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Finanzbeiträgen ähnliche Eigenmittel

Im Dokument Welchen Finanzausgleich braucht Europa? (Seite 143-146)

Um die zahlreichen Aufgaben der Gemeinschaft zu finanzieren, reichen die ori-ginären Eigenmittel bei weitem nicht aus. Andererseits ist ihre konkrete Höhe im Vorfeld nicht exakt planbar, da sie von anderen als fiskalischen Faktoren ab-hängig sind. Darum muss sich die EU zum Großteil aus anderen Quellen finan-zieren. 1970 eingeführt, trugen die Mehrwertsteuer-Eigenmittel bald die Haupt-last der Finanzierung. Sie werden seit 1988 durch die Bruttosozialprodukt-Eigenmittel ergänzt.10 Mittlerweile sind die Mehrwertsteuer-Eigenmittel durch die Bruttosozialprodukt-Eigenmittel als Hauptfinanzierungsinstrument abgelöst worden. Beiden Eigenmittelkategorien ist gemein, dass sie im Grunde genom-men eher Beiträgen der Mitgliedsländer als eigenen Mitteln der EU gleichen.11

1. Mehrwertsteuer-Eigenmittel

Seit ihrer Einführung hat diese Eigenmittelart zunächst an Bedeutung für die Fi-nanzierung des EU-Haushalts gewonnen.12 Bei den Mehrwertsteuer-Eigenmit-teln führen die Mitgliedstaaten Finanzmittel in Abhängigkeit vom nationalen Konsum an die EU ab. Prinzipiell stehen den Mitgliedstaaten zwei unterschied-liche Methoden zur Berechnung der Bemessungsgrundlage zur Verfügung: Zum einen die Steuererklärungsmethode, nach der sich die Beiträge auf Grundlage der Steuererklärungen der Umsatzsteuerpflichtigen errechnen und zum anderen die Einnahmemethode, der die nationalen Umsatzsteuereinnahmen zugrunde liegen. In der Praxis wenden alle Mitgliedstaaten die Einnahmemethode an. Dies bedeutet, dass die Umsatzsteuereinnahmen zunächst an die nationalen Fisci fal-len und erst im Nachhinein der EU übertragen werden. Darum hat diese Ein-nahmekategorie auch weniger den Charakter von eigenen Einnahmen der EU als vielmehr von Finanzbeiträgen der Mitgliedstaaten.

Die Berechnung der von den einzelnen Mitgliedstaaten abzuführenden Mehr-wertsteuer-Eigenmittel ist sehr kompliziert und widerspricht der Anforderung nach Transparenz. Zum einen wird Großbritannien ein Korrekturmechanismus

IO Vgl. PEFFEKOVEN (1994b), S. 66ff.

II Vgl. NEUMANN(1999),

s.

74.

12 Bis 1997 stellten die Mehrwertsteuer-Eigenmittel die größte Eigenmittelkategorie dar.

1998 betrug ihr Anteil mit 34.134,6 Mrd. ECU 40,9 Prozent des Gesamthaushalts. Vgl.

EUROPÄISCHE KOMMISSION (1998b), S. 23.

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142 Teil III: Beurteilung der bestehenden Finanzbeziehungen in der EU

gewährt, der durch die relativ geringen Rückflüsse aus dem Agrarhaushalt an dieses Land begründet wurde. Deutschland - und ab dem Jahr 2000 auch Öster-reich, die Niederlande, Schweden und Finnland - finanzieren diesen ,,Britenra-batt" nur zum Teil mit, erhalten also ihrerseits einen gewissen Rabatt. 13

Zum anderen wird die relevante Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage seit 1998 gekappt: Die Bemessungsgrundlage sinkt zunächst nur für die vier Kohä-sionsländer, dann für alle Mitgliedstaaten schrittweise, von 55 Prozent auf 50 Prozent des nationalen BSP. Dies wird mit der vermeintlich regressiven Wir-kung14 der Mehrwertsteuer-Eigenmittel bezüglich des BSP begründet. Diese wird aus der keynesschen Theorie abgeleitet, nach der private Haushalte mit steigendem Einkommen einen geringeren Teil ihres Einkommens für Konsum-zwecke aufwenden.15 Ein empirisch signifikanter Nachweis für die Übertragung dieses Gesetzes auf die Konsumneigung von Volkswirtschaften ist allerdings bislang nicht erbracht worden.16 Die Kappung der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage führt letztlich zu einer Durchbrechung des Gleichmäßig-keitsgrundsatzes im Leistungsfähigkeitsprinzip, da gleiche Mehrwertsteuerbe-messungsgrundlagen zu ungleichen Beitragslasten führen.

Diese Mängel bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage müssten bei einer weiteren Verwendung der Mehrwertsteuer-Eigenmittel in jedem Fall beseitigt werden. Doch auch dann bestehen Zweifel an der Eignung dieser Eigenmittelart für die Finanzierung der Gemeinschaft. Zu der möglichen regressiven Wirkung kommt, dass sich die Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer-Eigenmittel langsamer ausweitet als die Wirtschaftstätigkeit der Gemeinschaft. Der Anteil des EU-Haushalts am BSP der Gemeinschaft würde somit entweder langfristig sinken oder regelmäßige Neuverhandlungen über die Höhe der abzuführenden Mehrwertsteuer-Eigenmittel wären nötig. Dies würde jedoch der Anforderung nach Eignung dieser Mittel widersprechen. Auch für die Sicherstellung der Fi-nanzierung ist diese Art von Finanzbeiträgen nicht nötig, falls adäquater Ersatz existiert. Die Verwendung von zwei ähnlichen Finanzierungsquellen nebenein-ander macht das Finanzierungsverfahren unnötig kompliziert und undurchsich-tig_ 11

13 Vgl.EUROPÄISCHERRAT(l999),S. 18.

14 Vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION (1987),

s.

98 und WWU-BERJCHT,

s.

84.

15 Vgl. KEYNES (1949), S. 115 und BIEHL (1991), S. 182.

16 Vgl. TEUTEMANN (1992), S. 317.

17 Vgl. HENKE(l997), S. 45.

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4. Kapitel: Die Verteilung der Einnahmen 143

2. Bruttosozialprodukt-Eigenmittel

Die Bruttosozialprodukt-Eigenmittel - auch vierte oder ergänzende Einnahme genannt - sind die jüngste Einnahmekategorie der EU. Sie ergeben sich durch Anwendung eines einheitlichen Prozentsatzes auf die nationalen Bruttosozial-produkte der Mitgliedstaaten. Sie haben die Funktion der Restfinanzierung des EU-Haushalts, welche die Mehrwertsteuer-Eigenmittel bis zur Kappung der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage erfüllten. Die Bedeutung der BSP-Eigenmittel nimmt seitdem stark zu.18 Als Residualgröße hängt ihre konkrete Höhe vom Betrag der restlichen Einnahmen der EU ab. Aus Sicht der EU-Kommission stellt die Einführung der BSP-Eigenmittel einen Rückschritt dar, denn tatsächlich haben diese Mittel - mehr noch als die Mehrwertsteuer-Eigenmittel - den Charakter von Finanzbeiträgen der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaft. Dem gegenüber war die Kommission immer bestrebt, die Finan-zierungsautonomie der Gemeinschaft zu stärken. Die Bezeichnung (eigene Mit-tel) und ihre tatsächliche Ausgestaltung (Finanzbeiträge) weichen bei dieser Einnahmenkategorie besonders weit voneinander ab.19

Die Wahl einer Sozialproduktsgröße als Bemessungsgrundlage unterstellt, dass die Leistungsfähigkeit, Beiträge zu erbringen, sachgerecht durch ein solches Aggregat beschrieben wird.20 Spätestens seit Einführung des Beitragsrabatts für Großbritannien auf die MwSt-Eigenmittel scheint auch die EU das BSP den Konsumausgaben diesbezüglich als überlegen anzusehen.21

Diese Eigenmittelkategorie bereitet aber Probleme in puncto Gleichmäßigkeit des Finanzausgleichs: Zum einen sind die nationalen Bemessungsgrundlagen noch nicht vollständig harmonisiert, sodass das BSP unterschiedlich erhoben wird. Zum anderen weist dieses Konzept systematische Mängel auf, wie den Einfluss unterschiedlicher Ausmaße der Schattenwirtschaft auf die Höhe des ermittelten BSP.

Trotz dieser Schwierigkeiten sind Finanzbeiträge auf Grundlage einer makro-ökonomischen Einkommensgröße für die Finanzierung der Europäischen Union

18 1998 stellten sie erstmals die größte Eigenmittelkategorie mit 35.907,8 Mio. ECU und 43,0 Prozent aller Einnahmen. Vgl. EUROPÄISCHE KOMMISSION (1998b), S. 23.

19 Vgl. PEFFEKOVEN (1994b), S. 69.

20 Davon geht auch Gurn ( 1999), S. 121 aus.

21 Vgl. HENKE (1981), S. 63.

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prinzipiell gut geeignet.22 Die Probleme bezüglich der Gleichmäßigkeit können gelöst werden und somit steht eine gerechte Finanzierungsalternative zur Verfü-gung. Dem Argument der mangelnden Finanzautonomie kann damit begegnet werden, dass eben gerade dies beabsichtigt wird, um einer uferlosen Ausweitung des EU-Haushalts entgegen zu wirken. Anderenfalls wäre der EU zur Stärkung ihrer Autonomie eine eigene Steuerquelle zuzugestehen. Zu dieser Frage und zur konkreten Ausgestaltung einer auf das BSP bezogenen Bemessungsgrundlage nimmt der vierte Teil dieser Arbeit näher Stellung.

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