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Die PHP ist die erste eukaryontische Protein-Histidin-Phosphatase, die bisher gefunden werden konnte. Sie wurde aus der Kaninchenleber isoliert und konnte in den vergangenen Jahren sequenziert, kloniert und auch zum Teil charakterisiert werden (Hermesmeier, 2000; Ek et al, 2002; Klumpp et al., 2002b; Klumpp et al., 2003b, Bechmann, 2004). Als erstes physiologisch relevantes Substrat konnte die ATP-Citrat-Lyase gefunden werden (Klumpp et al., 2003a; Bechmann, 2004).

Dennoch ist über die Funktion der PHP noch wenig bekannt. Da die Bedeutung der Histidinphosphorylierung in höheren Organismen in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat (Steeg et al., 2003), sollte die PHP in der hier vorliegenden Arbeit näher charakterisiert und Erkenntnisse über ihre physiologische Funktion gewonnen werden. Als erstes wurde daher versucht, ein geeignetes Modellsystem zu entwickeln, mit dessen Hilfe man die Expressionsrate des Enzyms zuverlässig verändern konnte, um funktionelle Untersuchung durchführen zu können. Des Weiteren wurde nach neuen Substraten der PHP gesucht, die ebenfalls Rückschlüsse auf die Funktion des Enzyms zulassen würden.

(Baker et al., 2001) durchgeführt. Mit dieser Methode kann man die Expression eines Enzyms allerdings nur um einen gewissen Prozentsatz, der von der Stabilität des mRNA/Oligonukleotid-Komplexes abhängt, herunterregulieren (knock-down) und nicht etwa die Expression des Proteins komplett ausschalten (knock-out).

In kortikalen Neuronen war es tatsächlich möglich die Expressionrate der PHP, wenn auch nicht allzu stark, zu senken. Das neuronale Testsystem konnte also beibehalten werden und stand für funktionelle Untersuchungen des Enzyms zur Verfügung.

Im Zuge dieser Untersuchungen zeigte sich, dass die Behandlung hippokampaler Neurone, die sich ebenfalls als Testsystem anboten, mit Antisense-Oligonukleotiden vor der mit Staurosporin induzierten Apoptose schützte. Dieses Ergebnis war reproduzierbar und zeigte sich auch mit verschiedenen Antisense-Oligonukleotiden, die also gegen unterschiedliche Sequenzabschnitte der mRNA des Proteins gerichtet waren. Der zu beobachtende Effekt, der im Übrigen nicht mit Antisense-Oligonukleotiden, die nicht komplementär zur mRNA der PHP waren, hervorzurufen war, war demnach spezifisch. Dies wies darauf hin, dass die PHP bei der Regulation der Apoptose eine Rolle spielt.

Unter Apoptose versteht man den programmierten Zelltod (Kerr et al., 1972). Dabei stirbt eine Zelle, ohne eine entzündliche Reaktion hervorzurufen (Harmon et al., 1990) nach genauen genetischen Vorgaben ab: Zuerst schrumpfen Zellkern, Zytoplasma und Mitochondrien, wobei die übrigen Zellorganellen genau wie die Zellmembran zunächst intakt bleiben (Majno und Joris, 1995). Dann zerfällt die Zelle in Membran umschlossene Abschnürungen, die so genannten apoptotischen Körperchen, die von Fresszellen oder von Nachbarzellen aufgenommen werden (Kerr et al., 1995). Dieser Mechanismus ist für eine korrekte Entwicklung des Organismus lebensnotwendig. Denn nur so kann er Zellen eliminieren, die ihre Funktion erfüllt haben oder eine potentielle Gefährdung für ihn darstellen.

Negativ wirkt sich die Apoptose allerdings aus, wenn sie im Zuge von Schäden (z.B.

Ischämie) oder auf Grund von Erkrankungen, die zelluläre Fehlregulierungen hervorrufen, in Geweben auftritt und Zellen in den Tod reißt, die durchaus noch eine sinnvolle Funktion im Organismus erfüllen könnten, deren Untergang dem Organismus sogar schadet. Gerade im Gehirn, dem zentralen Steuerorgan des Körpers, können durch das Absterben von Geweben wertvolle Fähigkeiten verloren gehen. Daher bemüht man sich seit Jahren, den Ablauf der Apoptose zu verstehen und die daran beteiligten Enzyme ausfindig zu machen, um Möglichkeiten

aufzuspüren, bei Erkrankungen regulierend in diesen Mechanismus eingreifen zu können. Die PHP könnte demnach eine Angriffsmöglichkeit für Therapien bieten.

Problematisch war bei den oben erwähnten Versuchen allerdings, dass man zwar durch Anfärben der apoptotischen Zellen mittels Hoechst-Färbung deutlich erkennen konnte, dass der Prozentsatz der apoptotisch geschädigten Zellen nach Antisensebehandlung abnahm, dass man aber auf Proteinebene keine Herabregulierung der PHP-Menge erkennen konnte, obwohl der beobachtete Effekt eindeutig auf die Antisense-Oligonukleotide zurückzuführen war. Der direkte Beweis, dass eine Herabregulierung der PHP-Expressionsrate den Schutz der Zellen herbeiführte, konnte nicht erbracht werden, obwohl die Behandlung der Neurone mit fluoreszenzmarkierten Antisense-Oligonukleotiden die Diskrepanz der Ergebnisse aufklären konnte.

Nur circa ein Viertel der Zellen nahm die Oligonukleotide wirklich auf. Der Rest tat dies nicht. Also wurde auch nur in einem kleinen Teil der Neurone die PHP-Expression um einen gewissen Prozentsatz, der wie die Versuche an kortikalen Zellen gezeigt hatten, auch nicht allzu groß sein konnte, herabreguliert. Die Expression der PHP ist im Gehirn aber allgemein sehr hoch, so dass die anscheinend nur leichte Herabregulierung des Proteins in nur einem kleinen Teil der Zellen kaum weiter ins Gewicht fiel und nicht sichtbar gemacht werden konnte.

Anders war das auf zellulärer Ebene. Schon eine kleine Abnahme der PHP-Expression schützte die ganze Zelle vor dem Untergang. Zwanzig bis dreißig Prozent der Neurone nahmen das Antisense-Oligonukleotid überhaupt auf. Nach Staurosporinschädigung waren die Antisense behandelten Zellen aber auch zu circa 20-30 Prozent weniger geschädigt. Somit schien der schützende Effekt trotz des fehlenden Beweises, dass die PHP herunterreguliert war, direkt mit der Zugabe der Antisense-Oligonukleotide und damit der PHP in Verbindung zu stehen.

Trotz dieser Ergebnisse musste festgestellt werden, dass das aufgebaute Testsystem mit den Antisense-Oligonukleotiden nicht sehr zuverlässig war. Das Ausmaß der Abnahme der PHP-Expression war nicht feststellbar und ließ zu viel Raum für Spekulationen offen. Um wirklich gesicherte Angaben in Bezug auf eine Funktion der PHP machen zu können, musste ein Versuchsansatz gefunden werden, bei dem die Veränderung der Expressionsrate eindeutig festzustellen war und zu beobachtende Effekte, dem Enzym klar zuzuordnen waren. Die Versuche mit den Antisense-Oligonukleotiden gaben einen Hinweis darauf, dass die PHP in der

Apoptose eine Rolle spielen könnte, einen endgültigen Beweis konnten sie allerdings nicht liefern.

5.1.2 Erhöhung der PHP-Expressionsrate

Eine Veränderung der Expressionsrate erhält man auch, wenn man das betreffende Enzym in Zellen überexprimiert. Dies wurde mit Hilfe eines rekombinanten Adenovirus vom Serotyp 5 (Ad5), dem man das Gen der PHP einbaute, erreicht.

Adenoviren eignen sich besonders gut für eine Überexpression, da sie ein breites Spektrum von Zellen, auch solche, die sich nicht teilen wie beispielsweise Neurone, infizieren und zudem hochtitrig angezüchtet werden können. Man verwendet sie inzwischen sogar nicht mehr nur zur Übertragung heterologer Gene, sondern sie werden auch als Vakzine oder für den Einsatz in der somatischen Gentherapie entwickelt (Xiang et al., 1996; Benihoud et al., 1999). Die Pathogenität der meist replikationsdefizient hergestellten Viren ist relativ gering. Vom Ad5 ist außerdem bekannt, dass er kein onkogenes Potential besitzt. Mit dem von He (He et al., 1998) entwickelten pAd-easy-System zur Herstellung von rekombinanten Adenoviren ist es zudem möglich, diese Viren in relativ kurzer Zeit zu produzieren.

Der Adenovirus Ad5-PHP konnte hergestellt werden, und er war in der Lage das Enzym in embryonalen Nierenzellen überzuexprimieren. Weitere Experimente zeigten, dass er auch Zellen der Zelllinie SH-SY5Y infizieren und die PHP in ihnen stabil überexprimieren konnte. Die SH-SY5Y-Zellen sind neuronalen Ursprungs.

Somit war es gelungen, ein neues neuronales Testsystem für die funktionellen Untersuchungen der PHP zu etablieren.

Die Antisensebehandlung hatte vermuten lassen, dass eine Herabregulierung der PHP-Rate die Zellen vor der Apoptose schützte. Somit musste eine Überexpression des Enzyms Apoptose in den Zellen hervorrufen. Dies konnte auch tatsächlich gezeigt werden. Beobachtete man Zellen, die mit dem Ad5-PHP infiziert worden waren, so konnte man nach 2-3 Tagen feststellen, dass diese eine deutlich höhere Apoptoserate aufwiesen als Zellen, die mit einem identischen Adenovirus, der allerdings nicht das PHP-Gen trug, infiziert worden waren. In den mit Ad5-PHP infizierten Zellen konnte man auch zeigen, dass die PHP während des gesamten Versuchs in großer Menge von den Zellen überexprimiert wurde, während die mit dem Vergleichsvirus behandelten Zellen das Enzym nur in normalem Umfang

enthielten. Es war also eindeutig nicht die Infektion mit einem Virus, die dazu führte, dass die Zellen starben, sondern die in ihnen überexprimierte PHP. Auch morphologisch sah man den Zellen an, dass sie die Infektion mit Ad5-PHP nicht gut vertrugen. Man fand in den Kulturschalen immer wieder Bereiche von kleinen, kugeligen Zellen, die wie die Anfärbung zeigte auch nicht mehr lebten. Eine Überexpression der PHP führt also zum Absterben der Zellen. Damit war der Beweis erbracht, dass die PHP Apoptose in Zellen hervorrufen kann, beziehungsweise an dem Programm, nach dem der programmierte Zelltod in den Zellen abläuft, beteiligt ist. Es war damit das erste Mal möglich, der PHP eine Funktion in neuronalen Zellen zuzuordnen beziehungsweise überhaupt eine Funktion des Enzyms aufzudecken.

Zudem war es gelungen mit Hilfe der adenoviralen Expression ein System zu entwickeln mit dem man die PHP in neuronalen Zellen stabil und nachweisbar in großer Menge überexprimieren konnte, ein System, welches auch für weitergehende Untersuchungen zur Verfügung steht. Da Adenoviren im Allgemeinen fast jede Säugetierzelle befallen können und eine Infektion von embryonalen Nierenzellen schon erfolgreich war, steht zu erwarten, dass der Ad5-PHP zukünftig für die Untersuchung einer Vielzahl von Zellen, auch nicht neuronalen Ursprungs, genutzt werden kann, um mehr über die Funktion der PHP herauszufinden.

5.1.3 PHP und Apoptose

Der molekulare Mechanismus der Apoptose ist sehr komplex und noch längst nicht vollständig aufgeklärt. Durch ein die Apoptose auslösendes Signal, werden eine Vielzahl von Enzymen, von denen immer mehr bekannt werden, aktiviert bzw.

deaktiviert wie zum Beispiel der Tumorsupressor p53 (Strano et al., 2001), die Enzyme der bcl-2-Familie (Adams und Cory, 2001) oder die mitogen-activated protein kinases (MAPKs) (Cross et al., 2000). Letztendlich kommt es zur Aktivierung der Kaspasen, den Proteasen, die eine Vielzahl von lebenswichtigen Proteinen der Zelle zerstören und damit zum Tod der Zelle führen.

Wie die PHP in diesen Mechanismus eingreift, kann man noch nicht sagen. Da es aber bei einer Überexpression des Enzyms drei Tage dauerte, bis sich die Apoptose in den Zellen deutlich zeigte, greift das Enzym wahrscheinlich eher über einen indirekten Mechanismus in das Geschehen ein und löst keinen zentralen Schritt aus.

Denkbar wäre es auch, dass die PHP über ihr Substrat, die ACL einen Einfluss auf das Überleben einer Zelle hat. Mit Hilfe der ACL wird ein Drittel des für die Synthese des Neurotransmitters Acetylcholin notwendigen Acetyl-CoAs hergestellt (Ricny und Tucek, 1982; Patel und Owen, 1976). Sollten sich die Versuche bestätigen, dass die PHP die Aktivität der ACL reguliert, dann wäre es möglich, dass die Phosphatase dadurch auch den Acetylcholin-Haushalt der Zellen kontrolliert und einen Einfluss auf den Verlauf degenerativer Erkrankungen der cholinergen Neurone, wie es zum Beispiel auch der Morbus Alzheimer darstellt, nimmt (Canu und Calissano, 2003).

Durch die Bereitstellung von Acetyl-CoA ist die ACL ebenfalls an der Lipidsynthese der Zelle beteiligt. Es konnte gezeigt werden, dass die Hemmung des Enzyms zu einer Reduzierung der Fettsäure- und Cholesterinsynthese in einer Vielzahl von Geweben führt (Sullivan et al., 1974). Durch eine Regulation des Fettstoffwechsels und damit letztendlich des Energiehaushalts der Zelle über ihr Substrat die ACL könnte die PHP auch auf diesem Weg das Überleben von Zellen beeinflussen.

Untersuchungen sind in dieser Richtung allerdings noch nicht unternommen worden.