1.2. Zielsetzung und Fragestellung der Untersuchung
2.1.3. Erscheinungsformen des persönlichen Verkaufs
Die Erscheinungsformen des persönlichen Verkaufs sind in Abhängigkeit von der Art des Kontaktes zwischen Käufer und Verkäufer, Art des Verkaufsobjekts, Ak-
tivitätsgrad des Verkäufers und Stellung des Kunden im Distributionssystem sehr unterschiedlich (z. B. Berman & Evans, 2001;; Nerdinger, 2001b, S. 5;; Schuchert-
Güler, 2001).
Prinzipiell können zwei Arten des Kontaktes zwischen Käufern und Verkäufern differenziert werden: direkte persönliche Kontakte mit starker Interaktion (soge-
nannte Face-to-Face-Kontakte) sowie indirekte Kontakte mit schwacher Interak-
tion über medialen Austausch z. B. durch Telefonate, E-Mails oder Faxe (Fließ, Möller & Momma, 2003).
Ein weiteres Kriterium bilden die Objekte des Verkaufs. Hier kann unterschieden werden zwischen Investitionsgütern und Konsumgütern (Schuchert-Güler, 2001).
Der Verkauf im Investitionsgüterbereich bezieht sich auf langlebige Wirtschafts-
güter, die von Unternehmen angeschafft werden, um damit andere Leistungen zu erbringen. Der persönliche Verkauf nimmt hier eine zentrale Rolle ein, da die zu beschaffenden Leistungen häufig stark erklärungsbedürftig und sehr individu-
ell bzw. kundenspezifisch auszugestalten sind (Backhaus & Voeth, 2006).
Im Konsumgüterbereich werden Güter für den privaten Ge- oder Verbrauch ver-
kauft. Im Unterschied zu Investitionsgütern oder Rohstoffen, die für den Produk-
tionsprozess vorgesehen sind, werden Konsumgüter primär vom privaten End-
verbraucher nachgefragt. In diesem Bereich ist die Ausprägung des persönlichen Verkaufs abhängig von der gewählten Unternehmensstrategie und der Erklä-
rungsbedürftigkeit der angebotenen Produkte (Nerdinger, 2004;; Schuchert-
Güler, 2001).
Als zusätzliches Ordnungskriterium bietet sich der Aktivitätsgrad der Verkäufer.
Berman und Evans (2001) unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen order-taking oder order-getting: Verkaufstätigkeiten im Sinne von order-taking sind bestimmt durch Routineaufgaben wie Bestandspflege, Regalbestückung, Beantwortung einfacher Kundenfragen und Kassiertätigkeiten. Diese Erschei-
nungsform der Verkaufstätigkeit ist in erster Linie vorherrschend in Betriebstypen mit starken Selbstbedienungsanteilen. Den Verkäufern wird hier in Bezug auf ihre Verkaufsleistung eine eher passive Rolle zugewiesen.
Mitarbeiter in Verkaufsberufen, in denen ein order-getting im Vordergrund steht, sollen hingegen aktiv bestrebt sein, die Kunden zu beraten und zu überzeugen.
In diesen Bereichen des Verkaufs werden eher höherpreisige oder beratungsin-
tensivere Produkte vertrieben. Berman und Evans (2001) bezeichnen diese Form als „echtes“ Verkaufen, da es hier stärker auf die aktive Überzeugungsleis-
tung des Verkäufers ankommt, um einen Verkaufsabschluss zu erzielen.
Ferner ergibt sich eine Kategorisierungsvariante durch die Stellung des Kunden im Distributionssystem. Hier kann unterteilt werden nach der Industrie, dem Großhandel oder dem Einzelhandel (Schuchert-Güler, 2001).
2.1.4. Darstellung von Emotionen im persönlichen Verkauf
Der persönliche Verkauf dient aus betrieblicher Sicht vor allem dem ökonomi-
schen Erfolg. Zielsetzung ist, dass die Kunden nach Abschluss des Gesprächs einen Kauf tätigen oder zumindest die gewünschten Zwischenziele (z. B. Kauf-
absicht) erreicht werden (Nerdinger, 2001b, S. 5, 2003). Besonders dem Verhal-
ten des Verkäufers wird eine entscheidende Rolle für das Erreichen der mit dem Verkaufsgespräch verbundenen Ziele beigemessen, da es aufgrund des dyadi-
schen Charakters des Verkaufsgesprächs unmittelbar auf den Kunden wirkt (Lee
& Dubinsky, 2003;; Nerdinger, 2001b, S. 5f., 2007;; Verbeke, 1997). Dies unter-
streicht auch eine Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung im Auftrag der Fachzeitschrift TextilWirtschaft im stationären Einzelhandel. Die Ergebnisse zei-
gen, dass drei der zehn wichtigsten Aspekte, die zur Unzufriedenheit der Kunden führen, an das Verhalten der Person im Verkauf geknüpft sind (TextilWirtschaft, 11.10.2006).
Das Verhalten der Mitarbeiter im Verkauf umfasst grundsätzlich zwei Aspekte:
einen fachlichen und einen sozialen. Fachlich gesehen muss der Verkäufer das Problem des Kunden lösen, das diesen zum Kontakt mit dem Unternehmen be-
wogen hat (Coenen, 2001). So sollten Mitarbeiter im Verkauf über spezielles fach- und produktbezogenes Wissen verfügen. Da die Lösung des Kundenprob-
lems im persönlichen Verkauf im direkten Kontakt stattfindet, sind es auch sozia-
le Verhaltensaspekte, die die Qualität der Begegnung bestimmen (Berman &
Evans, 2001;; Coenen, 2001;; Nerdinger, 2001b, S. 129ff.;; Verbeke, 1997). Be-
sondere Bedeutung wird hier der Darstellung von Emotionen während des Ver-
kaufsgesprächs beigemessen. Eine grundlegende Überzeugung ist, dass nicht nur kognitive Leistungen den Erfolg eines Verkaufsgesprächs ausmachen, son-
dern dass auch der Ausdruck angemessener Emotionen im Kontakt mit dem Kunden zur Arbeitsaufgabe gehören und zu einem gelungenen Abschluss bei-
tragen (z. B. Dubé & Menon, 2000;; Rafaeli, 1989;; Sutton & Rafaeli, 1988;; Tsai, 2001;; Tsai & Huang, 2002;; Verbeke, 1997). Während früher vor allem die fachli-
chen Kenntnisse von Verkaufskräften im Mittelpunkt des Interesses standen, wuchs in den letzten Jahren das Bewusstsein für die Wichtigkeit und Wirkung dargestellter Emotionen im Kontakt mit dem Kunden. Infolge der weitreichenden Substituier-barkeit der angebotenen Produkte in vielen Branchen ähneln sich auch die Argumente der Verkäufer. Möglichkeiten zur Differenzierung außerhalb kognitiver Argumente bietet dann eine überzeugende Emotionsdarstellung der Verkäufer (Bärwald, 2004).
Trotz der häufig postulierten, großen Bedeutung der Darstellung von Emotionen für den Erfolg eines Verkaufsgesprächs findet sich bislang jedoch wenig syste-
matische Forschung zu dieser Thematik (Nerdinger, 2001b, S. 92f.;; Verbeke, 1997). Zu nennen wären hier vor allem die Studien von Sutton und Rafaeli (1988) und Rafaeli (1989). Sie untersuchten die Darstellung positiver Emotionen von Verkaufsmitarbeitern in Supermärkten während der Interaktion mit den Kun-
den und den daraus resultierenden Einfluss auf die erzielten Umsätze der Märk-
te. Innerhalb dieses Branchenkontextes konnte der angenommene positive Zu-
sammenhang zwar nicht bestätigt werden, jedoch zeigten spätere Forschungs-
ergebnisse mit einem auf diesen Arbeiten basierenden methodischem Ansatz, dass der Ausdruck positiver Emotionen im Verkaufsgespräch sich günstig auf das Verhalten und die Verhaltensabsichten der Kunden auswirkt. In einer Studie im Schuheinzelhandel konnte nachgewiesen werden, dass dargestellte positive Emotionen von Verkäufern bestimmte Aspekte des Kundenverhaltens wie die beabsichtigte Wiederwahl der besuchten Einkaufsstätte, die Bereitschaft der
Weiterempfehlung gegenüber Dritten und die Verweildauer positiv beeinflussen (Tsai, 2001;; Tsai & Huang, 2002).
Auch die Untersuchung von Pieters, Bottschen und Thelen (1998) im textilen Einzelhandel liefert Hinweise, dass Kunden neben fachlicher Kompetenz ein an-
gemessenes emotionales Ausdrucksverhalten vom Verkaufsmitarbeiter erwar-
ten. Sie fanden drei Klassen, in die sich das von den Käufern erwartete Verkäu-
ferverhalten einordnen lässt. Für die Unterstützung zur Entscheidungsfindung erwarten die Käufer zum einen fachlich kompetente Beratung und zum anderen eine gewisse Kontrolle über das Verkaufsgespräch;; bezogen auf die dritte Di-
mension, nämlich „Freundlichkeit“ und „Höflichkeit“, ist zu vermuten, dass die Darstellung bestimmter positiver Emotionen in der Erwartungshaltung der Kun-
den gegenüber dem Verkaufsmitarbeiter bedeutsam ist.
In Studien zu personenbezogenen Dienstleistungen wurde die Darstellung von Emotionen während des Kontaktes mit dem Kunden etwas häufiger aufgegriffen als im Kontext des persönlichen Verkaufs. Allerdings existieren auch hier nur wenige Untersuchungen, die den Einfluss des Emotionsausdruck von Dienstleis-
tern auf die Wahrnehmung bzw. auf das Verhalten der Kunden erforschen (z. B.
Dormann & Kaiser, 2002;; Fischbach, 2003;; Gountas & Mavondo, 2005;; Grandey et al., 2005;; Mattila & Enz, 2002;; Pugh, 2001;; Tan et al., 2004). Da Dienstleis-
tungsinteraktionen ebenfalls den unmittelbaren Kontakt zwischen Dienstleister und Kunden erfordern, liefern vermutlich Erkenntnisse aus diesem Bereich Hin-
weise für die Erforschung dieser Thematik im persönlichen Verkauf.
Untersuchungen in verschiedenen Branchen personenbezogener Dienstleistun-
gen haben bestätigt, dass die Darstellung positiver Emotionen während der Ser-
viceinteraktion das Kundenurteil über die Servicequalität vorteilhaft beeinflusst (z. B. Bowen & Schneider, 1988;; Mattila & Enz, 2002;; Pugh, 2001). Zudem konn-
te nachgewiesen werden, dass die Kundenzufriedenheit maßgeblich von der emotionalen Überzeugungsleistung der Kundenkontakt-Mitarbeiter abhängt (z. B. Dormann & Kaiser, 2002;; Fischbach, 2003;; Gountas & Mavondo, 2005;;
Grandey et al., 2005;; Tan et al., 2004). Ferner belegen zwei ältere Studien im Gaststättengewerbe, dass der Ausdruck positiver Emotionen mit der Höhe des Trinkgeldes korreliert (Adelmann, 1995;; Tidd & Lockhard, 1978). Darüber hinaus lassen sich auch im Bereich der personenbezogenen Dienstleistungen kaum Untersuchungen finden, die Zusammenhänge zwischen gezeigten Emotionen und dem Folgeverhalten sowie den Verhaltensabsichten der Kunden zeigen.
All diese Überlegungen und Befunde verweisen jedoch auf die wesentliche Be-
deutung eines angemessenen emotionalen Ausdrucksverhaltens der Verkäufer im Kontakt mit dem Kunden. Aufgrund der bisherigen Forschungstätigkeit auf diesem Gebiet ist davon auszugehen, dass sowohl die Wahrnehmung der Per-
son des Verkäufers durch die Kunden als auch ihr Verhalten von der emotiona-
len Ausdrucksleistung der Verkaufsmitarbeiter beeinflusst wird. Die Frage nach der notwendigen Beschaffenheit des Emotionsausdrucks wurde hingegen noch nicht nachgegangen. Der entscheidende Nachteil der wenigen, bisherigen Un-
tersuchungen ist darin zu sehen, dass nur die Darstellung positiver Emotionen im Verhalten der Verkaufsmitarbeiter oder Dienstleister erhoben wurde (Rafaeli, 1989;; Sutton & Rafaeli, 1988;; Tsai, 2001;; Tsai & Huang, 2002). Dieses Vorge-
hen lässt keine Aussagen über die spezifische Ausprägung und Qualität der sei-
tens der Kunden wahrgenommenen Emotionen zu. Ebenso führt der unreflektier-
te Gebrauch der Begriffe „Freundlichkeit“ und „Höflichkeit“ (z. B. Pieters et al., 1998) zu Unklarheiten und unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten in der Beurteilung berufs- und organisationsspezifischer Formungen des Emotionsaus-
drucks in Verkaufsgesprächen.
Zudem wurde dem Ausdruck negativer Emotionen seitens der Verkäufer und resultierender Kundenreaktionen in der empirischen Forschung bisher kaum Be-
achtung geschenkt. Jedoch ist anzunehmen, dass auch aus der Wahrnehmung negativer Emotionen im Ausdruck der Verkäufer Effekte auf das Kundenurteil zu erwarten sind. So zeigen beispielsweise Studien im Einzelhandel, dass un-
freundliches Verhalten von Verkaufsmitarbeitern in Reklamationsgesprächen die angestrebte Wiedergutmachung aus einer gewährten Kompensationsleistung unterminiert (Blodgett et al., 1997;; Tax, Brown & Chandrashekaran, 1998).