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III. Schlussfolgerungen

10. Umsetzungsschritte

6.2. Institutionelle Reformen

6.2.2. Erweiterung der Aufgaben der ASFiNAG 1997

Die Aufgaben und Rechte der ASFiNAG wurden 1997 mit dem so genannten

„ASFiNAG-Ermächtigungsgesetz“ deutlich erweitert. Dieses Gesetz regelt mehrere Sachverhalte, die miteinander in einen Zusammenhang gebracht werden:

 Die Anteile des Bundes an der Österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen Aktiengesellschaft (ÖSAG) und an der Alpen Straßen

Aktiengesellschaft (ASG) werden als Sacheinlage in die ASFiNAG eingebracht (§ 1). Die Rechte und Pflichten des Bundes bezüglich dieser Gesellschaften gehen auf die ASFiNAG über (§ 4). Darüber hinaus kann Bundesvermögen, das für die Betriebsführung der ASFiNAG notwendig ist, als Sacheinlage des Bundes in die Gesellschaft eingebracht werden (§ 7).

 Der ASFiNAG wird per Vertrag das Fruchtnießungsrecht an „allen Bestandteilen [...] bestehender und künftig zu errichtender Bundesstraßen [...]

übertragen“ (§ 2 (1)). Dieses Recht „stellt ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut dar“ (§ 3) und kann somit in der Bilanz der ASFiNAG nicht abgeschrieben werden. Mit Abschluss dieses Vertrages tritt die ASFiNAG in alle betroffenen Rechtsverhältnisse des Bundes mit Dritten ein (§ 8).

 Die ASFiNAG zahlt dem Bund ein Entgelt für die Einräumung des Fruchtnießungsrechts in Höhe von etwa ATS 78 Mrd. (ca. EUR 5,7 Mrd.), wobei dieses Entgelt mit den Forderungen der ASFiNAG aus Straßenbau gegen den Bund gegenzurechnen ist (§ 5).

 Die ASFiNAG erhält das Recht zur Erhebung von Mauten und Benutzungsgebühren von allen Nutzern der entsprechenden Bundesfernstraßen, wobei dieses Recht an Dritte übertragbar ist (§ 6).

 Der Verkehrsminister erhält das Recht, der ASFiNAG im Fruchtgenussvertrag

„Zielvorgaben zu setzen und eine begleitende Kontrolle hinsichtlich der Maßnahmen der Gesellschaft [...] durchzuführen“ (§ 10). Insbesondere hat die ASFiNAG dem Minister „jährlich im Vorhinein sämtliche Kostenpläne für Planung, Bau, Erhaltung und Verwaltung“ vorzulegen (ebd.).

Bei einem Fruchtnießungs- bzw. Fruchtgenussrecht, das in diesem Gesetz eine zentrale Rolle spielt, handelt es sich nach österreichischem Recht um „das Recht, eine fremde Sache, mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen“

(§ 509 ABGB; vgl. Oberhammer 2001: 75 ff.). Im Falle der ASFiNAG wurde dieses Recht vom Bund in einem Fruchtgenussvertrag für eine Dauer von 50 Jahren, also bis zum Jahr 2047, übertragen (vgl. Beckers et al. 2005: 2). In dieser Zeit hat die ASFiNAG die Pflicht, das bestehende Fernstraßennetz zu betreiben und zu erhalten sowie nach Zielvorgabe des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie

(BMVIT) auszubauen. Im Gegenzug hat die ASFiNAG das Recht, eine Maut (bzw.

Benutzungsgebühr) von allen Nutzern des Bundesfernstraßennetzes zu erheben.

Dieses Recht nutzt die ASFiNAG, indem sie seit 1997 zeitbezogene Vignetten verkauft, die von allen Nutzern vor Benutzung des Fernstraßennetzes zu erwerben sind (vgl.

Kapitel 6.3). Die Vignettenpflicht galt zunächst für sämtliche Benutzer des Netzes.

Anfang 2004 wurde die Vignette für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 t durch eine streckenbezogene Maut ersetzt. Für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht unterhalb dieses Wertes gilt weiterhin die Vignettenpflicht.

Auf Sondermautstrecken (z. B. der Brennerautobahn, s. o.) gilt darüber hinaus weiterhin eine gesonderte Mautregelung für alle Nutzer. Somit ergeben sich die Einnahmen der ASFiNAG aus drei Elementen:

 Einnahmen aus der zeitbezogenen Vignette für Fahrzeuge unter 3,5 t

 Einnahmen aus der streckenbezogenen Maut für Fahrzeuge über 3,5 t

 Einnahmen aus Sondermaut

Hinzu kommen in geringerem Umfang noch sonstige Einnahmen, z. B. aus Strafgeldern und Liegenschaften (vgl. Beckers et al. 2005: 5).

Auf der Ausgabeseite stehen dem insbesondere Erweiterungsinvestitionen für Neu- und Ausbaustrecken, Betriebs- und Erhaltungsausgaben, Zinszahlungen sowie sonstige Kosten (z. B. für Fremddienstleistungen wie den Betrieb des Lkw-Mautsystems) gegenüber (vgl. ebd.). Der Betrieb wurde dabei nach der Übernahme der Betriebspflicht durch die ASFiNAG zunächst nicht durch die Gesellschaft selbst durchgeführt.

Vielmehr wurden lediglich 17 % des Netzes von Tochtergesellschaften der ASFiNAG (ÖSAG, ASG) betrieben.

Trotz dieses Verzichts auf die Eigenerledigung des Betriebsdienstes durch die ASFiNAG wurde die Bundesauftragsverwaltung mit der Übertragung der Zuständigkeit vom Bund auf die ASFiNAG beendet. An die Stelle der Bundesauftragsverwaltung traten nun Werkverträge, die von der ASFiNAG mit allen Bundesländern abgeschlossen wurden. Auf Basis dieser Werkverträge wurden 83 % des Netzes durch die Bundesländer betrieben (vgl. Trattner 2005a: 8). Im Rahmen dieser Verträge wurde auch die Straßenerhaltung von den Bundesländern übernommen. Insgesamt wurden Betrieb und Erhaltung somit von elf Organisationen erledigt: neun Bundesländern sowie

zwei Tochtergesellschaften des Bundes. Eine Kündigung dieser Werkverträge ist erstmals 2003 mit Wirkung ab 2006 möglich gewesen (vgl. Rechnungshof 2002: 270).

Die Werkverträge zwischen ASFiNAG und Bundesländern enthalten Anreizregelungen, die zu Kosteneinsparungen führen sollen (Landesrechnungshof Steiermark 2004: 99):

„Gemäß Werkvertrag mit der ASFiNAG bezüglich Erhaltung der Autobahnen und Schnellstraßen sind die Bundesländer verpflichtet eine Vollkostenrechnung zu führen, es besteht für die FA 18c [Fachabteilung 18c, Straßenerhaltungsdienst, A. d. V.] daher eine vertragliche Verpflichtung zur Führung einer KLR. Jährlich wird der ASFiNAG ein Bericht und eine Betriebsabrechnung mit detaillierten Kosten- und Leistungsaufstellungen übermittelt, jedes 2. Jahr wird mit der ASFiNAG eine Abrechnung durchgeführt.

Die Verrechnung mit der ASFiNAG erfolgt grundsätzlich über eine monatliche Pauschale (Normkosten). Wird anhand der im Abstand von 2 Jahren durchgeführten Abrechnung festgestellt, dass die Kosten der FA 18c höher sind als die Vergütungen der ASFiNAG der letzten 2 Jahre (Unterdeckung), so muss die ASFiNAG 50 % dieser Unterdeckung zusätzlich an die FA 18 c verrechnen.

Umgekehrt ist die FA 18 c verpflichtet, 50 % einer eventuellen Überdeckung an die ASFiNAG rückzuverrechnen.“

Zu den Zielen der Betriebskostenabrechnung zählen folgende Punkte (Landesrechnungshof Steiermark 2004: 100 f.):

„Nachweis von erbrachten Leistungen

Ermittlung von Teilungsschlüsseln zur Kostenrefundierung

Verstärkung des Kostenbewusstseins

Motivation und Information der verantwortlichen Personen

Eigenkontrolle der verantwortlichen Personen bezüglich des Aufwandes der betrieblichen Erhaltung

Schaffung einer Grundlage für die Budgeterstellung (Kosten / Leistungen)

Unterstützung bei der Entscheidung: Eigenregie oder Fremdleistungen („make or buy“)

Kostenvergleichsmöglichkeiten zwischen Straßenmeistereien, zwischen Baubezirken und zwischen Bundesländern (Bench-Marking) zur Erhöhung des Qualitätsstandards

Darstellung von Kostenentwicklungen über Jahre

Früherkennung und Vermeidung von Fehlentwicklungen“

Bei der anteiligen Rückvergütung gilt ein Limit von 10 % der entsprechenden Kosten, so dass darüber hinausgehende Kostenüberschreitungen von der ASFiNAG nicht übernommen werden. (vgl. Rechnungshof 2002: 270).

Die Normkosten wurden dabei bereits vor der Übernahme der Zuständigkeit durch die ASFiNAG zwischen dem damaligen Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten (BMwA) und den Bundesländern auf Basis mehrjähriger Untersuchungen vereinbart (vgl. ebd.). Die ASFiNAG hatte auf die Gestaltung dieser Normkosten keinen Einfluss (vgl. ebd.), zumal die in die Normkosten einfließenden Parameter „nicht betriebswirtschaftlich, sondern so bestimmt [waren], dass sich das Ergebnis letztlich der durch die bisherige Organisationsform in den Bundesländern bestehenden Ausgabensituation weitgehend annäherte“ (Rechnungshof 2002: 272).

Über diese Normkosten hinaus erhalten die Bundesländer eine Abgeltung von 5 % der Normkosten für Verwaltungsausgaben sowie von 10 % der Normkosten für die Erneuerung von Fahrzeugen und Geräten. Ein Nachweis für die Verwendung dieser Mittel wird nicht erbracht (vgl. Rechnungshof 2002: 270). Darüber hinaus werden den Ländern Belastungen aus Abgabepflichten (z. B. Kommunalsteuern) sowie die Kosten für Versicherungen nach tatsächlichem Aufwand erstattet (vgl. ebd.).

Bereits in ihrer „alten“ Ausgestaltung, also vor Inkrafttreten des ASFiNAG-Ermächtigungsgesetzes, war es der ASFiNAG erlaubt, Kredite aufzunehmen. Die ASFiNAG ist, wie dargestellt, für die gesamten Neu- und Ausbauinvestitionen in das österreichische Bundesfernstraßennetz zuständig; derzeit reichen die über Maut- und Gebühreneinnahmen generierten Umsätze jedoch nicht aus, um die Investitionsausgaben zu decken. Daher nimmt die ASFiNAG regelmäßig Kredite am Kapitalmarkt auf (vgl. zum Folgenden: Becker et al. 2005: 7 f.). Die Rückzahlung dieser Kredite wird von der Republik Österreich garantiert, was zum bestmöglichen Rating „AAA“ geführt hat.

„Aufgrund der Staatsgarantien liegen die Fremdkapitalkosten der ASFiNAG nur um wenige Basispunkte im einstelligen Bereich über denen der Republik Österreich. Trotzdem wird die ASFiNAG nicht dem öffentlichen Sektor in Österreich zugerechnet. Ihre Verschuldung wird daher bei der Überprüfung der Einhaltung der Regelungen des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes gemäß Artikel 104 EG-Vertrag nicht berücksichtigt. Diese Entscheidung ist vom Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (EUROSTAT) als zuständige Institution der Europäischen Union getroffen worden. Grundlage ist die Regelung zur Zurechnung von Institutionen zum öffentlichen bzw. privaten Sektor, die im „Europäischen System der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung“ (ESVG) 1995 festgelegt und seitdem mehrmals aktualisiert wurde“ (ebd.).

Nach diesem System sind Kredite dann nicht zur Berechnung des Maastricht-relevanten Staatsdefizits hinzuzuziehen, wenn die Institution, die diese Kredite aufnimmt, nicht dem „Sektor Staat“, sondern dem Unternehmenssektor zugerechnet werden kann. Für die Unterscheidung, ob es sich bei der ASFiNAG um eine Einheit des Staates oder des Unternehmenssektors handelt, ist neben anderen Kriterien insbesondere die 50-Prozent-Regel des ESVG maßgeblich (vgl. Europäische Kommission 2002). Diese 50-Prozent-Regel besagt, dass eine Einheit „Marktproduzent“ ist, wenn die laufenden Kosten (Vorleistungen, Personalkosten, Abschreibungen, nicht jedoch Schuldzinsen) mindestens zu 50 % durch Produktionserlöse (Verkaufserlöse, Entgelte, Gebühreneinnahmen für konkrete Leistungen) gedeckt werden. Zuflüsse aus Zwangsabgaben, Subventionen, Zinseinnahmen, Schuldaufnahmen oder Transferzahlungen zählen explizit nicht zu den Produktionserlösen.

Laut einer EUROSTAT-Regel aus dem Januar 2003 sind auch Finanzierungen des Bundes für Dritte, so genannte „Rechtsträgerfinanzierungen“, bei den Schulden im Sinne von Maastricht hinzuzuzählen (vgl. zum Folgenden Staatsschuldenausschuss 2003: 21). Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur (ÖBFA) agiert im Namen und auf Rechnung des Bundes und ist seit 1998 zusätzlich auch für Rechtsträger des Bundes wie z. B. ÖBB und ASFiNAG tätig. Die ÖBFA nimmt die Finanzierung für Dritte (Rechtsträger und seit 2000 auch Bundesländer)

„entsprechend den Vorgaben der Auftraggeber im Namen des Bundes vor und leitet die Mittel zu analogen Konditionen in Form von Darlehensvergaben an die

Rechtsträger bzw. Bundesländer weiter. Obwohl der Schuldendienst (Zinsen und Tilgungen) zur Gänze von den Auftraggebern (Rechtsträgern und Bundesländern) getragen wird, so handelt es sich doch um aushaftende Schuldtitel des Bundes (i. d. R. Bundesanleihen), die gemäß EUROSTAT bei den Schulden des Bundes im Sinne von Maastricht (strenges Bruttokonzept) hinzugezählt werden müssen“ (ebd.).

Seither werden Anleihen zur Finanzierung der ASFiNAG direkt durch die Gesellschaft emittiert, um den Schuldenstand des Bundes im Sinne von Maastricht nicht zu erhöhen.

In diesem Zusammenhang sind auch die Haftungsgarantien des Bundes begrenzt worden, welche den jährlichen Finanzplanungen angepasst werden. Der Finanzminister erhält einen Verfügungsspielraum im Bundesfinanzplan zugewiesen. Um im Fall der Inanspruchnahme einer Haftungsgarantie nicht die Staatsverschuldung mit der Gesamtsumme der Garantie zu belasten, ist es dem Bund möglich, einzelne Annuitäten bzw. Teilschuldzahlungen für das jeweilige Unternehmen zu übernehmen. In diesem Fall würde die Anleihe weiterhin in der Bilanz des Unternehmens verbleiben, bei einer gleichzeitigen Transferierung von Kapital zugunsten des Unternehmens.