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Generelle Analyse dynamischer Effekte

1 Hintergrund und Fragestellung

3.3 Verteilungswirkungen

3.3.1 Generelle Analyse dynamischer Effekte

Vereinfacht lassen sich Umlagen, die zum Ziel haben, bestimmte Kosten durch eine bestimmte Verbrauchergruppen zu refinanzieren, wie folgt beschreiben:

spezifische Umlage = umzulegende Kosten / umlagerelevanten Verbrauch

Die je Verbrauchseinheit (kWh Strom) erhobene spezifische Umlage ergibt sich aus der Höhe der insgesamt umzulegenden Kosten geteilt durch die Summe der für die Umlage insgesamt heranzuziehenden (nicht-privilegierten) Verbrauchseinheiten. Ei-generzeugter Strom zählt (zumindest teilweise) zu den privilegierten Verbrauchseinhei-ten, d. h. hierauf wird keine Umlage erhoben.

Eigenerzeugung verändert somit in der obenstehenden Formel den „Nenner“, da sich der umlagerelevante Verbrauch verändert. Zwar hängt die genaue Wirkung vom kon-kreten Umlagemechanismus ab, im Grundsatz ist die Wirkrichtung aber eindeutig: Die Eigenerzeugung verkleinert den Nenner und erhöht somit die spezifische Umlage für die nicht eigenerzeugten und damit nicht-privilegierten Strommengen.

Ggf. kann die Eigenerzeugung auch den „Zähler“, d. h. die umzulegenden Kosten ver-ändern. Hierbei ist die Wirkrichtung aber nicht eindeutig und hängt einerseits von der

Umlage und den jeweils betrachteten Kosten (z. B. Netzkosten oder EE-Förderkosten) ab und andererseits davon, welche Eigenerzeugungsanlagen konkret angereizt wer-den. Der Zähler kann sich sowohl vergrößern, wenn in Folge der Eigenerzeugung die umzulegenden Kosten steigen, als auch verkleinern. Nur in letzterem Fall könnte es in der Überlagerung eines kleiner werdenden Zählers und eines eindeutig kleiner wer-denden Nenners dazu kommen, dass die spezifische Umlage für die nicht-privilegierten Verbraucher nicht steigt und ggf. sinkt. In den Abschnitten 3.3.2 und 3.3.3 werden die konkret zu erwartenden Wirkungen auf Zähler und Nenner jeweils im Detail analysiert.

Für den wahrscheinlicheren Fall, dass es in Folge der Eigenerzeugung zu einem An-stieg der spezifischen Umlage für den nicht-privilegierten Verbrauch (Fremdbezug) kommt – häufig wird dann von einer Entsolidarisierung gesprochen – kann dies einen dynamischen, selbstverstärkenden Effekt auslösen, da damit die relative Vorteilhaftig-keit der Eigenerzeugung gegenüber dem Fremdbezug zunimmt. Sollte hierdurch weite-re Eigenerzeugung angeweite-reizt werden, so verstärkt sich dieser Effekt weiter.

Diese Dynamik wird nachfolgend an einem stark vereinfachten Beispiel näher analy-siert. Das Beispiel basiert auf folgenden Annahmen:

 Durch die Umlage sind nicht veränderliche Kosten von x umzulegen (z. B. Netzkos-ten, die von der Menge an Eigenerzeugung nicht beeinflusst werden).

 Der umlagerelevante Verbrauch ergibt sich aus der Summe der Einzelbeiträge yi der jeweiligen Umlagezahler, mit i Gruppe der nicht-privilegierten Umlagezahler (yi z.

B. Netzbezug von Umlagezahler j).

 Alle Umlagezahler starten zunächst mit gleichem yi .

 Die von einem Umlagezahler j zu zahlende Umlage beträgt dann:

 Betrachtet wird nun der Fall, dass die Umlagezahler die Möglichkeit haben, für einen bestimmten Betrag (bspw. Kosten der Eigenversorgung) ihr individuelles yi um einen bestimmten Faktor > 0 (bspw. Eigenerzeugungsquote) zu reduzieren (im Folgenden als „Entsolidarisierung“ bezeichnet).

 Dabei haben alle Umlagezahler grundsätzlich die Möglichkeit zur Entsolidarisierung.

 Die Kosten für die Entsolidarisierung sind für alle Umlagezahler gleich.

 Es ist nur eine Teilentsolidarisierung möglich (Entsolidarisierungsrate < 1).

 Die konkreten Zahlenwertannahmen sind wie folgt:

 Die umzulegenden Kosten x: 10.000 Geldeinheiten

 Anzahl Umlagezahler: 100

yi ohne Entsolidarisierung: 100 Bezugseinheiten

yi nach Entsolidarsierung: 75 Bezugseinheiten

 Kosten für Teil-Entsolidarisierung: 20 Geldeinheiten

Nachfolgend erfolgt eine dynamische Betrachtung über mehrere „Runden“, wobei in jeder Runde ein Umlagezahler entscheiden kann, ob er sein yi zu den entsprechenden Kosten verringert. Ein Umlagezahler wird dies dann tun, wenn die Kosten k hierfür klei-ner sind als der Betrag, den er im Gegenzug an Umlage einsparen kann.

Abbildung 4 zeigt, wie sich die Höhe der Umlage und der Nutzen aus einer Teil-Entsolidarisierung über die betrachteten Runden entwickeln.

Abbildung 4 Darstellung der „Entsolidarisierungsdynamik“ anhand eines stark vereinfachten Beispiels

Es ist zu erkennen, dass die Teil-Entsolidarisierung in allen Runden und im zuneh-menden Maße aus einzelwirtschaftlicher Perspektive rational ist. Der selbstverstärken-de Effekt tritt also ein. Dies wird direkt an selbstverstärken-der schwarz-gestrichelten Linie ersichtlich (markiert mit ). Diese stellt den Nutzen des einzelnen Akteurs aus einer Teil-Entsolidarisierung zum Zeitpunkt seiner Entscheidung dar. Dieser Nutzen ergibt sich aus dem Vergleich der Umlage, die er ohne Teil-Entsolidarisierung zu zahlen hätte (rote Linie), mit der Höhe der Umlage, die er im Falle einer Teil-Entsolidarisierung zu zahlen hätte (dunkelblaue Linie) zuzüglich der Kosten für die Teil-Entsolidarisierung (durchgezogene schwarze Linie). Die hellblaue Linie stellt die Gesamtkosten eines teil-entsolidarisierten Akteurs dar (Summe aus dunkelblauer und schwarzer Linie). Die

0 für Umlagezahler, der sich in dieser Runde für Entsolidarsierung

„Runde“ / Anzahl (Anteil) entsolidarisierter Kunden Umlagenhöhe/

schwarz-gestrichelte Linie ist gerade die Differenz zwischen roter und hellblauer Linie und ist stets positiv, so dass sich die Entsolidarisierung stets lohnt und dies sogar in zunehmenden Maße. Dies entspricht dem oben bereits diskutierten selbstverstärken-den Effekt: Entscheiselbstverstärken-den sich einzelne Akteure für eine Entsolidarisierung, so wird diese immer attraktiver. Schließlich entscheiden sich im betrachteten Beispiel alle Akteure für die Entsolidarisierung.

Dabei ist allerdings die von den Akteuren zu zahlende absolute Umlage (Umlagej) vor und nach vollständiger Teil-Entsolidarisierung aller identisch, nämlich 100 Geldeinhei-ten ().34 Insgesamt, d. h. einschließlich der Kosten für die Entsolidarisierung, zahlt jeder Akteur allerdings mehr, nämlich 120 Geldeinheiten (), als in der Situation, in der sich keiner für eine Entsolidarisierung entschieden hätte (100 Geldeinheiten).

Der Zustand ohne Entsolidarisierung ist zumindest pareto-optimal (keine Verbesserung einzelner ohne Verschlechterung für andere), aber instabil, da einseitige Optimierung möglich ist. Der Zustand nach Runde 100 ist dann zwar stabil (Nash-Gleichgewicht), aber für alle Beteiligten schlechter als der Ausgangszustand (und somit nicht pareto-optimal). Die Situation stellt somit einen Fall des aus der Spieltheorie bekannten „Ge-fangen-Dilemmas“ dar.