2.3. Konzept der Emotionsarbeit
2.4.1. Person des Verkäufers
2.4.2.2. Verhalten des Kunden
2.4.2.2.2. Einfluss der wahrgenommenen Authentizität
Forschungsergebnisse zeigen, dass Interaktionspartner unterschiedlich auf au-
thentisches bzw. inauthentisches Ausdrucksverhalten reagieren (Butler et al., 2003;; Côté, 2005). Besonders für westliche Kulturen wird angenommen, dass einer Präsentation des „wahren“, authentischen Selbsts der eigenen Person grundsätzlich ein höherer Wert vom Empfänger beigemessen wird als einer in-
authentischen Darstellung (Grayson, 1998). Die Echtheit der dargestellten Emo-
tionen wird gemeinhin als zentrales Moment der Bewertung von Vertrauenswür-
digkeit und Beziehungsqualität interpretiert (Manthey, 2004, S. 57ff.).
Emotionstheoretische Forschungen stützen diese Annahmen. So konnte im Rahmen zahlreicher Forschungsarbeiten nachgewiesen werden, dass Empfän-
ger vor allem durch mimische Hinweise zwischen der Darstellung eines „künstli-
chen“ und eines „echten“ Lächelns unterscheiden können (z. B. Ekman, 2007, S.
205;; Ekman & Friesen, 1982;; Ekman et al., 1988). Auch zeigen experimentelle Studien, dass Personen, die ein „unechtes“ Lächeln zum Ausdruck bringen, in ihren sozialen Eigenschaften als grundsätzlich negativer eingeschätzt werden
(z. B. Frank et al., 1993). Authentisches Verhalten stärkt den Eindruck, dass die-
se Person glaubwürdig, verlässlich und unaufgeregt ist (Frank et al., 1993;;
Grandey et al., 2005). Es liegen zudem verschiedene Anhaltspunkte vor, die da-
rauf hindeuten, dass Empfänger negativ auf eine inauthentische Emotionsdar-
stellung von Sendern reagieren (Ekman & Friesen, 1982). Empfänger interpretie-
ren einen inauthentischen Emotionsausdruck eventuell als kalkulierten Versuch des Senders, von ihm manipuliert zu werden (Côté, 2005;; Rafaeli & Sutton, 1989). Auch mag eine inauthentische Darstellung von Emotionen als mangeln-
des Interesse an der eigenen Person gedeutet werden (Côté, 2005;; Gountas &
Mavondo, 2005;; Grandey & Brauburger, 2002).
In Dienstleistungssituationen bzw. Verkaufsgesprächen könnte ein solches Ver-
halten auch dazu führen, dass der Eindruck entsteht, der Mitarbeiter schenke dem Kunden nicht ausreichend individuelle Aufmerksamkeit (Côté, 2005;;
Grandey, 2003) oder verhielte sich unehrlich, um einen Kaufabschluss zu erzie-
len (Côté, 2005).
Allerdings wurde der Frage, ob und wie Authentizität in der Emotionsdarstellung von Dienstleistern oder Verkäufern für das Verhalten der Kunden eine Rolle spielt, in der empirischen Forschung bisher nur wenig Aufmerksamkeit ge-
schenkt (Grandey, 2003;; Grandey et al., 2005;; Grayson, 1998). Eine der weni-
gen Studien zu dieser Fragestellung ist die Untersuchung von Grandey et al.
(2005). Sie zeigen am Beispiel von Serviererinnen im Bereich der Gastronomie auf, dass ein als aufrichtig erlebter, positiver Emotionsausdruck die Kundenzu-
friedenheit signifikant höher ausfallen lässt als eine zwar positive, jedoch als in-
authentisch wahrgenommene Emotionsdarstellung. Es wird argumentiert, dass Authentizität im Ausdrucksverhalten der Mitarbeiter seitens der Kunden als Ext-
ra-Rollenverhalten interpretiert werden kann, das die Zufriedenheit mit anderen Komponenten der Leistung des Mitarbeiters noch verstärkt (Grandey & Braubur-
ger, 2002;; Grandey et al., 2005).
Darüber hinaus ist anzunehmen, dass ein positiver Emotionsausdruck, der auch noch „ehrlich“ wirkt, dazu beiträgt, den Verkäufer sympathisch erscheinen zu lassen. Ein Verkäufer, der als sympathisch empfunden wird, erzielt zweifellos bessere Erfolge (Nerdinger, 2001b, S. 39, S. 172, S. 179). Ferner ist zu vermu-
ten, dass ein als authentisch wahrgenommener Verkäufer, der hierdurch glaub-
würdig und nicht manipulativ erscheint, möglicherweise keine oder weniger Re-
aktanz, d. h. eine wahrgenommene Einschränkung der Freiheit (Nerdinger, 2001b, S. S. 183ff.), auslöst bzw. bereits entstandene Reaktanz abbaut und so den Kunden besser von den angebotenen Produkten überzeugen kann.
Von diesen Überlegungen ausgehend ist anzunehmen, dass ein als authentisch empfundener Ausdruck positiver Emotionen die Kunden noch besser überzeu-
gen könnte. Darüber hinaus ist es ziemlich wahrscheinlich, dass gerade Normen der Authentizität kulturspezifisch sind und angelsächsische Befunde nicht ohne weiteres auf den deutschen Sprachraum übertragbar sind. Aus diesen Gründen erscheint es sinnvoll, ergänzend zur Wirkung der wahrgenommenen Emotions-
qualität die Folgen von Authentizität in der Emotionsdarstellung von Verkäufern auf die gewählten Variablen des Kundenverhaltens zu untersuchen.
Folglich ergeben sich nachstehende Untersuchungshypothesen (4a bis 4d):
Hypothese 4a: Je stärker der Kunde die Darstellung positiver Emotionen durch den Verkäufer als authentisch wahrnimmt, desto häufiger wird ein Kaufabschluss erzielt.
Hypothese 4b: Je stärker der Kunde die Darstellung positiver Emotionen durch den Verkäufer als authentisch wahrnimmt, desto größer ist die Gesamtzufriedenheit.
Hypothese 4c: Je stärker der Kunde die Darstellung positiver Emotionen durch den Verkäufer als authentisch wahrnimmt, desto größer ist die Wiederwahlabsicht.
Hypothese 4d: Je stärker der Kunde die Darstellung positiver Emotionen durch den Verkäufer als authentisch wahrnimmt, desto größer ist die Empfehlungsbereitschaft.
2.4.3. Zusammenfassung und Folgerungen für die vorliegende Arbeit
Auf der Basis der beschriebenen Grundlagen wurde im vorangegangenen Kapi-
tel das forschungsleitende Modell dieser Arbeit erstellt und erläutert. Hierzu wur-
den fünf grundlegende Bestandteile – Persönlichkeitsmerkmale, Emotionsregula-
tion und Emotionsausdruck der Verkäufern bzw. Eindruck und Verhalten der Kunden – für das Anwendungsfeld des persönlichen Verkaufs selektiert und be-
schrieben. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurden insgesamt 16 Hypothe-
sen abgeleitet. Zusammengefasst ergeben sich nachstehende Folgerungen, die im empirischen Teil der Arbeit aufgegriffen werden:
Im Rahmen der Emotionsregulation werden heute, neben der Verweigerung, drei grundlegende Techniken der Emotionsarbeit (Oberflächenhandeln, Tiefenhan-
deln und automatische Emotionsregulation) differenziert (Ashforth & Humphrey, 1993;; Grandey, 2000;; Hochschild, 1990, S. 53ff.;; Morris & Feldman, 1996, 1997;;
Rafaeli & Sutton, 1987, 1989). Die Anwendung jeder dieser Strategien kann zu einer vom Empfänger als angemessen erlebten Emotionsdarstellung führen. Je-
doch scheint die wahrgenommene Qualität eines Emotionsausdrucks in Abhän-
gigkeit von der ausgeübten Regulationstechnik zu variieren (Grandey, 2003). Auf Grund dessen wurden drei Hypothesen 2a bis 2c generiert, die die Zusammen-
hänge zwischen der angewandten Technik der Emotionsarbeit und der kunden-
seitig wahrgenommenen emotionalen Qualität im Ausdruck des Verkäufers the-
matisieren. Zur Bestimmung der Emotionsqualität werden die positiven Emotio-
nen Freude, Interesse und Zuneigung und die negativen Emotionen Wut, Ver-
achtung und Langeweile herangezogen, da deren Ausdruck im persönlichen Verkauf von Belang scheint.
Als wesentliche Einflussfaktoren auf die Wahl einer bestimmten Technik der Emotionsarbeit werden die individuellen Merkmale der Persönlichkeit des Ein-
zelnen gesehen (Ashforth & Saks, 2002;; Gross & John, 2003;; Larsen et al., 2002). Um diese Wirkungsbezüge auch im persönlichen Verkauf besser zu ver-
stehen, wird in der vorliegenden Studie das in der psychologischen Forschung häufig verwendete Fünf-Faktoren-Modell herangezogen, das mithilfe von fünf Dimensionen – Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträg-
lichkeit, Gewissenhaftigkeit – die menschliche Persönlichkeit beschreibt (z. B.
Costa & McCrae, 1985, 1989, 1992). In diesem Zusammenhang sollen die Hypo-
thesen 1a bis 1e überprüft werden.
Da ein wesentliches Ziel dieser Arbeit die Untersuchung der ökonomischen Kon-
sequenzen von Emotionsarbeit ist, wird der Einfluss der vom Kunden wahrge-
nommenen Emotionsqualität auf sein Verhalten betrachtet. Folgende Variablen dienen hierbei der Erfassung des unmittelbaren und beabsichtigten Kundenver-
haltens: das Zustandekommen eines Kaufabschlusses, die Kundenzufriedenheit, die Wiederwahlabsicht und die Weiterempfehlungsbereitschaft gegenüber Drit-
ten. Zur Überprüfung der getroffenen Annahmen wurden die Hypothesen 3a bis 3d formuliert.
Im Dienstleistungsbereich konnte bereits nachgewiesen werden, dass ein au-
thentisches Ausdrucksverhalten des Verkäufers die Effekte eines positiven Emo-
tionsausdrucks auf das Kundenverhalten noch verstärkt (z. B. Grandey et al., 2005). Aus diesem Grund wird darüber hinaus getestet, ob dies auch für die an-
genommenen Variablen im Kontext des persönlichen Verkaufs gilt (Hypothesen 4a bis 4d).
Zudem besteht Klärungsbedarf hinsichtlich relevanter Indikatoren des emotiona-
len Ausdrucksverhaltens des Verkäufers, die förderlichen Einfluss auf die Errei-
chung der wirtschaftlichen Zielsetzungen im persönlichen Verkauf ausüben. Da zu diesem Themenbereich wenig Forschung vorliegt (Tsai, 2001;; Tsai & Huang, 2002), erscheint es sinnvoll, auf die Ableitung von Hypothesen zu verzichten und dieser Fragestellung im Rahmen eines eher explorativ orientierten Forschungs-
designs nachzugehen. Ziel ist, bereits untersuchte Indikatoren für das Untersu-
chungsfeld des persönlichen Verkaufs zu bestätigen und weitere nonverbale und verbale Ausdrucksphänomene zu identifizieren, deren Darstellung das Erreichen der ökonomischen Intentionen von Emotionsarbeit unterstützen.