• Keine Ergebnisse gefunden

5.1 Forschungsdesign

5.1.2 Episodische Interviews

Einzelinterviews werden in der qualitativen Sozialforschung genutzt, da sie durch die Möglichkeit der Offenheit einen großen Spielraum zur Erkenntnisgewinnung er-öffnen. Als Interviewform wurde das episodische Interview gewählt, das narrative Teile beinhaltet. Ein episodisches Interview bietet die Möglichkeit, sowohl semanti-sche als auch episodisemanti-sche Wissensbestände der Interviewenden zu erheben (Flick, 2011a):

„Einerseits enthält das episodische Interview Fragen, die auf mehr oder minder klar um-rissene Antworten abzielen. Andererseits zielt es auf Erzählungen von Situationen ab, in denen Interviewpartner bestimmte Erfahrungen gemacht haben.“ (Ebd., S. 274)

Die narrativen Anteile werden durch offene Erzählaufforderungen initiiert, die den Interviewten/die Interviewte dazu bewegen, möglichst frei zu sprechen. Hierbei wer-den die Interviewten regelmäßig aufgefordert, Situationen zu erzählen (ebd.). Wie bei einem narrativen Interview sind Nachfragen erlaubt, wenn der Erzählfluss ab-bricht. Das episodische Interview zeichnet sich aber auch dadurch aus, dass Nachfra-gen das Ziel haben, an semantische Wissensanteile zu kommen (ebd., S. 275). Um an die Informationen zu gelangen, die im Forschungskontext relevant sind, werden die Interviews durch einen Leitfaden strukturiert.

Der Leitfaden (siehe Anhang II) zur Rekonstruktion der medialen Habitus und medienbezogenen Professionalisierungen der Lehrenden umfasste folgende Berei-che:

• Medienbiografie:

– Mediennutzung in Kindheit und Jugendalter – Medienerziehung durch die Eltern

– Medienbesitz in Kindheit und Jugendalter – Medienhandeln im Elternhaus

– Mediennutzung und Medienbesitz im Erwachsenenalter – Beschreibung „Medienalltag“

– Kommunikationsmedien

• Mediennutzung Beruf/Lehre in der Erwachsenenbildung:

– Medien mit hohem und geringem Bildungswert – Bedeutung von Medien für eigene Rolle als Lehrende:r

– Medieneinsatz in der Lehre und in der Vor- und Nachbereitung – Chancen und Gefahren des Medieneinsatzes für die Lehre

Forschungsdesign 107

– Zukunft der Lehre in Bezug zu Medien

– Bei Teilnahme an medienpädagogischem Workshop: Grund für Teilnahme und Erwartungen an den Workshop

• Medienpädagogische Professionalisierung

• Pädagogisches Grundverständnis

Die Fragen des Leitfadens orientieren sich an den in der Arbeit beschriebenen Ana-lysekategorien, dem Bedingungsgefüge medienpädagogischer Professionalisierung von Lehrenden in der Erwachsenenbildung (siehe Abb. 6) sowie den Interviewleitfä-den der Erhebungen von Mutsch (2012), Kommer (2010) und Henrichwark (2009).

Der Leitfaden wurde flexibel in der jeweiligen Interviewsituation entsprechend dem Interviewverlauf eingesetzt. Die Reihenfolge der im Leitfaden formulierten Themen wurde den Interviewverläufen angepasst. Bei jedem Interview wurde mit einem Rückblick in die Kindheit begonnen. Die ergänzende Gruppendiskussion wurde mit Lehrenden geführt, die an den institutsinternen medienpädagogischen Workshops teilgenommen haben. Die Gruppendiskussion wurde ebenfalls mit der dokumenta-rischen Methode ausgewertet. Die Gruppendiskussion stellt eine Erweiterung der Vergleichshorizonte bei der Auswertung der Interviews dar. Die medialen Habitus können nicht unabhängig vom jeweiligen Feld, in dem diese zum Ausdruck kom-men, analysiert werden, sondern werden immer eingebunden in sozialen Kontexten sichtbar. Diese Kontexte haben Einfluss auf die Teile des medialen Habitus, die sich in der Situation zeigen. Die Äußerungen der Lehrenden im Rahmen der Gruppen-diskussion wurden herangezogen um geteilte Äußerungen in der Gruppe vom je-weiligen individuellen Habitus als Horizont abgrenzend zu betrachten.

Folgende Beispiele soll dies greifbarer machen:

Im Rahmen des Interviews des Lehrenden C betonte dieser, dass er seinen All-tag und die Arbeit nicht trennt:

„C: […] Das mache ich aber, wie gesagt, diese Trennung Beruf und Job, kann ich dir nicht sagen, wo die ist.“ (InterviewC_895–896)

„C: Was ist eigentlich privat? Wo ist eigentlich der Unterschied, zwischen Privat und Ar-beit? Den kann ich dir seit fünf Jahren nicht mehr sagen, weil ich hab so ne geile Work-Life-Balance, das ist, ich geh in meiner Freizeit hole ich meine Schüler von der Prüfung ab, weißt du, was ich meine? Wo ist denn jetzt privat? Ich kann das nicht genau sagen.“

(InterviewC_424–430)

An diesen beiden exemplarischen Stellen wird deutlich, dass der Lehrende seine Ar-beit nicht von seinem Alltag getrennt betrachten möchte. Auch eine Auseinanderset-zung mit Inhalten bezüglich seiner Arbeit betrachtet er nicht als „Arbeit“, sondern integriert dies in seinen Alltag:

„C: Und ähm da hab ich, die Schlagworte, die ich bekam, rei- gegoogelt und kam dann im Prinzip auf ja Plattformen, die das eh anbieten und natürlich auch auf Dissertatio-nen, auf PDFs, auf PräsentatioDissertatio-nen, die ziehe ich mir alle in die Dropbox rein. Und wenn ich dann irgendwie unterwegs bin mit der Straßenbahn irgendwie mal Zeit finde, schaue ich mir das durch. Dann bildet sich bei mir so ne wie soll ich mal sagen, aus dieser großen rosa Wolke wird so ne abgegrenzte Glocke.“ (InterviewC_528–536)

108 Forschungsdesign und -vorgehen

Im Rahmen der Gruppendiskussion äußerte er dies aber anders:

„G-C: Ja, ich schließe mich auch einfach mal an, sage aber auch ähm, ja, es hat sehr viel Spaß gemacht, aber es bindet auch Kapazität in der Freizeit, weil ich musste wirklich viel üben und ich bin lange nicht da, wo ich schon sein wollte, weil es ist einfach ne Frei-zeit-Geschichte und äh bin aber da dran und würde das gerne alles adaptieren und habe die Angst, dass da wahrscheinlich noch viel, viel mehr ist.“ (Gruppendiskussion_68–75)

Diese Äußerung des Lehrenden in der Gruppendiskussion wirft ein anderes Licht auf seine Äußerungen im Interview. Sein Wunsch, den Beruf und die Freizeit nicht zu trennen, begründet sich in seinem biografischen Bruch. Es zeigt sich an dieser Stelle aber, dass er sein Ideal und noch nicht ganz so umgesetzt zu haben scheint, wie es im Interview geäußert wurde. Den Äußerungen im Interview wurde bei der Auswertung anschließend ein neuer Horizont hinzugefügt, der die Umsetzung des Nicht-Trennens von Arbeit und Privatheit begrenzt. Dies wird deutlich durch die Äu-ßerungen im Rahmen der geteilten Orientierungen in der Gruppe.

An einer andern Stelle in der Gruppendiskussion wird die reine Online-Lehre gegenüber gemischten Formaten thematisiert. An dieser Stelle sind sich im Rahmen des Diskussionsverlaufs die Lehrenden erst einig, dass es einer guten Mischung aus digitalen und analogen Methoden bedarf, um einen guten Unterricht zu gestalten.

Auch die Lehrende A stimmt dem zu. Dann schwenkt sie ihre Meinung im Verlauf um und betont, dass für sie Online-Formate als Lehrende nicht in Frage kommen:

„G-A: […] und hab dann für mich eben auch entschieden, ich möchte in meiner Arbeit Kontakt zu den Teilnehmenden direkt haben. Ich möchte in Beziehung treten zu denen und da muss ich eben auch auf der persönlichen Ebene was bewegen, weil sonst hab ich persönlich nicht, für mich das Gefühl, dass ich dort bei den Teilnehmenden was bewegt habe, ja. Also ich brauche das für mich als ähm dieses ich bin glücklich mit dem, was ich tue.“ (Gruppendiskussion_204–211)

Diese Stelle bestätigt Aussagen As im Interview unterstreicht damit noch einmal die Wichtigkeit des direkten Kontakts mit den Lernenden für sie. Der im Rahmen des Interviews ausgewertete Horizont bekommt damit eine besondere Bedeutung.

Durch die Betonung der Wichtigkeit des Kontaktes in einem Gruppenkontext ihres Tätigkeitsfeldes, in dem sie sich behauptet und damit eventuell gegen die Gruppen-meinung steht, bekommt dieser Horizont noch einmal eine besondere Bedeutung.

Solche und ähnliche Stellen unterstützten die Bildung der medialen Habitus der Lehrenden. Sie wurden im Rahmen der Rekonstruktion der Fälle herangezogen. Die Ergebnisse des komparativen Vergleichs der Interviews und der Gruppendiskussion sind in die Darstellung der Fälle eingeflossen. Eine Darstellung der alleinigen Ergeb-nisse der Gruppendiskussion wird daher im Folgenden nicht beschrieben werden.

Die Interviews wurden mit Ton aufgenommen und anschließend vollständig ohne Wortglättung in Anlehnung an die Transkriptionsregeln nach Kuckartz (Rädi-ker & Kuckartz, 2019, S. 44 f.) und an die Transkritptionszeichen nach Przyborski und Wohlrab-Sahr (2014, S. 168 f.) transkribiert (Transkriptionszeichen: siehe An-hang I).

Forschungsdesign 109