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2.2 Methodik

3.1.2 Europäische Kommission

Ge-setzgeber auch geändert werden können; die EZB operiert jedoch auf der Grundlage des Lissabon-Vertrages, der nur einstimmig durch alle Regierungen wieder geändert werden kann. Auf europäischer Ebene fehlt es also an dem klaren politischen Gegenge-wicht, welches die NZBen in den Mitgliedstaaten haben (Lombardi und Moschella 2016:

853; de Haan, Eijffinger und Waller 2005: 99, 109–111).

Die EZB ist zwar einer der jüngsten, aber sicherlich einer der bedeutendsten Akteure im Gefüge der Europäischen Union. Sie ist die Hüterin der gemeinsamen Währung, dem wohl alltäglichsten und greifbarsten Symbol der europäischen Einigung. Sie hat erheb-liche Befugnisse und kann mit ihren Entscheidungen Geld- und Warenströme im größ-ten Binnenmarkt der Welt beeinflussen, sie ist also zweifelsohne ein Gravitationspunkt (geld-)politischer Autorität. Dabei hat sie nicht nur einen sehr großen Handlungsspiel-raum, was die Erreichung ihrer Ziele angeht. Die EZB kann darüber hinaus auch in weitgehend eigenem Ermessen festlegen, wie diese Ziele konkret aussehen sollen. Das alles spielt sich vor dem Hintergrund eher schwacher formaler Rechenschaftspflichten ab, sodass die EZB durch politische Präferenzen nur schwer greifbar ist, und das inmit-ten einer Europäischen Union, die zu ihren Grundsätzen die Demokratie zählt. Gleich-zeitig ist die EZB aber kein entfesselter Apparat, sondern doppelt gebunden. Durch ihre Verbundstruktur besteht eine ständige Rückkopplung an die Staaten und ihre nationa-len Zentralbanken, die wenn sie geschlossen abstimmen, die meisten Entscheidungen in ihrem Sinne beeinflussen können. Und weiterhin agiert die EZB im Gefüge europäi-scher Politik, welches wie schon die Theorie der MLG besagt geprägt ist durch viel-seitige Akteurskonstellationen, in denen es auf verschiedenen Ebenen unterschiedliche Autoritätspunkte gibt.

Aus diesem Grund folgt nun eine sorgfältige Darstellung der übrigen Akteure, die ebenfalls die europäische Politik mit prägen.

„Die Europäische Kommission übt […] Koordinierungs-, Exekutiv- und Verwaltungsfunktionen aus. Sie fördert die allgemeinen Interessen der Uni-on und ergreift hierzu geeignete Initiativen. Sie sorgt für die Anwendung der Verträge sowie der auf ihrer Grundlage erlassenen Maßnahmen.“

Dieser Beschreibung ist also zu entnehmen, dass die Kommission zunächst einmal nur in dem Rahmen tätig werden kann, der ihr durch die Verträge eingeräumt worden ist.

Innerhalb dieses Rahmens fallen jedoch viele unterschiedliche Aufgaben der Kommis-sion zu. Weiterhin soll sich die KommisKommis-sion in ihrem Handeln an der Förderung der Interessen der Union orientieren, also bewusst eine supranationale Perspektive einneh-men.

Die wohl bedeutendste Befugnis der Kommission besteht im Bereich der Unionsge-setzgebung. Kein Gesetzgebungsverfahren auf Unionsebene kann beginnen, solange die Kommission nicht eine entsprechende Gesetzesinitiative startet. Dass die Kommission im Bereich der Gesetzgebung das Monopol zur Initiative hat, ist ein Fall prozeduraler Konzentration, der sich so nicht in allen demokratisch geprägten Systemen findet.²⁸ Auf-grund dieser besonderen Stellung ist die Kommission zumindest in formaler Hinsicht der Setzer der politischen Agenda und kann daher den Gang der europäischen Politik entscheidend prägen. Daraus sollte jedoch nicht geschlossen werden, dass die Kom-mission als strenge Wächterin an der politischen Pforte darüber entscheidet, welche Themen überhaupt erst zur Sprache kommen. In der Praxis tragen andere Unionsorga-ne wie z. B. das Parlament Vorschläge für Gesetzesinitiativen an die Kommission heran, und auch jenseits der politischen Sphäre ist die Kommission der Adressat der Bemü-hungen von Lobbygruppen oder Akteuren der Zivilgesellschaft, die mit ihren Anliegen und Vorstellungen bei der Kommission auf Gehör stoßen wollen (S. K. Schmidt und Wonka 2012: 336–337; Knodt und Große Hüttmann 2006: 230). Das Monopol zur Geset-zesinitiative wirkt also schwerwiegender, als es sich in der politischen Praxis tatsächlich darstellt.

Die Einsetzung der Kommissionsmitglieder erfolgt im Einklang mit anderen Unions-organen. Mit qualifizierter Mehrheit nominiert der Rat einen Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten, worauf dieser Kandidat durch das Parlament bestätigt wird. Die weiteren Kommissionsmitglieder werden von den Regierungen der Mitglied-staaten nominiert und müssen sich danach unter anderem mehreren Anhörungen im Parlament stellen. Nach diesen Anhörungen entscheidet das Parlament dann en bloc über die gesamte Kommission. Ist die Bestätigung durch das Parlament dann erfolgt, muss die neue Kommission dann noch im Rat eine qualifizierte Mehrheit erhalten. Dar-an zeigt sich auch, dass bei aller parlamentarischer Beteiligung bei der Auswahl der Mitglieder der Kommission die nationalen Regierungschefs das Heft in der Hand haben (S. K. Schmidt und Wonka 2012: 340–341), und zwar in zweifacher Hinsicht. Individuell

²⁸ So haben beispielsweise in der Bundesrepublik Deutschland neben der Bundesregierung auch der Bun-desrat und der Bundestag das Recht, die Initiative zu einem Bundesgesetz zu ergreifen.

entscheiden sie autonom darüber, welche Kandidaten überhaupt dem Parlament prä-sentiert werden; das Parlament hat dabei auch nicht die Möglichkeit, selbständig aus einer Liste mehrerer Kandidaten zu wählen und so über jeden einzelnen Kandidaten zu befinden, sondern kann die vorgelegte Liste aller Kandidatinnen und Kandidaten nur in Gänze bestätigen oder ablehnen. Weiterhin verfügen die Regierungschefs kollektiv als Europäischer Rat über die letztliche Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Einsetzung einer neuen Kommission.

Ein Punkt, der in vielen Diskussionen um die Rolle der Kommission vorgebracht wird, ist die Frage nach der Legitimation der Kommission. Wie bereits angedeutet, besteht ei-ne nicht unbedeutende Kopplung der Kommission an das Parlament. Es ist dem Parla-ment möglich, einzelne Kandidaten vor der Ernennung abzulehnen und sogar die Kom-mission des Amtes zu entheben. Durch einige institutionelle Neuerungen der letzten Jahre wie z. B. dem Europäischen Semester kann die Kommission die Haushaltsplanung der Mitgliedstaaten beeinflussen; für derartig weitreichende politische und allokative Eingriffsrechte hat die Kommission nur eine recht schwache eigene Legitimationsba-sis (V. A. Schmidt 2015: 101–102; Scharpf 2014: 58). Die Kommission muss einsehen, dass sie nicht über den gleichen legitimatorischen Zugang verfügt wie der Rat oder das Parlament. Als Reaktion besteht für die Kommission die Möglichkeit, sich über den Kon-takt zu zivilgesellschaftlichen Gruppen zu legitimieren. Diese KonKon-takte werden von der Kommission benutzt, um die Ausarbeitung von Gesetzesentwürfen vorzubereiten. In der politischen Praxis ergibt sich daraus jedoch eine Situation, in der besonders Lobby-gruppen und Interessenvertreter einen privilegierten Zugang zur Kommission erhalten, und zwar in einer für die Gestaltung der politischen Agenda kritischen Phase (Teßmer 2012: 132, 146). Inwiefern eine solche Situation der Steigerung eigener Legitimation durch eine unvoreingenommene bürgerschaftliche Beteiligung dienen kann, ist frag-lich.

Neben der Kommission, die herkömmlicherweise als supranationaler Akteur verstan-den wird,²⁹ gibt es eine Vielzahl anderer Organe, in welche die Mitgliedstaaten eige-ne Vertreter aus ihren Regierungen entsenden. Diese Orgaeige-ne werden als Gegenpol zur Bezeichnungsupranational alsintergouvernemental beschrieben. Bevor diese Organe gleich vorgestellt werden, ist im Voraus kurz anzumerken, dass diese Bezeichnung et-was irreführend ist. Denn auch während die Mitglieder dieser Organe aus den Regie-rungen der Mitgliedstaaten kommen, arbeiten diese Organe letztlich doch darauf hin, kollektiv akzeptable Entscheidungen auf Unionsebene zu treffen (Lewis 2012: 321).

²⁹ Dieser Charakter könnte sich jedoch abschwächen, wenn sich die Tendenz, ehemalige Regierungschefs in die Kommission zu entsenden (aktuell beispielsweise Andrus Ansip, Valdis Dombrovskis oder Jyrki Katainen), auch in Zukunft fortsetzt.