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GANS/NGEN

III. Sehwärmverlauf und Generationsverhältnisse

2. Generationsverhältnisse

a) Echte Generationen. Trotzdem 1 ps ty pographus von allen Borkenkäferarten-weitaus als größter Waldverderber betrachtet werden muß, herrschten lange Zeit die verschiedensten Auffassungen über seine Generationsverhältnisse. Esche ri c h schreibt darüber (3, S. 579) :

«Ueber die Generationsfrage des typographus ist viel dis~utiert und polemisiert worden. Während auf der einen Seite eine einjährige Generation als die Norm angesehen wurde, hielten andere an einer doppelten ·oder gar dreifachen Genera-tion fest. Die eingehenden Zuchtversuche und Beobachtungen von Pa u 1 y ( 1888), Nüßlin (1905), Hennings (1907) und Fuchs (1907) in Verbindung mit K noch es Studien übe~ den Regenerations- und Reifungsfraß, haben die Frage soweit geklärt, daß es heute keine prinzipiellen Zweifel mehr gibt.

Wir wissen heute, daß sowohl einfache und doppelte Generation vorkommt,

·und daß es vor allem Witterung und Klima sind, welche die Generationsfrage des typographus entscheiden. Unter einigermaßen normalen Verhältnissen in mitt-lerer Lage ist die d o p p e lt e Generation die Rege 1, und zwar mit ungefähr folgendem Verlauf:

Erstes Schwärmen: Mitte April bis Ende Mai.

Entwicklung bis zum gelben Jungkäfer: 5½ bis 6 Wochen.

Reifung des Jungkäfers (Ausdunklung, Aushärtung und Geschlechtsreife): 2 bis 3 Wochen, also Gesamtentwicklung vom Anflug des ersten Mutterkäfers bis zum Ausflug des ersten Jungkäfers 2 bis 2¼ Monate.

Beginn der zweiten Generation Ende Juni bis Ende Juli. Erscheinen der reifen Käfer der zweiten Generation Ende August bis Anfang Oktober ( die zweite Gene-ration, wenigstens die aus späten Eiern kommenden Individuen , entwickelt sich infolge der tieferen Temperaturen gewöhnlich etwas langsamer).

Unter sehr günstigen Bedingungen können auch die Jungkäfer der zweiten Generation noch ausfliegen , aber nicht um eine dritte Generation zu beginnen, sondern um anderswo zu überwintern (z. B. im Wurzelanlauf von Fichten, wo sie

~ich kurze, gebogene Gänge als Wintertquartier nagen).

Unter weniger günstigen Bedingungen (naßkalter August und September) kann J.ie Entwicklung der Brut so verzögert werden, daß sich nur ein Teil noch zu Jungkäfern entwickelt, während die Mehrzahl als Larven oder Pupp'en zur Ueber-winterung kommt.

Durch besonders ungünstige Witterungsverhältnisse kann der hier geschilderte Verlauf noch viel weiter beeinflußt werden. Vor allem durch ein kaltes, regneri-sches Frühjahr, wodurch das Schwärmen stark verzögert werden kann.»

Eigene Beo b acht u n gen : Da die Zahl der Generationen für die Bekämp-fungsmaßnahmen von großer Bedeutung ist, führten wir zur Abklärung der Genera-tionsverhältnisse in der Schweiz 1948 und 1949 an verschiedenen Orten Freiland-untersuchungen durch. Im Hürstwald , Staatswald Zürichberg und im Institutsgarten

der ETH verfolgten wir die Borkenkäferentwicklung an 60-250 cm langen Fichten-rugeln. Diese befanden sich in großen, aus dichtem Drahtnetz bestehenden Zwingern , so daß natürliche Verhältnisse herrschten. Je nach Entwicklungszustand wurden neue, unbefallene Stammabschnitte in die Käfige gelegt oder gestellt. In Uitikon, Gansingen und Cosciumo führten wir die Beobachtungen an Fangbäumen, Windwurf-fichten und stehenden Käferbäumen durch. Im Hürstwald wurde der Zwinger in der Halbschattenzone am Nordrand einer enenen Käferfläche von zirka 20 Aren auf-gestellt. Im Staatswald Zürichberg befand er sich mitten in der Schlagfläche von zirka 15 Aren auf sanft geneigtem, schattigem Nordhang. Die Zuchtrugel wurden hier durch zwei Buchen beschirmt. In unserem Institutsgarten stellten wir die Zucht-käfige zwischen weit auseinander gepflanzte 2 bis 3½ m hohe Lärchen und Föhren, so daß eine leichte Beschattung erzielt wurde. Im Frühjahr 1949 fällte man eine Schatten spendende Hagebuche, wodurch sich die Sonneneinwirkung etwas steigerte.

An den andern Kogtrollorten lagen die Fangbäume meistens in der Halbschattenzone am Rande der Käferflächen.

Aus folgender Tabelle ist die Borkenkäferentwicklung klar ersichtlich:

Tab.4 Luft-feuchtigkeit und die Lufttemperatur die Borkenkäf erentwicklung am stärksten beein-flussen. Sie ist aber auch von Rindentemperatur, Besonnung und Saftzustand abhängig.

Diese Faktoren variieren von Ort zu Ort, ja sogar von Stammpartie zu Stammpartie.

Es ist deshalb begreiflic~, daß die Dauer der Embryonalentwicklung, des Larven-, Puppen- und Jungkäferstadiums nicht konstant ist. So umfaßte z.B. 1948 die Ent-wicklungszeit vom Ei bis zum frisch geschlüpften, unreifen Jungkäfer in der I. Gene-ration 43--53 Tage, in der II. GeneGene-ration 36-52 Tage. Obschon Ende Mai bis An-fang Juni Jungkäfer vorhanden waren, wurde deren Ausflug durch die von Mitte Juni bis Ende Juli 1948 dauernde Schlechtwetterperiod _e stark verzögert. In dieser Zeit blieben die Jungkäfer länger als normal in der Rinde ihrer Brutbäume, den Bast durch Reifungsfraß vollständig zermullend. Bei der II. Generation ergaben sich wie-derum wesentliche Unterschiede. In dem schattigsten und am höchsten gelegenen Kontrollherd (Staatswald Zürichberg) konnten wir erst am 17. September den er-sten Jungkäfer feststellen, während an den übrigen Orten seit Ende August Jung, käfer vorhanden -waren. Diese übten fleißig Reifungsfraß . aus. Ab Mitte September verließen einzelne die Brutsysteme und bohrten sich in neue Rugel ein, ohne aber eine III. Generation zu begründen. Ein Teil wanderte auch in den Boden ab. So sah ich am 1. November 1948 in einem Käfig im Institutsgarten fünf typographus-Jungkäfer in Kältestarre auf dem Boden liegen. Einer hatte sogar einen 2,3 cm langen, gekrümmten, horizontal verlaufenden Gang zwischen der Gartenerde und der Fußlatte des Käfigs angelegt.

1948 kamen im schweizerischen Mittelland bis 600m ü.M. sicher zwei echte Generationen zur Ausbildung, während wir auf dem Uetliberg

(840 m ü. M.) infolge der Höhenlage und des rauhen Klimas nur eine echte und eine zahlenmäßig bedeutende Geschwistergeneration feststellten. Am 15. und 21. Oktober 1948 beobachteten wir dort dunkelbraune Jungkäfer der I. und der Geschwister-generation in durch Reifungsfraß stark zermullter Rinde. Larven und Puppen waren keine mehr vorhanden. Desgleichen fehlten Brutbilder einer II. Generation mit Eiern oder· Larven.

1949 erfolgte der Anflug und die erste Eiablage in den verschiedenen von uns kontrollierten Herden gleichzeitig, d. h. am 13. oder 14. April. Infolge vieler kalter, regnerischer Frühlingstage, vor allem im Mai, wurde die typographus-Entwicklung gegenüber 1948 merklich verzögert. Die ersten Jungkäfer stellten wir nach 56-67 , Tagen fest. Im Juni und Juli herrschte dafür fast ständig schönes und sehr warmes Wetter, so daß die Jungkäfer nach einem durchschnittlichen Reifungsfraß von 3---3½ Wochen ausflogen , um die II. Generation zu begründen. Der im Verhältnis zur letztjährigen Generationsentwicklung bestehende Rückstand wurde in einen - Vor-sprung von 1-1 ½ Wochen umgewandelt. Das weiterhin andauernd schöne Wetter för-derte die Brutentwicklung maßgeblich. Innerhalb von 29-38 Tagen erfolgte die Um-wandlung vom Ei bis zum frisch geschlüpften Jungkäfer. Im Institutsgarten fand ich am 1. August die ersten Jungkäfer der II. Generation , d. h. 25 Tage früher als letztes Jahr. Trotzdem ich frische, unbefallene Fichtenrugel in die Käfige stellte, hatten bis am 7. September erst drei Jungkäfer kurze Reifungsfraßgänge in diese angelegt. Am 29. August sah ich in zwei Käfigen total vier ockerfarbene Jungkäfer, die auf dem Boden umherkrabbelten. Die Genitaluntersuchungen ergaben, daß sie noch nicht ganz geschlechtsreif waren. Im'. Verlaufe der Monate September und Oktober bohrten sich

weitere Jungkäfer in die frischen Rugel ein, wo sie ausschließlich Reifungsfraß aus-übten. Es kam zu keiner Eiablage und somit auch nicht zu einer echten III. Generation.

Sicher ist, daß 1949 wiederum bis mindestens 600 m ü. M. zwei echte typographus-Generationen entstanden. In Schiers (Graubünden) stellte ich dagegen in einer Höhe von 1350 m ü. M. am 29./30. Juli 1949 in frisch gefällten Käferfichten zur Haupt-sache erst Puppen und gelbliche Käfer der I. Generation fest. Daneben fanden sich auch noch viele ausgewachsene Larven, sowohl von Ips typographus wie von Ips ami-tinus. Spätere Kontrollen ergaben, daß dort im laufenden Jahr nur eine Generation entstand. ·

Im Dürresommer 1947 hatte ich auf den Monti di Cosciumo ob Giornico (Tessin) Gelegenheit, die Entwicklung von zwei echten Generationen in einer Höhe von 1000 bis 1400 m ü. M. zu beobachten. Vermutlich erfolgte hier der erste Anflug, wie ein Jahr später, um den 20. April. Bis Ende Juli waren geschlechtsrejfe Käfer vorhanden, die sich in einige am 4. August vom Winde geworfene Fichten einbohrten. Bei stän-dig sehr warmem Wetter entwickelte sich die II. Generation rasch. Am 4. September fand ich die ersten Puppen ( 12 Stück). Einen Monat später waren in der Rinde massenhaft helle bis braune Jungkäfer im Reifungsfraß vorhanden. Teilweise hatten sie am 10. Oktober die Brutbäume schon verlassen und waren in den Boden abgewan-dert. Es wäre demnach möglich gewesen, daß im schweizerischen Mittelland infolge noch günstigerer Verhältnisse 1947 sogar 2½...:__3 Generationen zur Ausbildung ge-langten. Diese Auffassung wird dadurch bestärkt, daß wir im Spätherbst 1947 und im Winter 1947 /48 gegenüber früheren und späteren Beobachtungen auffallend viele überwinternde Puppen, z. T. noch Larven feststellten (Zürcher Oberland, Zürichberg, Hüntwangen, Farzin, Schaffhausen).

Auf Grund unserer Beobachtungen dürfen wir annehmen, daß im s c h w e i z er i-s chen Mitte 11 an d selbst unter relativ ungünstigen Bedingungen zwei e eh te typographus-Genera ti o nen pro Jahr entstehen.

b) Geschwistergenerationen

Lange Zeit herrschte die Auffassung, daß die Käfer nach erfolgter Eiablage, späte-stens aber zur Zeit des Puppenwiegenstadiums, in ihren Muttergängen zugrunde gehen. Knoche (13) war der erste, welcher die Langlebigkeit der Mutterkäfer, die wiederholte Brutfähigkeit derselben und die langsame Geschlechtsreifung der Jungkäfer (Reifungsfraß) eingehend beschrieb. Fuchs (4, S. 24) erbrachte 1907 auch für typographus den Beweis, daß die Mutterkäfer zweimal brüten können, d. h. daß von dem gleichen Weibchen eine echte und eine Geschwister-Generation erzeugt werden kann. Er beobachtete auch, daß zweimal brütende Käfer bis zu 20 Monate alt wurden.

Eigene Beobachtungen: Ab Mitte Mai 1948 verließen in den schweizeri-schen· typographus-Herden viele Altkäfer nach erfolgter erster Eiablage die Fang-bäume. Soweit keine Fangbäume der zweiten Serie bereit lagen, erfolgte ein Neu-befall stehender Fichten, in denen die Käfer meistens sofort zur Gründung einer

Ge s eh w i s te r brut schritten. Diese erste Geschwistergen_eration trat 1948 im gan-zen schweizerischen Mittelland stark in Erscheinung. Sie hätte eine zweite Jahres-generation vortäuschen können, wenn man nicht die Farbe der Altkäfer, das Befalls-bild und den Entwicklungszustand der I. Generation berücksichtigt hätte.

Die Geschwisterbruten charakterisieren sich durch die kürzeren und oft ge-krümmten Muttergänge (Ku~stdrucktafel, Rückseite; Abb. 31), welche meistens nicht aus einer Paarungskammer, sondern direkt vom Einbohrloch oder von -kurzen Rei-fungsfraßgängen (Regenerationsfraß) aus entspringen. Die Zahl der Larvengänge ist auffallend geringer als in normalen Brutbildern echter Generationen. Zuweilen entspringen nur 2 oder 3, öfters 12 bis 20, selten mehr als 30 Larvengänge von einem Muttergang. Man könnte demnach das Brutbild der Geschwistergeneration definieren als Reifungsfraß weiblicher Altkäfer _mit unregelmäßiger Eiablage, ohne daß sich daran männliche Altkäfer beteiligen müssen. Solche Brutbild~r · treten am häufigsten dort auf, wo beim Entrinden von Fangbäumen oder frisch gefällten Käferfichten ein Teil der Altkäfer entweichen kann. ·

.Auch vön der II. Generation stellten wir im Hürstwald im September und Oktober 1948 no~h einige Geschwisterbruten fest. Diese traten aber zahlenmäßig wenig in Erscheinung.

Im Frühjahr 1949 traten wieder Geschwisterbruten der I. Generation auf. Da man in diesem Jahr an den meisten Orten die Fangbäume der ersten Serie im Gegensatz zu 1948 rechtzeitig entrindete, waren sie viel seltener als 1948. Es handelte sich im Hürstwald, in Uitikon, Gansingen usw. vorwiegend um solche Altkäfer, die bei der Entrindung der Fangbäume entwischen konnten. Bei Zuchtversuchen im Instituts-garten beobachtete ich von der II. Generation 1949 nur zwei Geschwisterbruten. In Gansingen, Dättwil und Uitikon war ein weiteres Verfolgen der typographus-Ent:

wicklung nicht mehr möglich, da inzwischen mit mehreren Fangbaumserien die Käfer vernichtet wurden. Mutterkäfer, die dreimal brüteten, beobachteten wir keine. Fast immer verenden: die Altkäfer nach erfolgter Eiablage in den Gängen der Geschwister-bruten.

Die Tatsache, daß im gleichen Herd nebeneinander Larven, Puppen und Käfer der echten und der Geschwistergeneration vorkommen können, läßt die Schwierig-keiten erkennen, welche sich in der Praxis der richtigen Deutung der Generations-verhältnisse von 1 ps ty pographus entgegenstellen. Es ist deshalb begreifli eh, daß lange Zeit keine Klarheit über diese Fragen herrschte.