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Fall H: Der gutbürgerliche Leser mit stark abgrenzenden

5.3 Durchführung: Interviews und die Erstellung der Medienpfade

6.1.7 Fall H: Der gutbürgerliche Leser mit stark abgrenzenden

H: Dazu muss man sagen, wir haben ungefähr (3) 10.000 Bücher zu Hause. […] @.@

Also ich will jetzt nicht hier angeben, aber wir sind halt Büchersammler. (InterviewH_

68–72)

Alter: 55 Jahre/Jahrgang 1964 Geschlecht: männlich

Bereich: Schwerpunkt: Volkswirtschaftslehre (VWL) Eltern: Mutter: Hausfrau/Vater: Buchhalter

Geschwister: keine

Teilnahme an institutsinternen, medienpädagogischen Workshops: nein

Darstellung der zehn Fälle von Lehrenden aus der Erwachsenenbildung 175

Kurzzusammenfassung

Für H stellen Bücher die prägendsten Medien dar. Besonders seine Mutter hat den Zugang zum Buch und das Lesen gefördert. H stammt aus einer aufstiegsorientier-ten Primärfamilie. Er selbst hat diesen aufstiegsorientieraufstiegsorientier-ten Habitus übernommen.

Er orientiert sich am hochkulturellen Geschmack und dem gutbürgerlichen ‚guten Buch‘. Digitale Medien und die Technologie stellen für ihn Arbeitsgeräte dar, die er funktional nutzt. Ein Smartphone benutzt er nicht. Das Feature Phone hat eine stark distinktive Rolle in seinem Medienhandeln. Hs aufstiegsorientierter Habitus zeichnet sich im Bereich des medialen Habitus durch eine Mischung aus ästhetischen und funktionalen Anteilen der Mediennutzung aus. Die ästhetischen Anteile zeigen sich vor allem im Freizeitbereich und im Ausdruck seines Geschmacks. Im beruflichen Zusammenhang und auch im Bereichen seiner erwachsenenpädagogischen Profes-sionalisierung zeigen sich primär die funktionalen Anteile des medialen Habitus.

Bei H kann nicht von einer medienpädagogischen Professionalisierung gesprochen werden, was zu seinem medialen Habitus passt.

Mediennutzung in Kindheit und Jugend

Die Kindheit von H war durch das Buch geprägt. Schon von klein auf haben Bücher in seinem Leben eine wichtige Rolle gespielt. In der frühen Kindheit hat Hs Mutter ihm viel vorgelesen. Dies war nicht nur für ihn prägend, sondern war auch für sie besonders wichtig:

Gut, meine Mutter hat mir immer vorgelesen. Scheinbar war ihr das wichtig, mir vorzu-lesen, das berichtet Sie mir heute noch, dass das ein ganz epochaler Schritt war. Wahr-scheinlich aber auch für sie. Das fällt mir bei vielen Müttern auf, dass das Vorlesen auch für die schön ist, also nicht nur für die Opfer, die lieben Kleinen. (InterviewH_854–859)

Durch die Förderung des Lesens und die besondere Bedeutung des Buches in der Mutter-Kind-Beziehung hat H sich aktiv mit Bilderbüchern beschäftigt. Schon mit sieben Jahren hat er angefangen, auch textbasierte Bücher allein zu lesen. Die The-men waren bunt gemischt. Ihm fallen als Einstiegswerke klassische Kinderbücher ein und er nennt Die fünf Freunde. Auch Bücher von Karl May oder Kinderfassungen der Bücher von Hermann Melville hat er gerne gelesen.

Hs Mutter, die die Liebe zu Büchern bei H gefördert hat, hat selbst gerne Histo-rienromane und Biografien gelesen. Sein Vater hat seltener gelesen, und dann eher Sachbücher, die Tageszeitung und den Spiegel. Wenn man es aus heutiger Sicht be-trachtet, haben Hs Eltern viel gelesen. Allerdings sei dies auch kein Vergleich, da heute seiner Ansicht nach nicht mehr gelesen wird:

Ähm, für heutige Verhältnisse, ja. Ich mein, das ist schwierig jetzt einzuordnen, weil heute wird ja relativ kaum/ relativ wenig gelesen. (InterviewH_148–150)

Mit etwa zehn Jahren hat H angefangen Musik zu hören. Begonnen hat er mit Beatles-Platten, danach hat er Punk, Hardcore und Indie gehört. Bei den Hausaufga-176 Ergebnisse: Mediale Habitus von Lehrenden in der Erwachsenenbildung

ben hat er immer Musik laufen lassen. Im Jugendalter tauschte sich die Peergroup über die Musik aus:

H: Also so, nennen wir es mal popkulturelle Phänomene. Ist ja wie heute wahrschein-lich.

I: Ja, klar. Und gab es da auch irgendwie sowas, dass man zusammen auf Konzerte ge-gangen ist oder so oder das eher nicht?

H: Konzerte fingen erst so mit 17 an.

I: hm ((bejahend)) Aber dann schon auch H: Ja

I: mit Gruppen zusammen?

H: hm ((bejahend)). Obwohl ich nicht so der Gruppenmensch war eigentlich.

I: Okay, das heißt, Sie haben auch alleine Sachen ⌊

H: Ne, ich geh heute noch zu Punk- oder Hardrockkonzerten alleine. Ich brauch da auch niemand. (InterviewH_212–225)

Selbst musiziert hat H nicht wirklich. Nur Blockflöte mussten alle Schülerinnen und Schüler am Gymnasium spielen.

Das Fernsehen hat in Hs Kindheit eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Die Familie hatte einen Fernseher und H hat auch abends oder bei Regen ab und an ferngesehen. Ansonsten hat H draußen mit seinen Freunden gespielt. Das Fernse-hen war in der Familie ein legitimes Unterhaltungsmittel, das abends bis zu drei Stunden genutzt wurde. Manchmal lief der Fernseher nebenbei und manchmal wurde aktiv ferngesehen, je nach dem, was gerade lief:

Man hat ja fast nur gemeinsam ferngesehen, weil ja, der stand ja im Wohnzimmer und ähm, die anderen wollten ja nicht sozusagen rausgehen, wenn jetzt jemand etwas Ex-plizites gucken wollte. Sprich Fußball oder was anderes oder eine Tiersendung oder Comics. (InterviewH_164–168)

Eine besondere Vorliebe für das Fernsehen hat sich bei H nicht entwickelt und sein Fernsehkonsum musste nicht reglementiert werden:

Äh, dort wurd‘ nicht viel reglementiert, weil eigentlich war man damals, also mein ganzes Umfeld war auf dem Gymnasium und die waren alle draußen. Also Fernsehen hat man eigentlich nur geguckt mal, wenn es geregnet hat oder abends. Ich mein‘ Kin-derstunde in Anführungszeichen fing ja sowieso erst ab ungefähr vier an vorher war ja kein Fernseher. Also von daher konnte man das ja nicht so gut machen. (InterviewH_

184–190)

Auffallend ist, dass H an dieser Stelle davon spricht, dass er primär Freunde aus dem gymnasialen Umfeld hatte und an anderer Stelle von seiner heterogenen

Darstellung der zehn Fälle von Lehrenden aus der Erwachsenenbildung 177

Freundesgruppe berichtet, von denen nicht alle einen hohen Bildungshintergrund hatten:

Gewisse Bücher ja, aber ähm wir haben viel Fußball gespielt und waren eine relativ hete-rogene Gruppe dann, und es gab ja schon immer Leute, sagen wir mal, die nicht so bil-dungsaffin waren. Ich meine, heute ist das ja bei jedem fraglich, auch bei Abiturienten.

Also ich frag die immer, was die lesen, die in den Kursen, und (.) die wenigsten haben seit dem Abitur ein Buch gelesen. (InterviewH_201–207)

Er scheint an dieser Stelle den Bezug zur Gruppe von damals aufzubauen, um sich von den heutigen ebenso bildungsfernen Abiturientinnen und Abiturienten abzu-grenzen. Die Abgrenzung zur Bildungsferne taucht an mehreren Stellen im Inter-view auf. In diesen Fällen ist Bildung meist gleichgesetzt mit dem Verhältnis zum Buch. Das Buch scheint hier Mittel der Distinktion zu sein.

Mediennutzung im Erwachsenenalter

H nutzt ein breites Medienensemble, das wenig durch digitale Unterhaltungsme-dien geprägt ist. Seine Ehefrau und er haben gemeinsam einen Laptop, einen Fern-seher, benutzen beide Feature Phones.43 Sie haben eine gemeinsame umfangreiche Büchersammlung von 10.000 Büchern und H eine große Schallplattensammlung.

Smartphones und Tablets gibt es im Haushalt nicht.

Zu Beginn des Interviews grenzt sich H von der heutzutage gängigen Nutzung eines Smartphones ab, indem er sein Handy aus der Tasche holt und dieses präsen-tiert:

Mit dem Medienpfad können wir schon ganz schnell abkürzen, weil: ((holt ein kleines Tastentelefon aus der Hosentasche)). (InterviewH_13–14)

An anderer Stelle betont H noch einmal, dass er und seine Frau keine Smartphones haben.

Ne, das sind unsere ((hebt Tastentelefon noch einmal hoch)) in Anführungszeichen Smartphones. (InterviewH_312–313)

Hingegen ist die häusliche Büchersammlung besonders wichtig für H:

Dazu muss man sagen, wir haben ungefähr (3) 10.000 Bücher zu Hause. […] Also ich will jetzt nicht hier angeben, aber wir sind halt Büchersammler. (InterviewH_68–72)

Die Bücher bekommen sie neben eigenen Käufen auch von Bibliotheken, die diese aussortieren, was H nicht nachvollziehen kann, da diese häufig nur einmal oder so-gar nie gelesen wurden. Nicht alle der Bücher haben er oder seiner Frau gelesen:

Also wir haben das einfach gesammelt. Ähm, also, was gelesen ist, bleibt halt da. Viel-leicht guckt man irgendwann nochmal rein. Aber natürlich hat man auch ein paar tau-send Bücher die man noch gar nicht gelesen hat, vielleicht wird man die auch nie lesen.

43 Feature Phones sind Mobiltelefone, die mehr Funktionen als das bloße Telefonieren mitbringen, aber nicht den Funk-tionsumfang von Smartphones aufweisen.

178 Ergebnisse: Mediale Habitus von Lehrenden in der Erwachsenenbildung

Äh, die stehen einfach mal da rum, vielleicht entwickelt man ja ein Interesse dran und dann liest man irgendwann. (InterviewH_263–269)

H liest am liebsten Sachbücher zu gemischten Themen, aber auch Romane. Das Ro-manlesen nimmt zurzeit wieder zu. Im Schnitt liest er zwei bis drei Bücher parallel.

Neben den Büchern nimmt Musik einen großen Raum in der privaten Medien-nutzung von H ein. H hat eine, wie er beschreibt, umfangreiche Plattensammlung.

Sein breiter Musikgeschmack hat sich seit seiner Kindheit entwickelt (Punk, Hard-core, Indie, Klassik). Da es nicht alle Aufnahmen auf Schallplatte gibt, wird seine Plattensammlung durch CDs ergänzt. Streaming-Anbieter nutzt er nicht zum Mu-sikhören und auch MP3 nur, wenn er Musik brennen möchte. Wie schon als Kind lässt er auch im Erwachsenenalter Musik nebenbei laufen, zum Beispiel bei der Hausarbeit. Er setzt sich aber auch bewusst hin und hört über Kopfhörer Musik. Das Radio nutzt er hingegen nicht zum Musikhören:

Nein, also nur Deutschlandfunk-Berichte eigentlich. Weil wir haben so viele Platten, ich brauch da eigentlich kein. (InterviewH_138–139)

Er geht nach wie vor gerne auf Konzerte und besucht Hardrock- und Punk-Konzerte allein. Mit seiner Frau geht er zu Klassikkonzerten oder Ballettaufführungen:

Genau, mit meiner Frau, die hört das zwar zu Hause, aber die muss diesen Krach nicht immer ertragen, gehe ich dann zu den Klassikkonzerten oder Ballett oder solche Sachen.

(InterviewH_231–233)

Mit seiner Frau pflegt H hochkulturelle Hobbys. Neben der gemeinsamen Vorliebe für Bücher und den genannten Besuchen von Klassik- oder Ballettveranstaltungen besuchen sie auch Kunstausstellungen. Den Zugang zu Kunst hat H erst spät gefun-den:

Oh, oh, oh. Das ist/ war deprimierend. Meine Eltern waren nicht so kunstaffin, also hatte ich die erste Ausstellung wahrscheinlich mit der Schule irgendwann gemacht und dann muss ich sagen erst Mitte der Zwanziger hab ich dann selbst mal aktiv Ausstellun-gen besucht. (InterviewH_241–245)

Seine erste Kunstausstellung hat er in der Schulzeit besucht und nun im Erwachse-nenalter besucht er regelmäßig mit seiner Frau Ausstellungen. Vor allem gehen sie in Ausstellungen aus ihren Lieblingsepochen: Impressionismus über Expressionis-mus bis heute. Der Besuch von Theaterstücken hat sich H nicht eröffnet und auch seine Frau besucht nicht gerne das Theater:

Also ich les‘ unheimlich gern, aber die Form Theater, ich weiß nicht. Es gibt ja einfach Sachen, zu denen findet man keinen Zugang. (InterviewH_920–922)

Obwohl das Theater im Gespräch von H als etwas beschrieben wird, das er nicht be-sucht, taucht dieses dennoch neben der Kunst im Medienpfad auf.

Darstellung der zehn Fälle von Lehrenden aus der Erwachsenenbildung 179

Sport als Unterhaltungsmedium spielt für H eher eine untergeordnete Rolle und der Konsum von Ausstrahlungen von Sportveranstaltungen ist für ihn uninte-ressant bzw. er grenzt sich sogar vom Fußball als Kulturgut ironisch ab:

H: Na gut, dann geht man gemeinsam zum Fußball, das zählt ja mittlerweile auch zur wertvollen Kultur.

I: Also gehen Sie aktiv zum Fußball?

H: Nö. Wir fahren nur zur Tour de France, das ist das einzige, was wir wirklich so Sport gemeinsam machen. Ne, Sport ist °uninteressant°. (.) Also so zugucken. (Inter-viewH_929–934)

Ein typischer Mediennutzungstag sieht bei H wie folgt aus: Er steht früh gegen fünf, halb sechs Uhr morgens auf und nimmt sich dann zwei Stunden Zeit, um Zeitun-gen über einen Online-Zugang über die Bibliothek zu lesen. Er hat dabei ein sehr breites Spektrum, das er abdeckt. Er liest die Neue Zürcher Zeitung, das Handelsblatt und die Frankfurter Allgemeine und blättert durch die taz, die Zeit, den Spiegel, Cicero und die Financial Times. Danach steht seine Frau auf und sie beginnen gemeinsam den Tag, bei dem digitale Medien keinen großen Raum einnehmen:

Oh, da nutzen wir gar nicht so viel Medien. Ich mein, entweder liest jeder für sich oder wir machen was gemeinsam. Oder ab und zu muss ich ja doch mal arbeiten leider. Und dann macht meine Frau irgendwas. Nicht immer mit Medien also. (InterviewH_291–294)

Als Leitmedium im Erwachsenenalter nennt H Zeitungen über den Internetzugang.

Er liest auch Wirtschaftsblogs und Seiten von Banken/Zentralbanken. Soziale Me-dien wie Facebook44, Instagram oder auch Messengerdienste wie WhatsApp nutzt er nicht, da dies für ihn Zeitverschwendung darstellt. Für Kommunikation nutzt H das Feature Phone und auch ein Festnetztelefon. Er telefoniert, schreibt SMS und E-Mails.

Sozioökonomischer Hintergrund und Mediennutzung

H kommt aus einem aufstiegsorientierten Elternhaus. Die Eltern haben viel Wert daraufgelegt, dass die Kinder das gut-bürgerliche ‚gute Buch‘ schätzen und lieben lernen. Hierbei hatten sie im Falle von H sehr großen Erfolg. Auch wenn in der Pri-märfamilie der Fernseher häufig lief, scheint dieser nicht die Rolle des zentralen Me-diums eingenommen zu haben. Bei H zeigt sich eine starke Orientierung an der Hochkultur. Diese scheint er nicht aus seinem Elternhaus übernommen zu haben.

Vielmehr scheint er als nachfolgende Generation weiterhin einen aufstiegsorientier-ten Habitus in sich zu tragen. Nach seinem eigenen Aufstieg aus dem kleinbürger-lichen (an der Grenze des bürgerkleinbürger-lichen) Elternhaus (Eltern beide kaufmännische Angestellte mit Realschulabschluss) in den akademischen Bereich scheint er auch

44 Facebook ist eine virtuelle Plattform in Form eines sozialen Netzwerks des gleichnamigen US-amerikanischen Unter-nehmens Facebook Inc.

180 Ergebnisse: Mediale Habitus von Lehrenden in der Erwachsenenbildung

beim Geschmack einen ‚höheren‘ anzustreben. Dies zeigt auch die starke Distink-tionsfunktion der Medien(inhalte), die er nutzt (siehe Verhältnis zu und Bedeutung von Medien).

Die mediale Kapitalausstattung in der Primärfamilie war vor allem im Bereich der Bücher sehr gut. Aber auch ein Fernseher als Familiengerät und der Zugang zu Musik und Musikabspielgeräten war gegeben. Das mediale soziale Kapital zeigte sich vor allem im Bereich der Förderung des Lesens. In anderen Bereichen zeigt sich kein besonderes mediales soziales Kapital.

Verhältnis zu und Bedeutung von Medien

Für H spielen besonders Bücher und das gedruckte Wort in Form von Zeitungen (analog und digital) eine bedeutende Rolle. Schon seit frühster Kindheit sind Bücher die prägenden Medien in seiner Mediennutzung. Für die Vorbereitung seiner Lehre nutzt H vor allem Lehrbücher, da die Teilnehmenden seiner Veranstaltungen Anfän-ger in den Themen sind. Dabei greift er häufig auf Lehrbücher über die Bibliotheken zu. Die Teilnehmenden wollen immer Kopien aus den aktuellsten Ausgaben haben, selbst, wenn sich nichts geändert hat:

Wenn, wenn, also wenn Zeitungsaufsätze keine Fachaufsätze. Gut, und die Lehrbücher kann man sich mittlerweile an jeder Fachbereichsbibliothek, da bin ich ja auch mal öfter und guck mir die mal an, wenn es eine neue Ausgabe gibt. Aber mittlerweile kann man sich die Mühe ja fast sparen. Man muss ja nur das Inhaltsverzeichnis immer gucken.

Dann sieht man ja, ob bei der neusten Auflage irgendwas passiert ist. Weil erstaunlicher-weise lesen die alle keine Bücher, aber sie hätten immer gerne die neuste Literatur sozu-sagen. Es ist immer ganz wichtig, dass es die neuste Auflage ist, selbst, wenn sich gar nichts geändert hat. @.@ Weil, dann ist man am Puls der Zeit oder wie das heißt. (In-terviewH_953–964)

Digitale Medien nutzt er in Form eines Laptops. Diese Nutzung ist sehr zielgerichtet und dient ihm als Arbeitserleichterung. Er steht den Entwicklungen der Digitalisie-rung auf verschiedenen Ebenen sehr kritisch gegenüber. Dies zeigt sich zum einen daran, dass er die Speicherung von Lernenden-Daten zur Entwicklung individueller Lernsoftware sehr fragwürdig findet, und zum anderen auch an seiner Kritik an der Speicherung von Gesundheitsdaten. In beiden Fällen sieht er die Gefahr, dass diese Informationen in Zukunft nicht wohlwollend genutzt werden könnten und den Indi-viduen schaden können. H sieht keinen Zusammenhang zwischen den seiner Mei-nung nach niedrigen heutigen Bildungsstandards und der Mediennutzung von Kin-dern und Jugendlichen. Er sieht das Problem eher auf einer anderen gesellschaft-lichen Ebene, dass die Lehrenden konfliktreichen Situationen aus dem Weg gehen, indem sie ihre Anforderungen niedrig halten.

Besonders auffallend ist bei H die starke Distinktionsfunktion, die Medien bei ihm tragen. Er grenzt sich mit Büchern von einer Bildungsferne ab, außerdem mit der Vermeidung der Smartphone-Nutzung von übermäßiger Nutzung digitaler Me-dien und mit der Schallplatten-Sammlung von ungeplantem Musikkonsum.

Darstellung der zehn Fälle von Lehrenden aus der Erwachsenenbildung 181

Geschmack

Hs Geschmack ist bürgerlich bis gutbürgerlich geprägt und orientiert sich heute an einer klassischen Hochkultur. In der Kindheit zeigte sich der Geschmack in der Form des Mediums Buch. H las klassische Kinderbücher und wurde dabei sehr von seinen Eltern, besonders der Mutter, motiviert. Im Erwachsenenalter nehmen Bü-cher immer mehr auch physischen Raum ein mit einer BüBü-chersammlung von 10.000 Stück. Wie sein Vater liest H gerne Sachbücher. Auch Romane liest er gerne, was er von seiner Mutter übernommen hat. An dem aktuellen Buch, das er liest (Robert Musil: Mann ohne Eigenschaften) zeigt sich, dass er gerne ‚bedeutende Litera-tur‘ liest. Darüber hinaus liest H ein sehr breites Ensemble aus Zeitungen und Zeit-schriften, um sich mit aktuellen Informationen zu versorgen.

Ab dem Jugendalter hat Musikhören neben Büchern eine große Bedeutung.

Von dem popkulturellen Phänomen der Beatles über Punk, Hardcore, Hardrock, Indie und Klassik hört H sehr verschiedene Musikgenres. Klassische Musik trat wie der Besuch von Kunstausstellungen und Ballettaufführungen erst im Erwachsenen-alter in Hs Leben. Diese hochkulturellen Angebote nutzt er vor allem mit seiner Ehefrau zusammen. Diese Nutzung ist vermutlich neben der Aufstiegsorientierung durch die Tertiärsozialisation im Eheleben geprägt.

Medialer Habitus

Der mediale Habitus von H ist aufstiegsorientiert und in manchen Bereichen ästhe-tisch sowie in anderen Bereichen funktional orientiert. Im Bereich der Mediennut-zung, die seinen Geschmack widerspiegeln (Bücher, Musik, Kunst etc.), zeigen sich die ästhetischen Bereiche des medialen Habitus. Dies sind auch die Anteile, die sich durch eine sehr starke Distinktion gegenüber anderen Medieninhalten abgrenzen.

Dies kann der Aufstiegsorientierung zugeschrieben werden. Im Bereich der ästheti-schen Mediennutzung zeigt sich auch ein Orientierungsdilemma von H. Er berich-tet, dass ihm die Kunstform des Theaters leider nicht zugänglich ist. Theater als Teil der Hochkultur stellt für ihn aber eine zu erstrebende Form des Kulturerlebens dar.

Dies zeigt sich in der Analyse des Medienpfads, bei dem Theater als genutzte Me-dienform auftaucht, obwohl er diese nicht nutzt.

Im Bereich der Nutzung digitaler Medien zeigt sich eine funktionale Tendenz.

H meidet den Einsatz digitaler Medien nicht etwa, wie zuerst vermutet werden könnte. Er nutzt digitale Medien wie einen Laptop in den Bereichen, in denen sie für ihn sinnvoll sind. Hierbei ist er sehr pragmatisch, indem er zum Beispiel den Zu-gang über eine Bibliothek nutzt, um die Menge an Zeitungen und Zeitschriften zu lesen, die er für richtig hält. Digitale Medien und der Laptop sind für H vor allem Arbeitsgeräte. Gerade der Laptop als Arbeitsgerät hat einen Mehrwert für H.

Hs medialer Habitus lässt vermuten, dass er als Gesamthabitus ebenfalls einen aufstiegsorientierten Habitus hat, da er Medien (z. B. das Buch) nutzt, um sich von bildungsferneren Menschen abzugrenzen. Da sich Geschmack besonders auch im medialen Habitus zeigt, ist es nicht verwunderlich, dass diese Tendenz auch im Teil-habitus klar zum Ausdruck kommt.

182 Ergebnisse: Mediale Habitus von Lehrenden in der Erwachsenenbildung

Mediennutzung im Beruf

H fand seinen Weg in die Erwachsenenbildung über einen Umweg als Angestellter

H fand seinen Weg in die Erwachsenenbildung über einen Umweg als Angestellter