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Abgrenzung des Einzelhandels- und Immobilienmarktes

Im Dokument Investitionen in Handels-immobilien (Seite 82-85)

Interdisziplinäre Aspekte

3 Einzelhandel und Immobilienwirtschaft im systemischen Verhältnis

3.3 Angebot an und Nachfrage nach Handelsimmobilien

3.3.1 Abgrenzung des Einzelhandels- und Immobilienmarktes

„Generell ist der Markt als Treffpunkt von Angebot und Nachfrage zu verstehen, wobei zwischen un-vollkommenen und un-vollkommenen Märkten zu unterscheiden ist. Von einem un-vollkommenen Markt kann ausgegangen werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind (ENGELKAMP/SELL 2011, S.100):

 Homogenität der Güter

 Fehlen von persönlichen Präferenzen

 Fehlen von zeitlichen Differenzierungen

 Fehlen von räumlichen Differenzierungen

 vollständige Markttransparenz

Diese Charakteristika gilt es im Folgenden für den deutschen Einzelhandels- und Immobilienmarkt zu spezifizieren.“ (SEGERER 2013a, S.43)

3.3.1.1 Einzelhandelsmarkt

„Der deutsche Einzelhandelsmarkt zeichnet sich aufgrund der Vielfalt der angebotenen Güter und Betriebsformen durch eine hohe Heterogenität aus. Gleichzeitig werden seitens der Konsumenten be-stimmte Güter bzw. Marken nicht nur aufgrund ökonomischer Gesichtspunkte gewählt, sondern auf-grund von persönlichen Präferenzen. Des Weiteren kann nicht vom Fehlen einer zeitlichen Differen-zierung im Einzelhandelsmarkt ausgegangen werden, da zwar der stationäre Handel durch das System der ‚Sofortkasse‘ dominiert wird, aber gerade durch moderne Betriebsformen wie z.B. E-Commerce unterschiedliche Zahlungsfristen eingeräumt werden. Ebenso ist das Fehlen der räumlichen Differen-zierung als eine rein hypothetische Annahme einzustufen, denn einerseits liegt kein Punktmarkt – alle Marktteilnehmer befinden sich am selben Ort – vor und andererseits sind die Marktteilnehmer nicht gleichweit voneinander entfernt (vgl. ENGELKAMP/SELL 2011, S.100). Schließlich ist in einem solch heterogenen Markt auch keine vollständige Markttransparenz zu erreichen, wenngleich sowohl durch extensive (Prei[s-)w]erbemaßnahmen als auch durch den technischen Fortschritt dynamische Preisver-gleiche seitens des Kunden theoretisch möglich sind. Im Hinblick auf eine Unterteilung des deutschen Einzelhandelsmarktes ist die Heterogenität der gehandelten Güter von entscheidender Bedeutung, anhand welcher sich der deutsche Einzelhandelsmarkt in einzelne sektorale Teilmärkte – z.B. der Le-bensmitteleinzelhandel[smarkt] – unterscheiden lässt. Darüber hinaus ist eine räumliche Unterteilung des Einzelhandelsmarktes in regionale Teilmärkte (vgl. JONES/SIMMONS 1990, S.33) – z.B. der Ein-zelhandelsmarkt von München, Köln etc. – aufgrund der beschränkten Reichweite von Gütern sinn-voll. Sowohl in der Handelspraxis als auch in der wissenschaftlichen Handelsforschung werden bei Untersuchungen [zur] Struktur und Entwicklung des Einzelhandelsmarktes zumeist Kombinationen aus regionalen und sektoralen Teilmärkten als relevant[e] Gliederungskriteri[en] verwendet. [Dies stimmt] zum einen mit der Sicht der Unternehmen [und] zum anderen [mit] der Sicht der Planung überein. [Letztere will in diesem Zusammenhang] die räumlich begrenzte Versorgung der Bürger [für

bestimmte] Sortimente – sektorale Gliederung – sicherstellen (u.a. WAGNER 2009). Insgesamt ist sowohl von Anbieter- als auch von Nachfrager- und Planungsseite eine sektorale Gliederung des Ein-zelhandelsmarktes auf der regionalen Basis eines zusammenhängenden Versorgungsgebietes, welches selten anhand von [Verwaltungseinheiten] abzugrenzen ist, sondern sich je nach Fristigkeit des Sorti-ments an bestimmten Einzugsbereichen orientiert, als sinnvoll anzusehen. Während also – zum einfa-cheren Verständnis auf administrative Einheiten angewandt – für den Lebensmitteleinzelhandel, als kurzfristiges Sortiment, die Gemeinde einen geeigneten Marktmaßstab darstellt (vgl. SEGERER/KLEIN

2012, S.22ff.), kann dies für Möbel, als längerfristiges Sortiment, der Landkreis sein.“ (SEGERER

2013a, S.43f.)

3.3.1.2 Immobilienmarkt

„Im Gegensatz zum Einzelhandelsmarkt, der in bestimmten Teilmärkten als transparent einzuschätzen ist, wird der Immobilienmarkt in Summe als ein „[…] sehr unvollkommener Markt […]“ angesehen (BRAUER 2009, S.14). Grund hierfür sind die folgenden besonderen Eigenschaften des Wirtschaftsgu-tes Immobilie (u.a. BONE-WINKEL/SCHULTE/FOCKE 2008, S.17ff.), welche insbesondere die Markt-transparenz verhindern:

 Standortgebundenheit (Immobilität)

 Komplexität (Heterogenität)

 Dauer des Entwicklungsprozesses

 Hohes Investitionsvolumen

 Hohe Transaktionskosten

 Länge des Lebenszyklus

 Begrenzte Substituierbarkeit

Auf Grundlage dieser charakteristischen Eigenschaften sowie der abstrakten Definition einer Immobi-lie – Wirtschaftsgut aus unbebauten […] oder bebauten Grundstücken mit dazugehörigen Gebäuden und Außenanlagen (vgl. BONE-WINKEL/SCHULTE/ FOCKE 2008, S.17) – ist in Analogie dazu der Im-mobilienmarkt eine Abstraktion für die einzelnen Märkte auf denen die verschiedenartigen Grundstü-cke mit oder ohne Gebäude und grundstücksgleichen Rechte (Wohnungs- und Teileigentum, Erbbau-recht) gehandelt werden (vgl. BRAUER 2009, S.15). Mit anderen Worten: Der Immobilienmarkt ist der gedachte Ort des Austausches von Angebot und Nachfrage nach Immobiliennutzung und Immobilien-sachkapital (vgl. KÜHNE-BÜNING/HEUER 1994, S.3). Analog zum Einzelhandelsmarkt existiert nicht ein Immobilienmarkt, sondern es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Teilmärkte, welche sich in erster Linie aus den Merkmalen Standortgebundenheit und Heterogenität ergeben (vgl. BRAUER 2009, S.14). Folglich ist es sinnvoll, zwischen sachlichen und räumlichen Teilmärkten zu unterscheiden (vgl. BONE-WINKEL/SCHULTE/FOCKE 2008, S.21f.). Diese ‚deutsche‘ Sichtweise umfasst jedoch nicht alle Dimension[en] der Abgrenzung von Immobilienmärkten. So unterscheiden in der anglo-amerikanische[n] Forschung DIPASQUALE/WHEATON 1996 sowie GELTNER et al. 2009 im Hinblick

[auf] Immobilienteilmärkte noch anhand einer weiteren, volkswirtschaftlichen Dimension: Die Be-trachtungsebene des Makro- und […] Mikromarktes. Die Fokussierung der Makroebene ist demnach genau dann erforderlich, wenn der Immobilienmarkt eine Gruppe von Immobilien repräsentiert, die gleich auf gegebene Makrofaktoren, wie Zinsniveau oder Wirtschaftswachstum, ohne Einfluss von Standortmerkmalen reagieren. Aus sachlichem Betrachtungswinkel sind auf dieser Makro-Basis Märk-te für Wohnimmobilien und Nicht-Wohnimmobilien als valide einzustufen, während aus räumlichem Betrachtungswinkel z.B. die Metropolregionen der USA den geeigneten Untersuchungslevel darstel-len. Auf der Mikroebene dagegen erscheint es wenig plausibel, anhand von Immobilienarten als Un-terscheidungskriterium zu agieren, da verschiedene Nutzungen u.a. um die gleiche Ressource ‚Fläche‘

konkurrieren und durch Planungsrestriktionen determiniert werden. Auf Basis der räumlichen Abgren-zung von Immobilienmärkten repräsentieren Städte innerhalb des metropolitanen Systems der USA die sinnvollste Aggregationsebene (vgl. DIPASQUALE/WHEATON 1996, S.22 ff.; GELTNER et al. 2009).

Um generelle Trends am Handelsimmobilienmarkt zu identifizieren, ist es sinnvoll, die Makroebene zu fokussieren und entsprechend der sachlichen Gliederung von Immobilienmärkten, Teilmärkte an-hand von Handelsimmobilientypen zu unterteilen, wobei im Hinblick auf das Aggregationsniveau mindestens zwischen Fachmarkt- und […] Shopping-Konzepten (vgl. [Abbildung 3-7]) zu unter-scheiden ist. Grund hierfür ist, dass diese beiden Handelsimmobilientypen von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in unterschiedlicher Weise beeinflusst werden. Während ein Wirtschaftsauf-schwung – aufgrund der generell höheren Einkommenselastizität der angebotenen Sortimente – zu einer deutlich höheren Nachfrage im Bereich der leistungsorientierten Shopping-Konzepte als im Be-reich der fachmarktorientierten Konzepte führt, sind umgekehrt die Folgen eines Wirt-schaft[s]abschwunges bei Shopping-Konzepten deutlich mehr zu spüren als bei Fachmarkt-Konzepten, was sich mittelfristig auf den Flächenmarkt anhand sich ändernder Leerstände und Mieten auswirkt.

Eine räumliche Unterteilung des Handelsimmobilienmarktes auf Makroebene ist als bedingt zielfüh-rend einzustufen, da einerseits der starke Einfluss der Raumplanung und die kleinräumig ausgeprägte Einzelhandel- und Immobiliennachfrage in Deutschland diese Perspektive ad absurdum führ[en] und andererseits die amtliche sowie private Statistik bisher der Ebene der auch in Deutschland vorhande-nen Metropolregiovorhande-nen wenig Beachtung schenk[en]. Deshalb wird auf eine Eingrenzung des Immobi-lienangebots und der -nachfrage auf regionale Teilmärkte verzichtet und die Charakterisierung der Handelsimmobilientrends für die bundesdeutsche Ebene vorgenommen.

Als Immobilienmarkt werden also in den bisherigen Ausführungen – analog zur Abgrenzung von Im-mobilienart und -anlageklasse (vgl. [Kapitel 3.2.2]) – eher physisch wahrnehmbare Parameter subsu-miert, die mittels der Kennzahlen Miete, Fläche, Leerstand und Neuerrichtung von Immobilien, also Kennzahlen des Flächen- und Projektentwicklungsmarktes (vgl. [Abbildung 3-9]), gemessen werden.

Gleichzeitig ist aber auch der […] physisch [schwer] fassbare Immobilienanlagemarkt, der weniger die Aggregation von Objekten, als vielmehr die aggregierte Erwartung zukünftiger Ein- und Auszah-lungen verschiedener Anlageklassen (vgl. GELTNER et al. 2009, S.11) umfasst, als Teil oder Aspekt

des Immobilienmarktes anzusehen. Innerhalb des Anlagemarktes konkurrieren Immobilien mit allen übrigen Anlageklassen – vor allem Aktien und Anleihen – und können mittels der finanzwirtschaftli-chen Maßzahl Rendite miteinander verglifinanzwirtschaftli-chen werden. Auf Grundlage der Abgrenzung von Handels-immobilientypen, die Charakteristika der verschiedenen Asset-Klassen berücksichtigt und sich somit u.a. zur Portfoliosteuerung eignet, ist es zur Abbildung aller Teilaspekte des Immobiliensystems not-wendig, neben dem Flächen- und Projektentwicklungsmarkt auch aktuelle Entwicklungen des Han-delsimmobilienanlagemarktes als finanzwirtschaftliches Spiegelbild der physisch beobachtbaren Ent-wicklungen am Flächenmarkt abzubilden.“ (SEGERER 2013a, S.44ff.)

Im Dokument Investitionen in Handels-immobilien (Seite 82-85)