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4.2 Alkohol-Anisol

5.1.1 Experimentelles

Die Gemische von Methanol (Sigma-Aldrich,≥99.8%; abcr, 99%) mit Acetophenon (TCI,

>98.5%), 2-Fluoracetophenon (Sigma-Aldrich, 97%), 4-Fluoracetophenon (Acros Orga-nics, 99%), Acetophenon-2,2,2-d3(abcr, 98% D) und Acetophenon-2’,3’,4’,5’,6’-d5 (abcr, 98% D) sowie von Methanol-OD (euriso-top, (HDO+D2O) <0.1%, 99.00% D) mit Ace-tophenon wurden in Überschallexpansionen mit Helium (Linde, 99.996%) als Trägergas an derFilet-Jet-Apparatur (s. Kap. 2.2) FTIR-spektroskopisch untersucht. Die nicht wei-ter aufbereiteten Chemikalien wurden über temperierte Sättiger in das Trägergas einge-bracht, wobei die Analytkonzentrationen über die Sättigertemperaturen und die Schalt-zeiten der Magnetventile in den Reservoirzuleitungen variiert werden konnten. Die Ex-pansionen durch die(600 ⋅ 0.2) mm2 große Schlitzdüse erfolgten bei einem Stagnations-druck von 0.75 bar und für die einzelnen Spektren wurden jeweils 150–800 Einzelscans gemittelt. Für die Aufzeichnung des O–H-, C–H- und O–D-Streckschwingungsbereichs (4200–2450 cm−1) wurde das Spektrometer (Bruker IFS 66 v/S) mit einer Wolframlampe (150 W), CaF2-Optiken und dem InSb-Detektorelement eines InSb/MCT-Sandwich-De-tektors betrieben. Die dabei genutzte Spiegelgeschwindigkeit betrug 80 kHz (einseitiger Messmodus) und als Auflösung wurden 2 cm−1gewählt.

Zusätzlich wurden Spektren des Gemischs von Methanol (abcr, 99%) mit 2-Fluorace-tophenon (Sigma-Aldrich, 97%) an der neuen Gratin-Jet-Apparatur (s. Kap. 3) aufge-zeichnet. Die Chemikalien wurden vor Einbringen in den Gaskreislauf der Apparatur je-weils durch dreifache freeze-pump-thaw-Zyklen (schnelles Einfrieren durch Eintauchen

5.1 Methoden des Kolbens in flüssigen Stickstoff, gefolgt von Evakuieren des Kolbens bei ansteigen-der Temperatur im Wasserbad, Einleiten von Inertgas (He) als „Schleppgas“ und Wieansteigen-der- Wieder-holung des Vorgangs) entgast. Anschließend wurde das Reservoir mit den gewünschten Mengen Methanol (ca. 0.01%) und 2FAP (ca. 0.04–0.07%) befüllt und mit dem Trägergas Helium (Linde, 99.996%) auf den Stagnationsdruck von 0.75 bar aufgefüllt. Das Gasge-misch wurde für die Aufnahme der Jet-FTIR-Spektren dann durch die(700 ⋅ 0.2)mm2 gro-ße Schlitzdüse ins Puffervolumen expandiert, vom Wälzkolbenpumpstand rekomprimiert und ins Reservoir zurückgeleitet. Für das für die Auswertung verwendete Spektrum wur-den 1200 Einzelscans gemittelt, wobei das Gasgemisch aufgrund der im Laufe des Kreis-laufbetriebs ansteigenden Wasserkonzentration (s. Kap. 3.6) mehrfach abgepumpt und erneuert wurde (für Details s. Abb. 3.24 auf S. 89). Auch amGratin-Jet wurden die Spek-tren im Bereich 4200–2450 cm−1aufgezeichnet, wobei das Spektrometer (Bruker Vertex 70v) auch hier mit einer 150W-Wolframlampe, CaF2-Optiken und dem InSb-Detektorele-ment eines InSb/MCT-Sandwich-Detektors betrieben wurde. Die Spektren wurden bei ei-ner Auflösung von erneut 2 cm−1bei 140 kHz Spiegelgeschwindigkeit im doppelseitigen Akquisitionsmodus gemessen.

Wie ein Vergleich der Filet- und Gratin-Jet-Spektren der Mischung von MeOH und 2FAP zeigt (s. Kap. 3.7), ergeben sich in den Überschallexpansionen nahezu identische Bedingungen, sodass bei der Auswertung keine Differenzierung nach verwendeter Appa-ratur erfolgen muss.

Für jede der untersuchten Methanol(-OD)-Acetophenon(derivat)-Kombinationen wer-den aus dem Spektrum mit wer-den jeweils besten Analytkonzentrationen (möglichst hohes Signal-zu-Rausch-Verhältnis für die gemischten Dimerbanden ohne größere Mengen von Trimeren) Bandenpositionen und Intensitätverhältnisse der Methanol-Acetophenon(de-rivat)-Dimer-OH(D)-Streckschwingungsbanden ermittelt. Für die Bestimmung des Inten-sitätsverhältnisses wird erneut das in Kap. 2.3.3 beschriebene Verfahren verwendet.

5.1.2 Quantenchemische Rechnungen

Für den in den folgenden Abschnitten 5.3 und 5.4 vorgestellten Benchmark quan-tenchemischer Methoden anhand des kompakten experimentellen Carbonylwaagen-Datensatzes (ein Donor mit drei nur durch Substitution variierten Akzeptoren sowie drei weitere Isotopolog-Kombinationen) sollen fünf beispielhafte, DFT-basierte Methoden herangezogen werden. Analog zum Methanol-Anisol-Benchmark werden dabei erneut die beliebten Hybrid-Dichtefunktionale B3LYP[85,86] und M06-2X[82] berücksichtigt, wobei das B3LYP-Funktional wieder mit der D3-Dispersionskorrektur inklusive Dreikör-perterm[83] (ABC) und Becke-Johnson-Damping[90–93] (BJ) kombiniert wird. Sowohl das B3LYP-D3(BJ,ABC)- als auch das M06-2X-Funktional werden erneut mit dem def2-TZVP-Basissatz[103] eingesetzt. Um die Basissatzkonvergenz beispielhaft zu überprüfen, wird die B3LYP-D3(BJ,ABC)-Methode zusätzlich mit dem Quadruple-𝜁-Basissatz def2-QZVP[103] kombiniert. Die B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-nZVP-Rechnungen (mit n=T,Q) werden mit dem Orca-Programmpaket[107–109] in der Version 4.0.1, die

M06-2X/def2-TZVP-Rechnungen mit Gaussian16 in der Revision A.03[111]durchgeführt.

Als kostengünstige Alternativen, mit denen auch größere Systeme betrachtet werden können, werden die Kompositmethoden B97-3c[98] und PBEh-3c[97] in den Benchmark integriert, um ihre Leistungsfähigkeit hinsichtlich der Beschreibung wasserstoffbrü-ckengebundener Systeme am Beispiel der Carbonylwaagen zu überprüfen. Im Gegenzug wird auch ein höheres Theorieniveau, das Doppel-Hybrid-Funktional B2PLYP[102] mit D3(BJ,ABC)-Dispersionkorrektur, für den Benchmark herangezogen. In Kombination mit dem Basissatz a’VTZ (cc-pVTZ[104] und Hilfsbasissatz cc-pVTZ/C[106] an H, aug-cc-pVTZ[105] und aug-cc-pVTZ/C[106] an den anderen Atomen) stellt diese Methode trotz Verwendung der „resolution of the identity“-(RI-)Näherung[68] das Maximum dessen dar, was mit den zur Verfügung stehenden Rechenressourcen auf Systeme dieser Größe routinemäßig anwendbar ist (Laufzeit von Geometrieoptimierung und Frequenzrech-nung >100 h auf 23 (= 𝑁atome) AMD Opteron 6378 CPU-Kernen). Die B97-3c-, PBEh-3c- und B2PLYP-D3(BJ,ABC)/a’VTZ-Rechnungen werden mit Orca in der Version 4.1.2 durchgeführt. Die Rechnungen der 3c-Kompositmethoden sind dabei potentiell von einem Programmfehler betroffen, der sporadisch zu falschen, z. B. großen imaginären, Frequenzen führt.[380] Der Programmfehler kann bei analytischen Frequenzrechnungen auftreten, bei denen die RI-Näherung zum Einsatz kommt. Im Rahmen dieser Arbeit ist dies nur für die 3c-Methoden der Fall. Die RI-Näherung wird ansonsten nur für die B2PLYP-D3(BJ,ABC)/a’VTZ-Rechnungen verwendet, für die mit Orca jedoch keine analytischen Frequenzrechnungen möglich sind. Somit wird in diesem Fall auf nicht vom Programmfehler betroffene numerische Frequenzrechnungen zurückgegriffen (s.

Kap. 2.1.1). In den hier durchgeführten B97-3c- und PBEh-3c-Rechnungen wurden keine Hinweise auf das Auftreten des Programmfehlers gefunden, sodass die Ergebnisse trotzdem für den Benchmark verwendet werden sollen.

Für alle genannten Methoden werden zusätzlich die elektronischen Energien mit dem DLPNO-CCSD(T)-Verfahren[122–125] mitTightPNO-Vorgabe, das sowohl in der Furan-Mi-krosolvatations-Leistungsüberprüfungtersuchung (s. Kap. 4.1) als auch für die Methanol-Anisol-Waagensyteme (s. Kap. 4.2) gute Ergebnisse erzielen konnte, berechnet. Dabei wird auf den aug-cc-pVQZ-Basissatz[105](mit Hilfsbasis aug-cc-pVQZ/C[106]) zurückgegriffen.

Auf Grundlage dieser Rechnungen wird der Einfluss von Dispersionswechselwirkungen auf das Carbonylwaagen-Gleichgewicht mit dem Konzept der „local energy decompositi-on“ (LED),[20] das ebenfalls bereits für die Methanol-Anisol-Waagensysteme eingesetzt wurde (s. Kap. 4.2.5), analysiert.

Die Berechnung der elektronischen Energien der B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-nZVP-Geometrien (mit 𝑛 = T,Q) wird zusätzlich testweise unter Berücksichtigung der Kern-elektronenkorrelation durchgeführt. Dazu werden für die Atomsorte H erneut der aVQZ-Basissatz und für die Atomsorten C, O und F der aug-cc-pwCVQZ-aVQZ-Basissatz[105,140]

(mit Hilfsbasis aug-cc-pwCVQZ/C[106,141]) verwendet. Auf dem DLPNO-CCSD(T)/

awCVQZ//B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-TZVP-Niveau wird zudem das alternative Pipek-Mezey-Lokalisierungsverfahren[133] (CCSD(T)-PM) eingesetzt. Die DLPNO-CCSD(T)/aVQZ- (inkl. LED) und die DLPNO-CCSD(T)/awCVQZ//B3LYP-D3(BJ,ABC)/

5.2 Experimentelle Ergebnisse

Tabelle 5.1:Übersicht der verwendeten quantenchemischen Methoden für die Berechnung der Geometrie und Hesse-Matrix sowie der elektronischen Energie und die für die Methodenkom-binationen verwendeten Kürzel. Eine Beschreibung der Detaileinstellungen der durchgeführten Rechnungen befindet sich in Kapitel 2.1.

Kürzel Geometrie und Hesse-Matrix Elektronische Energie B3 B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-TZVP B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-TZVP B3+ B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-TZVP DLPNO-CCSD(T)/aVQZ B3+c B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-TZVP DLPNO-CCSD(T)/awCVQZ B3+cP B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-TZVP DLPNO-CCSD(T)-PM/awCVQZ B3Q B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-QZVP B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-QZVP B3Q+ B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-QZVP DLPNO-CCSD(T)/aVQZ

B3Q+c B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-QZVP DLPNO-CCSD(T)/awCVQZ

M6 M06-2X/def2-TZVP M06-2X/def2-TZVP

M6+ M06-2X/def2-TZVP DLPNO-CCSD(T)/aVQZ

B9 B97-3c B97-3c

B9+ B97-3c DLPNO-CCSD(T)/aVQZ

PB PBEh-3c PBEh-3c

PB+ PBEh-3c DLPNO-CCSD(T)/aVQZ

B2 B2PLYP-D3(BJ,ABC)/a’VTZ B2PLYP-D3(BJ,ABC)/a’VTZ B2+ B2PLYP-D3(BJ,ABC)/a’VTZ DLPNO-CCSD(T)/aVQZ

def2-QZVP-Rechnungen werden unter Orca in der Version 4.1.2, die DLPNO-CCSD(T)/

awCVQZ//B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-TZVP-Rechnungen unter Orca in der Version 4.0.1 durchgeführt.

Einen Überblick über die hier verwendeten Rechenmethoden und die im Folgenden ver-wendeten Methodenkürzel gibt Tabelle 5.1. Die Detaileinstellungen der durchgeführten Rechnungen sind in Kapitel 2.1 dokumentiert.

5.2 Experimentelle Ergebnisse

Im Jet-FTIR-Spektrum von MeOH mit dem unsubstituierten AP (Abb. 5.4 unten) zeigen sich zwei gegenüber dem Methanol-Monomer (M) stark rotverschobene OH-Streck-schwingungsbanden bei 3565 und 3528 cm−1, die über ihre Skalierung bei Variation der MeOH- und AP-Konzentration den Donor-OH-Streckschwingungen in gemischten MeOH-AP-Dimeren (MA) zugeordnet werden können. Mit 121 bzw. 158 cm−1 weisen die beiden gemischten Dimerbanden größere Rotverschiebungen gegenüber der OH-Streckschwingungsbande des Methanol-Monomers (3686 cm−1[154,297]) als das

Methanol-M 0 . 1

2 7 0 0 2 6 5 0 2 6 0 0

M A M e

M e O H

+ A P M M

M A P h

M e O D + A P

3 7 0 0 3 6 5 0 3 6 0 0 3 5 5 0 3 5 0 0

0 . 0 0 . 1 0 . 2

lg(I 0/I)⋅103 lg(I 0/I)⋅103

~ / c m 1

Abbildung 5.4:Vergleich der OH(D)-Streckschwingungsbereiche der Spektren von MeOD (oben) bzw. MeOH (unten) mit AP. Die Wellenzahlachse des OD-Spektrums wurde relativ zum OH-Spek-trum um den Faktor√2gestreckt und die Spektren wurden am Methanol-Monomer-Signal ausge-richtet. Die relevanten Banden (Monomer (M), Homodimer (MM), Methanol-AP-Me-Dimer (MAMe) und -Ph-Dimer (MAPh) wurden im Spektrum gekennzeichnet. Gleichartige Banden wurden mit gestrichelten Linien verbunden, die gemäß ihrer Steigung eingefärbt wurden (rot: positive Steigung; schwarz: keine erkennbare Richtung).

Homodimer (MM, 111 cm−1) auf. Die stärker rotverschobene Heterodimerbande besitzt dabei etwa die fünffache Intensität der weniger rotverschobenen Bande. Die Größe der Rotverschiebungen lässt vermuten, dass die Wasserstoffbrückenbindungen der beiden beobachteten gemischten Dimere vom OH⋅⋅⋅O-Typ sind, da OH⋅⋅⋅𝜋-Wasserstoffbrücken-bindungen analog zu den Methanol-Furan(derivat)- bzw. Methanol-Anisol(derivat)-Dimeren zu kleineren Rotverschiebungen führen sollten. In der Tat scheinen sich hier also zwei Carbonyl-gebundene Dimere auszubilden. Die großen Rotverschiebungen der Dimerbanden lassen zudem auf stärkere lokale Wasserstoffbrückenbindungen als für die Methanol-Furan- bzw. Methanol-Anisol-Waagensysteme schließen, bei denen die entsprechenden Dimerbanden stets bei geringeren Rotverschiebungen als das Methanol-Dimer liegen.

Um die Zuordnung der Banden zu Carbonyl-gebundenen Dimeren weiter abzusichern, kann ein Vergleich mit dem entsprechenden Spektralbereich für MeOD als Donor heran-gezogen werden. In der oberen Hälfte von Abbildung 5.4 ist der OD-Streckschwingungs-bereich des Jet-Spektrums von MeOD mit AP dargestellt. Die Wellenzahlachse wurde

da-5.2 Experimentelle Ergebnisse bei gegenüber dem im unteren Teil abgebildeten OH-Spektrum um den Faktor√2, dem idealen, harmonischen Isotopeneffekt für H/D-Austausch bei unendlicher Sauerstoffmas-se und exaktem D/H-MasSauerstoffmas-senverhältnis von 2, gestreckt. So werden anharmonische Ein-flüsse auf die Rotverschiebungen sichtbar (s. Kap. 4.1.1), wie die positive Steigung (rot) der Verbindungslinie für das Methanol-Dimer (MM) verdeutlicht. Die beiden Methanol-Ace-tophenon-Heterodimerbanden (MA) zeigen hingegen keine signifikanten Unterschiede zwischen OD- und OH-Spektrum. Das einheitliche Verhalten der beiden Banden spricht für Wasserstoffbrückenbindungen zu gleichartigen Andockstellen. Weitere Hinweise auf die Bandenzuordnung können prinzipiell aus dem Intensitätsverhältnis beider Banden ge-wonnen werden. OH⋅⋅⋅O-gebundene Dimere weisen eine systematisch größere ZPVE als OH⋅⋅⋅𝜋-Dimere auf, wobei der Unterschied bei deuterierter Wasserstoffbrückenbindung geringer ist (s. Kap. 4.1.1 & 4.2.2). Die relative Intensität von OH⋅⋅⋅O- im Vergleich zu OH⋅⋅⋅𝜋-Banden sollte somit bei Deuterierung zunehmen. Aufgrund einer partiellen Über-lappung der weniger rotverschobenen Bande mit der Methanol-Dimerbande im OD-Spek-trum kann im vorliegenden Fall allerdings nicht beurteilt werden, ob sich das Intensitäts-verhältnis bei Deuterierung ändert.

Zusammenfassend ergibt die Analyse des Spektrums, dass zwei Banden gemischter Me-thanol-Acetophenon-Dimere zu beobachten sind, die beide dem gleichen Wasserstoffbrü-ckenbindungstyp zuzuordnen sind. Aufgrund der großen Rotverschiebungen handelt es sich hierbei um OH⋅⋅⋅O-Wasserstoffbrückenbindungen zweier Carbonyl-verbrückter Di-mere, auch wenn dies auf Basis der im Deuterierungsexperiment beobachteten Anharmo-nizitäten rein experimentell nicht mit abschließender Sicherheit bestätigt werden kann.

Offen bleibt zudem die Zuordnung der beiden Dimerbanden zu Me- und Ph-Dimer (s.

Abb. 5.3). Erste Hinweise auf eine Zuordnung ergeben sich aus der Teildeuterierung des APs auf Methyl- (APd3) bzw. Phenyl-Seite (APd5). Im eingeschobenen Kasten in Abbil-dung 5.5 ist der Bereich der beiden Heterodimerbanden für die Spektren von MeOH mit AP (grau), APd3 (orange) und APd5 (rot) im Detail dargestellt. Es zeigt sich, dass die Hete-rodimerbanden bei Teildeuterierung des APs insgesamt etwas zu niedrigeren Wellenzah-len verschoben werden. Für APd3 ergibt sich dabei für die intensivere Heterodimerbande eine etwas stärkere Verschiebung (0.6 cm−1) als für APd5 (0.4 cm−1). Die weniger intensi-ve Bande wird hingegen bei Teildeuterierung auf Phenylseite (APd5) mit 0.9 cm−1stärker verschoben als bei Teildeuterierung auf Methylseite (APd3, 0.4 cm−1). Da bei Bindung auf der jeweils deuterierten Seite (Me-Seite bei APd3, Ph-Seite bei APd5) aufgrund von sekundären Wechselwirkungen, die eins der Deuterium-Atome involvieren, ein stärke-rer Effekt auf die Bandenposition zu erwarten ist als bei Bindung auf der anderen Seite, kann auf Basis dieser Daten eine vorsichtige experimentelle Bandenzuordnung vorge-nommen werden. Die weniger intensive Bande bei höheren Wellenzahlen wäre demnach dem Ph-gebundenen Dimer (MAPh) zuzuordnen, die intensivere Bande bei niedrigeren Wellenzahlen dem Me-gebundenen Dimer (MAMe). Da die für diese Zuordnung herange-zogenen Verschiebungseffekte bei Teildeuterierung des APs jedoch allesamt weniger als 1 cm−1 betragen und damit unterhalb der Spektrenauflösung von 2 cm−1 liegen, sollte diese Zuordnung zusätzlich abgesichert werden.

M

Abbildung 5.5:Übersicht der OH-Streckschwingungsbereiche der Spektren von MeOH mit AP (grau), 2FAP (grün) und 4FAP (blau). Im eingeschobenen Kasten ist zudem der Spektralbereich der Heterodimerbanden für MeOH mit AP, APd3 (orange) und APd5 (rot) vergrößert dargestellt.

Die Methanol-Monomer-OH-Streckschwingungsbande ist mit „M“ gekennzeichnet, die Bande Ph-Heterodimers mit „MAPh“ und die des Me-Dimers mit „MAMe“. Zur Verbesserung der Übersicht-lichkeit wurde das MeOH+2FAP-Spektrum um 0.1 Skaleneinheiten nach oben verschoben.

Dazu können die Daten aus quantenchemischen Rechnungen herangezogen werden.

Da in beiden Fällen vermutlich OH⋅⋅⋅O-gebundene Dimere vorliegen, bietet das disper-sionskorrigierte B3LYP-Funktional sich als zuverlässige Zuordnungshilfe an.[33,49,181,336]

Die B3LYP-D3(BJ,ABC)/def2-TZVP-Methode (B3) zeigt beispielsweise für die Methanol-Anisol(derivat)-Dimere eine sehr systematische, leichte Überschätzung der OH⋅⋅⋅O-Rot-verschiebungen (s. Kap. 4.2.4) und soll deshalb hier ebenfalls genutzt werden. Bei Geo-metrieoptimierung und Frequenzrechnung aufB3-Niveau ergibt sich für die MeOH-AP-Heterodimere eine Aufspaltung von 46 cm−1zwischen stabilstem Me- und Ph-Dimer, wo-bei das Me-Dimer die größere Rotverschiebung aufweist (für Details s. Folgekapitel 5.3 und 5.4). Bei einer experimentellen Aufspaltung von 38 cm−1 bestätigt dies die zuvor ge-troffene vorsichtige Bandenzuordnung. Auch der berechnete Energieunterschied von ca.

0.6 kJ⋅mol−1zugunsten des Me-gebundenen Dimers passt zum beobachteten Intensitäts-verhältnis, das auf eine Bevorzugung des Me-Dimers hindeutet. Alle weiteren hier ge-nutzten quantenchemischen Methoden liefern darüber hinaus ebenso Aufspaltungen im Bereich 37–57 cm−1, wobei die Me-Dimerbande jeweils stärker rotverschoben ist.

Mögli-5.2 Experimentelle Ergebnisse

Tabelle 5.2:OH(D)-Streckschwingungsbandenpositionen ( ̃𝜈OH(D)) und -rotverschiebungen (Δ ̃𝜈OH(D)) der Ph- und Me-Dimere der verschiedenen Methanol-Acetophenon(derivat)-Kombina-tionen, sowie die Aufspaltung (ΔΔ ̃𝜈OH(D)) und das mit dem in Kap. 2.3.3 beschriebenen Verfahren bestimmte Intensitätsverhältnis (𝐼Me/𝐼Ph) dieser Banden.

Ph-Dimer Me-Dimer Me/Ph

̃𝜈OH(D) Δ ̃𝜈OH(D) ̃𝜈OH(D) Δ ̃𝜈OH(D) ΔΔ ̃𝜈OH(D) 𝐼Me/𝐼Ph / cm−1 / cm−1 / cm−1 / cm−1 / cm−1

MeOH+AP 3565 121 3528 158 38 5.2(4)

MeOH+2FAP 3577 109 3542 144 36 2.3(2) MeOH+4FAP 3567 119 3533 153 34 2.3(5) MeOH+APd3 3565 121 3527 159 38 5.1(9) MeOH+APd5 3564 122 3527 159 37 4.7(5)

MeOD+AP 2633 85 2606 112 27 9(7)

che OH⋅⋅⋅𝜋-gebundene Dimere weisen zudem in allen Rechnungen mehr als 5 kJ⋅mol−1 höhere Energien als das weniger stabile OH⋅⋅⋅O-Dimer auf. In der Kombination dieser quantenchemischen mit den experimentellen Daten ist somit eine eindeutige Bandenzu-ordnung zu den Carbonyl-gebundenen Dimeren auf Ph- (Bande bei 3565 cm−1) und Me-Seite (3528 cm−1) möglich.[31,52]

Bei Fluorierung des APs inortho- (2FAP, grün) bzw.para-Position (4FAP, blau) an der Phenylgruppe ergeben sich in der Kombination mit MeOH sehr ähnliche Heterodimer-bandenmuster aus einer weniger intensiven Dimerbande bei höheren und einer intensi-veren Dimerbande bei niedrigeren Wellenzahlen (s. Abb. 5.5), die aufgrund der Analo-gie zum MeOH+AP-Spektrum und über den Vergleich mitB3-Rechnungen (berechnete Aufspaltung 46 cm−1für 2FAP bzw. 41 cm−1 für 4FAP, jeweils mit stärker rotverschobe-nem Me-Dimer) dem Ph- bzw. Me-Dimer zugeordnet werden können. Die experimentel-len Positionen ( ̃𝜈OH(D)(Me,Ph)) dieser OH-Streckschwingungsbanden der Ph- und Me-Heterodimerere sind gemeinsam mit den resultierenden Rotverschiebungen (Δ ̃𝜈OH(D) =

̃𝜈OH(D)(M) − ̃𝜈OH(D)(Me,Ph)) gegenüber der entsprechenden Bande des Methanol-Mo-nomers ( OH(D)̃𝜈 (M)), den Bandenaufspaltungen (ΔΔ ̃𝜈OH(D)(Me−Ph) = Δ ̃𝜈OH(D)(Me) − Δ ̃𝜈OH(D)(Ph)) und den Intensitätsverhältnissen (𝐼Me/𝐼Ph) in Tabelle 5.2 zusammengefasst.

Für die teildeuterierten AP-Isotopologe ergeben sich abgesehen von den geringen Verschiebungen der Bandenpositionen keine signifikanten Unterschiede gegenüber dem nicht-deuterierten AP. Bei Deuterierung des Methanols (MeOD) nimmt das gemessene Intensitätsverhältnis 𝐼Me/𝐼Ph für MeOD+AP zwar gegenüber MeOH+AP zu, aufgrund der partiellen Überlappung der MAPh- mit der MM-Bande (s. Abb. 5.4 oben) kann das Verhältnis für MeOD+AP jedoch nur sehr ungenau bestimmt werden, sodass die Zunahme statistisch nicht signifikant ist.

Für MeOH als Donor werden die Heterodimerbanden bei Fluorierung im Vergleich zum

unsubstituierten AP zu höheren Wellenzahlen verschoben. Für die MAPh-Bande von Me-OH+2FAP bei 3577 cm−1ergibt sich dabei eine potentielle Überlappung mit der Methanol-Homodimerbande bei 3575 cm−1. Hierdurch könnte die Intensität der MAPh-Bande sub-til verfälscht werden, wobei die Spektren keine Hinweise auf signifikante Mengen von Methanol-Dimer liefern. Die Verschiebungen zwischen den Heterodimerbanden der flu-orierten Derivate und des reinen AP reichen von 2 cm−1 (MAPh von 4FAP) bis 14 cm−1 (MAMe von 2FAP) und sind generell für 2- größer als für 4-Substitution sowie für die Methyl- größer als für die Phenylseite. Die Aufspaltung zwischen den Banden verringert sich daher bei Fluorierung nur leicht von 38 cm−1 für MeOH+AP auf 36 cm−1 für Me-OH+2FAP bzw. 34 cm−1für MeOH+4FAP. Deutlichere Unterschiede zeigen sich hingegen im Intensitätsverhältnis der Heterodimerbanden, das signifikant von 5.2±0.4 (MeOH+AP) auf 2.3±0.2 (2FAP) bzw. 2.3±0.5 (4FAP) sinkt. Die angegebenen statistischen Fehler erfas-sen mögliche systematische Abweichungen, z. B. durch potentielle Bandenüberlappung wie im Fall von MeOH+2FAP, nicht und stellen somit die untere Grenze der tatsächli-chen Messunsicherheit dar. Werden die Bandenstärkenverhältnisse als näherungsweise konstant angenommen, was auf Basis des geringen Einflusses der Fluor-Substitution auf die beobachteten Rotverschiebungen gerechtfertigt erscheint, und wird von gleichblei-bender relativer Entartung ausgegangen, ergibt sich bei Fluorierung aus den experimen-tellen Intensitätsverhältnissen eine relative Stabilisierung des Ph-Dimers gegenüber dem Me-Dimer. Dies passt auch qualitativ zur Verkleinerung der spektralen Aufspaltung. Im folgenden Benchmark der berechneten Energien (Kap. 5.3) soll unter Einbeziehung der ebenfalls berechneten Bandenstärkenverhältnisse und der sich aus den erhaltenen Di-merstrukturen ergebenden relativen Entartung quantitativ überprüft werden, ob die un-tersuchten Rechenmethoden diesen experimentellen Trend treffend beschreiben können.

Die Leistungsfähigkeit der untersuchten quantenchemischen Methoden in Bezug auf die IR-spektroskopischen Parameter Rotverschiebung und Bandenaufspaltung soll anschlie-ßend ebenfalls beurteilt werden (Kap. 5.4).

Für das in Abbildung 5.5 gezeigte Spektrum von MeOH+2FAP (grün), das am Gratin-Jet gemessen wurde, können im Gegensatz zu den weiteren, am Filet-Jet aufgezeichne-ten Spektren genaue Analytkonzentrationen angegeben werden. Bei Partialdrücken von 0.08 mbar für MeOH, 0.30 mbar für 2FAP und 750 mbar für He ergeben sich Konzentratio-nen von ca. 0.01% bzw. 0.04%. Da die amFilet-Jet aufgenommenen Spektren ähnliche In-tensitäten für die Methanol- und Acetophenon(derivat)-Banden aufweisen, scheinen hier (unter Berücksichtigung der in allen genutzten Rechenmethoden über die AP-Derivate hinweg relativ konstanten IR-Bandenstärken) vergleichbare Analytkonzentrationen vor-zuliegen, auch wenn diese aufgrund des Herstellungsverfahrens für das Gasgemisch (s.

Kap. 2.2) nicht exakt bestimmt werden können. Die trotz dieser niedrigen Analytkon-zentrationen erzielten guten Signal-zu-Rauschverhältnisse der Heterodimerbanden (mit Ausnahme der MAPh-Bande von MeOD+AP stets >10) erleichtern im Vergleich zu den Methanol-Furan- bzw. Methanol-Anisol-Waagensystemen die Bestimmung genauer, für die folgenden Benchmarks (Kap. 5.3) wichtiger Intensitätsverhältnisse. Höhere Aggrega-te, deren Banden unbemerkt mit den Heterodimerbanden überlagern könnten, sollten bei