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Anforderungen an Lehrende in einer mediatisierten Welt

Die Lehrenden haben im Lehr-/Lernprozess in der Erwachsenenbildung eine zen-trale Rolle inne. Auch für sie änderten und ändern sich die beruflichen Anforderun-gen durch die Digitalisierung so wie in allen Arbeitsbereichen. Rohs (2019b) be-schreibt mögliche Veränderungen von Berufsbildern für Erwachsenenbildner:innen in Bezug zu Veränderungen, die sich durch eine weitere Digitalisierung ergeben könnten. Zum einen könnte sich das Berufsbild hin zu einem „Instructional De-signer einer Lernumgebung“ (ebd., S. 126) entwickeln. Hiermit ist gemeint, dass die Erwachsenenbildner:innen ihr Wissen über Lehr-/Lernprozesse gemeinsam mit In-formatikerinnen und Informatikern in Algorithmen übersetzen und somit digitale Lernumgebungen bauen, die es den Lernenden ermöglichen, individuell mittels Lernsoftware zu lernen (ebd.). Stichworte, die hierzu heutzutage immer wieder fal-len, sind „Learning Analytics“ oder „Educational Data Mining“. Auch Aufgaben, die die Software nicht erfüllen kann, oder das Anleiten der Lernenden im Umgang mit der Software sind Aufgaben, die Instructional Designern, bzw. Designerinnen zufal-len würden (ebd.). Neben der Chance individualisierten Lernens birgt diese Entwick-lung die Gefahr, dass deutlich weniger Personal benötigt wird (ebd., S. 127). Eine an-dere mögliche Entwicklung stellt „die technologische Entwicklung auch zu mehr konstruktivistischen Lernarrangements“ dar (ebd.). Dabei müsste sich die „künst-liche Intelligenz“ mit „semantischen Technologien“ verbinden, damit das breite An-gebot im Internet miteinander verbunden in einem selbstgesteuerten informellen Lernprozess dem Lernenden zur Verfügung steht (ebd.). Hierbei würde den Erwach-senenbildnerinnen und Erwachsenenbildnern eine vor allem inhaltliche Aufgabe

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kommen, indem sie eine Qualitätssicherungsfunktion der Inhalte übernehmen.

Rohs kommt zu dem Schluss, dass bei beiden möglichen Entwicklungen die Anfor-derungen an medienpädagogische Professionalisierung im Bereich der Erwachse-nenbildung zunehmen würden. Dies betrifft vor allem auch technologische Kompe-tenzen an der Grenze zur Informatik. Daneben ist eine weitere Verschiebung in der Rolle von einem:einer Lehrenden hin zu einem/einer Lernbegleiter:in zu verzeich-nen (Rohs, 2019b, S. 127). Die digitale Transformation fordert von den Lehrenden also mehr als nur die Umsetzung ihrer Didaktik in digitale Medien:

„Woran es leider mangelt, sind ausreichend qualifizierte Dozentinnen und Dozenten, die nicht nur mit den neuen Medien technisch umgehen, sondern ihre Anstrengungen auf den ‚didaktischen Mehrwert‘ konzentrieren können. Es ist gelinde gesagt kein gutes Zeugnis für den Weiterbildungsbereich, dass es bislang trotz zahlreicher Projekte nicht gelungen ist, eine trägerübergreifende und praxisrelevante Fortbildungsstrategie zu ent-wickeln.“ (Meisel, 2009, S. 241)

Es muss darum gehen, dass Lehr-/Lernmedien am didaktischen Mehrwert ausge-richtet werden, wofür es unabdingbar ist, neben den didaktischen Möglichkeiten auch die gesellschaftliche Relevanz der Digitalisierung, Entwicklungen auf dem Ar-beitsmarkt und die Veränderungen der Lebenswelt der Lernenden zu verstehen.

Laut dem Monitor Digitale Bildung bewerten 59 % der Lehrenden „digitale Lern-formen als förderlich für die Attraktivität der Bildungseinrichtung und als motivie-rend für die Teilnehmer (54 Prozent)“ (U. Schmid et al., 2018, S. 40). Dabei setzen 59 % der Lehrenden die digitalen Lernformen ein, sie nutzen aber nicht deren ge-samtes didaktisches Potenzial aus. Über zwei Drittel der Lehrenden (78 %) setzen PowerPoint-Präsentationen in der Lehre ein und über die Hälfte (57 %) nutzen auch Videos regelmäßig in ihrer Lehre. Für die Vor- und Nachbereitung wird das Internet genutzt, wobei 62 % auf fachliche Websites zurückgreifen und Inhalte auf Wikipedia sowie elektronische Texte von 54 % der Lehrenden gelesen werden. Von den Leitun-gen der WeiterbildungseinrichtunLeitun-gen wird das Angebot der Qualifizierung für die Lehrenden als zu gering angesehen. Nur 11 % der Weiterbildungsleitungen geben an, dass sie selbst für ihre Lehrenden sehr gute Fortbildungen mit entsprechenden Angeboten anbieten. Die fehlende Möglichkeit der ausreichenden Qualifizierung kann ein Grund dafür sein, dass das didaktische Potenzial der digitalen Medien nicht vollumfänglich ausgenutzt wird (U. Schmid et al., 2018, S. 7). Lernapps oder -spiele werden von 66 % bzw. 60 % der Lehrenden gar nicht eingesetzt, wobei auch diese als Ergänzung der traditionellen Präsenzlehre dienen könnten (ebd., S. 31). Da-bei könnte gerade der Einsatz dieser innovativeren digitalen Lernmedien für Ziel-gruppen jüngerer, benachteiligter Jugendlicher einen Zugang zu Lerninhalten bie-ten, die sonst eher weniger zum Lernen motiviert sind (Institut für Arbeitsmarkt-und Berufsforschung der BArbeitsmarkt-undesagentur für Arbeit, 2019, S. 38). Eventuell könnte dies auch ein Weg sein, um erwachsenen Benachteiligten einen Zugang zu Lern-inhalten zu eröffnen. Wenn man die Angebotsformate betrachtet, zeigt sich, dass 35 % der Lehrenden E-Learning-Veranstaltungen anbieten und 19 % häufig Blended-48 Erwachsenenbildung in einer mediatisierten Welt

Learning-Formate nutzen. 27 % der Lehrenden haben eine oder mehrere Weiterbil-dungsveranstaltungen in den letzten 12 Monaten sogar komplett angeboten. Dage-gen stehen aber 59 %, die VeranstaltunDage-gen komplett vor Ort anbieten (U. Schmid et al., 2018, S. 32). OER sind in der Weiterbildung bei der Nutzung und vor allem der Bereitstellung von Materialien wenig relevant. Nur 12 % der Lehrenden stellen kos-tenlos ihr Material allgemein zur Verfügung, wogegen über die Hälfte (58 %) die Ma-terialien nur ihren Teilnehmenden weitergibt. Dies ist nicht verwunderlich, da die Lehrenden ihre Materialien neben ihrer Person als Ausdruck ihrer Expertise sehen (ebd., S. 34).

Die Lehrenden und die Leitungen wurden auch dazu befragt, wie sich die Leh-renden ihre digitalen Kompetenzen aneignen. Hier zeigt sich, dass die LehLeh-renden für ihre medienpädagogische Professionalisierung weitgehend selbst verantwortlich sind, so wie dies auch auf fachliche und andere Kompetenzen zutrifft (U. Schmid et al., 2018, S. 36). Digitale Kompetenzen werden vor allem informell selbst angeeig-net und im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen erworben. Nur 40 % der befrag-ten Lehrenden hat eine Fort- oder Weiterbildung im Bereich digitaler Medien selbst besucht. Die Leitungen der Weiterbildungseinrichtungen schätzen organisierte hausinterne oder externe Weiterbildungen als bedeutsam ein, während die Lehren-den selbst diese eher wenig nutzen (ebd., S. 36 f.) (siehe Abb. 2).

Probleme im Bereich der digitalen Medien sehen Lehrende in verschiedenen Bereichen. Vor allem beschäftigen sie rechtliche Fragen und der erhöhte Aufwand, den sie durch den Einsatz digitaler Medien haben. Es zeigt sich hier, dass Lehrende, die mehr Erfahrungen im Einsatz mit digitalen Medien haben, die Herausforderun-gen geringer einschätzen als die Lehrenden, die weniger ErfahrunHerausforderun-gen mitbrinHerausforderun-gen (U. Schmid et al., 2018, S. 47).

In der Schweizer Studie zur Digitalisierung in der Weiterbildung (Sgier et al., 2018) wurde das Lehrpersonal nicht selbst befragt, sondern die Weiterbildungsanbie-ter wurden um eine Einschätzung der Situation der Lehrenden gebeten. Zusammen-fassend zeigt sich dort ein ähnliches Bild, wie es auch die deutsche Studie zeichnet.

Die Digitalisierung verändert die Anforderungen an die Lehrenden. Die Anbieter ge-ben an, dass bei der Einstellung neuer Lehrender die digitalen Kompetenzen eine gesteigerte Rolle spielen. Die Befragten bestätigen die oben beschriebene Änderung des Aufgabenbereichs der Lehrenden: 70 % der Anbieter:innen geben an, dass sich die Rolle der Lehrenden in Richtung von Lernbegleiterinnen und Lernbegleitern ent-wickle. 45 % geben an, dass für einen systematischen Einsatz der digitalen Medien in den Weiterbildungseinrichtungen die Kompetenzen bei den Lehrenden fehlen.

Die Anbieter führen außerdem an, dass das Weiterbildungspersonal nicht ausrei-chend auf die Veränderungen vorbereitet ist. So verwundert es nicht, dass von An-bieterseite die größte Herausforderung unter anderem in der Qualifizierung des Lehrpersonals gesehen wird (ebd., S. 4 f.).

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Aneignung medienpädagogischer Kompetenzen in deutschen Weiterbildungsinstitutionen (U. Schmid et al., 2018, S. 37)

Abbildung 2:

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Die Angaben zum aktuellen Stand der Kompetenzen aufseiten der Lehrenden be-züglich des Einsatzes digitaler Medien in der Erwachsenenbildung zeigen, dass die Aktualität und Notwendigkeit des Einsatzes digitaler Medien im Lehr-/Lernkontext durchaus bekannt ist. Sie zeigen aber auch, dass den beschriebenen Änderungen der Anforderungsprofile und auch den möglichen neuen Aufgabenprofilen der Lehren-den aktuell noch nicht Genüge getan werLehren-den kann. Deswegen ist medienpädagogi-sche Professionalisierung für Lehrende in der Erwachsenenbildung geforderter denn je, weswegen sich diesem Bereich im nächsten Kapitel gewidmet werden wird.