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9.3 Untersuchungen zur divergenten Validität

9.3.4 Ergebnisse Hauptuntersuchungen

9.3.4.2 Divergenz zu IST 2000 R

Bei kleinen Stichproben (hier N = 39) ist die Berechnung von Korrelationen nach Pearson nur dann empfohlen, wenn die involvierten Variablen multivariat normalverteilt sind (Bonett &

Wright, 2000). In der vorliegenden Stichprobe sind allerdings 22 der 140 Kombinationen von Wertesystemen und IST-Dimensionen nicht multivariat normalverteilt. Dies wurde mit Mardia’s Test auf multivariate Normalverteilung (Mardia, 1970) mithilfe desR-PaketsMVN(Korkmaz et al., 2014) berechnet. Wenn keine multivariate Normalverteilung vorliegt, empfehlen Bonett und Wright (2000) Spearman’sρoder Kendall’sτ als Alternative. In der folgenden Analyse wurden deshalb Rangkorrelationen nach Spearman herangezogen, um die Zusammenhänge zwischen Wertesystemen und IST-Werten zu berechnen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 47 aufgeführt.

Tabelle 47.Rangkorrelationen der Wertesysteme mit IST 2000 R Intelligenz-Dimensionen.

Verb.

Anmerkung.Verb. I.= Verbale Intelligenz; Num. I. = Numerische Intelligenz; Fig. I. = Figurale Intelligenz; SD = Schlussfolgerndes Denken; Verb. W. = Verbales Wissen; Num. W. = Numerisches Wissen; Fig. W. = Figurales Wissen; WG = Wissen (Gesamt); Merkf. = Merkfähigkeit; Fl. I. = Fluide Intelligenz; Kr. I. = Kristalline Intelligenz;

GB = Geborgenheit; MA = Macht; GW = Gewissheit; ER = Erfolg; GL = Gleichheit; VE = Verstehen; NA = Nachhaltigkeit; A = Annäherung; V = Vermeidung; *p < .05; **p < .01; ***p < .001.

Im Folgenden werden angeborene und erworbene Intelligenz-Kennwerte getrennt betrach-tet, da sich die Hypothesen zum Zusammenhang mit Wertesystemen unterscheiden. Kein Zusammenhang wurde zwischen Wertesystemen und den angeborenen (fluiden)

Intelligenz-Werten vermutet. Diese Hypothese kann weitestgehend bestätigt werden. Bei den drei Ein-zelwerten verbale, numerische und figurale Intelligenz wurden von den je 21 Korrelationen pro MVSQ-Skala drei mit Annäherungswertesystemen und vier mit Vermeidugswertesyste-men signifikant. Auf beiden Skalen wurden die Korrelationen zwischen verbaler Intelligenz und Geborgenheit (ρ = −.37 bzw. ρ = .57) sowie Gewissheit (ρ = −.53 bzw. ρ = .43) signifikant. Abgesehen davon korreliertenGleichheitA(ρ=−.46) negativ sowieVerstehenV (ρ=.39) undNachhaltigkeitV (ρ=−.34) positiv mit verbaler Intelligenz. Numerische und figurale Intelligenz zeigen keinen signifikanten Zusammenhang mit den Wertesystemen. Beim Summenscore dieser drei Intelligenz-Werte, dem Schlussfolgernden Denken (SD) werden logi-scherweise einige der Korrelationen mit denselben Wertesystemen signifikant:GeborgenheitA, GewissheitAsowieGleichheitAkorrelieren negativ (ρ=−.37,ρ=−.53undρ=−.43) und GeborgenheitV sowieGewissheitV positiv (ρ =.39undρ= .41) mit SD. Fluide Intelligenz als gewichteter Score zeigt einen negativen Zusammenhang mit GewissheitA (ρ = −.43) undVerstehenV (ρ = .34). Insgesamt kann somit die Hypothese der Unabhängigkeit für fi-gurale und numerische Intelligenz vollständig und für verbale Intelligenz für sieben der 14 Wertesysteme bestätigt werden. Ähnlich liegen die Zusammenhänge der Wertesysteme mit Merkfähigkeit, wo mit einer Ausnahme (moderat positive signifikante Korrelation vonρ=.38 mitGewissheitV) Unabhängigkeit vorliegt.

Mehrere signifikante Zusammenhänge gab es – passend zur eingangs formulierten Hy-pothese – zwischen Wertesystemen und den erlernten (kristallinen) Intelligenz-Kennwerten.

Hier wurden von den Annäherungswertesystemen neun der 21 Korrelationen mit den drei Sub-Kennwerten verbales, numerisches und figurales Wissen signifikant. Die Vermeidungs-wertesysteme zeigten hier weniger Zusammenhang, von ihnen wurden nur fünf der 21 Kor-relationen signifikant. Bei den übergeordneten Faktoren Wissen (Gesamt) und kristalline Intelligenz wurden von den MVSQA-Wertesystemen jeweils vier Korrelationen signifikant und von den MVSQV-Wertesystemen lediglich die Korrelationen mitVerstehenV. Auffallend ist hier, dass dieexpress-self-Wertesysteme der Annäherungsdimension allesamt negativ mit den fluiden Intelligenz-Werten zusammenhingen. Darüber hinaus kann festgestellt werden, dass alle Korrelationen im moderaten bis niedrigen Bereich lagen (maximalesρ≤ |.57|).

Zusammenfassend kann – unter Vorbehalt, aufgrund des geringen Stichprobenumfangs – ge-sagt werden, dass volle Unabhängigkeit für vier Wertesysteme (MachtA,ErfolgA,VerstehenA undMachtV) festgestellt werden konnte. Für die WertesystemeNachhaltigkeitA,ErfolgV und GleichheitV gilt Unabhängigkeit für fluide Intelligenz. GeborgenheitA, GewissheitA, GleichheitA,GeborgenheitV,GewissheitV,VerstehenV undNachhaltigkeitV hängen von den drei Sub-Werten der fluiden Intelligenz nur mit verbaler Intelligenz signifikant zusammen.

9.3.5 Diskussion

In dieser Untersuchung wurde der Zusammenhang der Wertesysteme mit den Big Five sowie Intelligenz untersucht. Dazu wurden in zwei Stichproben zusätzlich zum MVSQ eine Big Five-und eine Intelligenz-Skala administriert. Die Ergebnisse sind weitestgehend hypothesenkonsis-tent, d.h. sie stützen die Konzeption von Wertesystemen als relativ unabhängige Konstrukte verglichen mit den Big Five und figuraler Intelligenz. Insgesamt sprechen die Befunde somit für die divergente Validität der im MVSQ gemessenen Wertesysteme. Im Vergleich zu den Befunden einer Meta-Analyse über den Zusammenhang zwischen Schwarz Werte-Typen und den Big Five (Parks-Leduc et al., 2015) zeigten die hier resultierenden Ergebnisse sogar schwächere Zusammenhänge.

Abgesehen von der divergenten Validität stehen diese Ergebnisse auch in Übereinstimmung mit der Konzeptualisierung von Wertesystemen als motivationale Dispositionen (vgl. Kapitel 2.5), die nach Cattell (1973) als unabhängig von kognitiven und Temperamentsdispositionen wie den Big Five und Intelligenz gelten.

Als Grenzen dieser Untersuchung sind folgende Punkte zu erwähnen: Bei der Untersuchung zum Zusammenhang mit den Big Five muss aufgeführt werden, dass die interne Konsistenz des Faktors Verträglichkeit extrem niedrig war und der Faktor in der Faktorenanalyse ungenügend von den beiden Items repräsentiert wurde. Als Folge müssen die (zwar hypothesenkonsistenten) Korrelationen von Verträglichkeit mit den Wertesystemen kritisch gesehen werden. Eine Untersuchung mit einer umfangreicheren Big Five-Skala erscheint an dieser Stelle nötig.

Außerdem muss hervorgehoben werden, dass die Stichprobe zur Untersuchung des Zu-sammenhangs mit Intelligenz erstens sehr klein war und zweitens aus dual Studierenden und Auszubildenden bestand, deren IQ-Werte ein Kriterium zur Einstellung darstellten. Die Stich-probe war demnach vorselektiert und kann deshalb nicht als bevölkerungsrepräsentativ gelten.

Eine weitere Untersuchung mit einer größeren und repräsentativeren Stichprobe ist für eine Folgeuntersuchung anzustreben.

Abgesehen davon können die Ergebnisse als vielversprechend eingestuft werden und die These, dass Wertesysteme als motivationale Konstrukte gesehen werden, sollte durch weitere Vergleiche mit divergierenden (und nicht-motivationalen) Konstrukten wie z.B. Impulsivität oder Ungerechtigkeitssensibilität untersucht werden.

Kapitel 10

Kriteriumsvalidität

Die Kriteriumsvalidität eines Instruments kann wie vorgestellt (Kapitel 3.6.3) anhand der konkurrenten, prädiktiven und inkrementellen Validität untersucht werden. In den folgenden drei Kapiteln werden diese Aspekte der Kriteriumsvalidität behandelt.

10.1 Untersuchung zur konkurrenten Validität

In dieser Analyse wird die konkurrente Validität der MVSQ-Scores untersucht. Konkurrente Validität bezeichnet diejenige Kriteriumsvalidität, in der das Merkmal und das Außenkriterium zeitgleich gemessen werden (Groth-Marnat, 2003). Dabei sollte eine theoretisch begründbare Beziehung zwischen Merkmal und Außenkriterium vorliegen (Groth-Marnat, 2003). Beide An-forderungen sind hier erfüllt. Die Außenkriterien (Studiengänge, Studiengangsschwerpunkte, Aufgabenbereich und Hierarchieebene) werden im soziodemografischen Teil und somit zeit-gleich zu den Wertesystemausprägungen erhoben und anhand einer Expertenbefragung wurden die hypothetisierten Beziehungen zwischen Außenkriterien und Wertesystemen hergestellt.

Die Zusammenhänge zwischen Wertesystemen und Studiengängen bzw. Studiengangs-schwerpunkten sind insofern begründbar, als Wertesysteme als übergeordnete Konstrukte Ziele und Interessen beeinflussen können und somit konkrete Auswirkungen auf die Wahl des Studiengangs sowie des Studiengangsschwerpunkts haben können. Hat eine Person z.B.

eine hohe Ausprägung auf dem WertesystemErfolg, dann ist wahrscheinlich das Ziel, nach dem Studium einen gut bezahlten Beruf zu ergreifen wichtiger, als z.B. einen sozialen Beruf.

Da Berufseinsteiger der Betriebswirtschaft (BW) bekanntlich höhere Einstiegsgehälter haben als Absolventen der sozialen Arbeit, ist unter BW-Absolventen eine überdurchschnittliche Ausprägung des WertesystemsErfolg zu erwarten. Da allerdings nicht bei allen Studiengangs-und Wertesystem-Kombinationen so eingängige Zusammenhänge erkennbar sind, wurden zwei Experten danach befragt, welche Wertesysteme für welchen Studiengang und welchen Schwerpunkt charakteristisch sein könnten.

Die Hypothese, dass es einen Zusammenhang zwischen Werten und charakteristischen Merkmalen von Jobs oder Organisationen gibt, ist nicht neu. In einer Untersuchung über den Zusammenhang der Werte von Berufseinsteigern und den entsprechenden Organisationswerten, fand Chatman (1989) heraus, dass diejenigen Berufseinsteiger, deren Werte zu denen der Organisation passten, nicht nur zufriedener mit ihrem Job waren, sondern auch länger bei der Firma blieben. Ähnlich lauten die Ergebnisse einer Studie von Sagiv und Schwartz (2000): Die Kongruenz zwischen persönlichen Werten und denen der Umgebung fungieren als Moderator für subjektives Wohlbefinden. Geht man davon aus, dass subjektives Wohlbefinden eines der höchsten Güter des menschlichen Dasein ist (Diener, 1984), dann sollten sich Menschen bevorzugt und auch dauerhaft länger in Umgebungen (Berufen) befinden, die ihren eigenen Werten entsprechen.

Demzufolge ist einerseits zu erwarten, dass es dominante Wertesysteme je nach Aufgaben-bereich gibt und die Existenz von dominanten Wertesystemen in einem bestimmten Beruf als Indiz der konkurrenten Validität interpretiert werden kann. Dies gilt zumindest dann, wenn man davon ausgeht, dass ähnliche Berufe über Organisationen hinweg stabile Merkmale teilen.

Bei der Befragung der Experten zur Kongruenz von Wertesystemen und Studiengängen wur-den auch die erwarteten Zusammenhänge von Wertesystemen mit Aufgabenbereichen und Hierarchieebenen abgefragt.

10.1.1 Methode

Die Hypothesen zu den charakteristischen Wertesystemen der Studiengänge, Schwerpunkte, Aufgabenbereiche und Hierarchieebenen wurden auf Basis einer Expertenbefragung formu-liert. Zudem wurden Hypothesen zum Zusammenhang zwischen Wertesystemen und Alter bzw. Geschlecht aus vergleichbaren Untersuchungen abgeleitet. Alle Hypothesen wurden mit Daten analysiert, die ausnahmslos im allgemeinen Teil des MVSQ erhoben wurden. Die Zusam-menhänge zwischen Alter und Wertesystemen wurden mit Produkt-Moment-Korrelationen untersucht. Für die Analyse der Zusammenhänge zwischen Wertesystemen und Geschlecht wurdent-Tests für unabhängige Stichproben und Effektstärken (Cohen’sdmit gepoolter Vari-anz; Cohen, 1988) berechnet (R-Paketlsr; Navarro, 2015). Zur Untersuchung der Kongruenz von Wertesystemen mit Studiengängen, Aufgabenbereichen und Hierarchieebenen wurden einfaktorielle ANOVAS mit Post-hoc Tests gerechnet.

Zur Formulierung der Hypothesen wurden zwei Experten eine Liste der Abteilungen, Stu-diengängen und Hierarchieebenen vorgelegt. Sie hatten die freie Wahl, wie viele Annäherungs-und Vermeidungswertesysteme sie jeweils als charakteristisch pro Kategorie zuteilen. Für die Berechnung der Interrater-Reliabilität wurden Elemente ausgeschlossen, denen nur von einem Rater ein charakteristisches Wertesystem zugewiesen wurde. Die Interrater-Reliabilität lag für 40 Wertesystem-Zuordnungen, die von beiden Ratern vorlagen, beiκ = .69. Nach der

Beurteilungsrichtlinie zur Urteilerübereinstimmung von LeBreton und Senter (2007) liegt dieses κan der oberen Grenze von „moderater Übereinstimmung“ und rechtfertigt somit die folgende Ableitung der Hypothesen.