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Belastung des Selbstverbrauchs mit zusätzlichen Abgaben

1 Hintergrund und Fragestellung

4.1 Maßnahmen, die finanzielle Anreize für Eigenversorgung

4.1.2 Belastung des Selbstverbrauchs mit zusätzlichen Abgaben

Als Alternative zu Maßnahmen, die den Strombezugspreis aus dem Netz reduzieren, können auch die Kosten des Selbstverbrauchs erhöht werden, indem der

46 Osterloh, in: Sachs, Grundgesetz, 6. Auflage 2011, Art. 3 Rn. 98 ff.; Kannengießer, in:

Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf, Grundgesetz, 12. Auflage 2011, Art 3 Rn 19; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Loseblatt Stand Dezember 2014, Art. 3 Rn. 310 ff.

47 BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2009 – I BvR 3076/08, NVwZ 2009, S. 1025, 1028, Rn. 56 (zur Zusammenfassung von Biomasseanlagen).

48 BVerfG, a.a.O., NVwZ 2009, S. 1025, 1030 Rn. 73.

49 BGH, Urteil vom 11. Juni 2003 – VIII ZR 160/02, NVwZ 2003, 1143, 1145 f.

brauch in höherem Maß als bisher mit Abgaben bzw. Umlagen belastet wird. Auch sol-che Maßnahmen führen zu einer Reduktion der Kostendifferenz zwissol-chen Eigenver-sorgung und Strombezug aus dem Netz und senken damit die finanzielle Attraktivität des Selbstverbrauchs.

Analog zur Reduktion des arbeitsbezogenen Strombezugspreises werden durch diese Maßnahme verzerrende Wirkungen bei Dispatch- und Investitionsentscheidungen im Hinblick auf Eigenversorgungsanlagen im Vergleich zu anderen Erzeugungsanlagen im Stromerzeugungssystem verringert. Bzgl. der Sektorkopplung ergeben sich keine posi-tiven Effekte, heute vorhandene Verzerrungen werden jedoch nicht verschärft.50 Der Vorteil im Vergleich zur Reduktion des arbeitsbezogenen Strombezugspreises liegt darin, dass Anreize zur Energieeinsparung im Strombereich erhalten bleiben51.

Zumindest bzgl. der Netzentgelte verursachen Akteure mit Selbstverbrauch keine Kos-teneinsparungen. Daher ist es fraglich, ob eine geringere Beteiligung an der Finanzie-rung der Netzkosten von einem Verbraucher mit anteiliger Eigenerzeugung gegenüber einem Verbraucher mit ausschließlichem Fremdstrombezug sachlich gerechtfertigt ist, wenn beide Verbraucher in gleichem Maße zur Versorgungsaufgabe des Netzes bei-tragen, d. h. die gleichen Netzkosten verursachen. Versteht man die Konzessionsab-gabe im weiteren Sinne als Teil der Netzkosten, dann gilt diese Aussage auch hierfür.

Im Hinblick auf die EEG-Umlage ist die Frage nach einer verursachungsgerechten Kostentragung (noch) schwieriger zu beantworten als bei den Netzentgelten. Grund-sätzlich sind verschiedene Interpretationen von Verursachungsgerechtigkeit im Zu-sammenhang mit der EEG-Umlage denkbar, die in unterschiedlichem Maße auch eine Belastung von eigenerzeugtem Strom mit der EEG-Umlage rechtfertigen könnten. Eine Teilbelastung des Selbstverbrauchs mit der EEG-Umlage im derzeitigen Ausmaß er-scheint daher jedenfalls vertretbar.

Die KWKG-Umlage ist deutlich geringer als die EEG-Umlage, auch wenn aufgrund des KWKG 2016 ein Anstieg zu erwarten ist. Daher bevorteilt eine Ausnahme für die „eige-ne“ Umlage PV-Eigenversorgunganlagen gegenüber KWK-Eigenversorgungsanlagen.

Ggf. könnte eine Belastung des Selbstverbrauchs mit beiden Umlagen sinnvoll sein.

50 Dies betrifft jedoch nur den fremdbezogenen, aber nicht den eigenerzeugten Strom. Bzgl.

der Eigenversorgungs-Sektorkopplung entstehen ggf. Verzerrungen.

51 Wie bereits im Abschnitt 4.1.1 beschrieben, kann je nach alternativer Finanzierung bei geringeren Abgaben aber der Anreiz zu Energieeffizienz im Wärme- oder Verkehrsbereich geringer ausfallen.

Die Ausnahmeregelungen bzgl. der Stromsteuer könnten dagegen zumindest für EE-Anlagen im Hinblick auf die ursprüngliche Intention dieser Steuer zu rechtfertigen sein.

Das Gesetz zielt darauf ab, Anreize zu schaffen, „vorhandene Energiesparpotentiale auszuschöpfen, erneuerbare Energie stärker auszubauen und energiesparende und ressourcenschonende Produkte und Produktionsverfahren zu entwickeln“. Belastet man Graustrom mit der Stromsteuer und eigenerzeugten EE-Strom nicht, so setzt dies Anreize für einen stärkeren Ausbau erneuerbarer Energien. Im Hinblick auf die fiskali-schen Ziele der Steuer erscheinen die Befreiungen jedoch diskussionswürdig.

Gegen eine Belastung des Selbstverbrauchs mit Umlagen und Abgaben könnten die möglichen Transaktionskosten für Messung und Kontrolle sprechen, insbesondere wenn, anders als bei der bisherigen Berechnung der EEG-Umlage, auch kleine Anla-gen einbezoAnla-gen werden. Für kleine AnlaAnla-gen, insbesondere BestandsanlaAnla-gen mit ge-ringen Resterzeugungsmengen dürften die Transaktionskosten jedenfalls keine völlig vernachlässigbare Größenordnung einnehmen, so dass bei Umsetzung einer solchen Maßnahme Kosten und Nutzen noch detaillierter gegeneinander abzuwägen wären.

Ein Ausschluss der Kleinanlagen würde jedenfalls dazu führen, dass ein für den (nicht industriellen) Selbstverbrauch bedeutendes Segment nicht adressiert wird. Eine Mes-sung des Selbstverbrauchs könnte zudem auch als Eingriff in die Privatsphäre interpre-tiert werden, was ggf. zu geringer Akzeptanz einer solchen Maßnahme führt. Dass eine solche Maßnahme ohne weiteres umsetzbar ist, zeigt jedoch der Umstand, dass zum einen in der Vergangenheit im Rahmen des EEG und im Rahmen des KWKG bis heute Selbstverbrauch vergütet und dazu auch gemessen wurde bzw. wird. Zum anderen ist eine Messung seit August 2014 auch nach § 61 Abs. 6 und 7 EEG 2014 erforderlich.

Ein Unterschied zu diesem Sachverhalt besteht jedoch darin, dass die Messung des Selbstverbrauchs, insbesondere bei zusätzlicher Vergütung, für den betroffenen Akteur vorteilhaft war. Im Fall einer Belastung des Selbstverbrauchs mit Abgaben ist dies an-ders. Vor Einführung entsprechender Maßnahmen sollte eine genaue Prüfung des notwendigen Aufwands und der juristischen und praktischen Umsetzbarkeit erfolgen.

Die Belastung des Selbstverbrauchs mit zusätzlichen Abgaben erhöht die System-dienlichkeit der Eigenversorgung, weil dadurch der Dispatch weniger stark verzerrt wird. Die Netze werden aufgrund der geringeren installierten Eigenversorgungsleistung tendenziell weniger belastet; falls die fehlenden Mengen durch andere Technologien oder Anlagen ersetzt werden, ist die Wirkung jedoch nur schwer abschätzbar. Bei den Akteuren mit Eigenversorgung sinken die Anreize für strombetriebene Wärmetechno-logien aufgrund der höheren Kosten für eigenerzeugten Strom. Die Erzeugungskosten werden nur indirekte beeinflusst, es ergeben sich keine Auswirkungen auf die Energie-effizienz. Verteilungswirkungen werden nur indirekt durch die Reduktion der Eigenver-sorgung reduziert.

Rechtliche Wertung

In rechtlicher Hinsicht kann abhängig von der Intensität der Belastung die Notwendig-keit bestehen, für bestehende Eigenversorgungen Übergangsregelungen vorzusehen.

Zwar besteht kein verfassungsrechtlich begründeter allgemeiner Bestandsschutz, der jegliche Änderungen verböte. Allerdings müssen Regelungen, die bereits begründete Rechtspositionen für die Zukunft minimieren, durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein.

Die Eingriffe müssen zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein und dürfen den Betroffenen – insbesondere – nicht übermäßig belasten.52 Bei der Belastung von Kleinanlagen ist für die Überwachung zudem gegebenenfalls die Unver-letzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG, zu beachten.

Nicht zu unterschätzen ist allerdings der Umstand, dass insbesondere in die Systema-tik der Belastung von Strommengen mit Netzentgelten und den netzgebundenen Um-lagen eingegriffen würde. In diese Systematik wären dann auch Strommengen einbe-zogen, die nicht durch ein Netz für die allgemeine Versorgung geleitet werden.