2.2. Emotionstheoretische Grundlagen
2.2.3. Klassifikationen von Emotionen
2.2.4.1. Forschungsansätze zur Emotionsregulation
Die Regulation von Emotionen wird zwar in vielen Emotionstheorien überein-
stimmend als Teil des emotionalen Prozesses beschrieben, jedoch wird sie sel-
ten näher beleuchtet. Bis auf wenige Ausnahmen (z. B. Frijda, 1986;; Izard, 1990;;
Lazarus, 1991c) beschäftigten sich die Emotionsforscher vorrangig mit Fragen nach der Entstehung und Klassifikation von Emotionen oder der Bestimmung von Komponenten. Erst Ende des letzten Jahrhunderts sind einige Beiträge er-
schienen, die sich explizit mit dem Thema der Emotionsregulation auseinander-
setzen (z. B. Bonanno, 2001;; Gross, 1998a, 1998b, 1999;; Kohlmann, 1997;; Ma-
yer & Salovey, 1995;; Mitmansgruber, 2003, S. 67;; Laux & Weber, 1993).
Erste Anregungen zum Verständnis der Regulation von Emotionen finden sich bereits in der Stressforschung (Lazarus & Folkman, 1984, 1987;; Mitmansgruber, 2003, S. 67f). Besonders Lazarus (z. B. 1991a, 1991c) hat aufgezeigt, dass emotionales Erleben bewusst reguliert werden kann. In seinen Grundannahmen postuliert er, dass die kognitive Bewertung einer Situation notwendige Voraus-
setzung ist, um eine Emotion auszulösen. Wenn dann durch den Prozess der Bewertung ein spezifisches Muster eingetreten ist, wird eine passende Emotion aktiviert. Die Änderung einer Emotion wird in Konsequenz dessen durch eine
Veränderung in der Bewertung eines Ereignisses erzielt (Mitmansgruber, 2003, S. 68ff.).
In enger Anlehnung an Lazarus und Folkman (1984) stellt der Beitrag von Frijda (1986) eine der ersten Arbeiten dar, die sich vorrangig mit der Regulation von Emotionen beschäftigt (Mitmansgruber, 2003, S. 85ff.). Frijdas (1986) Überle-
gungen basieren auf der Vorstellung, dass Personen ihren Emotionen nicht nur ausgesetzt sind, sondern auch mit ihnen umgehen. Nach diesem Verständnis werden Emotionen bewusst oder unbewusst reguliert. Emotionen werden als Zusammenwirken verschiedener Komponenten verstanden, wobei jeder dieser Bestandteile im Regulationsprozess verändert werden kann (Mitmansgruber, 2003, S. 85f.). Frijda (1986, S. 401ff.) benutzt den Begriff der Regulation, um die Vorgänge zu erfassen, mit denen Menschen auf den Emotionsprozess Einfluss nehmen, wie z. B. durch Formen der kognitiven Bewertung emotionsauslösender Situationen bis hin zur Regulation des Verhaltens (Weber & Laux, 1993).
Problem- und emotionszentrierte Bewältigungen sehen Folkman und Lazarus (1988, 1990) als die zwei grundlegenden Strategien, die darauf abzielen, entwe-
der direkt die belastenden Bedingungen der Umwelt zu verändern (problem-
zentriert) oder aber die Bewertung einer Situation intrapsychisch auf irgendeine Weise so zu beeinflussen, dass sie anders wahrgenommen werden kann (emo-
tionszentriert).
Jedoch haben die oben genannten Autoren ihre Überlegungen zur Emotionsre-
gulation nicht systematisch weiterentwickelt (Mitmansgruber, 2003, S. 88). Erst Gross (1989b) vertieft dieses Gebiet der Emotionsforschung. Er definiert Emo-
tions-regulation als: „the attempt to influence which emotions we have, when we have them, and how these emotions are experienced or expressed“ (Gross, 1989b, S. 224).
Nach Auffassung von Gross (1989b) entsteht eine emotionale Reaktion in einem zeitlichen Verlauf, zu dessen Beginn Situationen als emotionale Stimuli stehen.
Eine emotionale Stimulation ist dadurch bedingt, dass das Individuum Situatio-
nen wahrnimmt, verarbeitet und ihnen eine subjektive Bedeutung beimisst. Die Folge sind emotionale Reaktionstendenzen, die sich auf der Erlebens-, der Ver-
haltens- und der physiologischen Ebene äußern (Egloff, 2009). Diese Prozesse können automatisch oder kontrolliert sein. Das Entstehen und die Äußerung die-
ser Reaktionstendenzen können auf verschiedene Weise beeinflusst werden (Gross, 1998a, 1998b, 2002). Auch Gross (Gross, 1998a, 1998b) unterscheidet auf der obersten Ebene zwei Basisstrategien der Emotionsregulation und zwar danach, wann sie im zeitlichen Prozess ansetzen (Mitmansgruber, 2003, S.
88ff). Die erste Kategorie umfasst solche Strategien der Emotionsregulation, die vor Entstehen von Reaktionstendenzen ansetzen. Gross (1998a) nennt sie ante-
ze-denzfokussierte Emotionsregulation (Egloff, 2009). Die zweite Gruppe besteht aus denjenigen, die dann zur Anwendung kommen, wenn die Emotionen bereits vollständig ausgelöst sind. Diese bezeichnet Gross als reaktionsfokussierte Emotionsregulationsstrategien (Egloff, 2009;; Gross, 1998a, 1998b, 2002;; Mit-
mansgruber, 2003, S. 89).
Neben diesen psychologisch orientierten Ansätzen beschäftigt sich auch die so-
zial-konstruktivistische Denkrichtung, die eher der soziologischen Tradition ent-
stammt, mit der Regulation von Emotionen. Eine grundlegende Annahme dieser theoretischen Ausrichtung beinhaltet, dass die Konstruktion von Emotionen im Hinblick auf die Regulation und Kontrolle sozialer Prozesse erfolgt. Zentraler As-
pekt ist die instrumentelle Bedeutung emotionaler Verhaltensmuster. Die aktive Rolle bei der Gestaltung und Regulation von Emotionen wird hervorgehoben (Weber, 2000). Das Individuum setzt sich reflexiv mit der eigenen Emotionalität auseinander und greift auch bewusst in die emotionale Handlungsregulation ein.
Die Auswahl der Regulationsmechanismen wird nicht automatisch durch die je-
weilige Emotion bestimmt, sondern hängt von kulturellen Wertvorstellungen, gel-
tenden Regeln und der bestehenden Situation ab. Um eine spezifische soziale Rolle einnehmen zu können, werden Emotionen so bearbeitet, dass beispiels-
weise unerwünschte unterdrückt und erwünschte Emotionen hergestellt oder verstärkt werden (Holodynski, 2006, Vorwort S. VIIf).
Forschungsansätze, die unter sozial-konstruktivistischer Perspektive durchge-
führt werden, unterscheiden sich grundsätzlich von den in der psychologischen Emotionsforschung vorherrschenden Vorgehensweisen durch ihre Betonung der sozialen Bedeutung und Zwecksetzung der Regulation und des Ausdrucks von Emotionen (Weber, 2000). Einzuordnen ist hier auch das Konzept der Emotions-
arbeit von Hochschild (1983/1990), in dem der Regulation von Emotionen be-
sonders im Rahmen beruflicher Anforderungen eine zentrale Rolle zukommt. Im Mittelpunkt steht hier die Vorstellung, dass der Ausdruck von Emotionen als Be-
standteil von Arbeitserwartungen, die auf Stetigkeit und Reproduzierbarkeit an-
gelegt sind, nur Produkt einer gezielten Regulation sein kann, da echte Gefühle nicht ständig wiederholbar sind (Manthey, 2004, S. 59). Im Kontext der von Hochschild (1990, S. 53ff.) untersuchten Dienstleistungstätigkeiten geht es vor allem um eine intentionale Emotionsregulation mit dem Ziel, einen passenden emotionalen Ausdruck darstellen zu können. Auch sie unterscheidet zwei grund-
sätzliche Strategien, die sie als Oberflächenhandeln (surface acting) und Tiefen-
handeln (deep acting) bezeichnet. Beim Oberflächenhandeln wird nicht die inner-
lich erlebte Emotion, sondern nur der sichtbar werdende Ausdruck im Dienste beruflicher Anforderungen reguliert. Beim Tiefenhandeln hingegen wird der er-
wünschte emotionale Ausdruck durch gezielte Einflussnahme auf das innere Er-
leben hergestellt (Hochschild, 1990, S. 53ff.). Da das Konzept der Emotionsar-
beit und die dort beschriebenen Strategien der Emotionsregulation zentrale Grundlagen für das Forschungsmodell und den empirischen Teil dieser Arbeit bilden, werden sie gesondert im Kapitel 2.3 (Das Konzept der Emotionsarbeit) behandelt.
2.2.4.2. Einfluss der Persönlichkeit auf die Emotionsregulation Eine mehrfach geäußerte Kritik in der emotionstheoretischen Forschung und Theoriebildung richtet sich gegen die Vernachlässigung interindividueller Unter-
schiede (Pekrun, 2000;; Ulich, 2003a, 2003b). In vielen Ansätzen wird impliziert, dass verschiedene Menschen gleichartige Strukturen und Inhalte von Emotions-
komponenten aufweisen (Pekrun, 2000;; Ulich, 2003b). Menschen unterscheiden sich jedoch in ihrer emotionalen Prädisposition und ihrer Reaktion auf emotiona-
le Stimuli;; sie differieren in der Art, Emotionen zu erleben und auch in der Inten-
sität ihrer emotionalen Erfahrungen (Pekrun, 2000;; Pilar Matud, 2004;; Ulich, 2003b). Unstrittig ist auch, dass interindividuelle Merkmale nicht nur das Erleben und den Ausdruck (Ashforth & Saks, 2002;; Banse, 2000;; Härtel, Hsu & Boyle, 2002), sondern auch die Regulation von Emotionen beeinflussen (Ashforth &
Saks, 2002;; Gross & John, 2003;; Larsen et al., 2002).
Grundsätzlich ist anzunehmen, dass Menschen sich in ihren Fähigkeiten unter-
scheiden, ihre Emotionen zu regulieren (Ashforth & Saks, 2002;; Gross & John, 2003;; Larsen et al., 2002;; Lopes, Salovey, Côté & Beers, 2005;; Mitmansgruber, 2003, S. 195ff.). Es kann davon ausgegangen werden, dass Unterschiede in der Regulation von Emotionen auf zugrunde liegende Dispositionen, d. h. individuel-
le Persönlichkeitsmerkmale zurückzuführen sind (Gross & John, 2003). Gross und John (2003) zeigen auf, dass Individuen offenbar dispositionell dazu neigen, bestimmte Emotionsregulationsstrategien zu präferieren. Spezifisch fanden Gross und John (2003) interindividuelle Unterschiede hinsichtlich des Einsatzes bestimmter Emotionsregulationsstrategien, die sie mit Umbewertung und Unter-
drückung bezeichneten. Umbewertung ist eine Strategie der antezedenz-
fokussierten Kategorie. Mithilfe von kognitiver Umdeutung werden die Gefühle dadurch reguliert, dass die emotionalen Stimuli einer Situation neu bewertet und umgedeutet werden. Unterdrückung hingegen stellt eine reaktionsfokussierte Strategie der Emotionsregulation dar (Gross & John, 2003).
Die intraindividuelle Perspektive, die mit dem Themenkreis der Emotionsregula-
tion beleuchtet wurde, betrachtet jedoch nur eine Facette des emotionalen Ver-
haltens. Emotionen wirken nicht allein im Individuum, sondern auch zwischen-
menschlich. Sie sind als Schnittstelle zwischen dem Einzelnen und seiner Um-
welt zu betrachten (Traue, 1998, S. 145f.). Dieser Seite wird in den folgenden Kapiteln unter den Begriffen „Ausdruck“ und „Eindruck“ von Emotionen Rech-
nung getragen.
2.2.5. Emotionsausdruck und -eindruck
In zwischenmenschlichen Begegnungen werden intrapersonale Emotionspro-
zesse erst dann von Belang, wenn sie für das Gegenüber wahrnehmbar werden.
Wird eine Person rot oder blass, lächelt oder nimmt Blickkontakt auf, gestattet dies Einblicke in ihren emotionalen Zustand (Traue, 1998, S. 146). Nicht zuletzt aufgrund der Beobachtbarkeit dieser Phänomene ist der Ausdruck von Emotio-
nen eines der zentralen Themen in der emotionstheoretischen Forschung ge-
worden. Demgegenüber wurde bisher vergleichsweise wenig Beachtung der komplementären Thematik, nämlich dem Fremdverstehen emotionaler Aus-
drucksphänomene, gewidmet (Schützeichel, 2006).
Im Hinblick auf die dieser Arbeit zugrunde liegenden Forschungsfragen werden übergreifend beide Seiten, der Ausdruck von Emotionen und der beim Interakti-
onspartner entstehende Eindruck, Berücksichtigung finden. Im Folgenden gilt besondere Aufmerksamkeit den Fragen, wie Menschen anderen gegenüber Emotionen zum Ausdruck bringen bzw. darstellen und welche Bedeutungen dem Ausdruck von Emotionen in sozialen Interaktionen zukommen. Darüber hinaus ist zu klären, wie ein gezeigter Ausdruck vom Gegenüber wahrgenommen und verstanden wird.