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4.3 Diskussion

9.1.1 Methode

9.1.2.2 Explorative Faktorenanalyse

Mit der explorativen Faktorenanalyse wird untersucht werden, wie viele Faktoren zweiter Ordnung benötigt werden, um die 14 Dimensionen des MVSQ zu erklären. Dadurch sollen zudem Rückschlüsse zur Frage bzgl. Orthogonalität versus Bipolarität gezogen werden.

Zunächst wurden die Voraussetzungen zur Durchführung einer EFA auf die 14 Wertesysteme geprüft. Sowohl der Kaiser-Meyer-Olkin (KMO)-Koeffizient mit .72, als auch die Measure of Sample Adequacy-Koeffizienten der einzelnen Variablen (zwischen .54und.84) können nach Bühner (2011, S. 347) als ausreichend hoch eingestuft werden. Die Daten sind nach den Richtlinien bei Bühner „mittelmäßig“ geeignet, um eine Faktorenanalyse durchzuführen. Der Bartlett-Test auf Sphärizität wurde signifikant,χ2(91) = 3104;p ≤.001. Alle drei Kriterien sprechen also dafür, dass es lineare Zusammenhänge zwischen den Variablen gibt und Faktoren extrahiert werden können.

Zur Bestimmung der Anzahl der zu extrahierenden Faktoren wurden mehrere Richtlinien betrachtet. Scree-Plot und Kaiser-Kriterium (Eigenwerte > 1 Kaiser, 1960) sprachen beide für vier zu extrahierende Faktoren. Die Parallelanalyse nach Horn (1965) schlug fünf Faktoren vor und nach dem Jolliffe-Kriterium (Eigenwerte > .7; Jolliffe, 1986) wären sieben Faktoren zu extrahieren gewesen. Da diese Empfehlungen deutlich variierten, wurde wie von Eid et al.

(2015) vorgeschlagen, die Anzahl der Faktoren schrittweise um eins erhöht und die Modelle miteinander verglichen.

Da derχ2-Test bei großen Stichproben leicht dazu führen kann, dass eigentlich passenden Modelle verworfen werden (Eid et al., 2015), wurde als Kriterium der Anpassungsgüte zusätzlich derRoot Mean Square Error of Approximation (RMSEA) berechnet und berichtet. Außerdem wurden dasBayesian Information Criterion(BIC) und derTucker Lewis Index of factoring reliabi-lity (TLI) herangezogen, um die Modelle relativ zueinander zu vergleichen (Eid et al., 2015). In Tabelle 37 sind die entsprechenden Modellgütekoeffizienten aufgeführt.

Da bei psychologischen Konstrukten grundsätzlich nicht von Unabhängigkeit ausgegan-gen werden kann (Fabrigar et al., 1999) und im MVSQ teils mittlere Skaleninterkorrelationen vorliegen, wäre oblique Rotation der orthogonalen Rotation vorzuziehen. Damit traten bei der

Faktorextraktion je nach Schätzer jedoch bereits bei vier (OLS-Schätzer) bzw. fünf (ML-Schätzer) Faktoren Heywood-Fälle auf. Als Heywood-Fall wird bezeichnet, wenn die Residualvarianz unzulässigerweise einen negativen Wert annimmt (Heywood, 1931). Sie treten häufig dann auf, wenn nicht genügend Input-Variablen vorhanden sind (McDonald, 1985), was im vorliegenden Fall mit nur 14 Wertesystemen wahrscheinlich die Ursache darstellte. Auch mit der Methode der generalisierten kleinsten Quadrate (GLS), die speziell dafür entwickelt wurde, effektiver mit diesen Fällen umzugehen (Joreskog & Goldberger, 1972), traten Heywood-Fälle auf (bei sechs Faktoren). Da keines der Modelle eine zufriedenstellende Anpassungsgüte aufwies, wurde letztlich die orthogonale RotationsmethodeVarimax gewählt.

Tabelle 37.Anpassungsgüte der EFA-Modelle.

Anzahl Faktoren

Chi-Quadrat χ2 (df ),p

RMSEA (KI) BIC TLI

1 1839 (77), <.001 .19 (.18 - .20) 1343.97 .31 2 1134 (64), <.001 .17 (.16 - .17) 722.21 .49

3 694 (52), <.001 .14 (.13 - .15) 360.11 .63

4 390 (41), <.001 .12 (.11 - .13) 126.12 .74

5 263 (31), <.001 .11 (.10 - .12) 64.23 .77

6 161 (22), <.001 .10 (.09 - .12) 19.42 .81

7 76 (14), <.001 .09 (.07 - .10) -13.48 .86

8 23 (7), <.01 .06 (.03 - .09) -22.11 .93

9 4 (1), <.05 .07 (.01 - .15) -2.52 .91

Anmerkung.RMSEA = Root Mean Square Error of Approximation; BIC = Bayesian Information Criterion; TLI

= Tucker-Lewis Index.

Ab zehn Faktoren sind die Modelle unteridentifiziert (df<0) und konnten deshalb nicht mehr geschätzt werden. Tabelle 37 zeigt die Modellgütekoeffizienten der erfolgreich geschätzten Modelle. Diese werden im Folgenden gemäß der drei Kriterien der Anpassungsgüte, Sparsamkeit und Interpretierbarkeit bewertet (Eid et al., 2015). Insgesamt lässt sich sagen, dass dieχ2-Tests (allep < .05) bei allen Modellen ungenügende Modellanpassung suggerieren. Dies ist jedoch bei großen Stichproben wenig verwunderlich, da beimχ2-Test bei großen Stichproben bereits geringe Modellabweichungen zur Ablehnung der Nullhypothese führen (Eid et al., 2015). Nach den RMSEAs hingegen stellt das Modell mit acht Faktoren einen zufriedenstellenden Fit dar. Es ist das einzige, dessen RMSEA nicht über der akzeptablen Grenze von .06 (Hu & Bentler, 1999) liegt. Obwohl der TLI des Modells mit acht Faktoren knapp unter der empfohlenen Grenze von .95 (Hu & Bentler, 1999) ist, kann gesagt werden, dass abgesehen von diesem Modell, keines gut auf die Daten passt.

Beim Vergleich der Modelle untereinander mittels BIC und TLI kann die Tendenz beobachtet werden, dass mit zunehmender Anzahl Faktoren (bis acht Faktoren) die Anpassungsgüte der Modelle zunimmt (BIC sinkt mit steigender Zahl Faktoren, TLI nimmt zu). Erst ab dem neunten Faktor wird diese wieder geringer. Auch im relativen Vergleich weist Modell 8 somit die besten Gütekoeffizienten auf. Die acht Faktoren dieses Modells erklärten zusammen72% der Gesamtvarianz.

Tabelle 38.Standardisierte Faktorladungsmatrix des Modells mit acht Faktoren.

F1 F2 F3 F4 F5 F6 F7 F8

GBA .46 -.33 .35

GBV -.23 .88 -.29

MAA .92

MAV .36 -.68

GWA .97

GWV .24 -.68

ERA -.27 .84

ERV .66 -.26

GLA .65 -.32

GLV -.30 .74

VEA -.66

VEV .99

NAA .29 -.52

NAV .23 .86

Anmerkung.F1 bis F8 bezeichnen die extrahierten Faktoren. Ladungen < .2 wurden ausgeblendet.

Für die Beurteilung hinsichtlich des Kriteriums der Interpretierbarkeit werden die Faktorla-dungen des Modells mit acht Faktoren in Tabelle 38 aufgeführt. Dabei kann gesehen werden, dass nur die Faktoren F3, F4 und F7 nach Bortz und Schuster (2010, S. 422) hinreichend große standardisierte Faktorladungen aufweisen (> .60), um interpretierbar zu sein, wenngleich die Mindestzahl von vier Ladungen hier nicht erreicht wird. Lässt man dieses Kriterium außer Acht, dann zeigt sich jedoch ein relativ klares Muster, wonach die Faktoren F2 bis F8 jeweils der Annäherungs- und Vermeidungsdimension desselben Wertesystems zugeordnet werden können und Faktor F1 durch relativ viele Facetten gekennzeichnet ist. Von den Ladungen aus Faktor F1 können die Ladungen vonGeborgenheitA,MachtV,ErfolgV undGleichheitA

interpretiert werden (> .32 Tabachnick & Fidell, 2007, S. 649). Unter Berücksichtigung derer Vorzeichen erinnert dieser Faktor an die Einteilung insacrifice/express-self-Wertesysteme.

Insgesamt können aus dieser EFA zwei Schlussfolgerungen gezogen werden. Die eine lautet, dass trotz der ungenügend großen Faktorladungen zumindest die Tendenz ausgemacht werden kann, dass die Wertesysteme der Annäherungs- und Vermeidungsdimension zusammen je einen Faktor beschrieben. Diese Tendenz spricht eher für Bipolarität und gegen Orthogonalität.

Abgesehen davon kann festgestellt werden, dass die sieben Faktoren, die die Wertesysteme repräsentieren, relativ deutlich voneinander unterscheidbar sind, da sie als andeutungsweise eigenständige Faktoren identifiziert wurden. Dies spricht somit für die faktorielle Validität von zumindest sieben Wertesystemen.