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Fragestellung dieser Arbeit war der Nachweis, wie sich die Struktur des agonistischen und nicht-agonistischen Verhaltens innerhalb einer Herde Islandpferde durch das Einführen eines fremden Pferdes, beziehungsweise durch eine temporäre Teilung und erneute Zusammenführung der Gruppe verändert und wie sich diese Veränderungen darstellen lassen. Die Grundlage hierfür bildeten die mittels eines nach der Literatur angefertigten Ethogramms erhobenen Daten. Dabei wurden zum Beispiel die Rangfolge, aber auch Bindungen bzw. „Freundschaften“ zwischen zwei oder mehreren Pferden und unter anderem das veränderte Auftreten von Aggressionsverhalten betrachtet.

Die erzielten Ergebnisse werden unter drei Gesichtspunkten diskutiert:

Zunächst werden die Ergebnisse zur sozialen Struktur der Herde und die Veränderungen in den verschiedenen Zeiträumen erörtert.

Der zweite Abschnitt der Ergebnisdiskussion beschreibt festgestellte Besonderheiten aus der Auswertung des erstellten Ethogramms. Hier werden auch Abweichungen des nachgewiesenen Verhaltens der Herde von den Ergebnissen der herangezogenen Fachliteratur diskutiert.

Zum Abschluss werden die Ergebnisse der Gruppenvergleiche zwischen Wallachen und Stuten vorgestellt.

Bezüglich der Sozialstruktur sind neben der Freundschaft einzelner Pferde, die im Folgenden nachgewiesen und bewertet wird, weitere Bereiche zu diskutieren.

Die Rangfolge, welche auf der Basis des Defensionsindex (DI) erstellt wurde, zeigte zwischen den möglichen Vergleichen der untersuchten Zeiträume T1 bis T4 einen starken statistischen Zusammenhang (s. Tab. 24). Dies bedeutet, dass die Pferde überzufällig häufig in den verschiedenen Zeiträumen unter verschiedenen Umständen gleiche oder ähnliche Rangplätze einnahmen, was für ein hohes Maß an Beständigkeit bezüglich der Rangfolge spricht. Eine Ausnahme bilden lediglich die Werte des DI in T1 im Vergleich zu den Werten des DI in T3. Hier ist kein statistischer Zusammenhang nachweisbar.

Die Abweichung der Werte bei dem Vergleich von T1 und T3 (Gruppe 2) taucht ebenfalls bei der Betrachtung der Werte des Aggressionsindex (AI) und des

Soziopositiven Index (SPI) auf. Sie ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass es durch das harmonische Verhalten der Pferde im Zeitraum T3, also bei der Haltung bei halbierter Gruppengröße, zu einer extrem geringen Anzahl an agonistischen Interaktionen kam. Dadurch war der Anfall an auswertbaren Daten entsprechend gering. Durch diese geringe Varianz kann es bei geringen Abweichungen zu großen Schwankungen im Gesamtergebnis kommen, daher sind die Ergebnisse aus T3 weniger aussagekräftig, als die der Zeiträume T1, T2 und T4. Die beiden Untergruppen wiesen eine gleichmäßige Verteilung der befreundeten Pferde auf, so dass die abweichenden Werte im Zeitraum T3 nicht auf eine asymmetrische Trennung von bevorzugten Partnern zurückzuführen sind.

Der Social Tension Index (STI) wies ebenfalls einen signifikanten bis hochsignifikanten statistischen Zusammenhang der einzelnen Werte in den verschiedenen Zeiträumen auf (s. Tab. 20). Dadurch wurde ein relativ konstantes Muster des agonistischen Verhaltens der Einzelpferde nachgewiesen. Man kann also allgemein von einem relativ stabilen Sozialgefüge auch während der Teilung und der erneuten Zusammenführung oder dem Zustellen eines weiteren Pferdes bei der beobachteten Herde Islandpferde sprechen.

Weiterhin zeigte der Aggressionsindex (AI) einen signifikanten bis hochsignifikanten statistischen Zusammenhang der Einzelwerte in den vier Beobachtungszeiträumen (s. Tab. 13). Eine Ausnahme war hier wiederum der Vergleich der Werte im Zeitraum T1 mit denen des Zeitraums T3. Dies lässt sich wiederum durch die geringe Zahl auswertbarer Daten und die dadurch bedingte hohe Schwankungsbreite erklären.

Am Beginn des Zeitraumes T2 wurde ein Pferd (Pferd 5) aus der Herde entfernt und ein anderes (Pferd 2) der Herde zugestellt. Trotz der Veränderung in der Zusammensetzung der Gruppe wurde ein hochsignifikanter Zusammenhang der Werte des jeweiligen DI zwischen den Zeiträumen T1 und T2 ermittelt. Auch dieses Ergebnis spricht für eine hohe Stabilität der Rangfolge. Bemerkenswert ist, dass der mittlere Aggressionsindex (AI) der Gesamtgruppe in diesem Zeitraum hochsignifikant absank (s. Tab. 14.1). Durch das Zustellen eines Pferdes zur etablierten Herde kam es also zu keinem allgemeinen Anstieg des Aggressionslevels. Statt dessen sank das mittlere Aggressionslevel sogar deutlich ab. Das eingeführte Pferd 2 hatte jedoch, betrachtet man die Einzelwerte, mit Abstand den höchsten AI-Wert der Gesamtgruppe (2,56). Ebenfalls wies es den höchsten SAI-Wert (1,6) und den höchsten STI-Wert (67) der Gesamtgruppe auf. Dies ist so zu interpretieren, dass das neue Pferd sich vermehrt Auseinandersetzungen stellen musste und selbst die höchste Aggressionsbereitschaft zeigte. Grund hierfür ist wahrscheinlich die zunächst ungeklärte Position des neuen Pferdes innerhalb der Gruppe. Der Aggressionsindex stieg ebenfalls bei den Pferden 1, 6 und 7 an, bei den restlichen Pferden jedoch fiel er ab. Die Pferde 1 und 6 belegten vor Eintritt von Pferd 2 in die Herde die Rangpositionen 1 und 4 (s. Tab. 23.1-23.4). Da Pferd 2 zügig die Rangposition 1 übernahm und sich dort auch bis zum Ende der Studie behauptete, war das Auftreten von vermehrten Konflikten zwischen den Pferden, welche die vorderen Rangplätze einnahmen zu erwarten. Pferd 15, welches im Zeitraum T1 den

Rangplatz 3 einnahm, entwickelte sich rasch zum bevorzugten Partner von Pferd 2 (s. Tab. 27.2) womit der fehlende Anstieg des AI bei ihm erklärbar wäre. Die Rangposition 2 war im Zeitraum T1 vom nun fehlenden Pferd 5 besetzt worden. Der Anstieg des AI von Pferd 7 ist mit der beginnenden Rosse dieser Stute zu erklären.

Der Soziopositive Index (SPI) weist bezüglich der Gesamtgruppe einen starken Zusammenhang zwischen T1 und T2 auf. Der Mittelwert stieg signifikant von 11,93 auf 19,14 an (s. Tab. 31). Dieser deutliche Anstieg der soziopositiven Aktionen kann als Reaktion auf die neue Gruppenzusammensetzung gewertet werden. Laut Zeitler-Feicht (2008) kann man von einem beruhigenden Effekt der sozialen Fellpflege auf die ausführenden Partner ausgehen. Der Berechnung des SPI lag die soziale Fellpflege neben Zusammenstehen und Sozialspiel zugrunde. Man kann also den Anstieg des SPI als Indikator für ein vermehrtes Bedürfnis der Pferde nach beruhigenden und stabilisierenden Interaktionen interpretieren. Dieses Bedürfnis wäre naheliegenderweise durch die Veränderung in der Gruppenzusammensetzung zu erklären.

Die Teilung der Herde in zwei Gruppen mit jeweils acht Tieren führte zu einer hochsignifikanten Abnahme des AI. Der Mittelwert fiel vom Zeitraum T2 zu T3 von 0,97 auf 0,47 (s. Tab. 14.2). Dies stellt eine sehr ausgeprägte Veränderung dar, wenn man bedenkt, dass der mittlere AI bereits von T1 zu T2 deutlich abgenommen hatte. Die beiden Untergruppen zeigten im Zeitraum T3 ein harmonisches Verhalten mit ausgesprochen wenig agonistischen Aktionen. Es ist nahe liegend, dies auf die deutlich kleinere Herde zurückzuführen. Das Ergebnis dieser Studie sollte besonders unter dem Aspekt, dass gerade Islandpferde in Deutschland oft in recht großen Herden gehalten werden da dies bisher als angemessen eingeschätzt wurde einer Validierung unterzogen werden.

Der SPI fiel im Gegensatz zu der Veränderung der Gruppenzusammensetzung (T1 zu T2) beim Vergleich von T2 zu T3 hochsignifikant ab (s. Tab. 31). Es kam also zu einem starken Abfall sämtlicher sozialen Interaktionen, sowohl der agonistischen, als auch der nicht-agonistischen bei der Reduktion der Gruppengröße. Das heißt, dass alle Herdenmitglieder weniger interagierten als in der größeren Gruppe. Wenn, wie oben vermutet, ein Anstieg der soziopositiven Aktionen als Anzeiger für ein gesteigertes Stresslevel der Herde angenommen wird, muss man hier das Gegenteil annehmen: Eine geringere Größe der Herde führt zu einem vermutlich geringeren Stressniveau der Islandpferde.

Bei der erneuten Zusammenführung der beiden Untergruppen in T4 fällt der hochsignifikante Zusammenhang der Rangfolge im Zeitraum T4 mit der Rangfolge zu den Zeitpunkten T1 und T2 auf (s. Tab. 24). Es zeigt sich also erneut eine deutliche Konstanz bezüglich der Sozialstruktur und der Rangordnung der Pferde.

Es kommt zu einem hochsignifikanten Anstieg des mittleren AI auf 1,30. Der Wert erreicht also fast wieder den Wert, den er im Zeitraum T1 einnahm (1,31). Der mittlere AI ist somit nach erneutem Zusammenführen der Gruppe mehr als doppelt so hoch wie zur Zeit der Trennung in zwei kleinere Herden. Gleichzeitig kommt es zu

einem geringen, unsignifikanten Anstieg des SPI. Dieser nur geringe Anstieg des SPI widerspricht einem Zusammenhang zwischen Stresslevel der Herde und dem Anstieg des Vorkommens soziopositiven Verhaltens der Gruppenmitglieder.

Demgegenüber wird jedoch die obige Annahme, dass in kleineren Gruppen von Islandpferden weniger Aggressionsverhalten auftritt als in größeren Herden, bestätigt.

Durch die einwöchige Trennung scheint es zudem nicht zu einer Auflösung der vorhandenen Ordnung gekommen zu sein. Die Islandpferde sind in der Lage, sich umgehend wieder in die soziale Struktur der Gesamtherde, die der Trennung vorausging, einzufügen.

Die soziopositiven Beziehungen Zusammenstehen, soziale Fellpflege und Sozialspiel wurden gewichtet und gemeinsam als soziopositive Aktionen (SPA) für jedes Pferd zu jedem anderen Mitglied der Herde aufgezeigt (s. Tab. 27.1-27.17). Man kann diese Verhaltensweisen nach Wasilewski (2003) unter bestimmten Bedingungen als Indikatoren für „Freundschaft“ ansprechen, ohne eine unzulässige Vermenschlichung vorzunehmen:

„Freundschaft bezeichnet freiwillige und reziproke, nicht-sexuell motivierte, soziopositive Bindungen zwischen nicht-verwandten Individuen. Sie ist primär dyadisch und besitzt für beide Beteiligten einen subjektiven Wert. Die Freundschaftsbeziehung ist durch positiven Affekt ('Sympathie') gekennzeichnet und äußert sich in einer beständigen interindividuellen Präferenz.“ (Wasilewski 2003).

Eine affiliative Komponente im Sinne eines allgemeinen „Gesellungs- und Anschlussbedürfnisses“ ist bei unterschiedlichen Tierarten in verschiedenen Untersuchungen nachgewiesen worden (Syme u. Elphick 1982, Rushen 1986 und Romeyer u. Bouissou 1992 für Schafe; Adeyemo u. Heath 1982 sowie Hopster u.

Blokhuis 1994 für Rinder;, Pollard u. Littlejohn 1995 für Alpakas). Ein positiver Affekt im Sinne einer emotionalen Komponente ist jedoch bei den so genannten „non-human animals“ schwieriger zugänglich, da die Befindlichkeit aus dem Verhalten geschlossen werden muss. Um die Definition von Freundschaft nach Wasilewski (2003) zu erfüllen, muss jedoch ein solcher positiver Affekt nachgewiesen werden.

Bei den untersuchten Islandpferden ist die Freiwilligkeit durch die vorhandene Auswahl an verschiedenen Sozialpartnern anzunehmen. Der subjektive Wert der Freundschaft ist durch den Aufwand an Zeit, Energie und Aufmerksamkeit, den das Aufrechterhalten der Beziehung erfordert, gegeben. Die Beständigkeit der Beziehungen ist durch die Dauer der Beobachtung gewährleistet und die Bekanntheit der verwandtschaftlichen Verhältnisse innerhalb der Herde ermöglicht einen Ausschluss dieser als Ursache für eine Beziehung. Bei kastrierten Tieren kann eine sexuelle Motivation nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Die große Anzahl an gleichgeschlechtlichen Assoziationen in der Herde lässt diesen Faktor jedoch als vernachlässigbar erscheinen. Räumliche Nähe wird bei vielen Autoren als Indikator für einen positiven Affekt genutzt (Kummer 1971, McBride 1976, Ralston 1977, Crowell-Davis 1986, Heuschkel et al. 1999, Wasilewski 2003). Hierbei dient die Häufigkeit von räumlicher Nähe und soziopositiven Interaktionen als quantitativer Indikator, welcher laut Ralston (1977) direkt als Maß für die Stärke der Beziehung herangezogen werden kann. In der untersuchten Gruppe konnte eine deutliche

Differenzierung der Assoziationsstärke zwischen den einzelnen Herdenmitgliedern nachgewiesen werden (s. Tab. 27.1-27.17). Als Maß dienten die gewichteten soziopositiven Aktionen (SPA). Überzufällig waren Werte größer 34. Bei der untersuchten Herde konnte man bei sechs Pferden zwei bevorzugte Partner ausmachen, bei acht Pferden jeweils einen bevorzugten Partner und bei zwei Pferden keine überzufällig häufigen Kontakte. Die Maximalwerte der einzelnen Pferde lagen dabei zwischen 19 und 76, sie nahmen also eine große Bandbreite an positiven Interaktionen ein.

Berücksichtigt man diese Begebenheiten, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass in der untersuchten Herde „Freundschaften“ zwischen einzelnen Individuen nachweisbar waren, wobei diese sich auf entweder ein oder zwei bevorzugte Partner erstreckten. Keine der bevorzugten Partnerschaften war gemischtgeschlechtlich. Es konnten sechs Wallach-Wallach Beziehungen und fünf Stute-Stute Beziehungen festgestellt werden.

Zum Ethogramm, welches anhand der Literatur erstellt wurde (s. Kap. 2.2), lassen sich verschiedene Aspekte ergänzen:

Zahlreiche Verhaltensweisen, die in der herangezogenen Literatur bei Stuten und/oder Hengsten beschrieben wurden, konnten im Beobachtungszeitraum auch bei Wallachen dokumentiert werden. Diese sind im Einzelnen im Kapitel 4.2 aufgeführt.

Zu den bei den Stuten beobachteten Verhaltensweisen, die noch nicht beschrieben waren, zählen sowohl offensives wie defensives Aggressionsverhalten als auch Elemente des nicht-agonsitischen Verhaltens: Drängeln (aggressiv und defensiv), Drohschwingen (defensiv), Folgen, Intervention, Kopfauflegen, olfaktorische Untersuchung, Putzgesicht, Scharren und Schnauben.

Zum Verhaltenselement Intervention ist anzumerken, dass in beiden beobachteten Fällen einer Intervention das intervenierende Pferd einerseits mit einem der beiden Konfliktpartner eine starke soziopositive Beziehung hatte, andererseits mit dem anderen Konfliktpartner ebenfalls eine soziopositive Beziehung hatte, wenn auch eine deutlich schwächere. Es wäre interessant, näher zu untersuchen, ob die betroffenen Pferde intervenieren, um das Pferd, mit dem sie eine starke soziopositive Beziehung haben, zu schützen, oder ob das Verhalten eher als Aufmerksamkeit fordernde Geste zu werten ist, da es hier nur auftrat, wenn auch zum anderen Pferd eine positive Beziehung existierte. Wegen der geringen Fallzahl ist dies jedoch in dieser Studie nicht ausreichend eindeutig zu beantworten.

Bei zwei Wallachen kam es im Beobachtungszeitraum T1 zur Koprophagie. Die Koprophagie wird in der Literatur bisher überwiegend als Element der natürlichen Entwicklung der Fohlen beschrieben. Sie tritt ab der ersten Lebenswoche auf und ist laut Crowell-Davis und Houpt (1985) am häufigsten in den ersten beiden Lebensmonaten zu beobachten. Laut McDonell (2003) tritt es jedoch bei erwachsenen Pferden nur bei generellem Rohfaser- oder Futtermangel auf. Bei der hier beobachteten Herde hingegen sind Rohfaser- oder Futtermangel auszuschließen. Die beobachtete Koprophagie trat in beiden Fällen im

Zusammenhang mit dem Beschnüffeln von Kot auf. Die Pferde nahmen zwei- bis dreimal pro Sequenz eine kleine Menge Kot auf, kauten diese und schluckten dann ab. Es ist zu vermuten, dass die kleine Menge Kot, welche aufgenommen wurde, und der gute Futterzustand der Pferde eher auf einen Zusammenhang mit der Gewinnung von Informationen hindeuten könnten.

Krüger (2007) beschreibt das Leerkauen in Verbindung mit der „round-pen technique“, wobei sie darauf hinweist, dass das Verhalten seinen Ursprung in der Unterlegenheitsgebärde der Jungpferde als submissive Geste haben könnte. Sie unterteilt das Verhalten in das eigentliche Leerkauen und das Lecken als eigenständiges Signal. Sie gibt jedoch zugleich zu bedenken, dass das Lecken eventuell zusammen mit dem Leerkauen aufgetreten ist, jedoch von ihr nicht beobachtet werden konnte, da sie dies beim galoppierenden Pferd übersehen haben könnte. Ebenso spricht Roberts das Leerkauen und Lecken laut Farmer-Dougan und Dougan (1999) als mögliche submissive Geste an.

In der vorliegenden Studie kann eine solche Zuordnung des Leerkauens als submissive Geste nicht bestätigt werden, da das Leerkauen in einer Reihe verschiedener Situationen auftrat: Leerkauen trat sowohl in Stresssituationen (Aggression und Defension), in entspanntem Zustand (alleine/entspannt, Selbstputzen, soziale Fellpflege) als auch beim Kot beschnüffeln und der olfaktorischen Untersuchung anderer Pferde auf (vgl. Kap. 4.2.1). Weiterhin wurde es nach Gähnen und Flehmen und beim Sozialspiel gezeigt. Dieser Befund widerspricht daher den beiden genannten Studien.

Insgesamt fällt bei der Betrachtung der Häufigkeiten der Verhaltensweisen des Ethogramms auf, wie deutlich die visuellen Kommunikationssignale gegenüber den akustischen überwogen. Haptische Signale traten oft in Verbindung mit visuellen auf.

Die olfaktorische und gustatorische Kommunikation und die Verständigung per Vomeronasalorgan waren aufgrund der Beobachtungsmethodik nicht nachweisbar und daher nicht beurteilbar.

Zum dritten Aspekt dem Gruppenvergleich zwischen Stuten und Wallachen lassen sich bei dieser Herde gewisse Unterschiede im Verhalten feststellen:

Im Mittelwert nehmen die Stuten eher einen niedrigeren Rang (ermittelt nach DI) ein als die Wallache. Überzufällig sind die Ergebnisse jedoch nur im Zeitraum T2 (s. Tab.

26).

Die beobachteten Stuten haben tendenziell auch eher einen niedrigeren Aggressionsindex (AI) als die Wallache, jedoch sind hier die Unterschiede nur im Zeitraum T2 und T3 signifikant (s. Tab. 15). Bei der Betrachtung des spezifischen Aggressionsindex (SAI), der ja im Gegensatz zum Aggressionsindex eine Gewichtung hinsichtlich der Anzahl der verschiedenen Herdenmitglieder, gegen die eine Aggression gezeigt wurde, beinhaltet, lässt sich allerdings kein Unterschied im Aggressionsverhalten der Gruppen mehr feststellen (s. Tab. 18). Das bedeutet, dass das aggressive Verhalten von Wallachen scheinbar gegen eine kleinere Anzahl verschiedener Opponenten gerichtet ist. Die Stuten hingegen sind zwar generell etwas weniger aggressiv, zeigen das aggressive Verhalten jedoch gegenüber einer

höheren Zahl an Herdenmitgliedern.

Soziopositive Verhaltensweisen wurden nach der Analyse des SPI von Wallachen tendenziell häufiger gezeigt als von den Stuten, überzufällig sind auch hier nur die Werte im Zeitraum T2 (s. Tab. 32). Der höhere AI und SPI der Wallache im Zeitraum T2 muss aber nicht durch ein geschlechtsspezifisches Verhalten bedingt sein. In diesem Zeitraum kam es durch das neu zugestellte Pferd 2 zu vermehrten Auseinandersetzungen im Bereich der vorderen Rangplätze, welche von Platz 1 bis 6 von Wallachen belegt wurden. Auch dies könnte die gewonnenen Daten erklären.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Stabilität des Sozialgefüges der beobachteten Herde Islandpferde und die geringe Rate an agonistischen Auseinandersetzungen, auch bei Veränderungen in Form von Hinzufügen oder Wegnehmen eines Herdenmitglieds, oder der Trennung der Herdenmitglieder und ihrer erneuten Zusammenführung weitgehend erhalten blieb.

Dieses Resultat kann dazu beitragen, Ängste von Pferdebesitzern zu mildern, die Auseinandersetzungen und somit mögliche Verletzungen - ausgelöst durch eine veränderte Struktur innerhalb der Herde - für ihr Pferd befürchten.

Für Islandpferde zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass kurzfristige Veränderungen der Herdenzusammensetzung nicht zu einem starken Anstieg der Aggressionen und der agonistischen Auseinandersetzungen führen müssen.

Bezüglich der Herdengröße wäre es interessant herauszufinden, ab welcher Anzahl Herdenmitglieder der Aggressionsindex signifikant ansteigt, um eine Empfehlung bezüglich der Herdengröße aussprechen zu können. Der starke Rückgang der agonistischen Aktionen bei der Teilung der Gruppe spricht dafür, dass in dieser Hinsicht noch Erkenntnisbedarf besteht.

Die Sozialstruktur konnte anhand der offensiv aggressiven Verhaltensweisen, der defensiv aggressiven Verhaltensweisen und der nicht-agonistischen

Verhaltensweisen dargestellt werden. Dies geschah unter anderem durch die Zuhilfenahme der neu eingeführten Indices DI, SPA und SPI, welche sich als gut anwendbar und aussagekräftig erwiesen.

In der untersuchten Herde konnte die Existenz bevorzugter Partnerschaften nachgewiesen werden. Sie waren durchweg gleichgeschlechtlich.

6 Zusammenfassung

Christine Fabritius: Sozialstruktur einer Herde Islandpferde bei Veränderung der Gruppenzusammenstellung

In der vorliegenden Arbeit wurde eine Herde von 16 Islandpferden in Gruppenhaltung im Offenstall über einen Zeitraum von 102 Tagen beobachtet. Ihnen stand ein Areal von 1500 qm zur Verfügung. Die Herde bestand aus acht Stuten und acht Wallachen im Alter zwischen fünf und 22 Jahren. Nach der Feststellung der Hauptaktivitätszeiten wurde das Verhalten der Tiere während dieser Zeiträume per Focus-Tier Methode mit der Videokamera für insgesamt 91,2 h aufgezeichnet und anschließend wurden die beobachteten Verhaltenselemente des Sozialverhaltens anhand eines nach der Literatur angefertigten Ethogramms protokolliert und ausgewertet.

Ziel der Arbeit war es, Veränderungen der sozialen Struktur der Herde nach dem Zustellen eines Pferdes und der Entfernung eines anderen Pferdes sowie vor und nach der Teilung der Pferde in zwei Gruppen zu beobachten und zu dokumentieren.

Dabei sollte das Augenmerk sowohl auf agonistische, als auch auf soziopositive Verhaltenselemente gerichtet werden. Hierfür wurden verschiedene Indices berechnet und verglichen, die bereits in anderen Studien zum Einsatz kamen, wie der Aggressionsindex (AI), der Spezifische Aggressionsindex (SAI) und der Social Tension Index (STI). Um die Veränderungen in der Sozialstruktur auszuwerten wurde eine Rangfolge auf Grund eines neu eingeführten Index, dem Defensionsindex (DI), erstellt. Dieser Index beruht im Gegensatz zu den üblichen aggressionsbasierenden Indices auf dem Verhalten Meiden als gut beobachtbarem und eindeutigem Verhaltenselement der Anerkennung des höheren sozialen Status des Anderen.

Weitere neu eingeführte Indices waren die Summe der gewichteten Soziopositiven Aktionen (SPA) und der Soziopositive Index (SPI), welcher den SPA in Bezug zur Anzahl an Partnern und Beobachtungszeit setzt.

Insgesamt konnte ein starker Zusammenhang der Struktur der Herde über sämtliche Veränderungen hinweg festgestellt werden. Das Zustellen eines neuen Pferdes bei gleichzeitigem Herausnehmen eines Herdenmitglieds führte zu einem hochsignifikanten Abfall des mittleren Aggressionsindex (AI) der gesamten Herde bei einem gleichzeitigen hochsignifikanten Anstieg des Soziopositiven Index (SPI). Es kam also zu einer deutlichen Zunahme der soziopositiven Aktionen. Bei der Teilung der Herde in zwei Gruppen nahm der AI hochsignifikant ab, in diesem Zeitraum fiel jedoch auch der SPI hochsignifikant ab. Es traten insgesamt sehr wenig agonistische als auch nicht-agonistische Verhaltenselemente in der Zeit auf, in der die Herdengröße auf jeweils acht reduziert war. Die erneute Zusammenstellung der

Insgesamt konnte ein starker Zusammenhang der Struktur der Herde über sämtliche Veränderungen hinweg festgestellt werden. Das Zustellen eines neuen Pferdes bei gleichzeitigem Herausnehmen eines Herdenmitglieds führte zu einem hochsignifikanten Abfall des mittleren Aggressionsindex (AI) der gesamten Herde bei einem gleichzeitigen hochsignifikanten Anstieg des Soziopositiven Index (SPI). Es kam also zu einer deutlichen Zunahme der soziopositiven Aktionen. Bei der Teilung der Herde in zwei Gruppen nahm der AI hochsignifikant ab, in diesem Zeitraum fiel jedoch auch der SPI hochsignifikant ab. Es traten insgesamt sehr wenig agonistische als auch nicht-agonistische Verhaltenselemente in der Zeit auf, in der die Herdengröße auf jeweils acht reduziert war. Die erneute Zusammenstellung der