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Wie in den vorigen Kapiteln dargestellt, stehen in Innenstädten von Großstädten aufgrund der Bestandsspartenlage nur begrenzte Möglichkeiten für neue Kälteleitungsverlegungen zur Verfügung. Hinzu kommt die Tatsache, dass auch geeignete Standorte zur Fernkälteerzeugung nur in geringem Umfang vorhanden sind, insbesondere in der Innenstadt. Für die Münchener Innenstadt und den Singapore central business district wurden daher Simulationen durchgeführt, um aus technischer und wirtschaftlicher Sicht, zu ermitteln, ob Fernkälte eine sinnvolle Versorgungsmöglichkeit für diese beiden Gebiete ist.

6.4.1 München Innenstadt

Auf Basis von SWM durchgeführten Untersuchungen zur Netzverlegung der Haupt- und Verteilleitungen, sowie zu Erzeugungsstandorten in der Münchener Innenstadt, liegen Grundlagen zur Analyse dieses Gebietes vor. Durch die Bestandskälte in der Innenstadt existieren aussagekräftige technische und wirtschaftliche Daten.

Zur Erörterung der Entwicklungsthematik bedarf es einer Simulation des Innenstadtgebietes. Durchgeführt wurde das in einer Studie mit dem Titel „Expansion Planning for District Cooling Networks Using Mathematical Optimization“, verfasst vom Autor dieser Ausarbeitung in Kooperation mit der TUM, Lehrstuhl für Erneuerbare und Nachhaltige Energiesysteme. Die Veröffentlichung erfolgte in der „EuroHeat&Power English Edition. [49]

Auf Basis eines existierenden Modells für die Ausbauplanung der Fernwärme wurden die vorhandenen Daten eingegeben und der Fernkälte angepasst. Aus Datenschutzgründen sind dem Modell abgeänderte SWM-Daten hinterlegt, mit denen jedoch realistische Ergebnisse erzielt werden können.

Dem gegenübergestellt wurde der theoretische Kälteleistungsbedarf der Münchener Innenstadt. Um an realistische Werte zu gelangen, sind Bereiche der Innenstadt mit Nichtwohngebäuden gewählt worden, beispielsweise Wohnungen und Büros, die die Hauptabnehmer an Kälte darstellen. Diese wurden leistungsmäßig in der Innenstadtkarte des Simulationstools hinterlegt.

Abbildung 74: Simulationsergebnis mit Netz, Erzeugungsstandorten und Leistungsversorgung [49, p. 37]

Basierend auf den einprogrammierten Daten ergibt sich eine Vollversorgung des Gebietes, wie Abbildung 74 zu entnehmen, was bedeutet, dass die untersuchten Netz- und Erzeugungslagen in Bezug auf Lage, Dimension und Effizienz sinnvoll gewählt wurden und damit eine wirtschaftliche Fernkälteversorgung in der Innenstadt ermöglicht wird. Zusätzlich erhält man Aussagen über die Redundanzfähigkeit des Verbundes, sowie über den wirtschaftlichen Betrieb der einzelnen Fernkältezentralen. Zudem bestätigen die Simulationsergebnisse die bereits durch SWM erörterten Erkenntnisse.

Die detaillierte Beschreibung der Simulation, sowie deren Inhalte und Vorgehensweise zur Erörterung der Fragestellung sind der Publikation zu entnehmen.

Basierend auf den Erkenntnissen der Studie lassen sich Rückschlüsse auf eine sinnvolle Vorgehensweise zur Erschließung neuer Gebiete mit Fernkälte ziehen. Die genaue Darstellung erfolgt in Kapitel 7 „Projekt -Fernkälte München-“. Somit zeigt sich, dass eine Simulation ein geeignetes Mittel darstellen kann, um zum einen Erkenntnisse aus zuvor durchgeführten Planungen und Untersuchungen zu verifizieren, zum anderen wird die Möglichkeit geboten, zusätzliche Informationen hinsichtlich Wirtschaftlichkeit, und Betrieb zu erhalten.

6.4.2 Singapore central business district

Die Veröffentlichung „District cooling network optimization with redundancy constraints in Singapore“, erstellt in Zusammenarbeit von TUM, SWM und TUM CREATE, zeigt ein mathematisches Optimierungsmodell zur Auslegung von Netz und Erzeugung eines Fernkältegebietes in Singapur. Diese wurde zur Veröffentlichung eingereicht beim Journal „Future Cities and Environment“ [50]. Das Modell beruht auf der gemischt-ganzzahligen linearen Programmierung, um die wirtschaftlichste Netzstruktur zu finden unter Berücksichtigung der Redundanzvorgaben hinsichtlich Nicht-Verfügbarkeit von Kälteerzeugungsanlagen. Der einfache Aufbau ermöglicht eine Integration in andere Modelle oder eine Ausweitung auf weitere technische Restriktionen/Vorgaben. Ein Überblick zu dem Optimierungsmodell ist in Abbildung 75 zu sehen.

Abbildung 75: Überblick Optimierungsmodell [50]

Das Modell wird angewendet auf eine Fallstudie im Geschäftszentrum (central business district; CBD) von Singapur.

Im CBD wurden an strategisch sinnvollen Orten Kälteerzeugungsanlagen platziert.

Dabei wurden die räumliche Nähe zum Versorgungsgebiet sowie die Voraussetzung, dass ausreichend Platz vorhanden ist, berücksichtigt. Des Weiteren besteht entweder ein direkter Zugang zum Meer als effiziente Rückkühlung und zur Grundlastversorgung, oder es wird konventionell rückgekühlt zu Spitzenlastzeiten sowie als Redundanz, unabhängig von Gewässern. Die Netze wurden entsprechend des ermittelten Kältebedarfes vorgesehen und dimensioniert, um die Versorgung und die Redundanz zu realisieren.

Das resultierende Netzwerk für den Basisfall ist in Abbildung 76 ersichtlich. Es zeigt ein Fernkältenetz, das den gesamten Kältebedarf deckt. Anders ausgedrückt: Mit den angesetzten Kostenannahmen und Einnahmen von 0,14 𝑆$

𝑘𝑊ℎ ist Fernkälte im gesamten Untersuchungsgebiet eine wirtschaftlich sinnvolle Strategie. Eine Sensitivitätsprüfung mit verringerten Einnahmen von 0,10 𝑆$

𝑘𝑊ℎ führt immer noch zu einer wirtschaftlichen Vollversorgung.

Abbildung 76: Netzwerk Basisfall [50]

Abbildung 77 zeigt die kostenoptimierte Betriebsweise, wenn alle Kälteerzeugungs-anlagen in Betrieb sind. Die drei im Betrieb wirtschaftlichsten ErzeugungsKälteerzeugungs-anlagen (57, 110 154) liefern ihre volle Leistung in Höhe von je 150 MW, während einige der anderen Anlagen nur in Teillast betrieben werden.

Abbildung 77: Kostenoptimierte Betriebsweise [50]

Der nächste Fall in Abbildung 78 zeigt, wie sich durch die Redundanzanforderung eine andere Versorgungssituation ergibt. Anlage 57 fällt aus, wodurch die Versorgung durch die großen Hauptleitungen aus den drei westlichen Erzeugungsanlagen (13, 17, 224) realisiert wird.

Abbildung 78: Versorgung bei Redundanzanforderung [50]

Die Ergebnisse zeigen, dass Fernkälte eine wirtschaftliche Option für das zentrale Geschäftszentrum von Singapur ist, besonders aufgrund des permanenten Kältebedarfs, welcher momentan mehrheitlich durch dezentrale Kälteanlagen versorgt wird. Dieses Ergebnis ist exemplarisch für andere tropische Metropolen mit einer hohen Kältebedarfsdichte.

7 Projekt -Fernkälte München-

In den vorangegangenen Kapiteln wurde detailliert auf verschiedene Teilaspekte eingegangen, die Voraussetzungen für die Fernkälte sind. Jedoch ist nur eine gesamtheitliche Betrachtung zielführend. Dazu ist es nötig, sich nachfolgender Punkte bewusst zu werden und eine Verknüpfung aller Kriterien in Abhängigkeit der jeweiligen Anforderungen zu schaffen:

 Wofür und aus welchen Gründen wird Fernkälte benötigt?

 Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden?

 Mit welchen technischen Mitteln wird eine möglichst effiziente Kälteerzeugung realisiert?

 Wie transportiert und verteilt man die Kälte?

 Wie gestaltet man die Kälteübergabe bzw. die Übernahme der Abwärme?

Dazu spielt neben der technischen Auslegung das Projektmanagement eine Schlüsselrolle. Beides wird nachfolgend detailliert betrachtet und erläutert. Ziel dieser Ausführungen soll sein, Wege aufzuzeigen, wie man Fernkälte erfolgreich etablieren kann und welche Kriterien dabei zu berücksichtigen sind. Eine Zusammenführung aller genannten Teilaspekte wird anhand Kapitel 7.3 „Vorgehensweise in einem Erschließungsgebiet“ beispielhaft dargestellt.

Diese Informationen dienen als Leitfaden und sind bei jedem Projekt durch ingenieurmäßiges Denken den Gegebenheiten anzupassen.