistische Verhaltenselement im gesamten Beobachtungszeitraum. Poisbleau, Jenouvrier und Fritz stellen in ihrer Studie von 2005 eine Modellrechnung zur Ermittlung der notwendigen Mindestanzahl an beobachteten Interaktionen auf, die notwendig ist, um bei der Feststellung eines Dominanzranges ein festgelegtes Fehlerniveau zu erhalten. Sie empfehlen in Feldstudien zur Bestimmung der Mindestanzahl der Interaktionen einen mittleren Dominanzrang bei den zu untersuchenden Tieren anzunehmen, weil dieser am wenigsten präzise abgeschätzt werden kann. Tiere, welche die vorderen oder hinteren Rangplätze einnehmen gehen aus Auseinandersetzungen meist mit konstanteren Ergebnissen hervor, was die Bestimmung ihrer Position einfacher macht. Geht man von einem mittleren Dominanzrang aus, wären in der vorliegenden Studie, um ein Fehlerniveau von 5 % zu erreichen, 101 Interaktionen, um ein Fehlerniveau von 1 % zu erreichen 2491 Interaktionen notwendig. Man kann also in dieser Arbeit bei der beobachtete Anzahl von 244 Interaktionen im Zeitraum T1, 312 Interaktionen im Zeitraum T2 und 122 Interaktionen im Zeitraum T3 für diese von einem Fehlerniveau, das zwischen 1 % und 5 % liegt, ausgehen. Im Zeitraum T3 kam es nur zu 85 Interaktionen, was bedeutet, dass in diesem Zeitpunkt das Fehlerniveau über 5% liegt.

Um den Defensionsindex hinsichtlich seiner Anwendbarkeit zu evaluieren, wurde er auf seine Korrelation mit den Ergebnissen des in der Fachliteratur etablierten STI hin überprüft (s. Tab. 25.1-25.4). Der STI beruhte in dieser Studie auf dem Auftreten der beobachteten offensiv aggressiven Verhaltenselemente Angehen, Beißdrohung, Beißen, Drängeln, Drohgesicht, Hinterhandschlag, Kopfauflegen und Zwicken (aggressiv). Die Werte des STI wurden in den Tabellen 19.1 bis 19.4 dargestellt. Es wurde ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen der Rangfolge, welche anhand des DI erstellt wurde und der auf dem Social Tension Index (STI) beruhenden Rangfolge nachgewiesen. Nur im Vergleich T1 mit T3, Gruppe 2 wurde kein solcher Zusammenhang festgestellt, was allerdings mit dem harmonischen Verhalten mit geringem Aufkommen agonistischer Verhaltenselemente, inklusive dem Meiden im Zeitraum T3, und der daraus resultierenden geringen Varianz zusammenhängen könnte. Insgesamt spricht der starke Zusammenhang zwischen den Rangfolgen, welche anhand des eingeführten DI und dem bekannten STI erstellt wurden, jedoch eindeutig für die Anwendbarkeit und Verlässlichkeit des DI. Der Vorteil des DI gegenüber dem STI erwies sich zudem darin, dass der DI die Anzahl der verschiedenen Tiere, gegen die das Verhalten gezeigt wurde, berücksichtigt. Bei der Berechnung des STI kann es durch die Antipathie zwischen zwei Pferden zu einer sehr hohen Frequenz aggressiven Verhaltens kommen, was sich dann irreführenderweise in einem sehr hohen Rangindex der beteiligten Tiere darstellen kann. Ein weiterer Vorteil des DI ist, das für die Erstellung einer verlässlichen

Rangfolge nur ein Verhaltenselement beobachtet werden muss. Für die Bestimmung des STI ist es notwendig alle agonistischen Verhaltenselemente zu protokollieren.

Die Abhängigkeit des Dominanzranges eines Tieres von weiteren Parametern, wie z.B. Größe, Gewicht oder Alter wurde bereits in vielen Studien untersucht. Dabei wurden für die Berechnung des Ranges zahlreiche unterschiedliche Definitionen der Dominanz zu Grunde gelegt. Es wäre interessant, die Daten der verschiedenen Studien anhand einer einheitlichen Definition von Dominanz und Rangordnung auszuwerten.