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GANS/NGEN

3. Der Darminhalt während der Ueberwinterung

Bei den Darmuntersuchungen gingen wu wie folgt vor: Dem Käfer wurden die Flügeldecken und die Flügel mittels einer Pincette abgetrennt. Dann wurde er in einem Tropfen physiologischer Kochsalzlösung auf einem Objektträger unter die Präparier-1 upe gebracht. Anschließend durchschnitten wir den Halsschild zwischen den Vorder-beinen und entfernten ihn, worauf der Kopf und das Abdomen mit einer Lanzettnadel seitlich aufgeschlitzt wurden . Nun konnte man mit zwei Präpariernadeln den Darm mit den Geschlechtsorganen freilegen.

Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen beschreiben wir vor-erst den Darmkanal von lps typographus.

Der Darm k an a 1 besteht aus drei genetisch verschiedenen Abschnitten , dem Vor-der-, Mittel- und Enddarm.

a) Vorderdarm ( Stomodaeum) . Dieser besteht aus dem Schlund, der Speiseröhre, dem Kropf und dem Kaumagen. Der Vorderdarm ist eine ektodermale Bildung. Sein Epithel ist von einer deutlichen, cuticularen Intima bekleidet, die sich im Kau-magen zum auffallenden Chitingerüst differenziert.

Abb. 26

\.~,,r. ___ Darmkanal von lps typographus

V..D. (nach Sedlaczek).

/(/77, - - V.D. Vorderdarm

M.D. Mitteldarm

Alll1. - - E.D. Enddarm

M.Gl. Mundgliedmaßen Sp. r. Speiseröhre

Kr. Kropf

Km. Kaumagen

Mm. Muskelmagen Bl. schl. Blindschläuche Div. Divertikelzone

B/.

sc/71. - Malp. Mal pighische

Schläuche M.IJ. Reet. Rectum (Kotblase)

EJJ.

Recl'. -

-b) Mitte 1 dar m (Mesenteron). Dieser gliedert sich in den Muskelmagen und den eigentlichen Mitteldarm, der vorne im Abdomen die sogenannte Mitteldarmschlinge beschreibt. Bei diesen Abschnitten handelt es sich um Regionen, die aus einem pri-mär einheitlichen Schlauch herausgebildet wurden, sich aber bezüglich Lumen und Anhänge unterscheiden. Das Mesenteron ist eine endodermale Bildung.

c) Enddarm (Proctodaeum). Dieser beginnt als ~chmales Rohr, dem sogenannten Dünndarm, welcher im Körper eine S-förmige Schleife beschreibt. Dann verbrei-tert sich der Enddarm auf mehr als das Doppelte, so das Rectum (Kotblase) bil-dend. Dieses ist durch ein kurzes, sich stark verjüngendes Darmstück mit dem Anus verbunden. Der Enddarm ist wie der Vorderdarm durch eine ektodermale Einstülpung entstanden. Im Proctodaeum ist deshalb auch wieder eine chitinöse Intima vorhanden. Besonders im letzten, sich stark verjüngenden' Enddarmstück treten die innern Chitinfalten gut sichtbar hervor.

N ü ß 1 in ( 18) hat bei vielen Borkenkäfern eingehende Darmmessungen vor-genommen. Für typographus gibt er folgende Verhältniszahlen an:

Darmlänge: Körperlänge ·

=

2,7 : 1

Vorder- und Mitteldarm : Enddarm

=

2 : 1

Auf Grund eigener Messungen erhielten wir übereinstimmende Werte. Dagegen mußten wir anhand zahlreicher Auszählungen bei den am Mitteldarm befindlichen Divertikeln eine Differenz zwischen den Angaben von Nüsslin und den von uns er-mittelten Zahlen feststellen. Nüsslin gibt als mittlere Zahl der Divertikel 38 Paar an.

Wir fanden dagegen, daß die Anzahl der Divertikel stark schwankt, nämlich von 27 bis 38 Stück pro Seite, und daß die Zahl der Divertikel auf beiden Seiten des Darmes nicht immer übereinstimmt. Die Differenz kann ausnahmsweise bis zu 4 Divertikel betragen , so daß man besser nicht von einer paarweisen Anordnung spricht.

Beschreibung verschiedener Darmregionen

Epi- und Hypopharynx verschmelzen an der tiefsten Stelle der Mundhöhle zum Pharynx (Schlund) . Dieser ist weiter als der anschließende Oesophagus. In den Pharynx münden die Speicheldrüsen, deren Sekret sowohl bei der Aufnahme der Nahrung wie bei deren Abbau wichtig ist. Der Uebergang vom Schlund zur Speise-röhre erfolgt allmählich.

Beim Oe so p h a g u s (Speiseröhre) sind die Chitinbildungen de'r Intima schwächer als im Pharynx. Hier überwiegen die Muskel- und Epithelgewebe. Die schlauchför-mige Speiseröhre , welche vom Nervenschlundring umfaßt wird, erweitert sich zum Kropf (Ing 1 u v i es). Dieser ist bei gleicher Länge zirka dreimal so breit wie die Speiseröhre. Im Innern des Kropfes befinden sich Chitinstacheln, die gegen das Darm-lumen und nach hinten gerichtet sind und die sich gegenseitig kreuzen. Im Kropf häuft sich bei den Ipiden die Nahrung an, bevor sie durch den Kaumagen in den Mittel-darm befördert wird.

Besondere Bedeutung ist dem Proventricul us (Kaumagen ) beizumessen. Dieser letzte Vorderdarmabschnitt unterscheidet sich sofort von den übrigen inneren Organen, da hier die Intima zu einem bräunlichen , auffallenden Chitingerüst umgewandelt ist.

Die Längsmuskeln ändern sich nicht, dagegen nehmen die parallel um das

Chitin-gerüst verlaufenden Quermuskeln an Länge bedeutend zu. Der Kaumagen besteht aus den 8 Kauapparaten, die symmetrisch angeordnet sind und im Querschnitt ein regel-mäßiges Achteck bilden. Jeder Kauapparat gliedert sich der Länge nach in den vor-deren Plattenteil und in den hinteren Ladenteil. Der Proventricul us liegt zwischen dem Kropf und dem Muskelmagen an der hinteren Grenze des Prothorax und reicht noch etwas in den Mesothorax hinein. (Abb. 27, Kunstdrucktafel, Vorderseite, und Textabb. 28).

Abb. 28

Einzelner Kauapparat von lps typographzts (nach Nüßlin).

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Lindemann (17) hat als erster die Wichtigkeit des Chitinskelettes des Kau-magens für phylogenetische Untersuchungen erkannt.

N ü ß l in (18) maß dem Proventricul us von allen chitinisierten inneren Organen (Penis bei den Männchen und Receptaculum seminis bei den Weibchen) den größten diagnostischen Wert für die Borkenkäfersystematik zu. So schrieb er u. a.: «Die Chitin-teile des Kaumagens sind vorwiegend morphologische Organe, welche infolge ihrer relativen Unabhängigkeit von den Lebensbedingungen für phylogenetisch-systema~

tische Beurteilungen · besonders wertvoll erscheinen müssen.» In seiner auf die Merk-male des Kaumagens basierenden, analytische:µ Tabelle der Gattungen charakterisiert er die Gattung I ps wie folgt: ·

1. Mit typischen Bürsten- und Sperrborsten.

2. Der Plattenteil bildet einen wohlentwickelten Bestandteil des Kauapparates.

3. Der Plattenteil ist paarig durch Halbierung in der Mediane.

4. Der Plattenteil besonders kräftig und auf der Fläche glatt und homogen chitinisiert.

5. Die medianen Ränder der Platten nicht oder nur vorne divergierend, dieselben parallel und mit dem vorderen Rand meist etwa einen rechten Winkel bildend.

6. Platten niemals in der Mediane bürstenwärts eingebuchtet. Der intermediane Plat-tenrand daher nach vorne nicht vorragend.

7. Bürsten länger als die Sperrborsten.

8. Abdachungszähne als lange, nach hinten gerichtete Fortsätze, stark entwickelt, ebenso stets Hakenzähne und Sekundärsperrborsten. Kaubürsten ungefähr von der Länge der Kauplatten oder wenig länger.

Funktionen des Kaumagens

Aus der Tatsache, daß der Kaumagen im Larvenstadium fehlt, kann man schließen, daß er für die Zerkleinerung der Holz- und Rindennahrung nicht u n bedingt nötig ist. Der Proventriculus muß also in besonderer Beziehung zur Imago stehen. N ü ß 1 in ( 18) vergleicht das Chitinskelett des Kaumagens mit einem Korsett, das nur geringe Schwankungen im Querschnitt zuläßt. Er schreibt: «Durch eine solche, den Darm-inhalt regulierende und schützende Einrichtung werden die benachbarten zahlreichen Muskeln der Beine und Flügel ihre Bewegungen (Kontraktionen) ebenso ohne Be-lästigung des Darminhaltes ausführen können, wie anderseits diese vielseitigen Mus-keln in ihren Bewegungen nicht durch eventuelle, sonst leicht eintretende Ueberfül-lungen des betreffenden Darmteiles mit festen Inhaltskörpern gestört werden.»

Außerdem hat der Kauapparat die auf genommene feste Nahrung zurückzuhalten und diese durch seine siebartige Tätigkeit zu sortieren.

Während die Holzbrüter entsprechend ihrer Nahrung von allen Borkenkäfern die primitivsten Kaumagen-Apparate besitzen, sind diese bei lps typographus weitgehend spezialisiert. Die Muskulatur und die Chitinteile sind sehr stark entwickelt und las-sen auf eine bedeutende mechanische Funktion der Apparate schließen. Im allgemei-nen sind denn auch die Nahrungsbestandteile im Kropf größer, eckiger und gröber als nach dem Durchtritt durch den Kaumagen. Immerhin konnten wir unter der Prä-parierlupe feststellen, daß auch unzerkleinerte Bastsplitterchen durch den Proventri-culus in den Muskelmagen geschleust wurden. Das hintere Ende des Kaumagens ist in den vordersten, stark erweiterten Teil des Mitte 1 dar m es eingestülpt und durch eine rüsselartige Verengung mit dem Muskelmagen verbunden. Dieser ist stets mit Flüssigkeit blasenartig gefüllt, schrumpft aber beim Herauspräparieren bei der ge-ringsten Verletzung stark zusammen. Der Magen verläuft gerade und ist ohne An-hänge. Er geht dann allmählich in den dreimal so langen, aber bedeutend engeren eigentlichen Mitteldarm über, der durch das Vorhandensein von Blindschläuchen ge-kennzeichnet ist. Am vorderen Teil erkennt man fadenförmige Bildungen, die soge-nannten Drüsenschläuche, von denen nach Nüsslin im Mittel 8 Paar vorhanden sind.

Beidseitig der sogenannten Mitteldarmschlinge befinden sich die Divertikel. Dies sind kugelige Ausstülpungen, die bei prall gefülltem Darmtraktus ebenfalls Nahrungsbrei enthalten. Der hochkomplizierte Bau des Mitteldarmes ist eine Anpassung an die

sekundäre Lebensweise der Imagines, zwecks Ausnützung saftärmerer Rindenteile.

Während im Vorderdarm die Ver'dauung der Nahrung vorbereitet wird, erfolgt im Mitteldarm die Absorption der Nährstoffe. Der Speisebrei wird hier durch peristal-tische Bewegungen weiterbefördert.

An der Grenze zwischen Mittel- und Enddarm entspringen die sechs gleichartigen Malpighischen Gefäße. Diese sind lange, dünne, meist niit einer gelblichen Substanz gefüllte Schläuche, welche in vielen Windungen das Abdomen durchziehen. Ihre Auf-gabe besteht in der Exkretion der Stoff wechselschlacken.

Der S-förmig gewundene, in seinem Durchmesser variierende Enddarm stellt die Verbindung nach außen her. Hier werden dem Darminhalt keine Enzyme mehr . zugeführt. Die Verdauung wird im vordersten Enddarmteil durch die Abgabe der letzten Nährstoffe und durch die Bildung der Exkremente im Rectum beendigt.

Darmuntersuchungen bei den überwinternden Buchdruckern a) Bodenüberwinterer (1948 / 49)

Die vom 16. Dezember 1948 bis 26. Januar 1949 dauernde Untersuchung von 80 aus verschiedenen Herden stammende~ Bodenüberwinterern ergab, daß bei sämtlichen der Vorderdarm und der Muskelmagen völlig leer waren; Nur bei einem braunen, weiblichen Jungkäfer konnten wir in der Divertikelzone noch ganz geringe Spuren von Speisebrei feststellen. 32 der untersuchten Käfer hatten ebenfalls einen leeren Enddarm, während bei 21 Imagines im Enddarm die gelbliche Flüssigkeit aus den Malpighischen Gefäßen sichtbar war. Die restlichen 27 Exemplare wiesen im letzten Enddarmabschnitt Spuren von Kot, kleine Kotballen und ganz selten längliche, unter-brochene Kotstreifchen auf.

Zum Vergleich untersuchten wir vom 20. bis 25. Januar 1949 70 typographus, wel-che in Rindenstücklein im Boden eingebohrt waren. Von diesen hatten 62 Stück einen·

völlig leeren Vorder- und Mitteldarm. 6 wiesen in der Divertikelzone noch· Spuren von Nahrung auf und nur 2 besaßen einen gefüllten Darmtraktus. Der Enddarm war bei 29 Käfern leer. Bei 19 war etwas Malpighi-Flüssigkeit eingelagert und 22 Imagines hatten im Rectum . noch Kotrückstände.

b) Rindenüberwinterer (1948 / 49)

Die Untersuchung dieser Käfer wurde vom 18. Dezember 1948 bis 18. Februar 1949 vorgenommen. Von 170 in der Rinde stehender Fichten überwinternden «Buchdruckern»

hatten 156 einen völlig leeren Vorder- und Mitteldarm. 11 Käfer wiesen ir.t der Diver-tikelzone noch Speisereste auf. Bei 2 typographus war der Darmkanal vollständig gefüllt. Bei einem andern befanden sich im Kaumagen noch einige Bastsplitterchen.

Malpighi-Flüssigkeit war im Enddarm von 33 Käfern feststellbar, während dieser bei 54 typographus leer war. Das Rectum der übrigen Imagines enthielt zum Teil ganz geringe Exkremente.

Unsere Untersuchungen ergaben, daß die Käfer, von wenigen Ausnahmen abgese-hen, mit leerem Darmkanal überwintern.

Zur Abklärung, ob während der Kältestarre ein allmählicher Nahrungsabbau er-folgt, machten wir folgen den Versuch :

60 aus Reifungs- und Regenerationsfraß stammende Jung· und Altkäfer wurden in einer Glasschale am 22. Juni 1949 in den Eisschrank gebracht. Die Temperatur variierte während des Versuches von -7° bis -10° C. Alle 5 Tage wurden je 3 Alt-und 2 Jungkäfer zerlegt Alt-und der Darm herauspräpariert. Am 6. August erfolgte die letzte Kontrolle, nachher waren alle Käfer tot. Bei einzelnen konnten wir in der Speise-. röhre noch Nahrungsteilchen erkennen. Alle hatten einen prall gefüllten Kropf und

einen gut gefüllten Kaumagen. Verhältnismäßig am wenigsten Nahrung war im Mus-kelmagen vorhanden. Der eigentliche Mitteldarm (Divertikelzone) und der Enddarm enthielten durchgehend Speisebrei.

Es zeigte sich nun, daß die Verdauung während der Kältestarre unterbrochen wird.

Wir konnten keinen Abbau der Nahrung feststellen und fanden auch keine ausgeschie-denen Exkremente in der Glasschale.

Vergleichende Untersuchungen an typographus-Käfern, die wir mit prall gefüll-tem Darmkanal aus Fraßgängen entnahmen, und die wir bei Zimmertemperatur

(ca. 16-18° C) in einer Glasschale aufbewahrten, ergaben, daß die Nahrung schon in zwei Tagen abgebaut werden kann. Nach dieser Zeit waren zum mindesten der ganze Vorderdarm und der Muskelmagen leer. Vielfach fanden ~ich im Enddarm nur noch einige Kotspuren. Manchmal konnten aber auch noch in der Divertikelzone Nahrungsreste festgestellt werden.

Die Tatsache, daß fast alle «Buchdrucker» mit leerem Darm überwintern, läßt dar·

auf schließen, daß bei Boden- und Rindentemperaturen von über O

°

C die Verdauung wieder einsetzt, und daß so die eventuell noch im Darm befindliche Nahrung allmäh-lich abgebaut wird. Mit steigender Temperatur nimmt auch die Intensität des Gesamt·

stoffwechsels zu. Die weißen, reichlich vorhandenen imaginalen Fettkörper dienen dem Käfer als Reserve für den Stoffwechsel und ermöglichen ihm so, auch ohne wei-tere Nahrungsaufnahme zu überwintern. Wir konnten beobachten, daß während der Ueberwinterung ty pographus selbst bei Temperaturen von über 12

°

C keine Rinden-nahrung aufnahm. Wohl bewegten die Käfer schon bei

+

2

°

C ihre Gliedmaßen ganz schwach, doch scheinen auch vorübergehend höhere Temperaturen die «Buchdrucker»

nicht zum Fressen zu veranlassen. Im allgemeinen setzt die Nahrungsaufnahme erst wieder bei den im Frühjahr aus ihren Winterquartieren ausschwärmenden Käfern ein.