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Wie bereits einleitend erwähnt, sind die Begrifflichkeiten „Kälte“ und dessen Erzeugung ein teilweise technisches Synonym für Wärmeabfuhr über ein oder mehrere Medien. In München betreiben die SWM zwei Arten von Fernkälte, um diesen Zweck zu erfüllen, nämlich Naturkälte bzw. Grundwasserkälte und technisch erzeugte Kälte. Auf diese Begrifflichkeiten wird noch detailliert eingegangen, jedoch ergibt sich aus dem vorigen Satz eine neue Fragestellung: Was ist Fernkälte?

Ein Ausdruck, der bei Gesprächen oftmals für Verwirrung oder Erstaunen sorgt.

Unwillkürlich fällt den meisten Personen Fernwärme ein. Diese Art der Energieversorgung wird in großen und kleinen Städten bzw. Gebieten angewandt. Die Funktion ist denkbar einfach: In einer oder mehreren Heizzentralen wird in unterschiedlicher Weise Wärme erzeugt und durch ein Rohrnetz zu Abnehmern transportiert. Nach Rücklauf des abgekühlten Wärmemediums, meist Wasser oder Dampf, schließt sich der Kreis und beginnt von neuem. Bei der Fernkälte kann der Prozess sinnbildlich vertauscht werden. Somit muss die gelieferte Medientemperatur unterhalb der des Abnehmers bzw. Kunden sein. Um das zu erreichen, wird eine Quelle in Form einer Wärmesenke benötigt. Der Prozess kehrt sich im Vergleich zur Fernwärme sozusagen um, da in diesem Prozess eine Temperaturabsenkung der Abwärme erfolgt. Der Kunde erhält somit vereinfacht gesagt vom Energieversorger die Dienstleistung, dass seine angefallene Abwärme abgeführt wird und er ein Temperaturniveau, welches entweder technisch erzeugt wird oder natürlich vorkommt, geliefert bekommt, mit dem er eine Kühlung bzw. Temperierung und ggf. Entfeuchtung realisieren kann.

Eine weitere zu klärende Fragestellung ist die Bezeichnung des Ausdrucks „Fern“ in

„Fernkälte“. Eine eindeutige Definition existiert aktuell nicht, jedoch wurde bei den SWM die Festlegung getroffen, dass „Fern“ eine Versorgungsnetzstruktur über Eigentumsgrenzen hinaus bezeichnet. Es bedeutet, dass die Fernkälteerzeugung auf einem oder mehreren Standorten installiert ist und mittels Leitungen auf öffentlichen Grund, meist im Straßenbereich, die Kälte verteilt und daran zu versorgende Gebäude mittels Hausanschlussleitungen angebunden sind. Im Gegensatz hierzu wird von Nahkälte gesprochen, wenn sich sowohl Erzeugung, als auch Netz auf einem Areal befinden und keine Grundstücksgrenzen überschritten werden.

Dies trifft oft bei Contracting zu, eine Art der Versorgung, bei dem Netz und Erzeugung auf der Liegenschaft eines Kunden installiert sind und von einem Dienstleister der komplette Betrieb der Anlage durchgeführt wird.

Bereits in der Einleitung wurde auf den Begriff „Kälte“ eingegangen und dessen physikalische Bedeutung verdeutlicht. Betrachtet man die Kälteversorgung aus historischer Sicht, so hat diese seit 1750 [3, p. 99] eine lange Entwicklung hinter sich.

Nach der Formulierung der grundlegenden theoretischen Prinzipien und Entwicklung der technischen Verfahren wurde in der Folgezeit angestrebt, Kälte entsprechend dem jeweiligen Stand der Technik unter wirtschaftlich möglichst günstigen Bedingungen bereitzustellen. [3, p. 99]

So ist in Tabelle 1 ersichtlich, dass die Grundverfahren der heutigen Kältetechnik schon seit langem zur Verfügung stehen.

Tabelle 1: Auszug aus „Historische Entwicklung der Kältetechnik und Kältemittel 1750-1900“ [3, p. 99]

Erste Experimente 1750 Nachweis der Verdampfung von Ethylether durch Druckabsenkung (W.Cullen)

1810 Erzeugung von künstlichem Eis unter Verwendung des Absorptions-Stoffpaares Schwefelsäure/Wasser (J. Leslie) 1834 Prinzip der Kompressionskältemaschine verwirklicht und

zum Patent angemeldet (J. Perkins)

Erste Prototypen 1844 Praktisch einsetzbare Kaltluft-Kältemaschine entwickelt und betrieben (J. Gorrie)

Kohlendioxid (CO2) (C. Lowe), Ammoniak (NH3) (Boyle und Linde), Schwefeldioxid (SO2) (Pictet) als Kältemittel für Kompressions-Kältemaschinen

Elektrischer Antrieb

1898 Methylchlorid (CH3CH) als Kältemittel für Kompressions-Kältemaschinen in Frankreich im Gebrauch

Die erfolgreiche Anwendung von Ammoniak als Arbeitsmittel in Kompressions-Kältemaschinen durch Karl von Linde 1873 stellt dabei einen wesentlichen Markstein als Abschluss der historischen und Ausgangspunkt der modernen kältetechnischen Entwicklung dar. [3, p. 101]

Der Einsatz des Sicherheitskältemittels FCKW 1930 trug maßgeblich zur Verbreitung der Kältenutzung in vielen weiteren Anwendungsgebieten bei, beispielsweise im Haushalt oder in Fahrzeugen. [3, p. 101]

„Aufgrund ihrer günstigen Eigenschaften, Ungiftigkeit und Nichtbrennbarkeit, bezeichnete man die FCKW damals als „Sicherheitskältemittel““. [3, p. 104] Ab 1974 war eine Abkehr von FCKW`s als Kältemittel zu erkennen aufgrund der umweltschädlichen Einflüsse auf die Ozonschicht. [3, pp. 104-105]

Betrachtet man den globalen Treibhauseffekt, so ist zwischen dem natürlichen und dem anthropogegen Treibhauseffekt zu differenzieren: Der natürliche Treibhauseffekt wird durch Gase wie Kohlendioxid, Wasserdampf, Methan und Ozon, die sich in der Troposphäre befinden, hervorgerufen. [3, p. 106]

„Zur Charakterisierung von Kältemitteln im Hinblick auf ihre Umweltverträglichkeit dienen hauptsächlich drei Bewertungskriterien:“ [3, p. 106]

 ODP: Ozone Depletion Potential (Ozonabbaupotential) [3, pp. 106-107]

 GWP: Global Warming Potential (Treibhauspotential)” [3, pp. 106-107]

 TEWI: Total Equivalent Warming Impact („Maß zur Quantifizierung des gesamten Treib-hausgases einer Kälte- und Wärmepumpenanlage“) [3, p. 106; 109]

Das CO2-Äquivalent spielt beim GWP eine große Rolle als Vergleichswert, da es den Treibhauseffekt im Vergleich zu CO2 angibt. [3, pp. 106-107] In Tabelle 2 eine Auswahl von Kältemitteln, darunter heutzutage häufig verwendete (R134a; R407C) und natürliche Kältemittel (R718; R744). [3, pp. 106-108]

Tabelle 2: „ODP und GWP verschiedener Kältemittel nach EN 378-1: 2000“ [3, pp. 107-108]

Kältemittel Formel/Zusammen-

Betrachtet man die Entwicklungen der Kälteversorgung im Hinblick auf Technik, Kältemittel und Effizienz, so wird erkennbar, welche Rolle die Fernkälte spielt. Damit lässt sich auch die anfangs gestellte Definitionsfrage beantworten. Die Idee ist, vergleichbar zu Fernwärme, eine alternative Kälteversorgung zur Eigenlösung zu bieten, die eine Reihe an Vorteilen vereint. Dies bezieht sich insbesondere auf Effizienz, Ökologie, Komfort, sowie jeweils situationsbedingte Vorteile.

Hinzu kommt aber ein relativ neuer Faktor. Die Anforderungen an Kälte haben sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich geändert. Durch Klimawandel, gestiegenes Komfortbedürfnis, Rechenzentren bzw. Technisierung, veränderte Gebäudearchitektur, gesetzliche Vorgaben, erhöhte Versorgungssicherheit, usw. liegt ein gestiegener Kältebedarf vor, der den genannten Restriktionen unterliegt. Um all dem nachzukommen, bedarf es einer Technik, die den Anforderungen entspricht. Daher ergibt sich folglich die Fernkälte als Lösung, da ein Energieversorger in der Lage ist, sich um die Belange zu kümmern und mittels effizienter Technik zur Verfügung zu stellen.