• Keine Ergebnisse gefunden

III. Schlussfolgerungen

10. Umsetzungsschritte

5.3. Finanzwirtschaftliche Reformen

5.3.4. Bewertung

Einführung der Nutzerfinanzierung

Es ist zunächst positiv zu bewerten, dass die Lkw-Maut in der entsprechenden Nutzerkategorien tatsächlich alle Nutzer des Bundesautobahnnetzes einbezieht. Eine Belastung der Nutzer über die Kfz- oder Mineralölsteuer würde Teile der Nutzer aussparen, namentlich ausländische Nutzer, die eine Kfz-Steuer in ihrem Heimatland entrichten und dort auch Kraftstoff tanken. Ohne nutzungsabhängige Maut konnten diese Nutzer nicht effektiv an der Kompensation der durch sie hervorgerufenen externen Effekte (z. B. Schadstoffemission und Straßenabnutzung) beteiligt werden.

Ein weiteres positives Element der Lkw-Maut besteht in der Belastung der Nutzer genau nach ihrer Fahrleistung. Es entsteht somit ein Anreiz, die Fahrleistung zu optimieren, beispielsweise durch die Vermeidung von Leerfahrten oder durch die Zusammenlegung von Transportaufträgen. Diese Optimierung mindert die externen Effekte des Straßenverkehrs. Darüber hinaus können diese externen Effekte durch eine nutzungsabhängige Maut transparent gemacht werden.

Fehlanreize für die Nutzer

Das in Deutschland eingeführte Bemautungssystem ist in zweifacher Hinsicht begrenzt.

Die Mautpflicht ist beschränkt zum einen auf Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mindestens zwölf Tonnen und zum anderen auf Bundesautobahnen. Aus diesen Begrenzungen folgt ein zweifacher Fehlanreiz für die Nutzer des Bundesautobahnnetzes:

 Für potentielle Nutzer besteht ein Anreiz, auf Lkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von unter zwölf Tonnen zurückzugreifen. Diese werden von diversen Herstellern angeboten und haben meist ein zulässiges Gesamtgewicht von 11,99 Tonnen. Diese Fahrzeuge unterscheiden sich in ihren Nutzungsmöglichkeiten kaum von „Zwölftonnern“, sind jedoch anders als diese nicht mautpflichtig.

 Ein weiterer Fehlanreiz besteht in der Möglichkeit, mautfreie Ersatzstrecken zu nutzen. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen parallel zu

mautpflichtigen Bundesautobahnen mautfreie Bundesstraßen zur Verfügung stehen.

Der letztgenannte Fehlanreiz kann dadurch ausgeglichen werden, dass Bundesstraßen, die unter erheblichen Ausweichverkehren leiden, ebenfalls der Mautpflicht unterzogen werden. Hierzu ist nach § 1 (4) ABMG eine Rechtsverordnung des BMVBS notwendig, die einerseits der Anhörung der Europäischen Kommission und andererseits der Zustimmung durch den Bundesrat bedarf.

Der Fehlanreiz zur Nutzung von „virtuell“ kleineren Lkw könnte nur durch ein Absenken der Mautpflicht beseitigt werden. Dabei müsste die Mautpflicht jedoch so weit gesenkt werden, dass die Anschaffung noch kleinerer Lkw aus Sicht der Nutzer unökonomisch wird. Die Mautpflicht würde also idealtypisch an dem Punkt beginnen, an dem der Grenznutzen eines um eine Einheit größeren Lkw größer ist als die Grenzkosten durch die zusätzlich zu entrichtende Maut. Ein Absenken der Mautpflicht ist jedoch mit hohen politischen Kosten verbunden. Dies gilt insbesondere für eine Mautpflicht, von der der Mittelstand oder sogar Privatpersonen betroffen wären.

Ein weiteres Problem könnte im Auftreten von Mautbetrug, also dem Verzicht auf eine Entrichtung der Maut trotz bestehender Mautpflicht, bestehen. Um diesem Problem zu begegnen, wurde ein zweistufiges Kontrollsystem errichtet. Zum einen führt das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) Kontrollfahrten durch, zum anderen wurden

„Mautbrücken“ errichtet, an denen vollautomatisch die Kennzeichen der Nutzer erfasst werden, so dass überprüft werden kann, ob der Mautpflicht nachgekommen wurde. Da es sich bei der Nutzung von Bundesautobahnen gegen eine Gebühr ökonomisch um eine Transaktion handelt, können die entsprechenden Kontrollkosten als Transaktionskosten aufgefasst werden. Diese sind jedoch notwendig, um den Anreiz zum Fehlverhalten zu verringern.

Wahl eines PPP-Beschaffungsansatzes

Bei der Errichtung des Mautsystems wurde Wert darauf gelegt, dass es sich um ein satelliten- oder mobilfunkgestütztes System handelt. Da es ein solches zum Zeitpunkt der Vertragsvergabe noch nicht gab, handelte es sich um ein sehr innovatives Projekt.

Die Durchführung eines solchen Projektes als Public Private Partnership ist aus Sicht

der beschaffenden Institution mit großen Risiken55 verbunden. Diese Risiken manifestierten sich, als der Starttermin der Lkw-Maut seitens des Konsortiums nicht eingehalten werden konnte und es somit zu Einnahmeausfällen für den Bund kam. Aus diesen Erwägungen heraus empfiehlt das britische Finanzministerium (vgl. HM Treasury 2004: 8), bei der Beschaffung von Projekten aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie auf PPP-Lösungen zu verzichten.

Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu modelltheoretischen Erkenntnissen von Hart (2003)56, der zu dem Schluss kommt, dass PPP-Modelle gut einsetzbar sind, wenn die Qualität der Betriebsleistung für das Projekt gut beschreibbar ist, die der Bauleistung jedoch nicht. Umgekehrt sei die konventionelle Beschaffung vorzuziehen, wenn die Bauleistung gut beschreibbar ist, die Betriebsleistung jedoch nicht (vgl. Hart 2003:

C74). Bei innovativen Projekten wie der Einführung eines neuartigen Mautsystems scheint dies nicht der Fall zu sein. Vielmehr war aus Sicht der öffentlichen Hand die PPP-Beschaffung gerade deshalb nachteilig, weil die Bauleistung nicht gut beschreibbar war.57

Darüber hinaus handelte es sich bei der Beschaffung des Lkw-Mautsystems um den Aufbau eines monopolistisch strukturierten Marktes. Das Konsortium, das den Zuschlag erhielt, verfügte somit direkt nach dem Zuschlag über eine große Verhandlungsmacht.

Diese Macht wurde noch dadurch vergrößert, dass die Bundesregierung sich zur Abschaffung der Eurovignette zum vereinbarten Starttermin der Maut entschloss und somit seine Verhandlungsposition schwächte.

Vor diesem Hintergrund ist die vom BMVBS gewählte Beschaffungsvariante negativ zu bewerten. Allerdings ist anzumerken, dass das Mautsystem in einer konventionellen Beschaffung erst sehr viel später hätte beschafft werden können; es wäre also auch in diesem Fall zu Einnahmeausfällen gekommen, da weiterhin lediglich die

55 Diese Risiken ergeben sich aus der Tatsache, dass sich der öffentliche Auftraggeber auf die

Innovationskraft eines privaten Auftragnehmers verlassen muss. Es gibt also nicht nur Risiken bzgl. der Zeit und der Kosten, sondern auch bzgl. der technologischen Realisierbarkeit des Projektes.

56 Vgl. zum Folgenden insb. Beckers (2005: 76 ff.)

57 Vergleichbare oder sogar noch schwerere Probleme können auch bei anderen innovativen Projekten in Deutschland festgestellt werden, so zum Beispiel bei der Modernisierung der IT-Infrastruktur der Bundeswehr (Projekt „Hercules“) sowie bei der Einrichtung eines digitalen Funknetzes für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben.

vergleichsweise niedrigen Einnahmen aus der Eurovignette an den Bund geflossen wären.

Bewertung der Zweckbindung der Mauteinnahmen

In der im Zuge der Verabschiedung des VIFGG geänderten Fassung des § 11 ABMG wird bezüglich der Verwendung des Mautaufkommens Folgendes festgelegt:

„Das Mautaufkommen steht dem Bund zu. Ausgaben für Betrieb, Überwachung und Kontrolle des Mautsystems werden aus dem Mautaufkommen geleistet. Das verbleibende Mautaufkommen wird zusätzlich dem Verkehrshaushalt zugeführt und in vollem Umfang zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur, überwiegend für den Bundesfernstraßenbau verwendet.“

Obwohl die Zweckbindung grundsätzlich positiv zu bewerten ist, bestehen die Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur in der Folge künftig aus zwei Komponenten:

einerseits dem zweckgebundenen Aufkommen aus der Lkw-Maut, andererseits den nicht zweckgebundenen Mitteln aus dem allgemeinen Haushalt. Für die politischen Entscheidungsträger ergibt sich aus dieser Konstellation ein Fehlanreiz: es ist unter Einhaltung des Gesetzestextes möglich, die „regulären“ Investitionsmittel um den Betrag zu kürzen, der durch die Maut eingenommen wird. Es steht somit nicht mehr Geld für Verkehrsinfrastrukturinvestitionen zur Verfügung als vor der Einführung der Lkw-Maut; vielmehr kommt es aufgrund der Dominanz des finanzpolitischen Interesses trotz der Zweckbindung lediglich zu einer Substitution.

Verhindert werden kann dieser Fehlanreiz lediglich, indem die gesamten für Verkehrsinfrastrukturinvestitionen notwendigen Mittel aus zweckgebundenen Quellen bezogen werden. Aufgrund des Non-Affektationsprinzips, nachdem Steuereinnahmen der Deckung des Gesamthaushalts dienen (s. o.), wäre dies nur bei deutlich höheren Gebühreneinnahmen und somit bei einer deutlichen Verbreiterung der Mautpflicht möglich.

Verbindung mit institutionellen Reformen

Die Einführung der Lkw-Maut wurde auf doppelte Weise mit anderen Reformen verknüpft, die im Rahmen dieser Arbeit von Bedeutung sind:

 Die Beschaffung erfolgt als PPP-Projekt, was jedoch, wie oben dargestellt, insgesamt eher negativ zu bewerten ist.

 Die Bewirtschaftung der eingenommenen Mittel erfolgt durch die VIFG, was, wie oben dargestellt, im Vergleich zur bisherigen Bewirtschaftung positiv zu bewerten ist.

Die Verbindung der finanzwirtschaftlichen mit den institutionellen Reformen ist darüber hinaus mit der Durchführung von PPP-Projekten durch die VIFG verbunden.

Diese Verknüpfung dieser drei Reformrichtungen ist positiv zu beurteilen, da – abgesehen von denkbaren Effizienzgewinnen – ein Wettbewerbsdruck auf die konventionelle Bereitstellungsmethode von Verkehrsinfrastruktur ausgeübt wird. Die

„neuen“ Institutionen und Instrumente können dabei direkt mit den bestehenden Institutionen und Instrumenten verglichen werden, so dass eine Entscheidungsgrundlage für künftige, möglicherweise noch weiter gehende Reformen erstellt wird.