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Fachdidaktik – Fachwissenschaft – Allgemeine Di- Di-daktik

3 „Sinn“ im staatlichen Ethikunterricht der Grundschule in sieben Bundesländern

4 Zur Didaktik im wissenschaftlichen Zusam- Zusam-menhang

4.2 Wissenschaftssystematische Einordnung der Fachdidaktik

4.2.2 Fachdidaktik – Fachwissenschaft – Allgemeine Di- Di-daktik

Das Verhältnis von Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Allgemeiner Didaktik ist strittig, insofern es überhaupt einen Diskussionsprozess unter den Vertreter/-innen der beteiligten Disziplinen gibt.160 Die

160 Siehe hierzu z. B aus Anlass der Umwandlung der Pädagogischen Hochschulen in Wissenschaftliche Hochschulen Jungblut (1972), aus empirisch-analytischer Sicht Achtenhagen (1981) mit dem Bemühen, Grundsatzfragen zurückzustellen, und zur Wiederbelebung eben dieser Grundsatzfragen Meyer/Plöger (1994).

flexion des Verhältnisses war und ist dabei auch beeinflusst durch inneruniversitäre Statuskämpfe161, bildungspolitische Entscheidungen über die Lehrerausbildung162 und unterschiedliches wissenschaftsthe-oretisches Selbstverständnis163.

Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik konstruieren Modelle zur Re-duktion sehr komplexer pädagogischer Situationen164. Die Konstruk-tion ist von Handlungszielen geleitet; diese können allgemein sein, also z. B. was Heranwachsende lernen sollen und wollen, um hand-lungsfähig zu werden oder zu bleiben, oder spezieller orientiert hin auf die Steuerungsmöglichkeiten von Pädagog/-innen in einem labi-len, immer riskanten Kommunikationsprozess. In didaktische Model-le sind also Erziehungsnormen eingeflossen.

Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik haben einen gemeinsamen Gegenstand - die Wirklichkeit von Lehr-Lern-Prozessen - die sie auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus reflektieren. Ohne diesen Ge-genstandsbezug und die entsprechenden Fachwissenschaften können sie keinerlei Erkenntnisse aus Erziehungsnormen ableiten.

Allgemeine Didaktik trägt zu einer fragenden Haltung der Fachdi-daktik gegenüber der Fachwissenschaft bei. Dabei ist es nicht not-wendig, die Fragestellungen ausschließlich einem der in der

161 Die Zuordnung zu Erziehungswissenschaft oder Fachwissenschaft erschließt For-scher/-innen manchmal unterschiedliche Ressourcen und Reputation.

162 Meyer/Plöger (1994) und Klafki (1994) bewerten z. B. die Thesen des Bildungsrats von 1970 über die Verwissenschaftlichung des Lehrerberufs als Auslöser einer prob-lematischen fachwissenschaftlichen Ausrichtung der Lehrerausbildung.

163 So orientiert sich z. B. Jungblut (1972) an einem kritischen Wissenschaftsverständ-nis: Didaktik hat „zu ermitteln, welchen Anteil die in ihrem jeweiligen Unterrichts-fach ausgelösten Lernprozesse an der Selbstverwirklichung wie auch der sozialen Integration (…) des Lernenden haben.“ (S.617). Eben dies kritisiert z. B. Achtenha-gen (1982) mit einem empirisch-analytischen Wissenschaftskonzept; „eine Theorie soll angeben welche Handlungen unter welchen Umständen von welchen Personen mit Aussicht auf Erfolg ausgeführt werden können.“(S. 277).

164 Dabei ist umstritten, ob diese Modelle theoretisch alle Aspekte umfassen müssen (Klafki 1994) oder ob gerade dieser Anspruch ihren Praxisbezug blockiert (Mey-er/Plöger 1994). Der Modellcharakter ist auch in der lehr-lern-theoretischen Didak-tik von W. Schulz sehr betont worden.

schaft vertretenen Systeme der Allgemeinen Didaktik165 zu entneh-men.

Für Lebenskunde ist bei der Auswahl von allgemeindidaktischen Elementen wichtig, ob und inwieweit sie im Erkenntnisinteresse ori-entiert sind am Selbstbestimmungsrecht der Lernenden. Dieses wird in der bildungstheoretischen Didaktik als Bewusstsein von gesell-schaftlichen Schlüsselproblemen und Mitverantwortlichkeit aller bei deren Lösung beschrieben; in der lehr-/lerntheoretischen Didaktik steht im Zentrum der Dialog zwischen potentiell handlungsfähigen Subjekten; die kommunikative Didaktik fokussiert auf die permanen-te Demokratisierung und Humanisierung gesellschaftlicher Praxis, zu der auch die Schule zählt. Zurzeit werden in der Lebenskunde-Didaktik vor allem Theorieelemente aus der bildungstheoretischen und der kommunikativen Didaktik verwendet.

Fachdidaktik wird häufig als Brücke zwischen Allgemeiner Didaktik und Fachwissenschaft(en) beschrieben. Dabei bleibt offen, inwieweit diese Brücke eher dem Charakter einer Lehre von Praxiserfahrung entspricht oder eher als eigenständige Wissenschaft zu konzipieren ist.

Fachdidaktik beansprucht gegenüber den Fachwissenschaften inso-fern eine Eigenständigkeit, als sie ihren Inhalt nicht durch die pure Wiedergabe der fachwissenschaftlichen Systematik bzw. wissen-schaftsgeschichtlicher Diskussionsstränge einfach nachvollzieht. In-dem die Fachdidaktik „fachwissenschaftliche Prioritäten auswählt, Prioritäten bestimmt, Schwerpunkte festlegt, geht sie bewertend vor;

indem sie Inhalte auf ihre unterrichtliche Umsetzung hin anordnet, präpariert und graduell bemisst, geht sie zweckdienlich vor.“166

165 Kron (2000) systematisiert nach „Bildung als Leitbegriff“, „Lernen als Leitbegriff“

und „Interaktion als Leitbegriff“. Guidjons (2001) nennt als „große didaktische Mo-delle“ die kritisch-konstruktive Didaktik, die lehrtheoretische Didaktik, die kyberne-tische Didaktik, die lernzielorientierte Didaktik und die kritisch-kommunikative Di-daktik.

166 Jungblut (1972) S. 613.

Die Recherche im fachwissenschaftlichen Repertoire von Theorien und Forschungsergebnissen ist also kein Selbstzweck; denn Lehrer/-innen „sollen nicht Einzelwissenschaften vereinfacht in die Schule übersetzen, sondern Wissenschaft unter didaktischen Fragestellungen nach ihren Lösungspotentialen für Lebensprobleme und nach Vor-aussetzungen, Folgen und Grenzen befragen.“167 Damit ist zugleich die Frage verknüpft, „was Wissenschaften für die Aufklärung von individuell und gesellschaftlich bedeutsamen Lebensproblemen leis-ten können und wo ihre Grenzen sind.“168

Als Bezugs- bzw. Fachwissenschaften für die humanistische Lebens-kunde sind in der Studien- und Prüfungsordnung Philosophie, Reli-gionswissenschaft, Psychologie, Pädagogik aufgelistet.169

Ich gehe davon aus, dass die Fachdidaktik der Lebenskunde sich in-nerhalb der Bezugswissenschaften vor allem an Theorietypen orien-tieren wird, deren wissenschaftliches Selbstverständnis mit „kriti-schen“ Postulaten verknüpft ist. Dem entspräche auch das Verständ-nis von „HumaVerständ-nistik als eine auf einem vorgängigen humanem Enga-gement beruhende wissenschaftliche Tätigkeit materialer Reflexi-on.“170

Für diese Arbeit können in fachdidaktischer Perspektive auf fachwis-senschaftliche Inhalte folgende fachdidaktische Fragestellungen formuliert werden, die einen bildungstheoretischen Hintergrund ha-ben:

167 Klafki (1994), S. 59.

168 Ebenda, S. 58 (Hervorhebung des Verf.).

169 HVD-Studienordnung (o. J.). Vermutlich könnte man hier noch genauer differenzie-ren zwischen Basis- und Fachwissenschaften, wie es Jungbluth 1972 vorschlägt; Ba-siswissenschaften sind nach ihrem Vorschlag die akademischen Fächer, die keinem bestimmten Schulfach entsprechen. Ein Fach „Humanistik“, das in den Niederlan-den an der Universität Utrecht gelehrt wird, gibt es in Deutschland (noch) nicht.

170 Wolf (2004), S. 16.

(1) Welche Kernprobleme171 will ein Individuum mithilfe sog. Sinn-vorstellungen lösen, welche Aspekte von SinnSinn-vorstellungen sind hier-für funktional und welche allgemeinen Merkmale kennzeichnen kul-turelle Deutungen, so dass sie als Sinnvorstellungen gelten und ggf.

gelernt werden können?

Was wäre, neben dem Brückenschlag der Fachdidaktik zu den Fach-wissenschaften bei der Inhaltsanalyse, der Brückenschlag zur Allge-meinen Didaktik bei der Reflexion von Lernformen?

Wie schon zu Beginn dieses Kapitels skizziert, gründet schulisches Lernen in der Annahme, dass bestimmte lebensnotwendige Kompe-tenzen nicht beim Aufwachsen durch Miterleben, Teilnahme, etc.

erworben werden können, sondern gelernt werden müssen (und kön-nen!). Für diese Lernprozesse ist im Titel der Arbeit das Wort „er-fahren“ verwendet.

„Erfahrung“ gehört - seit Herbarts Grundbegriffen „Umgang“ und

„Erfahrung“ - zu den einheimischen Begriffen der Pädagogik und der Allgemeinen Didaktik. Erfahrungsbezug gilt dabei als Unterrichts-konzept. „Diese Konzepte entwickeln zwar auch einen begründeten Zusammenhang von Ziel-, Inhalts- und Methodenentscheidungen, in ihnen treten aber die Probleme allgemeindidaktischer Theoriebildun-gen in den Hintergrund.“172

„Erfahrung“ ist zum einen ein Fokus auf die Voraussetzungen des Unterrichts; Schüler/-innen sind nun mal Menschen mit eigenen Er-fahrungen. Bei institutionalisiertem Lernen sind „Lerninhalte und ihnen gemäße Lernszenen daraufhin zu mustern, ob, in welchem Grad, in welcher Art das Ich seine mitgebrachten Erfahrungen still-zulegen, zu kanalisieren, einzubringen hat: das wäre eine

171 Klafki hat bei der Weiterentwicklung der bildungstheoretischen Didaktik zur kri-tisch-konstruktiven Didaktik den Terminus „Schlüsselprobleme“ eingeführt. Ich übernehme die Idee des Problembezugs von Bildungsprozessen, verwende aber den Terminus „Kernprobleme“, weil „Schlüsselprobleme“ auf die von Klafki benannten ökonomisch-gesellschaftlichen Herausforderungen festgelegt ist.

172 Gudjons (2001), S. 249.

gige Frage für eine Didaktik, die die Qualität der in Lehr-Lernprozessen aufgebauten Identität für wichtig hält.“173

Zum anderen gehört „Erfahrung“ in den Bereich der Unterrichtsme-thodik: Lernarrangements sollen Sach-, Gefühls- und Sozialerfahrung ermöglichen; diese Eigenerfahrung soll - im weitesten Sinne - verar-beitet und in die vorhandenen Kompetenzen integriert werden.

Erfahrungskonzepte der Allgemeinen Didaktik müssen fachdidak-tisch auf den spezifischen Inhalt bezogen werden. Meint Erfahrung in verschiedenen Unterrichtsfächern und bei verschiedenen Inhalten eines Unterrichtsfaches ein „gleiches Grundphänomen? Oder letzt-lich doch gegenstandsspezifisch Unterschiedletzt-liches? Und wenn letzte-res der Fall sein sollte: Resultieren aus dieser Unterschiedlichkeit auch für die angemessene Gestaltung von Lehr-Lernprozessen (…) unterschiedliche konkrete Folgerungen, z. B. für die Ermöglichung von ‚Erfahrungen’, die zeitliche Strukturierung von Lernprozessen, die Lernarten, usf.?“174

Ist Erfahrung also als allgemeindidaktische Kategorie auf die lernen-de Auseinanlernen-dersetzung mit „Sinn“ anwendbar?

In dieser Arbeit wird die Fruchtbarkeit von Erfahrung als Form von Sinnlernen zunächst allgemein unterstellt. Auf dem Hintergrund die-ser Annahme sind für diese Arbeit die fachdidaktischen Fragestel-lungen gegenüber der Allgemeinen Didaktik:

(2) Welcher Aspekt rückt in den Vordergrund, wenn Sinn im Lehr-Lernprozess ‚erfahren’ werden soll? Lässt sich diese Erfahrung mit didaktischen Mitteln initiieren?

173 Rumpf (1976), S. 12.

174 Klafki (1994), S. 52.

4.2.3 Selbstverständnis einer Fachdidaktik der