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Forderungen von Gewerkschaften, Verbänden und weiteren Interessensgemeinschaften

6 REFORMDISKUSSIONEN UM DEN DEUTSCHEN FÖDERALISMUS

6.2 Reformen des Berufsbildungssystems unter föderal-argumentativer Flagge

6.2.2 Forderungen von Gewerkschaften, Verbänden und weiteren Interessensgemeinschaften

Im zweiten Teil der Reformbetrachtungen in der Berufsbildung werden die Vorstellungen von Gewerkschaften, Verbänden und weiteren Protagonisten dargestellt.

Die Skizzierung vervollständigt den „Mächtekanon“ in der Berufsbildung und versucht den Einfluss der Beteiligten auf die Neugestaltungen nachzuzeichnen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) votiert für eine Novellierung des BBiG unter Beibehaltung des Dualen Systems. Dabei geht der DGB explizit auf das Föderalismusprinzip in der Berufsbildung ein. In einem Diskussionspapier wird der Föderalismus auf den Prüfstand gestellt und die Erkenntnis gewonnen, dass die Kooperation zwischen „Betrieb und Berufsschule unzureichend“ sei.155 Die Bedeutung der Berufsschule für das Duale System wird nach Ansicht des DGB durch die Zuständigkeiten der Länder nicht mehr gerecht repräsentiert.156 Aus diesem Grund solle die Kompetenz der Berufsschule durch das BBiG geregelt werden. Somit verbessere

152 Die Forderungen der FDP zielen in Richtung Modularisierung der Berufsausbildung.

153 Vgl. Hartmann, Christoph: Rede im deutschen Bundestag zur Modernisierung der dualen

Berufsausbildung in Deutschland 17.06.2004. URL: http://www.fdp-fraktion.de/dateien/reden/04-06- 17-RedeHartmann.pdf, [Zugriff: 06.08.2004].

154 FDP Bundesverband: Politik für ein innovatives Deutschland.

URL: http://www.fdp-bundesverband.de/pdf/Mehr_Bildung.pdf, [Zugriff: 06.08.2004].

155 DGB: Diskussionspapier: Reform des Berufsbildungsgesetzes, S. 5.

URL:http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abiszdb/abisz_search?kwd=

Berufsbildungsgesetz&showsingle=1, [Zugriff: 06.08.2004].

156 Diese Begründung kann unter dem Versuch der „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse“

betrachtet werden.

sich die Zusammenarbeit zwischen den Lernorten Betrieb und Berufsschule.157 Dieser Schritt greift ausdrücklich in die Kulturhoheit der Länder ein und versucht die föderalistischen Merkmale in der Berufsbildung zu entfernen.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) sieht ebenfalls Handlungsbedarf in der beruflichen Bildung und fordert grundlegende Veränderungen bei der Novellierung des BBiG. Als Beteiligte in der Ausführung von Prüfungen und der Überwachung der Ausbildung richten sich die Ansprüche des DIHK auf eine Stärkung der Regelungs- und Gestaltungskompetenz der Industrie- und Handelskammern. Innerhalb des föderalen Gefüges verlangt der DIHK eine Übertragung der Verantwortung über die Berufsschulen auf die Wirtschaftsminister der Länder.158 Unter föderalem Standpunkt führt diese Maßnahme nicht zur Aufgabe der föderalen Prinzipien.

Eine weitere Reformforderung besteht in der Abschaffung des BIBB-Hauptausschusses, der BIBB-Fachausschüsse und der Mitwirkung von Beauftragten der obersten Landesbehörden in den Landesausschüssen für die berufliche Bildung.159 Alle Maßnahmen sollen die Entscheidungswege im föderalen Berufsbildungssystem beschleunigen.

Die IG Metall Jugend fordert, den Industrie- und Handelskammern die Zuständigkeiten im Dualen System zu entziehen und eine neue Instanz für diese Aufgaben zu schaffen.

Dies ist der Gegenpol zu der vom DIHK im vorherigen Abschnitt beschriebenen Ausweitung der Industrie- und Handelskammern. Ein gravierender Einschnitt in die föderale Ordnung und die Kulturhoheit der Länder besteht in der Forderung, dass der

„Geltungsbereich des Berufbildungsgesetzes ausgeweitet“ werden sollte.160 Darin soll die Verantwortung für die Berufsschule eingeschlossen werden. Ähnliche Ansichten sind - wie oben beschrieben - auch in den Ausführungen des DGB zu finden.

157 DGB: Diskussionspapier: Reform des Berufsbildungsgesetzes, S. 5.

URL:http://www.dgb.de/themen/themen_a_z/abiszdb/abisz_search?kwd=

Berufsbildungsgesetz&showsingle=1, [Zugriff: 06.08.2004].

158 DIHT: Berufliche Bildung stärken – Zukunft sichern. Positionen und Forderungen zur Novellierung des Berufsbildungsgesetzes 25.06.2003, S. 11.

URL: http://www.pfalz.ihk24.de/LUIHK24/LUIHK24/produktmarken/ausbildung/

bildungspolitik638/anhaengsel/bundesbildungspolitik/DIHK-Pos.pap.BBiG.pdf,[Zugriff: 06.08.2004].

159 Ebenda, S.12.

160 Vgl. IG Metall Jugend: Forderungen zur Novellierung des BBiG.

URL: http://www.bbig-reform.de/documents/bbigref_igmjugend.pdf, [Zugriff: 06.08.2004].

Kapitel 6: Reformdiskussionen um den deutschen Föderalismus

Der Bundesarbeitskreis Christlich-Demokratischer Juristen (BACDJ) kritisiert die Verflechtung von Bund und Ländern und fordert eine Reform der Kompetenzen, die Bürokratie abbauen und Entflechtung vollziehen soll. In der Berufsbildung soll mehr Wettbewerb durch die Übertragung der gesamten Berufsbildung auf die Länder geschaffen werden. Das Bestehen der KMK reiche für die notwendige Koordination und Kooperation aus. Somit könne mehr Transparenz und Verantwortlichkeit der Länder geschaffen werden. In diesen Ansichten lehnt sich die BACDJ an die Ausführungen der CDU/CSU.161

Die Gewerkschaft „Erziehung und Wissenschaft“ (GEW) sieht eine Notwendigkeit in der Überprüfung der Arbeitsteilung und der Kooperation zwischen Bund und Ländern, da ihrer Meinung nach die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gefährdet sei.162 Die GEW ist in ihrer Stellungnahme eng an die Vorstellungen der Regierung angelehnt.

Bildungsplanung sei demnach eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern, die

„eher aus- statt abzubauen“ sei.163 Die föderalen Zuständigkeiten sollen beibehalten, die Entscheidungswege jedoch effizienter gestaltet werden. Die GEW spricht sich explizit gegen das von CDU/CSU verfolgte Wettbewerbsmodell aus, das die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse zerstöre.164 Die BLK als Gemeinschaftsorgan soll in Verbindung mit der KMK weiter gestärkt werden, denn „föderale Kleinstaaterei und sektoraler Egoismus“ verhindere Qualität und Durchlässigkeit. „Eine Verlagerung der Kompetenz für die berufliche Bildung auf die Länder wird strikt abgelehnt.“165 Die GEW betont den föderalen Fortbestand der bisherigen Systemmodalitäten mit Tendenzen zu einer einheitlicheren Gestaltung durch den Bund.166

161 Vgl. BACDJ: Berliner Programm zur Reform des Föderalismus.

URL: http://www.cdu.de/politik-a-z/parteitag/220104-bacdj-foederalismus-long.pdf, [Zugriff: 06.08.2004].

162 Vgl. GEW: Stellungnahme der GEW zum Thema: „Neuordnung der bildungs- und

forschungspolitischen Zuständigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland“ am 20.10.2003, S. 1.

URL: http://leb.bildung-rp.de/info/presse/2003/2003-10-10_4a.pdf, [Zugriff: 06.08.2004].

163 Ebenda, S. 5.

164 Vgl. ebenda, S. 2.

165 Ebenda, S. 3.

166 Vgl. Heinemann, Karl-Heinz: Deutscher Zuständigkeitswirrwarr. In: Erziehung und Wissenschaft 05/2004, S. 31- 32.

Das Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung verlangt eine Ausweitung der Kompetenz des Bundes im Dualen System, die innerhalb der Föderalismus-diskussion berücksichtigt werden sollte.167 Diese Forderung impliziert ebenfalls Strömungen, die sich gegen eine föderale Vielfalt in der Berufsbildung bewegen.

Das Unternehmer-Institut e.V., ein privatwirtschaftlicher Unternehmerverband, stellt das gesamte föderalistische Berufsbildungssystem in Frage und vergleicht dieses sogar mit einem Kartell. Es verhindere einen Wettbewerbsföderalismus im Bildungswesen und fördere einen Vereinheitlichungsföderalismus.168 Die Ausführungen greifen den Kern des föderalistischen Berufbildungssystems an und versuchen dieses zu zerschlagen.

Die oben beschriebenen Skizzen haben gezeigt, dass die Palette der Vorschläge, Forderungen und Reformen groß und vielfältig ist. Die Bandbreite reicht von einer Erweiterung der Kompetenzen des Bundes, über die Beibehaltung derzeitiger Regelungen, bis hin zu einer alleinigen Kompetenz der Länder in der beruflichen Bildung. Viele Reformvorschläge sind ideologiebehaftet und folgen gruppen-spezifischen Paradigmen. Dennoch beinhalten einige Stellungnahmen stichhaltige und konsequente Vorlagen für eine Reform der Beruflichen Ausbildung vor dem Hintergrund des Föderalismusprinzips. Ein Punkt jedoch ist in allen Diskussionspapieren unbestritten: Die Notwendigkeit einer Reform.

167 KWB: Die Zukunft des Berufbildungssystems sichern, November 2003.

URL: http://kwb-berufsbildung.de/pdf/BBIG-Stellungnahme%20November%202003.pdf, [Zugriff: 06.08.2004].

168 Vgl. Unternehmerinstitut e.V.: Wettbewerb und Privatisierung im Bildungswesen – Eine unternehmerische Antwort auf PISA, S. 17.

URL: http://www.asu.de/www/doc/9d15081dc54bcd9dc23a74f99646b2a6.pdf, [Zugriff: 06.08.2004].