• Keine Ergebnisse gefunden

2 LITERATURÜBERSICHT

2.1 Kokzidiose des Huhnes

2.1.3 Erscheinungsformen der Kokzidiose und Bekämpfungsmethoden

Eimeria tenella-Infektionen manifestieren sich in der intensiven Geflügelhaltung in unterschiedlicher Form: Bei der klinischen Kokzidiose treten eine hohe Morbidität und Mortalität, Diarrhoe und blutige Fäzes als deutliche Krankheitsanzeichen auf.

Durch Verbesserungen in der Geflügelhaltung und der Tierernährung sowie durch den regelmäßigen Einsatz von Antikokzidia sind klinische Ausbrüche der Kokzidiose in den letzten Jahren jedoch eher selten geworden. Bei der subklinischen Kokzidiose dominieren hingegen reduzierte Gewichtszunahmen und eine verminderte Futterverwertung das Infektionsgeschehen, so dass die Leistung der Tiere zurückgeht und finanzielle Einbußen für die Geflügelindustrie entstehen. Diese Form der Kokzidiose ist sehr häufig und stellt eine der bedeutendsten Geflügelerkrankungen weltweit dar. Im Gegensatz dazu sind bei Eimerieninfektionen mit sehr geringen Oozystenzahlen teilweise gar keine negativen Effekte auf die Gesundheit und die Leistung der Tiere zu beobachten. Durch die Ausbildung einer (partiellen) Immunität haben solch milde Infektionen sogar positive Auswirkungen auf die Widerstandsfähigkeit der Tiere (SALISCH et al. 1989; WILLIAMS 1999; HAUG et

al. 2008). Die Balance zwischen der Entstehung einer subklinischen Kokzidiose mit Leistungsrückgang und einer milden Infektion zur Ausbildung einer belastbaren Immunität ist jedoch schwer zu halten: Beispielsweise birgt die Verabreichung nur wenig effektiver Arzneimittel oder effektiver Antikokzidia in suboptimalen Dosen stets das Risiko eines verlustreichen Kokzidioseausbruchs, und auch der Verzicht auf Chemotherapeutika mit dem Ziel einer Durchseuchung des Bestandes kann beim Versagen der notwendigen Hygiene- und Managementmaßnahmen schwerwiegende Folgen haben (SHIRLEY et al. 2005).

Unter den gegebenen Umständen der intensiven Geflügelhaltung durchläuft jedes Huhn während seines Lebens mindestens eine Eimerieninfektion, so dass eine wirksame Prophylaxe unumgänglich erscheint. Diese stützt sich bei Broilern derzeit auf eine kontinuierliche, prophylaktische Verabreichung von Antikokzidia über das Futter (HAUG et al. 2008). Die zugelassenen Präparate müssen jedoch unter Einhaltung der vorgeschriebenen Wartezeiten einige Tage vor der Schlachtung abgesetzt werden. Verwendung finden Antikokzidia aus unterschiedlichen Wirkstoffgruppen, wie z.B. Diclazuril als Triazinderivat und Salinomycin aus der Gruppe der ionophoren Polyäther-Antibiotika, die seit den 1970er Jahren die medikamentelle Kokzidiosebekämpfung dominieren. Trotz ihres Einsatzes in verschiedenen Rotations- und Shuttle-Systemen breiten sich allerdings Resistenzen von Eimerien gegenüber einzelnen oder mehreren antikokzidiellen Wirkstoffen immer mehr aus, so dass eine ständige, kostenintensive Weiterentwicklung der Antikokzidia erforderlich ist (CRANE et al. 1991; SHIRLEY 1992; CHAPMAN 1998; KLOTZ 2005).

Während beispielsweise zur Entwicklung einer Resistenz gegenüber Chinolonen eine einzige Passage des Parasiten ausreicht, entwickelt sich eine Resistenz gegenüber Ionophoren erst nach einigen Eimeria-Entwicklungszyklen, da wahrscheinlich mehrere Mutationen des Parasiten notwendig sind (BLAKE et al.

2006b). Neben der Resistenzentwicklung limitieren weiterhin die Gesetzgebung und die wachsende Sorge des Verbrauchers vor Arzneimittelrückständen den Einsatz von Arzneimitteln beim Huhn als lebensmittellieferndes Tier (SHIRLEY 1992; HAFEZ 2008; HAUG et al. 2008). So sollen auf Basis der Verordnung (EG) Nr. 1831/2003 Kokzidiostatika, „Stoffe zur Abtötung oder Wachstumshemmung von Protozoen“, ab

dem Jahr 2012 nicht mehr als Futtermittelzusatzstoffe verwendet werden. Die Zulassungen der entsprechenden Präparate wurden auf 10 Jahre begrenzt, so dass die Auswahl an verfügbaren Wirkstoffen weiter eingeschränkt wird und in absehbarer Zeit alternative Strategien zur Bekämpfung der Kokzidiose verfolgt werden müssen.

Eine Möglichkeit zur wirksamen Bekämpfung von Eimerieninfektionen stellt die Immunisierung der Tiere dar. Während sich eine passive Immunisierung mittels Antikörpern noch in der experimentellen Phase befindet (siehe 2.3.3), sind verschiedene Vakzinen zur aktiven Immunisierung von Geflügel gegen Eimerien bereits im Handel erhältlich und in weltweitem Einsatz. Die ersten Vakzinen gegen die Kokzidiose des Huhnes wurden aus Wildtypisolaten hergestellt und kamen schon vor über 50 Jahren auf den Markt. Allerdings bestand damals noch eine relativ hohe Gefahr von Krankheitsausbrüchen durch die Impfstämme (SHIRLEY et al. 2005).

Heute gehören zur Gruppe der konventionellen Kokzidienimpfstoffe nicht attenuierte und attenuierte Lebendvakzinen. Eine Impfung mit Lebendvakzinen bietet dabei die Vorteile, dass eine einmalige Vakzinierung zur Ausbildung einer protektiven Immunität ausreicht und dass die Vermehrung der Erreger in mehreren Entwicklungszyklen und die daraus resultierenden Reinfektionen zu einer starken humoralen und zellulären Immunantwort führen (CRANE et al. 1991; LILLEHOJ u.

LILLEHOJ 2000; SHAMS 2005).

Bei den nicht attenuierten Lebendvakzinen, wie z.B. Immucox® und Coccivac®, die ein Gemisch von Eimerienoozysten unterschiedlicher Spezies und Pathogenität enthalten, besteht weiterhin die Gefahr von Kokzidioseausbrüchen. Die Balance zwischen einer ausreichend hohen Infektionsdosis zur Induktion einer starken Immunantwort und einer zu hohen Pathogenität der Parasitenstadien einzelner enthaltener Spezies ist nur schwer zu halten (LILLEHOJ u. LILLEHOJ 2000;

SHIRLEY et al. 2005). Deshalb schritt die Entwicklung dieser nicht attenuierten Vakzinen weiter fort und neue Produkte, wie z.B. Nobilis CoxATM®, ADVENT® und Inovocox® sind seit Kurzem auf dem Markt (HAFEZ 2008). Im Vergleich dazu haben sich attenuierte Lebendvakzinen, wie z.B. Livacox® und die einzigen derzeit in Deutschland beim Huhn zugelassenen Eimerienimpfstoffe Paracox 5® und Paracox 8®, als besonders sicher und effizient erwiesen. Durch mehrfache Passagierung

wurden im Zuge der Herstellung frühreife Eimerien mit verkürztem Lebenszyklus und niedrigem Reproduktionspotenzial selektiert, die genetisch stabil sind und eine hohe Immunogenität besitzen, ohne dass es zu Reversionen kommt (LILLEHOJ u.

LILLEHOJ 2000; SHIRLEY et al. 2005; HAFEZ 2008).

Die Anwendung von Lebendvakzinen hat sich in Deutschland bislang vor allem in der Haltung von Zuchttieren und Legehennen durchgesetzt. Bezogen auf die Lebensdauer der Tiere ist eine Vakzinierung hier rentabel. Außerdem ist die Immunität der Tiere gegen Eimerieninfektionen während der Legeperiode wichtig, da in diesem Zeitraum keine Kokzidiostatika mehr angewendet werden dürfen (SHIRLEY et al. 2005). Bei Broilern hingegen ist die aktive Immunisierung aufgrund des höheren Kostenaufwands im Vergleich zur Verabreichung von Kokzidiostatika noch wenig verbreitet. Etwa 12 % der in Europa kommerziell produzierten Broiler werden allein durch aktive Immunisierung vor Kokzidieninfektionen geschützt (HAFEZ 2008). Durch die Impfung mit einer nicht attenuierten Lebendvakzine kann es, wie Versuche mit Immucox® zeigen (DANFORTH 1998), allerdings zu einem initialen Rückgang der Gewichtszunahmen - wahrscheinlich aufgrund des Entwicklungszyklus des Parasiten - kommen. Dass dieser durch die Tiere erst nach etwa vier Wochen wieder aufgeholt wird, ist insbesondere für die Kurzmast (32-34 Tage) von Nachteil. Die kombinierte Anwendung von Antikokzidia mit einem Impfstoff, der antikokzidia-resistente Eimerienstämme enthält, kann hier eine Lösung darstellen (DANFORTH 1998). Mit Lebendimpfstoffen immunisierte Tiere scheiden weiterhin Oozysten aus, so dass es zu deren Anreicherung im Stall kommen kann.

Dadurch können behandlungsresistente Parasitenstämme von den Impfstämmen verdrängt und deren Ausscheidung deutlich vermindert werden (HAFEZ 2008).

Trotzdem auftretende Feldinfektionen mit entsprechend geringen Oozystenzahlen sind sogar erwünscht, weil sie die Immunität der Tiere gegenüber diesen lokal vorhandenen Stämmen aufrechterhalten (SHIRLEY et al. 2005). Einen Nachteil des Einsatzes von Lebendimpfstoffen stellt der hohe Kostenaufwand für deren Produktion dar: Die Herstellung ist vor allem deshalb sehr teuer, weil die Impfstoffe Oozysten verschiedener Eimerienspezies enthalten müssen, die in ausreichender Zahl nur durch in ovo-Kultivierung oder durch Passagierung im Huhn gewonnen

werden können (KLOTZ 2005). Durch die hohe immunologische Diversität der einzelnen Stämme einer Eimerienspezies und deren unterschiedliche geographische Verteilung kann durch die produzierten Vakzinen eine protektive Immunität aller geimpften Tiere gegenüber Feldinfektionen dennoch nicht garantiert werden (DANFORTH 1998; JENKINS 1998; SHIRLEY et al. 2005).

Diesen Problemen versucht man durch die Entwicklung einer Generation neuartiger Impfstoffe zu begegnen, zu denen Subunit-, DNA-, und Vektor-Vakzinen sowie rekombinante Impfstoffe gehören (SHAMS 2005). Als Subunit-Vakzine wurde z.B.

kürzlich CoxAbic®, ein auf einem Gametozytenantigen von E. maxima basierender Impfstoff zur Immunisierung von Elterntieren, in den Handel gebracht (HAFEZ 2008).

DNA-Vakzinen bieten wiederum die Vorteile, dass sie sehr stabil sind, nicht gekühlt werden müssen und sowohl eine humorale als auch eine zelluläre Immunantwort induzieren. Die rekombinante DNA-Technologie eröffnet dabei theoretisch die Möglichkeit zu einer effektiven Expression immunodominanter Antigene (KLOTZ 2005; SHAMS 2005). Allerdings stellt die Identifizierung geeigneter Antigene zur Induktion einer protektiven Immunität gegenüber verschiedenen Entwicklungs-stadien, Stämmen und Spezies bei Eimerieninfektionen eine kritische Hürde dar (JENKINS 1998; LILLEHOJ u. LILLEHOJ 2000; SHIRLEY et al. 2005), die zur Entwicklung neuartiger Vakzinen überwunden werden muss. Deshalb sollte eine wirksame rekombinante Eimerienvakzine z.B. Antigene aus verschiedenen Entwicklungsphasen des Parasiten beinhalten, wobei hier besonders die an der Invasion beteiligten Antigene der frühen Entwicklungsstadien im Mittelpunkt der Forschung stehen: Dazu gehören Proteine des Apikalkomplexes und Oberflächenproteine, die direkt mit der Wirtszelle interagieren (JENKINS 1998;

LILLEHOJ u. LILLEHOJ 2000; KLOTZ 2005). Mit Hilfe fünf neu charakterisierter, monoklonaler Antikörper ist es beispielsweise CONSTANTINOIU et al. (2003) gelungen, Antigenepitope des Apikalkomplexes verschiedener Eimerienspezies des Huhnes zu identifizieren. Einige dieser Epitope waren bei mehreren Spezies vorhanden, und einer der eingesetzten monoklonalen Antikörper (mab 8E-1) konnte sogar an die Sporozoiten aller beim Huhn bekannten Eimerienspezies binden. Die beschriebenen Antigene stellen somit Kandidaten für eine rekombinante Vakzine dar,

die eine Kreuzimmunität gegen mehrere Eimerienspezies auslösen könnte. Auch das Antigen GX3262 konnte bei Immunisierungsversuchen eine Kreuzimmunität der Hühner gegen Parasiten der Spezies Eimeria tenella und Eimeria acervulina hervorrufen, so dass infizierte, immunisierte Tiere weniger Darmläsionen ausbildeten als nicht immunisierte Kontrolltiere (BHOGAL et al. 1992). Ebenso führte eine Immunisierung von Hühnern mit dem in E. coli exprimierten Fusionsprotein CheY-SO7’, das auf einem Antigen von E. tenella basiert, zu einer Kreuzimmunität gegen die heterologen Spezies E. acervulina, E. maxima und E. necatrix (CRANE et al.

1991). Die genannten Beispiele legen nahe, dass die Entwicklung einer wirksamen, monovalenten Vakzine gegen mehrere Eimerienspezies nicht unmöglich ist.

Andererseits haben Immunisierungsversuche mit einzelnen Antigenen bisher gezeigt, dass viele von diesen nur zur Ausbildung einer partiellen Immunität gegenüber den zugehörigen homologen und/oder heterologen Spezies führten (CRANE et al. 1991; BHOGAL et al. 1992; LILLEHOJ u. LILLEHOJ 2000; SHIRLEY et al. 2005). Beispielsweise applizierten KIM et al. (1989) Hühnern per os einen E. coli-Stamm als Vektorvakzine: Dieser enthielt ein Plasmid zur Codierung eines E. acervulina-Oberflächenantigens, das auf diese Weise dem Immunsystem des Wirts präsentiert wurde. Die Tiere bildeten jedoch nur eine partielle Immunität aus, die bei einer Belastungsinfektion zur Reduzierung der Oozystenausscheidung um etwa 50 % führte. Das Erreichen solch einer partiellen Immunität durch neuartige Vakzinen kann allerdings bisher nicht mit dem Schutz konkurrieren, der durch eine Immunisierung mittels Lebendvakzinen oder die Anwendung von Antikokzidia beim Broiler gewährleistet wird.

Für die Broilermast gibt es somit zwar interessante neue Forschungsansätze zur Kokzidienbekämpfung, jedoch noch keine konkurrenzfähigen Alternativen zum Einsatz von Antikokzidia. Neben der Weiterentwicklung der aktiven Immunisierung mittels Lebendvakzinen oder rekombinanten Impfstoffen könnte sich in Zukunft auch die lokale passive Immunisierung zu einer solchen alternativen Bekämpfungsstrategie entwickeln, wie im folgenden Kapitel erläutert werden wird.