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3.6 Untersuchung der im Laufe der Messzeit steigenden Wasserkonzentration 70

3.7.3 Fazit

Der Vergleich der Spektrenqualität über das Rauschniveau zeigt, dass derGratin-Jet insge-samt nicht ganz die Leistungsfähigkeit desFilet-Jets erreicht, wenn bei gleicher Scanzeit bzw. bei gleicher Realmesszeit verglichen und der Hauptvorteil – der reduzierte Substanz-verbrauch durch das Gasrecycling – damit nicht berücksichtigt wird. Bereits bei diesen Vergleichen zeigen sich jedoch im Spektralbereich oberhalb von ca. 3800–3900 cm−1 leich-te Vorleich-teile für denGratin-Jet. Erfolgt die Gegenüberstellung bei gleichem Substanzver-brauch, liegt derGratin-Jet erwartungsgemäß klar vorn. Hier wird deutlich, dass mit dem Gratin-Jet genauere Ergebnisse mit weniger Chemikalieneinsatz erzielt werden können – der um bis zu 95% verringerte Substanzverbrauch ermöglicht also z. B. die Verwendung teurer Chemikalien, die amFilet-Jet bisher nicht zugänglich waren.

Selbst beim für denGratin-Jet ungünstigsten Vergleich bei gleicher Gesamt-Scanzeit ist der Vorsprung desFilet-Jets jedoch nicht definitiv. BeimGratin-Jet wurde in den

bishe-rigen Messungen eine schnelle Alterung der W150-Lichtquelle festgestellt, die sich in ei-nem Signalverlust von bis zu 30% innerhalb weniger Wochen nach Einbau äußert. Die hier für den Vergleich herangezogenen Spektren wurden mit einer solchen „gealterten“ Licht-quelle aufgenommen. Zudem scheint auch die Qualität der amFilet-Jet aufgenommenen Spektren von der genauen Konfiguration und einer sorgfältigen Optimierung abhängig zu sein, wie der Vergleich der Spektren eines Gemischs aus Cyclopentanol (CyPeOH) und Pinakolon (Pin) in Helium (Abb. 3.27) zeigt.

Im Rahmen der Masterarbeit von Taija Fischer wurde am Gratin-Jet ein Spektrum dieses Gemischs mit frisch eingebauter W150-Lichtquelle und damit maximaler Lichtin-tensität aufgenommen und mit einem von Taija Fischer und Charlotte Zimmermann am Filet-Jet aufgenommenen Spektrum verglichen. Bei diesem Filet-Jet-Spektrum liegt das Rauschniveau bei gleicher Scanzahl höher als bei dem für die oberen Gegenüberstel-lungen herangezogenen MeOH+2FAP-Spektrum. Einer der Gründe hierfür könnte mög-licherweise in den genutzten Vorwiderständen (2.0 kΩ im CyPeOH+Pin- vs. 2.2 kΩ im MeOH+2FAP-Spektrum) liegen, dies wurde bisher allerdings nicht systematisch unter-sucht. Der Vergleich des so aufgenommenenFilet-CyPeOH+Pin-Spektrums mit dem ent-sprechenden, auf die gleiche Gesamt-Scanzeit reduziertenGratin-Jet-Spektrum (Abb. 3.27) zeigt jedoch, dass bereits bei leichten Veränderungen am Zustand der jeweiligen Appara-turen derGratin-Jet ein geringeres Rauschniveau und damit eine bessere Spektrenqualität als derFilet-Jet erreichen kann.

Zusammenfassend wird pro Scan- bzw. Realmesszeit am neuenGratin-Jet ein vergleich-bares Rauschniveau wie am über die Jahre immer weiter optimierten Filet-Jet erreicht.

Darüber hinaus sind amGratin-Jet abgesehen vom sich anreichernden Jet-Wasser im be-trachteten Filterbereich keine Störsignale in den Spektren zu beobachten und auch die Grundlinienstabilität liegt auf dem Niveau desFilet-Jets. Die Spektrenqualität ist somit vergleichbar gut. Bei diesen Vergleichen noch nicht berücksichtigt ist der Einfluss der von Filet- zuGratin-Jet um ca. 17% verlängerten Düse, der über eine entsprechende Intensitäts-erhöhung der spektralen Signale zusätzlich zu einer Verbesserung des S/N führen sollte.

Unberücksichtigt bleibt hier zudem das Verbesserungspotential desGratin-Jets durch Hei-zung der Düse. Diese könnte bei unwesentlich verschlechterter Expansionskühlung die Bildung großer Aggregate verhindern und bei höherer Moleküldichte verbesserte Mono-mer- und Dimersignale liefern. Ebenfalls ungetestet bleiben der Einsatz einer Linsenoptik amGratin-Jet sowie der direkte Leistungsvergleich der beiden eingesetzten Spektrometer.

3.7 Leistungsfähigkeit derGratin- im Vergleich zurFilet-Jet-Spektroskopie

0 . 2 0 . 4 0 . 6 0 . 8 1 . 0 1 . 2 1 . 4

4 0 0 0 3 8 0 0 3 6 0 0 3 4 0 0 3 2 0 0 3 0 0 0 2 8 0 0 2 6 0 0

G r a t i n - J e t 3 5 7 x F i l e t- J e t 3 7 5 x C y P e O H + P i n

Σt

s c a n , g r= Σt

s c a n , f i

4 0 0 0 3 8 0 0 3 6 0 0 3 4 0 0 3 2 0 0 3 0 0 0 2 8 0 0 2 6 0 0

4 . 0 4 . 5 5 . 0 5 . 5 6 . 0

−lg(RMSE)lg(I 0/I)

103

 / c m 1

~ / c m 1

~

Abbildung 3.27:Ein zweiter Vergleich der Apparaturen bei gleicher Gesamt-ScanzeitΣ𝑡scan(vgl.

Abb. 3.22), hier aber anhand von Messungen mit einem Gemisch aus CyPeOH und Pin in He.

DasGratin-Jet-Spektrum (rot) wurde auch hier entlang der Ordinate verschoben (+0.60). (Filet -Jet-Spektrum (schwarz) freundlicherweise zur Verfügung gestellt von C. Zimmermann.)

Kapitel 4

O/C-Waagensysteme

Mikrosolvatation[47,48] bezeichnet das stufenweise Hinzufügen von Lösungsmittelmole-külen zu einem zu lösenden Molekül. Wird dieser Prozess durch eine quantenchemische Methode modelliert, können sich mögliche Fehler in der Beschreibung der individuellen Wechselwirkungen bei Vergrößerung der Solvathülle sowohl addieren als auch wieder auslöschen, sodass eine gute Modellierung der Gesamtsolvatation unter Umständen nur durch Fehlerkompensation zustande kommt. Soll also untersucht werden, ob eine Metho-de aus Metho-den richtigen GrünMetho-den eine gute Leistung zeigt, sollte beim ersten Mikrosolvata-tionsschritt angesetzt werden.[75]

Werden für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der betrachteten quantenchemi-schen Methoden experimentelle Referenzdaten herangezogen,[7] bietet sich hierfür die spektroskopische Untersuchung der Gelöstes-Lösungsmittelcluster in einer Überschall-expansion[261] an (s. Kap. 2). Die quantitativen Bindungsenergien dieser Cluster sind nur in speziellen Fällen ermittelbar,[64,178,262,263] auch wenn es hierzu hybride Ansätze gibt, die experimentelle und theoretische Daten für die Berechnung vereinen.[264,265]Bei Vor-handensein mehrerer metastabiler Konformere kann ein Benchmark quantenchemischer Methoden aber auch auf Grundlage der relativen Energien erfolgen, die in der linearen Jet-FTIR-Spektroskopie etwa über die relativen Häufigkeiten der Konformere zugänglich sind.[31] Je nach relativer Stabilität, Barrierenhöhe für die Umwandlung ineinander und Trägergas können mehrere dieser metastabilen Konformere in der Überschallexpansion koexistieren.[42,44,170]

Prinzipiell ist besonders Mikrowellen-(MW-)Spektroskopie gut für die Unterscheidung verschiedener Strukturen geeignet. Unter den kalten Bedingungen der Überschallexpansi-on kann jedoch auch FTIR-Spektroskopie[55]zu einer solchen Unterscheidung in der Lage sein, insbesondere wenn über Wasserstoffbrücken verbundene Gelöstes-Lösemittelcluster untersucht werden. Die Ausbildung einer Wasserstoffbrückenbindung kann in der FTIR-Spektroskopie oft über eine Rotverschiebung – also eine Verschiebung zu niedrigeren Wellenzahlen – der O–H-Streckschwingungsbande des Wasserstoffbrückenbindungsdo-nors nachgewiesen werden.[59,266] Sind die Wasserstoffbrückenbindungen unterschied-lich stark, zeigen sich verschieden große Rotverschiebungen, was eine Unterscheidung der Cluster auf Basis ihrer Struktur ermöglicht.

Damit eine Zuordnung der im FTIR-Spektrum beobachteten Banden zu unterschied-lichen Konformeren möglich ist, sollten die betrachteten Konformere ausreichend ver-schieden stark rotverschobene OH-Streckschwingungsbanden aufweisen. In der vorlie-genden Arbeit werden im Sinne der Fokussierung auf den ersten Schritt der Mikrosolva-tation (s. oben) dabei ausschließlich Dimere betrachtet. Damit überhaupt mehrere Dimer-Konformere – für das Benchmarking quantenchemischer Methoden idealerweise zwei (s. Kap. 2.3.2) – in der Expansion vorliegen, sollte die Energiedifferenz weniger als ca.

4 kJ⋅mol−1betragen und die Umwandlungsbarriere zwischen den Konformeren flach und schmal sein.[31,267]Zudem sollten sich Wasserstoffbrückenbindungsdonor und -akzeptor über Substitution systematisch verändern lassen. So können die relativen Häufigkeiten der Dimer-Konformere für eine ganze Reihe ähnlicher Systeme untersucht werden, um eine größere Zahl experimenteller Referenzdatenpunkte für den Vergleich mit den Daten aus der quantenchemischen Rechnung zu erhalten. Ein solche Reihe von Systemen stellt dann eine Artintermolekulare Waage dar, deren Gleichgewichtslage bezüglich der Kon-formeren-Häufigkeitsverteilung durch die Variation an Donor und Akzeptor beeinflusst werden kann. Je kleiner dabei die Umwandlungsbarriere ist, desto niedriger ist die Tempe-ratur für das Konformerengleichgewicht in der Überschallexpansion und desto empfind-licher reagiert die intermolekulare Waage auf Änderungen im Energieunterschied. Somit können solche Waagen genutzt werden, um quantenchemische Methoden hinsichtlich ih-rer Leistungsfähigkeit zu untersuchen (s. Kap. 2.3.2), in günstigen Fällen bis in den sub-kJ/mol-Bereich.[31,37]

Eine Möglichkeit, die quantenchemischen Methoden daraufhin zu untersuchen, ob sie ein Gleichgewicht aus verschiedenen Wechselwirkungen adäquat beschreiben können, ist die Wahl eines Systems, das chemisch ungleiche Andockstellen für eine Wasserstoff-brückenbindung aufweist. Furan und seine Derivate wie 2,5-Dimethylfuran sind ein Bei-spiel für solche Wasserstoffbrückenbindungsakzeptoren und bieten zwei verschiedene Andockstellen: zum einen das delokalisierte, aromatische 𝜋-System des kohlenstoffba-sierten Fünfrings und zum anderen die𝜋- bzw.𝜎-Valenzelektronenpaare des Sauerstoff-atoms.[49]Anisol weist vergleichbare Andockstellen auf: das delokalisierte, kohlenstoff-basierte 𝜋-System einerseits und die freien Elektronenpaare des Sauerstoffatoms ande-rerseits.[50] In beiden Fällen konnte bereits die Koexistenz O- (Wasserstoffbrückenbin-dung zum Sauerstoffatom) und C-gebundener (Wasserstoffbrückenbin(Wasserstoffbrückenbin-dung zum kohlen-stoffbasierten𝜋-System) Dimere in Überschallexpansionen und die Beeinflussbarkeit die-ses Gleichgewichts durch Variation von Donor und/oder Akzeptor nachgewiesen wer-den.[31,36,37,49,50,239]Sowohl das Furan-Alkohol- als auch das Anisol-Alkohol-System stel-len somit intermolekulare Waagen dar, die gemäß ihrer Wasserstoffbrückenbindungsan-dockstellen als O/C-Waagensysteme bezeichnet werden können.

Im vorliegenden Kapitel sollen anhand dieser O/C-Waagensysteme Benchmarks quan-tenchemischer Methoden durchgeführt werden. In der Furan-Mikrosolvatations-Leistungs-überprüfung (Kap. 4.1) soll zunächst basierend auf dem überschaubaren experimentellen Datensatz der Kombination eines Alkohols (Methanol[268]) als Wasserstoffbrückenbin-dungsdonor mit drei Furanderivaten als -akzeptoren eine größere Zahl

quantenchemi-4.1 Furan-Mikrosolvatations-Leistungsüberprüfung (Göbench) scher Methoden hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit überprüft werden. Im Gegensatz da-zu soll dann im folgenden Unterkapitel (Kap. 4.2) mit dem Anisol-O/C-Waagensystem ein umfassenderer experimenteller Datensatz genutzt werden, um drei beispielhafte quanten-chemische Methoden zu untersuchen.

4.1 Furan-Mikrosolvatations-Leistungsüberprüfung (Göbench)

Die Inhalte dieses Kapitels wurden in weiten Teilen bereits veröffentlicht.[75,80] Teile der Abbildungen, Tabellen und des Texts können sich somit mit den Veröffentlichungen de-cken und Zitate aus den genannten Veröffentlichungen, inklusive Paraphrasierungen und wörtlicher Übersetzungen, werden in diesem Kapitel nicht noch einmal gesondert ge-kennzeichnet (Hinweis zum Urheberrecht: „Reprinted from J. Chem. Phys. 2018, 148, 014301[75]andJ. Chem. Phys. 2020,152, 164303,[80]with the permission of AIP Publish-ing.“).

Basierend auf den Ergebnissen einer früheren Untersuchung[49] wurde für die Furan-Mikrosolvatations-Leistungsüberprüfung das O/C-Waagensystem aus den Heterodime-ren von Methanol mit verschiedenen Furanderivaten ausgewählt. Wie bereits erwähnt, bieten Furane zwei energetisch nah zusammenliegende, aber chemisch unterschiedliche Andockstellen für protische Lösungsmittelmoleküle: das polare Sauerstoffatom (O), des-sen Attraktivität durch Delokalisierung seiner Elektronendichte über das aromatische 𝜋-System verringert ist, und das Kohlenstoffgerüst (C), das zusammen mit dem Sauer-stoffatom den Fünfring bildet und das durch das delokalisierte 𝜋-System als Andock-stelle attraktiver wird. Auf Grundlage der genannten Eigenschaften konnten die Furane in der Vergangenheit bereits als für Benchmarks interessante Systeme identifiziert wer-den.[36,49,269–271] Furan (Fu),[272,273] 2-Methylfuran (MFu)[274,275] und 2,5-Dimethylfuran (DMFu)[275,276](s. Abb. 4.1) sollen deshalb in der vorliegenden Untersuchung mit dem

Lö-O O O

Fu MFu DMFu

Abbildung 4.1:Lewis-Strukturen der in der Leistungsüberprüfung betrachteten Furane mit ihren im Text verwendeten Kürzeln: Furan (Fu), 2-Methylfuran (MFu) und 2,5-Dimethylfuran (DMFu).

Bearbeitung von Fig. 1 in Ref. [75] (lizenziert unter CC BY 4.0).

R

R

Ct Ot

Op

Abbildung 4.2:Schematische Übersicht zur Illustration der wichtigsten Strukturen in der Bin-dungssituation eines Lösungsmittelmoleküls (X–H) wie Methanol (X=MeO) mit Furan-Derivaten.

Das Lösungsmittelmolekül kann eine Wasserstoffbrückenbindung zum𝜋-System oberhalb eines der Kohlenstoffatome (Cin der Kennzeichnung) oder zu den𝜋- bzw.𝜎-Elektronen des Sauerstoff-atoms ausbilden (O). Das kleingedrucktetin der Kennzeichnung steht für eine Wasserstoffbrü-ckenbindung oberhalb der Furan-Ebene (engl. „ontop“), also zum𝜋-System des Furan-Moleküls, wohingegenpeine Wasserstoffbrückenbindung in der Furan-Ebene bezeichnet (engl. „inplane“), also zu einem 𝜎-Orbital. Die Positionen, an denen Fu substituiert wird, um MFu oder DMFu zu bilden, sind mitRgekennzeichnet. Hinweis zum Urheberrecht: „Reprinted fromJ. Chem. Phys.

2020,152, 164303,[80]with the permission of AIP Publishing.“.

sungsmittelmolekül Methanol (MeOH) bzw. seinem deuterierten Analogon Methanol-OD (MeOD) kombiniert werden und damit als Modellsystem für die grundlegenden Wechsel-wirkungen zwischen organischem Solvat und Solvens dienen.

Wie Abbildung 4.2 veranschaulicht, sind für die Furane mehrere Bindungssituationen mit einem protischen Lösungsmittelmolekül X–H wie Methanol (X=MeO) möglich. So kann das Lösungsmittelmolekül, wie bereits beschrieben, entweder eine Wasserstoffbrü-ckenbindung zu einem der Kohlenstoffatome (Kennzeichnung „C“) oder zum Sauerstoff-atom (Kennzeichnung „O“) ausbilden. Während die Bindung zu den C-Atomen immer zum delokalisierten𝜋-System und deshalb von oberhalb der Ringebene (Kennzeichnung

„t“ für engl. „ontop“) erfolgt, bietet das Sauerstoffatom zwei Andockstellen: der sauer-stoffzentrierte Teil des 𝜋-Systems, was erneut zu einer Bindung von oberhalb der Ring-ebene („t“) führt oder alternativ das freie 𝜎-Elektronenpaar, das in der Ringebene liegt (Kennzeichnung „p“ für engl. „in plane“). In allen Fällen kann der Solvens-Rest X sich so anordnen, dass sekundäre Wechselwirkungen mit dem Furan-Ring bzw. den

Substitu-4.1 Furan-Mikrosolvatations-Leistungsüberprüfung (Göbench) enten R maximiert werden. Ist die primäre Bindungspräferenz nur schwach zugunsten der einen oder anderen Stelle ausgeprägt, wie es für die Furane der Fall ist, kann das Gleichgewicht durch die sekundären R⋅⋅⋅X-Wechselwirkungen entscheidend beeinflusst werden.[31,277]

Um eine möglichst große Unabhängigkeit zwischen experimentellen Referenz- und zu untersuchenden berechneten Daten zu gewährleisten,[278] wurde die Furan-Mikro-solvatations-Leistungsüberprüfung – prägnanter auchGöbench („GöttingenBenchmark forNumerical Quantum Chemistry“) genannt – in einem ersten Schritt mit einem Dop-pelblindcharakter begonnen. Während die experimentellen Daten ohne Kenntnis der Er-gebnisse der quantenchemischen Rechnungen in der Suhm-Gruppe aufgenommen und interpretiert wurden, waren Computerchemie-Forschungsgruppen dazu aufgerufen, die Gleichgewichtssituation zwischen C- und O-Heterodimer in den genannten Methanol-Furan(derivat)-Kombinationen rechnerisch zu untersuchen und ihre Ergebnisse an den unabhängigen Koordinator (Ricardo Mata) einzureichen. Erst anschließend wurden die Ergebnisse zusammengeführt und gemeinsam ausgewertet.[75]

In einer zweiten Runde der Untersuchung wurden einige Daten ergänzt (z. B. zusätzli-che Jet-FTIR-Spektren zur Verbesserung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses, detaillierter aufgeschlüsselte Daten aus den quantenchemischen Rechnungen) bzw. erneuert (Errata oder technische Verbesserungen aufseiten der quantenchemischen Rechnungen). Für die-se überarbeiteten Methodenteile geht somit zwar der Doppelblindcharakter der ursprüng-lichen Studie ein Stück weit verloren, allerdings wird durch die zusätzursprüng-lichen Daten eine wesentlich detailliertere Auswertung ermöglicht. Darüber hinaus wurden für diese zweite Göbench-Runde durch das Hinzufügen mikrowellenspektroskopischer Daten neue Infor-mationen zu den Dimerstrukturen von MeOH mit Fu und DMFu eingebracht.[80] In der vorliegenden Arbeit sollen diese Ergebnisse jedoch nicht explizit dargestellt und analy-siert, wohl aber zur Vorauswahl der für den Vergleich zum Experiment herangezogenen quantenchemischen Methoden (s. unten) genutzt werden.

Wie in Kapitel 2.3 beschrieben, kann das aus Jet-FTIR-Spektren gewonnene relative In-tensitätsverhältnis zweier verschiedener Aggregate zueinander über die Boltzmann-Ver-teilung mit dem Energieunterschied zwischen den beiden Aggregaten verknüpft werden.

Zwar ist letztendlich nur das VerhältnisΔ𝐸0/𝑅𝑇c unkompliziert im Experiment zugäng-lich, aber bereits dies kann hilfreich dazu sein, Grenzen von DFT- oder wellenfunktionsba-sierten theoretischen Methoden[18,19,138,279–283] aufzudecken. Mit einer realistischen Ab-schätzung für die Konformationstemperatur (s. Kap. 2.3) können die Ergebnisse aus der Jet-FTIR-Spektroskopie (Kap. 4.1.1) auch zum Benchmarking berechneter Energieunter-schiede (Kap. 4.1.2) verwendet werden. Hierzu sind mehrere Herangehensweisen möglich (s. Kap. 2.3.2), von denen zwei im Folgenden für die Auswertung genutzt werden sollen (Kap. 4.1.3). Dabei kann die Last zu bestimmender Größen entweder mehr auf die Sei-te des Experiments (Bestimmung rein experimenSei-teller Energiedifferenzen) oder mehr auf die Seite der Theorie (Bestimmung abgeleiteter Konformationstemperaturen unter Einbe-ziehung quantenchemisch berechneter Daten) gelegt werden. Die Leistungsfähigkeit der theoretischen Methoden hinsichtlich der Beschreibung der

Schwingungsnullpunktsener-gie (engl. „zero-point vibrational energy“, ZPVE) soll durch die Betrachtung verschiedener Isotopologe (über Deuterierungseffekte und Isotopenaustauschtemperaturen) untersucht werden. Auch schwingungsspektroskopisch direkt observable Größen wie Bandenposi-tionen und Rotverschiebungen werden für den Benchmark berücksichtigt (Kap. 4.1.4).

Zur Überprüfung der mit linearer Jet-FTIR-Spektroskopie gewonnenen Daten z. B.

auf technische Artefakte wäre die Einbindung weiterer spektroskopischer Techniken interessant. Die leistungsfähige UV/IR-Technik wird jedoch durch ultraschnelle Dyna-miken in elektronisch angeregten Zuständen des Furans[284] in ihrer Anwendbarkeit eingeschränkt. In warmen IR-spektroskopischen Gasphasenmessungen sind die Rotver-schiebungen der OH-Streckschwingungsbanden aufgrund thermischer Anregung der Wasserstoffbrückenbindung zu klein, um Dimer- von Monomerbanden abzugrenzen und die Banden sind zu breit, um unterschiedlich gebundene Isomere zu unterscheiden.

Daten aus matrixisolationsspektroskopischen Messungen hingegen sind durch Wechsel-wirkungen mit den Matrixmolekülen verfälscht.[191] Jet-Raman-Spektroskopie könnte eine höhere Empfindlichkeit auf C-gebundene Dimere aufweisen und bietet eine bessere räumliche Auflösung der Konzentrationsentwicklung entlang der Expansion,[188] aber die Berechnung von Raman-Streuquerschnitten könnte zu einer geringeren Genauigkeit als für IR-Bandenstärken führen.

Mikrowellenspektroskopie ist als ergänzende experimentelle Technik äußerst attrak-tiv, da direkt strukturelle Informationen zu den vorliegenden Bindungssituationen erhal-ten[285] und die Koexistenz von C- und O-gebundenen Dimeren in einer Überschallex-pansion direkt nachgewiesen werden können.[187,286–289] Eine quantitative Analyse der relativen Häufigkeit der Dimere ist allerdings anspruchsvoller als in Jet-FTIR-spektro-skopischen Messungen. Aus diesem Grund wurden für die genauere Bestimmung der in der initialen Blindstudie[75]der Furan-Mikrosolvatations-Untersuchung ermittelten O/C-Intensitätsverhältnisse erneut Jet-FTIR-Spektren angefertigt. Völlig neue Daten zu den Dimerstrukturen konnten für MeOH mit Fu und DMFu dann durch mikrowellenspektro-skopische[290]Messungen gewonnen werden, die in der Schnell-Gruppe am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg durchgeführt wurden. Diese experimentel-len Strukturdaten können ebenfalls zur Überprüfung der in den Theoriegruppen quan-tenchemisch berechneten Werte herangezogen werden. Das vorliegende Kapitel konzen-triert sich, wie bereits erwähnt, jedoch auf die schwingungsspektroskopischen Aspekte des Benchmarks.

Eine kürzlich veröffentlichte MeOH-Fu-Studie[291] kann kaum Erkenntnisse zum vor-liegenden Benchmark beitragen. Die in der Studie verwendete Argon-Matrix beeinflusst die schwach gebundenen MeOH-Fu-Komplexe, beispielsweise hinsichtlich ihrer relati-ven Häufigkeit. Zudem wurde der Vergleich von Theorie und Experiment auf Grundlage von nicht-dispersionskorrigierten DFT-Rechnungen durchgeführt, was zu einer systema-tischen Benachteiligung der stärker von Dispersion profitierenden C-Dimere führt. Die von den Autoren festgestellte Präferenz für das O-gebundene Dimer sollte somit noch einmal kritisch überprüft werden.

Während der aktuelle, systematische Vergleich experimenteller und theoretischer

4.1 Furan-Mikrosolvatations-Leistungsüberprüfung (Göbench)

Tabelle 4.1:Experimentell vor (oben) und nach (unten) der aktuellen Furan-Mikrosolvatations-Studie[49,75]untersuchte XOH-Furan-Dimere. Die O/C-Bindungsstellenpräferenz ändert sich subtil mit dem Lösungsmittelmolekül (C(6) kennzeichnet den Benzolring; Fu, MFu und DMFu s. Fließ-text). Tabelle zusammengestellt von A. Poblotzki. Hinweis zum Urheberrecht: „Reprinted from J. Chem. Phys.2020,152, 164303,[80]with the permission of AIP Publishing.“.

XOH Furan Referenz Präferenz

HCOOH Fu [292] O𝑎

H2O 2,3-Benzofuran [36]

-CH3OH 2,3-Benzofuran [36, 49] C(6)

CH3OH DMFu [49, 75] O

CH3OD DMFu [49, 75] O

CH3OH 2-𝑡-Butylfuran [31] C

CH3OH MFu [75] O

CH3OD MFu [75] O

CH3OH Fu [75] O

CH3OD Fu [75] O

H2O Fu [293] O𝑎

D2O Fu [293] O𝑎

HOD Fu [293] O𝑎

CF3CH2OH Fu [294] O𝑎

1-Naphthol Fu [295, 296]

-CF3CH2OH MFu [294] O𝑎

1-Naphthol DMFu [295, 296]

-H2O Dibenzofuran [239] O

CH3OH Dibenzofuran [239] C(6)

(CH3)3OH Dibenzofuran [239] C(6) (CH3)3OH 2-𝑡-Butylfuran [296] C

𝑎Daten basieren nicht auf kalten Gasphasenspektren

Ergebnisse sich auf MeOH mit Fu, DMFu und mit Einschränkungen (s. Kap. 4.1.1) MFu konzentriert, soll der Benchmark in Zukunft auf weitere Systeme erweitert werden.

Initiale Furanderivatstudien[36,49] und die 2018 publizierten, ersten Ergebnisse der Furan-Mikrosolvatations-Untersuchung[75] haben bereits neue Forschungsvorhaben ausgelöst.[239,293,294]Diese und weitere Studien furanbasierter Systeme[269,282,292,295,296]

sind in Tab. 4.1 zusammengefasst.