Phasen des Immobilienzyklus
4 LM-Discounter und ihre Investitionscharakteristika
4.5 Einzelobjekt und LM-Discounter
4.5.1 Gebäude- und Grundstücksmerkmale
LM-Discounterimmobilien zeichnen sich – wie innerhalb der Definition und der Diskussion zum Han-dels- bzw. Immobilienmarkt beschrieben – durch eine einfache, standardisierte und eingeschossige Bauweise aus (vgl. HYPZERT 2009, S.48). Wie detailliert der Standardisierungsgrad des Gebäudes ausgeprägt ist, veranschaulicht der Grundriss einer LM-Discounterimmobilie in Abbildung 4-11.
Abbildung 4-11: Beispiel für einen Gebäudegrundriss einer LM-Discounterimmobilie
Quelle: PENNY o.A.
Demnach sind der Grundriss und die Zufahrt des Gebäudes sowohl im Hinblick auf die Warenpräsen-tation als auch die Logistik sowohl innerhalb als auch außerhalb des Gebäudes – einfacher Zugang für LKWs zur Laderampe – optimiert. Die Verkaufsfläche orientiert sich, wie mehrfach erwähnt, in ihrem Mindestmaß an der Schwelle zur Großflächigkeit von 800 m² Verkaufsfläche, wobei i.d.R., falls bau-rechtlich zulässig, 1.000 bis 1.200 m² Verkaufsfläche seitens der LM-Discounter-Unternehmen ange-strebt werden. Diese Standardisierung des Gebäudes spiegelt sich auch in den Grundstücksanforde-rungen wider, welche in puncto Einzugsgebiet und Grundstücksfläche zwischen den einzelnen Anbie-tern des LM-Discounts kaum variieren. So sollte ein Standort idealerweise eine Grundstücksfläche von mind. 3.000 m² aufweisen, um mind. 70 kostenfreie, ebenerdige Parkplätze anbieten zu können (vgl. HYPZERT 2009, S.48). Alle wichtigen Gebäude sowie Grundstückanforderungen sind in Tabelle 4-3 in der Übersicht zusammengefasst.
Tabelle 4-3: Gebäude- und Grundstücksmerkmale einer LM-Discounterimmobilie Merkmal Ausprägung
Gebäude
eingeschossig
ebenerdig
einfacher Ausbaustandard
standardisierte Architektur
standardisierter Flächenzuschnitt für optimale Warenpräsentation
standardisierte Laderampe für optimale Warenanlieferung
Verkaufsfläche: mind. 800 bis 1.200 m²
standardisierte Kundenführung
kostenoptimierte Inhouse-Logistik
Grundstück mind. 3.000 m²
Mindeststellplatzanzahl (ebenerdig): 70 Quelle: Eigene Bearbeitung nach HYPZERT 2009 und eigener Recherche
4.5.2 Standortmerkmale
Objekte mit einem beschriebenen, die Grundstücksfläche absorbierendem Konzept sind zumeist nur an verkehrsorientierten bzw. verkehrs- und wohnortorientierten Standorten (vgl. HEINRITZ/KLEIN/POPP
2003, S.74) – insbesondere in Gewerbegebieten – mit einer hohen PKW-Frequenz an Ein- und Aus-fallstraßen sowie einer guten Visibilität und Anfahrbarkeit aus beiden Fahrtrichtungen umzusetzen.
Tabelle 4-4: Makro- und Mikrostandortanforderungen an LM-Discounterimmobilien Merkmal Ausprägung
Makrostandort Mindesteinwohnerpotenzial in Standortgemeinde: 4.000 Einwohner
Mindesteinwohnerpotenzial im Einzugsgebiet: 10.000 Einwohner
Mikrostandort
Lage an stark befahrener Ein- und Ausfallstraße (Verkehrs- und ggf.
Wohnortorientierung)
gute Sichtbarkeit
Anfahrbarkeit aus beiden Fahrtrichtungen
wenn möglich: Handelsagglomeration (vor allem LM-Vollsortiment und/oder Drogeriemarkt)
Quelle: Eigene Bearbeitung nach ALDI 2011; BERNREUTHER 2009, S.30; ECOSTRA 2010, S.57; HYPZERT
2009, S.48; NETTO 2011; NORMA 2011; ZEHNER 2003, S.6
Darüber hinaus werden zunehmend Verbundstandorte – für LM-Discounter speziell Handelsagglome-rationen – relevant, insbesondere in Standortgemeinschaft mit LM-Vollsortimentern67 und/oder Dro-geriemärkten. Neben diesen Mikrostandortanforderungen müssen gleichzeitig die
67 Anm.: Supermärkte mit über 800 m², Verbrauchermarkt und SB-Warenhaus (vgl. Kapitel 6.2.2)
gen auf übergeordneter Makroebene erfüllt sein, d.h. es muss ausreichend Umsatzpotenzial für einen Objektstandort vorhanden sein. I.d.R. wird hier ein Mindestmaß an Einwohner in der Standortgemein-de von 4.000 Einwohnern (vgl. NETTO 2011) bzw. von 10.000 Einwohnern im Einzugsgebiet (vgl. u.a.
ECOSTRA 2010, S.57) angegeben. Letzteres variiert für LM-Discounter in Abhängigkeit des räumli-chen Kontextes zwisräumli-chen 3 km bis 15 km.68 Die wichtigsten Makro- und Mikrostandortfaktoren sind in Tabelle 4-4 in der Übersicht abgebildet.
4.5.3 Investitionsmerkmale
Immobilieninvestoren sind – wie in Kapitel 2.2.3 und im dynamischen Handelsimmobilienteilmarkt-modell beschrieben (vgl. Abbildung 3-26) – daran interessiert, die Rendite und das Risiko einer Inves-tition in LM-Discounterimmobilien abzuschätzen. Als wichtigstes methodisches Werkzeug zur Beur-teilung der Vorteilhaftigkeit einer Immobilieninvestition hat sich in den letzten Jahren die DCF-Methodik – eine dynamische, endwertorientierte Kapitalwertmethode (vgl. ROPETER 2002, S.89) – sowohl in der Immobilienpraxis als auch in der -forschung etabliert (vgl. u.a. GELTNER ET AL. 2009, S.203). Deshalb orientiert sich die folgende Diskussion zu den charakteristischen Investitionsmerkma-len einer LM-Discounterimmobilie an den wichtigsten Parametern des DCF-Verfahrens69, wobei we-niger die Methodik an sich, als vielmehr die Inputparameter und deren Wirkung auf die Vorteilhaf-tigkeit und somit Attraktivität einer LM-Discounterimmobilieninvestition im Mittelpunkt der Diskus-sion stehen.
4.5.3.1 Kapitalwertmethode
Die DCF-Methodik versucht auf Grundlage der Ermittlung des Nettobarwertes sowie des internen Zinsfußes die Vorteilhaftigkeit einer Immobilieninvestition zu ermitteln. Hierzu werden die periodi-schen Einnahmen den Ausgaben gegenübergestellt und mittels Diskontierungszinssatzes auf den Be-wertungszeitpunkt abgezinst. Dieser Barwert wird den Anschaffungskosten gegenübergestellt. Speziell für Immobilien gilt es in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Zahlungsströme zu unterscheiden.
Erstens: Die periodischen Einnahmen und Ausgaben, wie z.B. Miete und Bewirtschaftungskosten.
Zweitens: Den Restwert bzw. Veräußerungserlös. Die Immobilienbewertung nach dem DCF-Verfahren, welche „lediglich“ den Barwert ermittelt, unterscheidet in der nicht-normierten
68 Anm.: Vgl. ANDERS/SEGERER/WALTHER 2013, S.56.
69 Anm.: Eine gute Übersicht zur Methodik des DCF-Verfahrens geben u.a. BAUM/CROSBY 2008; GELTNER ET AL. 2009;
HERSBERGER 2008. In den meisten deutschsprachigen Fachbüchern wird zwischen Immobilienbewertung und Immobilienin-vestitionsanalyse unterschieden. Grundsätzlich kommen hierbei die gleichen Methoden – zumeist Barwert orientiert – zum Einsatz. Die Ansätze unterscheiden sich hauptsächlich darin, dass in der nicht-normierten Investitionsbetrachtung Investo-renpräferenzen – Finanzierung, Laufzeit – berücksichtigt werden, wohingegen in der normierten Immobilienbewertung – Ermittlung des Verkehrswertes (= Marktwert) – ein „neutral“ am Markt zu erzielender Preis ermittelt wird. Da an dieser Stelle kein bestimmter Investor im Mittelpunkt der Betrachtung steht, sondern allgemeine, objektspezifische Investitions-merkmale der LM-Discounterimmobilie diskutiert werden, ist es sinnvoll, der „konservativen“ Sicht der Marktwertermittlung zu folgen.
enbewertung einen Zinssatz für den Prognosezeitraum und die Restwertphase (vgl. u.a.THOMAS 2011, S.811).
Tabelle 4-5: Cash-Flow Parameter nach gif-Richtlinien70 Gleichung 4.1 Gliederung Parameter
et Einnahmen
Miete
Verwaltungskostenumlage
Sondereinnahmen
at
Fehlende Einnahmen
Vermietungskostenzugeständnisse
Konjunktureller Leerstand
Struktureller Leerstand
Leerstand bei Mieterwechsel
Mietausfallwagnis
Instandhaltungskosten
Verwaltungskosten
Ausgaben Nicht umlegbare Betriebskosten
Instandsetzungs-/ und Modernisierungskosten
Mieterwechselkosten
i Zinssatz Diskontierungszinssatz
Mietanpassungsfaktoren
Rn Veräußerungserlös Rohertragsfaktor
a0 Investitionsausgabe
Kosten Grundstücksankauf
Baukosten
Gewinnzuschlag Diskussion im Rahmen allgemeiner objektspezifischer Merkmale Quelle: Eigene Bearbeitung nach ALTMEPPEN 2006 in BUßMANN 2012, S.39
Das normierte Verfahren nach § 17 Abs. 3 ImmoWertV verwendet dagegen einen einheitlichen Zins-satz (Liegenschaftszins) (vgl. THOMAS 2011, S.799). In der praxisorientierten gif-Richtlinie zur Marktwertermittlung mittels DCF-Verfahren wird ebenfalls ein einheitlicher Zinssatz empfohlen (vgl.
GIF 2006, A3). Diesem Ansatz wird auch an dieser Stelle gefolgt, wobei insgesamt bei der Berechnung des Nettobarwertes weniger die Rechenmethode die entscheidende Determinante des Ergebnisses dar-stellt, sondern vielmehr die gewählten Inputparameter. Denn nur realistische Annahmen zu Objekt und Markt können zu nachvollziehbaren sowie sinnvollen Ergebnissen führen und somit den typischen
70 Anm.: Das DCF-Verfahren nach GIF 2006 stellt die Grundlage für die Ermittlung des Verkehrswertes (=Marktwertes) einer Immobilie dar und berücksichtigt nicht individuelle Parameter eines Inverstors – z.B. die Finanzierungsstruktur. Gleichwohl stellt das Wissen über einen am Markt zu erzielenden Kaufpreis (=“neutraler“ Nettobarwert) das relevante Entscheidungskri-terium für die Investition in eine Immobilie dar.
„GIGO-Fehler“ – Garbage In, Garbage Out – bei der Immobilieninvestitionsbewertung vermeiden (GELTNER 2009, S.211). Unter Berücksichtigung dieser Grundannahmen lässt sich die Ermittlung des Nettobarwertes für Immobilieninvestitionen wie folgt darstellen (vgl. u.a. BONE-WINKEL ET AL. 2008b, S.644; ROTTKE 2011c, S.872):
∑ 4.1
NBW = Nettobarwert t = Zeitindex
et = laufende Einnahmen Rn = Veräußerungserlös am Ende der Nutzungsdauer
at = laufende Ausgaben n = Nutzungsdauer
i = Kalkulationszinsfuß a0 = Investitionsausgabe
Eine Investition A ist dann als absolut vorteilhaft einzuschätzen, falls sich ein Nettobarwert 0 ergibt, und relativ vorteilhaft gegenüber einer Alternativinvestition B, falls der Nettobarwert A Nettobarwert B ist. Ausgehend von dem in Gleichung 4.1 skizzierten DCF-Verfahren gilt es, in Anlehnung an die Richtlinie zur Standardisierung des DCF-Verfahrens der GIF 2006, die in Tabelle 4-5 abgebildeten, wichtigsten Cash-Flow Parameter (et, at und Rn) im Hinblick auf die Investitionsbewertung einer LM-Discounterimmobilie zu berücksichtigen. Zudem ist es für die Bewertung der Vorteilhaftigkeit ent-scheidend, die Erstellungskosten für eine LM-Discounterimmobilie (a0) adäquat abzubilden. Aufgrund der Besonderheit des standardisierten Betriebs-, Immobilien- und Standortkonzeptes konzentriert sich die folgende Diskussion der Investitionsmerkmale auf die in Tabelle 4-5 abgebildeten, grau hinterleg-ten Bewertungsparameter.
4.5.3.2 Einnahmen (e
t)
Im Kontext der Erträge einer LM-Discounterimmobilie ist auf Objektebene vor allem der Einzelhan-delsumsatz des jeweiligen Mieters sowie dessen Kostenstruktur von entscheidender Bedeutung, da die Miete i.d.R. einen fixen prozentualen Anteil des Mietertrags darstellt. Die Höhe dieses Fixanteils lässt sich auf Unternehmens- bzw. Einzelbetriebsebene aus der handelsbetriebswirtschaftlichen Erfolgs-rechnung ableiten, welche innerhalb der Raumkosten die Position Miete oder Mietwert ausweist (vgl.
Tabelle 4-6). Speziell für LM-Discounter wird von HypZert ein Mietanteil von 3,0 bis 4,0 % vom Umsatz angegeben (vgl. HYPZERT 2009, S.49). Die zu prognostizierenden Umsätze und somit die Miethöhe je Einzelstandort können u.a. in Abhängigkeit
der Nachfragesituation (Makro- und Mikrostandort),
der Angebotssituation (Anbieter, Wettbewerb und Kopplungsmöglichkeit)
sowie des Anbieters innerhalb des Nahbereiches (vgl. Kapitel 4.3.1 und 4.3.2) deutlich variie-ren.
Allgemeiner formuliert: Für eine LM-Discounterimmobilie, welche in ihrem Verkaufsflächen- bzw.
Mietflächenzuschnitt standardisiert ist, ergibt sich an einem bestimmten Standort – unter
Berücksich-tigung der Angebots- und Nachfragesituation71 im Nahbereich – ein Umsatzpotenzial, aus welchem sich linear die Mieteinnahme ableiten lässt (vgl. Abbildung 4-12). Wie hoch die Differenzen beim Umsatzpotenzial bzw. bei den daraus abgeleiteten Mieteinnahmen in der Realität, z.B. in Abhängig-keit des Makrostandortes, aussehen können zeigt Abbildung 4-13. So ist deutlich zu erkennen, dass sich die durchschnittlich erzielten Bruttoumsätze je Filiale für die verschiedenen Regionalgesellschaf-ten und somit Expansionsgebiete des führenden LM-Discount-Anbieters Aldi-Süd deutlich unterschei-den.
Tabelle 4-6: Betriebswirtschaftliche Erfolgsrechnung für Handelsbetriebe Wirtschaftlicher Umsatz
./. MwSt.-Inkasso
= Nettoumsatz ./. Wareneinsatz
= Betriebshandelsspanne
./. Handlungskosten (ohne Vorsteuer) Personalkosten
Direkte Löhne
Unternehmerlohn
Raumkosten
Miete oder Mietwert
Sachkosten für Geschäftsräume Sonstige Kosten
Kosten für Werbung
Gewerbesteuer
Kfz-Kosten
Zinsen für Fremdkapital Zinsen für Eigenkapital
Abschreibungen
alle übrigen Kosten
= Betriebswirtschaftliches Betriebsergebnis + Unternehmerlohn
+ Eigenkapitalzinsen
= Steuerliches Betriebsergebnis relevant für Immobilienwirtschaft
Quelle: Eigene Bearbeitung nach MÜLLER-HAGEDORN/TOPOROWSKI/ZIELKE 2012, S.980
71 Anm.: Zur genaueren Identifikation möglicher Angebots- und Nachfragevariablen vgl. Kapitel 5, 6, 7
Abbildung 4-12: Vereinfachtes Schema zur Ermittlung des Mietpreises für LM-Discounterimmobilien72
Quelle: Eigene Bearbeitung
Abbildung 4-13: Bruttoumsatzdifferenzen bei LM-Discountern nach Makrostandort (Region)
Quelle: Eigene Bearbeitung nach EHI 2013d
72 Anm.: Eine ausführliche Diskussion möglicher Einflussvariablen auf den Mietpreis erfolgt in Kapitel 7.
Filialumsatz
(3,0 % bis 4,0 % vom Filialumsatz)
Mietwert
Regionalgesellschaften des LM-Discounters Aldi-Süd mit den höchsten bzw.
niedrigsten durchschschnittlichen Bruttoumsätzen je Filiale