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Die Allokationsaufgabe

Im Dokument Welchen Finanzausgleich braucht Europa? (Seite 171-174)

Bei der Allokationsfunktion geht es unter anderem um die effiziente Bereitstel-lung öffentlicher Güter durch den Staat. Im Rahmen der Föderalismusdebatte tritt hierbei die Frage in den Vordergrund, welche öffentlichen Güter von wel-cher föderalen Ebene bereitzustellen sind. Dazu werden in diesem Abschnitt die im dritten Kapitel getroffenen Aussagen kurz zusammengefasst und die behan-delten Politikfelder den einzelnen föderalen Ebenen zugeordnet.

1. Ausschließliche EU-Kompetenzen

Die EU sollte die Gesetzgebungshoheit nur auf den Gebieten erlangen, auf de-nen eine zentrale Kompetenz Effizienzgewinne verspricht. Dieses Vorgehen entspricht dem Subsidiaritätsprinzip. Als zentrale Kompetenzen der EU wurden bereits die folgenden Politikfelder identifiziert:

Zollpolitik Handelspolitik Wettbewerbspolitik Geld- und Währungspolitik

Landwirtschafts- und Fischereipolitik (Marktorganisation) Entwicklungspolitik

3 Vgl. MUSGRAVE(l959).

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170 Teil IV: Neuordnung der europäischen Finanzbeziehungen

- Visa-, Asyl- und Einwanderungspolitik

Die ersten fünf dieser sieben Politikbereiche sind eng mit dem Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion verknüpft. Daraus lassen sich die Effizienz-steigerungen erklären, die durch eine zentrale Kompetenzausstattung erreicht werden können: Die Vorteile, die den Mitgliedsländern durch die WWU entste-hen, fallen mehr oder minder allen Mitgliedstaaten zu.4 Es handelt sich also um eine Art öffentliches Gut mit positiven Effekten für alle Mitgliedsländer. In Be-zug auf die Währungsunion gilt dies allerdings nur eingeschränkt, da nicht alle EU-Mitglieder an der Währungsunion teilnehmen. Zu diesem Bereich der Han-delspolitik zählen auch die Fragen der Landwirtschafts- und Fischereipolitik, die sich aus den Bedingungen des Gemeinsamen Marktes ergeben.

Die zentrale Kompetenz in der Entwicklungszusammenarbeit kann, wie oben gezeigt,5 ebenfalls mit Effizienzgewinnen begründet werden. Diese ergeben sich in diesem Politikbereich durch steigende Skalenerträge bei der Bündelung der europäischen Entwicklungshilfeanstrengungen.

Im Bereich der Asyl- und Einwanderungspolitik liegt die Begründung für die zentrale Kompetenzausstattung in der Gefahr von Politikversagen bei dezentra-ler Ausgestaltung.6 Einzelne Mitgliedsländer könnten durch strategisches Ver-halten Lasten, die ihnen aufgrund der positiven Außenwirkung der EU entste-hen, auf andere Mitgliedsländer abwälzen. Hier ist die Gemeinschaft gefordert, einheitliche Standards zu setzen.

4 Diese Integrationsgewinne können zwischen den Mitgliedstaaten jedoch ungleich verteilt sein, vgl. THOMAS (1994), S. 479f. So vertritt die Europäische Kommission die Meinung, dass die peripheren Gebiete des Gemeinschaftsgebiets weniger Vorteile aus der Integrati-on ziehen als die zentralen. Vgl. LESCH (1995), S. 634. Die peripheren Gebiete würden zu einer verlängerten Werkbank der zentralen. Eine Gegenposition dazu bezieht BAUM (1995), S. 187f und begründet dies mit der Erfahrung, dass die peripheren Gebiete über-durchschnittlich hohe Wachstumsraten aufzuweisen haben. ROLLE (1999) weist darauf hin, dass vor allem kleine Länder stärker profitieren als große.

Siehe hierzu im 3. Kapitel dieser Arbeit den Abschnitt A. 1. r) Entwicklungspolitik.

Siehe hierzu im 3. Kapitel dieser Arbeit den Abschnitt A. 1. c) Visa-, Asyl- und Einwan-derungspolitik.

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6. Kapitel: Passiver Finanzausgleich 171

2. Konkurrierende Kompetenzen

Neben diesen ausschließlichen EU-Kompetenzen gibt es eine Reihe von Politik-bereichen, in denen eine konkurrierende Kompetenzverteilung angebracht ist.

Die Frage, ob eine konkrete Aufgabe besser durch die zentrale oder die dezen-trale Ebene durchgeführt wird, ist somit von Fall zu Fall zu entscheiden. Hier besteht der eigentliche Regelungsraum für das Subsidiaritätsprinzip.7 Die Analy-se des zweiten Teils dieAnaly-ser Arbeit ergab bei folgenden Politikfeldern eine kon-kurrierende Kompetenzausstattung:

Verbraucherschutzpolitik Umweltschutzpolitik

Wirtschafts- und Finanzpolitik (Verschuldung) Forschungs- und Technologiepolitik

In den ersten drei genannten Politikbereichen wurde eine teilweise Kompetenz-verlagerung auf die zentrale Ebene mit externen Effekten bei dezentraler Aus-stattung begründet. Beim Verbraucherschutz besteht die Gefahr, dass durch zu strenge nationale Vorschriften Produkte anderer Mitgliedsländer am Markt be-hindert werden. Im Bereich der Umweltschutzpolitik könnten Umweltschäden als externe Kosten auf Nachbarländer abgewälzt werden und auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik muss den Mitgliedsländern der Währungsunion eine maxi-male Verschuldungsobergrenze vorgeschrieben werden, um das Funktionieren der Währungsunion sicherzustellen. Steigende Skalenerträge und positive exter-ne Effekte liefern schließlich die Begründung, in begrenztem Maße europäische Forschungspolitik zu betreiben.8 Dabei ist aber stets das Subsidiaritätsprinzip zu beachten, denn in vielen Einzelfragen ist eine dezentrale Kompetenz angebracht.

So wäre es beispielsweise ineffizient, von europäischer Seite die Höhe der nati-onalen Forschungsausgaben zu bestimmen oder konkrete Vorschriften zu den Formen der Staatsverschuldung bei gegebener Maximalhöhe zu machen.

Vgl. HÄDE(l996), S. 350f.

Siehe hierzu im 3. Kapitel dieser Arbeit den Abschnitt A. l. p) Forschungs- und Tech-nologiepolitik.

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172 Teil IV: Neuordnung der europäischen Finanzbeziehungen

3. Nationale Kompetenzen

Alle übrigen Kompetenzen sollten bei den Mitgliedstaaten belassen werden, die sie nach eigenem Ermessen auf weiter nachgeordnete Ebene verlagern können.

Dies muss aber nicht in allen Ländern nach dem gleichen Muster geschehen.

Gerade darin besteht das Wesen des Autonomieprinzips und der Wahrung der nationalen Identität bei der nationalen Kompetenzausstattung. An dieser Stelle sollen lediglich die Politikbereiche genannt werden, die heute zumindest teilwei-se im Kompetenzbereich der EU liegen, jedoch besteilwei-ser auf die Mitgliedsländer zurück verlagert werden sollten.9

Strukturpolitik

Landwirtschafts- und Fischereipolitik (Agrarstrukturpolitik) Infrastrukturpolitik

Industriepolitik

Allgemeine Wirtschafts- und Finanzpolitik Steuerpolitik

Sozialpolitik

Beschäftigungspolitik

Bildungs-, Kultur- und Gesundheitspolitik Außenpolitik

Verteidigungspolitik Innen- und Rechtspolitik

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