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III. Schlussfolgerungen

10. Umsetzungsschritte

6.4. PPP-Lösungen

6.4.2. Bisherige Projekterfahrungen

Grundlagen

Die Entscheidung der ASFiNAG, das Teilnetz „Ostregion“ in verschiedene PPP-Projekte aufzuteilen und diese sukzessive zu realisieren, führt dazu, dass die PPP-Projekte individuell strukturiert werden können. Dabei können sowohl Erkenntnisse aus den früheren Projekten in die jeweilige Geschäftsmodellentwicklung einfließen als auch Besonderheiten des Einzelprojektes, die im Geschäftsmodell abzubilden sind. Darüber

hinaus ist es – im Extremfall – auch möglich, die Durchführung von PPP-Projekten zu stoppen, wenn sich in den ersten Projekten zeigt, dass diese nicht zu den gewünschten Resultaten führen.

Als erstes PPP-Projekt des Teilnetzes „Ostregion“ wurde im Jahre 2005 das Paket

„Ypsilon“ zur Ausschreibung gebracht, dass neben zwei Teilen des Wiener Autobahnringes auch den südlichen Abschnitt der Autobahnverbindung zur tschechischen Grenze umfasst (s. o.). Insgesamt umfasst dieses Paket eine (zusammenhängende) Streckenlänge von 51 km sowie Baukosten in Höhe von etwa EUR 850 Mio.

(Nicht) enthaltene Leistungen

Der private Konzessionär tritt in das Projekt „Ypsilon“ nach dem erfolgten Grunderwerb ein (vgl. ASFiNAG 2005: 11). Die klassische öffentliche Planung einschließlich z. B. Trassenführung und Umweltverträglichkeitsprüfung verbleibt dabei bei der öffentlichen Hand. Der Konzessionsnehmer ist nach Abschluss dieser Leistungen für die Detailplanung und die Bauplanung zuständig. Die Lebenszyklusphase „Planung“ wird somit effektiv zwischen Konzessionsgeber und Konzessionsnehmer geteilt, wobei ersterer diejenigen Aufgaben übernimmt, die einerseits über eine gewisse Nähe zu hoheitlichen Aufgaben (z. B. Enteignungen) verfügen oder andererseits von einem hohen Unsicherheitsgrad geprägt sind (z. B.

Planfeststellungsbeschluss).

Nach der Planungsphase übernimmt der Private sämtliche Aufgaben, die unmittelbar mit dem Projekt verbunden sind. Dies umfasst den Bau, die Finanzierung sowie den Betrieb und die Erhaltung des Bauwerkes über die gesamte Vertragslaufzeit von etwa 33 Jahren. Dagegen übernimmt er keine Aufgaben, die in den Bereich der Mauterhebung fallen: es wird keine fahrleistungsabhängige Maut von Fahrzeugen unterhalb eines zulässigen Gesamtgewichts von 3,5 Tonnen erhoben; die Mauterhebung für andere Fahrzeuge erfolgt auch auf der neuen Strecke im institutionellen und technologischen Gefüge des bestehenden Mautsystems.

Vergütungsmechanismus und Risikoallokation

Bei PPP-Projekten spiegelt sich in der Regel in dem gewählten Verfügbarkeitsmechanismus die Risikoallokation innerhalb des Projektes wider. Beim PPP-Projekt „Paket Ypsilon“ wurde ein Mischmodell83 zur Vergütung des Privaten gewählt (vgl. zum Folgenden: Thaler 2005: 24).

Der private Konzessionär erhält eine Gesamtvergütung, die aus zwei Elementen besteht und deren Verhältnis in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der Verkehrsfrequenzbänder flexibel ist (s. u.). Zu etwa 30 % seiner Gesamtvergütung erhält er eine Schattenmaut pro Fahrzeugkilometer, die übrigen 70 % erhält er in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Strecke (sog. Verfügbarkeitsentgelt). Daraus folgt eine teilweise Übernahme des Verkehrsmengenrisikos, das sich auf die Schattenmautkomponente der Vergütung niederschlägt. Durch die tatsächliche Umsetzung dieses Schattenmautmodells kann der private Bieter den Grad der Übernahme des Verkehrsmengenrisikos noch weiter steuern. Er erhält die Möglichkeit, in seinem Angebot eine individuelle Schattenmauthöhe für vier Verkehrsfrequenzbänder anzugeben. Die Auswirkung dieses Mechanismus soll an zwei vereinfachten Beispielen verdeutlicht werden84:

 Wenn eine hohe Schattenmaut (z. B. EUR 1) für das niedrigste Verkehrsfrequenzband (z. B. für die ersten 15.000 Kfz je Tag) angeboten wird, jedoch nur eine sehr geringe Schattenmaut (z. B. EUR 0,1) für das höchste Verkehrfrequenzband (z. B. für eine Verkehrsmenge von 30.000 Kfz und mehr), so führt diese Konstruktion zu einer geringen Übernahme des Verkehrsmengenrisikos. Der Private erhält in diesem Fall bereits bei einer geringen Verkehrsmenge annähernd seine vollständige Vergütung. Umgekehrt gilt dies analog.

 Wenn eine gleichmäßige Schattenmaut (z. B. EUR 0,4) für alle Verkehrsfrequenzbänder angeboten wird, so entspricht dies effektiv einer

83 Vgl. zu den denkbaren Vergütungsmechanismen bei PPP-Lösungen im Straßensektor Böger / Gerdes (2005).

84 Dieses Beispiel hat nur illustrativen Charakter. Die angenommenen Zahlen stehen in keinem Zusammenhang mit einem tatsächlichen Projekt.

Teilung des Verkehrsmengenrisikos zwischen Konzessionsgeber und Konzessionsnehmer.

Entsprechend der aus zwei Komponenten bestehenden Vergütung ist das Verfügbarkeitsentgelt so ausgestaltet, dass der Konzessionär bei einer vom Konzessionsgeber erwarteten und vertraglich festgehaltenen Verfügbarkeit der Strecke (z. B. 95 %) eine festgelegte Vergütung erhält, die 70 % der erwarteten Gesamtvergütung entspricht. Durch eine höhere Verfügbarkeit kann diese Vergütungskomponente somit zwar gesteigert werden, sie kann allerdings aus Sicht des Konzessionärs nicht aufwandsdeckend wirken.

Auf die Risikoallokation angewandt bedeutet dieser zweiteilige Vergütungsmechanismus, dass das Verkehrsmengenrisiko stets (aber in variablen Verhältnis) geteilt wird, während das Verfügbarkeitsrisiko immer vollständig vom Konzessionär zu tragen ist. Dagegen ist das Mautrisiko, also die „Beeinflussung der Mautentgelte durch wirtschaftliche, rechtliche, technische, etc. Rahmengedingungen“

(Thaler 2005: 23) immer beim Konzessionsgeber angesiedelt. Somit hat z. B. ein Ausfall des Mauterhebungssystems keine Auswirkungen auf die Vergütung des PPP-Partners.

Die Allokation anderer Risiken innerhalb des Projektes ist in der folgenden Tabelle dargestellt:

Tabelle 12: Risikoallokation im Projekt „Ostregion“

Risiko Risikobeschreibung KG KN/KG KN

Genehmigungs-risiko § 4 Verordnung

Für die gegenständlichen Projektabschnitte ist eine § 4 Verordnung nicht im geplanten

Zeitraum zu erhalten

X

Baukostenrisiko Generelle Überschreitung der Baukosten X Auflagenrisiko Ungeplante Auflagen aus den

Materienrechtsverfahren, sowie Auflagen, die aus umwelttechnischen, verkehrstechnischen sowie sicherheitstechnischen Notwendigkeiten

erlassen werden

X

Betriebsrisiko Sämtliche Risiken der technischen und betriebswirtschaftlichen Betriebsabwicklung

X

Verkehrs-mengenrisiko

Abweichungen der tatsächlichen Verkehrszahlen von den Prognosedaten

X

Verfügbarkeits-risiko

Die Verfügbarkeit der Strecke ist nicht bzw.

nicht im geplanten Umfang gegeben

X Mautrisiko Beeinflussung der Mautentgelte durch

wirtschaftliche, rechtliche, technische, etc.

Rahmenbedingungen

X

Risiko der Änderung der Rahmenbedin-gungen

Änderungen der technischen, politischen, rechtlichen, etc. Rahmenbedingungen

beeinflussen den Projektverlauf

X

Baugrundrisiko Unvorhergesehene Ereignisse durch (schlechte) Bodenbeschaffenheit

X Quelle: Thaler (2005 : 23)

Ziele der öffentlichen Hand

Mit der Realisierung von PPP-Projekten verfolgt die ASFiNAG verschiedene Ziele.

Zunächst ist dabei zu berücksichtigen, dass die ASFiNAG die Ziele und somit die Aufträge der Politik umzusetzen hat. Die Durchführung des Teilnetzes „Ostregion“ als Konzessionsmodell erfolgt dabei infolge eines politischen Beschlusses auf Kabinettsebene, so dass die ASFiNAG in der Wahl ihrer Mittel nicht mehr als frei zu bezeichnen ist. Unabhängig davon setzt sich die ASFiNAG jedoch auch eigene Ziele, die sie bei der Umsetzung von Projekten erreichen möchte:

„Aufbau von alternativen Wettbewerbsstrukturen zu Errichtung und Betrieb von Bundesstraßen – Benchmark

Optimierung der Kosten für ASFiNAG / Bund bei der Errichtung von Verkehrsinfrastruktur – Kostensicherheit

Positiver Input für die Kernaufgaben Bau und Betrieb durch die Hereinnahme privater Partner und deren Know-How

Chance für ASFiNAG-Kunden, noch schneller bessere und kostengünstigere Straßen zu erhalten“ (Thaler 2005: 18).

Während der erste und der dritte Punkt eher einen einzuleitenden Prozess beschreiben, sind der zweite und der vierte Punkt unmittelbar anhand der privaten Angebote zu testen. Daher wurde von der ASFiNAG das operationelle Ziel des „Value for Money“

aufgestellt, bei dem es sich um ein erweitertes Wirtschaftlichkeitsprinzip handelt: nicht das billigste Gebot bzw. die billigste Variante ist automatisch die vorzuziehende, sondern diejenige, bei der Kosten und empfangene Leistungen in einem möglichst positiven Verhältnis stehen. Dabei werden die barwertigen Kosten des herkömmlichen Projektes mit dem Barwert der PPP-Angebote verglichen, wobei auch die transferierten und die zurückbehaltenen Risiken bewertet werden. Eine Vergabe des Projektes erfolgt nur, wenn eine Vorteilhaftigkeit des PPP-Projektes im Sinne eines besseren „Value for

Money“ als bei der klassischen Beschaffungsvariante erwiesen ist (vgl. Thaler 2005:

20).

Akteursstruktur

Wie bereits oben dargestellt, tritt bei den österreichischen PPP-Projekten infolge der Übertragung des Fruchtgenussrechtes die ASFiNAG als Konzessionsgeberin auf.

Dennoch sind im Vorfeld der Projektrealisierung auch andere – insbesondere politische – Akteure an zentraler Stelle beteiligt. Die Beschlussfassung auf dem Weg zu einem PPP-Projekt ist dabei exemplarisch für die Aufgabenteilung zwischen Politik und ASFiNAG im Rahmen des Institutionengefüges im österreichischen System der Bereitstellung von Bundesfernstraßen (vgl. zum Folgenden auch Thaler 2005: 8).

Zunächst wurde ein Grundsatzbeschluss zur Realisierung von PPP-Projekten im Jahre 2002 bei der Aufstellung des Generalverkehrsplanes (GVP) vom Bundeskabinett (Ministerrat) getroffen (vgl. Thaler 2005: 8). In diesem Ministerratsbeschluss erfolgte auch ein deutlicher Hinweis auf die verstärkte Einbindung Privater bei der Realisierung von Projekten.85

Im Anschluss daran wurde ein weiterer Anstoß zur Nutzung von PPP-Lösungen zur Bereitstellung von Verkehrsinfrastruktur von der „Arbeitsgruppe Verkehrsinfrastrukturfinanzierung“ gegeben, die ihren Endbericht im August 2002 vorlegte (vgl. Arbeitsgruppe Verkehrsinfrastrukturfinanzierung 2002). An dieser Arbeitsgruppe wirkten neben dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) unter anderem auch das Bundesministerium für Finanzen, die ASFiNAG, die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft (SCHIG) sowie verschiedene Arbeitgeberverbände mit. Die Arbeitsgruppe empfahl im Ergebnis, die Anwendung von PPP-Projekten im Straßenbereich „unverzüglich“ (Arbeitsgruppe Verkehrsinfrastrukturfinanzierung 2002: 41) zu prüfen und identifizierte darüber hinaus sechs Beispielprojekte, für die eine solche Prüfung durch die ASFiNAG durchgeführt werden sollte. Des Weiteren wurde empfohlen, alle Projekte des Generalverkehrsplanes auf ihre PPP-Eignung zu überprüfen, wobei „die Nicht-Anwendung eines PPP-Modells

85 „Wo immer es möglich ist, müssen neue Finanzierungsquellen für die Verkehrsinfrastruktur erschlossen werden, etwa durch private Beteiligungen und Interessenträgerschaften“ (zit. n.

Mayerl / Ramaseder 2004: 124).

begründet werden“ (ebd.) sollte. Faktisch handelt es sich hierbei um eine Umkehrung der Beweislast zugunsten von PPP-Projekten (vgl. Mayerl / Ramaseder 2004: 97). Die ASFiNAG selbst positionierte sich im Rahmen der Arbeiten der Arbeitsgruppe eindeutig kritisch zum Potential von PPP-Projekten. Dies wird aus der

„Zusammenfassenden Beurteilung der ASFiNAG“ (Arbeitsgruppe Verkehrsinfrastrukturfinanzierung 2002: 40) deutlich:

„Dort wo die ASFINAG sich mit neuen Risikokategorien wie z. B.

Technologierisiken der Lkw-Maut konfrontiert sieht, lohnt es sich nach Partnern zu suchen, die über bessere Möglichkeiten verfügen mit diesen Risiken umzugehen. Sie können dann die Risikoprämien minimieren und dadurch die Gesamtkosten für den Nutzer verringern. Diese Vorteile können allerdings nur dann lukriert werden, wenn die Wahl des Partners über einen sehr umfassenden, aber transparenten Leistungswettbewerb erfolgt.

Für den Planungs- und Betreiberprozess eines Autobahnteilstückes sind diese Vorteile noch nicht erkennbar bzw. nachvollziehbar, was für die ASFINAG Anlass ist, die Diskussion über alternative Formen der Leistungserbringung offensiv zu führen und bereits erfolgreiche Projekte bezüglich der Übertragung für den Bereich der Bewirtschaftung des hochrangigen Straßennetzes zu überprüfen, um auch über diesem Wege verstärkt Wettbewerb in den Leistungsprozess zu integrieren.

Möglichkeiten zur Nutzung von PPP-Projekten bei der Straßeninfrastruktur sieht die ASFINAG grundsätzlich in den Bereichen Telematik, Kommunikationseinrichtungen, Verkehrsleitsysteme oder nach dem Beispiel des Projekts des multifunktionalen Lärmschutzes in Gleisdorf. Ziel könnte also sein, dass sich die ASFINAG auf ihre Kernaufgaben konzentriert. Dieses Ziel verfolgt die ASFINAG bereits derzeit, indem sie sich für Planung und Bauausführung der Ämter der Landesregierungen bedient“ [Hervorhebungen durch den Verfasser].

Im „Lenkungsausschuss PPP“ des BMVIT, der aus Vertretern des Ministeriums selbst, der ASFiNAG, der Industrie, der Bundesländer Wien und Niederösterreich sowie der Finanzwirtschaft bestand (vgl. Mayerl / Ramaseder 2004: 126), wurde dann 2003 über

die grundsätzliche Realisierungsform von Projekten entschieden, wobei sowohl ein Gesellschaftsmodell86 als auch ein Konzessionsmodell87 geprüft wurden. Die Prüfkriterien waren dabei u. a. das Vergaberecht, der Vergabeumfang, die Finanzierung, die Möglichkeit der beschleunigten Projektrealisierung, der Risikotransfer sowie die Auswirkung auf die Verschuldung des Staates. Bei der Prüfung dieser Kriterien wurden auch externe und internationale Gutachter und Experten hinzugezogen. Die oben skizzierte ablehnende Haltung der ASFiNAG hatte sich zu diesem Zeitpunkt abgeschwächt, was unter anderem an den „erlangten Erfahrungswerten aus der Zusammenarbeit mit Europpass zum Zweck der Einführung der fahrleistungsabhängigen Lkw-Maut“ (Mayerl / Ramaseder 2004: 126) lag. Die ASFiNAG schlug hierbei auch den Zuschnitt des Projektes „Ostregion“ vor.

Vom „Steering Committee PPP“, das im Auftrag des BMVIT die Ergebnisse des Lenkungsausschusses prüfte, wurde im Oktober 2003 auf Basis dieser Vorarbeiten dann vorgeschlagen, ein Konzessionsmodell zu realisieren. Dieser Vorschlag wurde im Dezember 2003 vom Ministerrat in einem Beschluss bestätigt. Dem folgte dann ein entsprechender Auftrag an die ASFiNAG sowie die Aufstellung des ASFiNAG PPP-Projektteams. Innerhalb dieses Projektteams (vgl. zum Folgenden Mayerl / Ramaseder 2004: 129) bearbeiten sechs Mitarbeiter in drei Arbeitsgruppen die Themenbereiche Infrastruktur, Betriebswirtschaft und Recht. Dabei werden externe Berater hinzugezogen. Das Projektteam berichtet einem Lenkungsausschuss aus BMVIT und Bundesfinanzministerium, der in dem oben genannten Ministerratsbeschluss eingerichtet wurde. Umgekehrt berät dieser Lenkungsausschuss das Projektteam und gibt Empfehlungen ab.